Der zauberhafte Papierladen in Amalfi - Roberta Gregorio - E-Book
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Der zauberhafte Papierladen in Amalfi E-Book

Roberta Gregorio

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Beschreibung

Auf nach Amalfi, auf zu Vino, Gelato und Amore! Als Carolina von ihrer großen Liebe Bernardo verlassen wird, schwört sich die Besitzerin einer reizenden Papeterie, nie wieder ein Wort mit ihm zu wechseln. Warum auch? Sie ist jetzt mit dem Konditor Aldo zusammen und Bernardos Rückkehr ist ihr vollkommen gleichgültig. Zwar versucht er alles, um Carolina zurückgewinnen und wiedergutzumachen, dass er sie damals so verletzt hat, aber sie lässt ihn abblitzen. Zu groß ist ihre Angst, wieder von ihm enttäuscht zu werden. Dass Aldo in puncto Leidenschaft Bernardo niemals das Wasser reichen wird, ignoriert sie geflissentlich … Zum Glück hat sie ihre geliebten Amalfi-Papiere und ihre besten Freundinnen, die ihr in dem Gefühlschaos beistehen.

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Der zauberhafte Papierladen in Amalfi

Die Autorin

Roberta Gregorio wurde 1976 im schönen Fürstenfeldbruck in Bayern geboren und ist dort direkt an der Amper aufgewachsen. Auch heute lebt sie mit ihrer Familie am Wasser, nur nicht mehr am Fluss, sondern am Meer, genauer in Süditalien. Gleich geblieben ist ihre große Leidenschaft für Worte, Texte und Manuskripte. Wenn sie nicht schreibt oder liest, übersetzt sie auch gerne. Braucht sie trotzdem mal eine kurze Pause, dann geht sie an den Strand und lässt die Seele baumeln, denn die Sache mit dem Dolcefarniente, die kann sie besonders gut.

Das Buch

Als Carolina von ihrer großen Liebe Bernardo verlassen wird, schwört sich die Besitzerin einer reizenden Papeterie, nie wieder ein Wort mit ihm zu wechseln. Warum auch? Sie ist jetzt mit dem Konditor Aldo zusammen, und Bernardos Rückkehr ist ihr vollkommen gleichgültig. Zwar versucht er alles, um Carolina zurückzugewinnen und wiedergutzumachen, dass er sie damals so verletzt hat, aber sie lässt ihn abblitzen. Zu groß ist ihre Angst, wieder von ihm enttäuscht zu werden. Dass Aldo in puncto Leidenschaft Bernardo niemals das Wasser reichen wird, ignoriert sie geflissentlich … Zum Glück hat sie ihre geliebten Amalfi-Papiere und ihre besten Freundinnen, die ihr in dem Gefühlschaos beistehen.

Roberta Gregorio

Der zauberhafte Papierladen in Amalfi

Roman

Ullstein

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© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®, MünchenAutorinnenfoto: © Eleonora FerollaE-Book-Konvertierung powered by pepyrus

ISBN 978-3-8437-2791-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Zeitungsartikel und Anzeigen

Amalfi Oggi

Social Media

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

»Du kommst nicht mit?«

Der verletzte Ausdruck auf Bernardos Gesicht brach Carolina endgültig das Herz, obwohl es schon angeknackst war, seitdem er ihr von seinem Wunsch erzählt hatte, Amalfi zu verlassen.

In mehr als zehn Jahren Beziehung hatten Carolina und Bernardo nie ernsthaft gestritten. Das Fernsehprogramm, der bequemere Platz auf der Couch oder wer morgens zuerst ins Bad durfte – das waren bisher die Gründe ihrer harmlosen Zankereien gewesen. Und jetzt ging es plötzlich um alles. Oder nichts.

Für Carolina kam Bernardos Wunsch, ihrem kleinen Heimatort an der wohl schönsten Küste Italiens für immer den Rücken zu kehren, wie aus heiterem Himmel. Für sie war klar gewesen, dass sie eines Tages heiraten würden und Carolina in ihrem Laden im Zentrum Amalfis weiterarbeiten würde, während Bernardo mit seiner Cousine Livia im Eiscafé nebenan wie gehabt hochwertige Zutaten in großartige Eiskreationen verwandelte. Und Carolina liebte alles an diesem Plan, immer schon. Doch plötzlich sah Bernardo das anders, plötzlich wollte er die Welt erkunden, Großstadtluft schnuppern, sich im Ausland in fremden Sprachen unterhalten und einen Ort finden, an dem er glücklich werden konnte. Als wäre er es davor nie gewesen …

»Was soll ich denn auf deine Frage antworten? Hm? Du weißt, dass ich hierbleiben muss. Ich kann doch meine Cartiera nicht aufgeben!« Es ging nicht nur um ihre Beziehung, sondern auch um ihren Laden, in dem sie Schreibwaren aus hochwertigem Amalfi-Papier verkaufte und den sie in dritter Generation führte. Der Laden war ihr ganzer Stolz.

Carolina war auf einmal so müde, ihr fehlte jede Kraft. Sie setzte sich auf den Küchenstuhl. Bernardo kam auf sie zu, stellte sich vor sie, ganz dicht, hob ihr Kinn, sah sie an, legte seine Hand an ihre Wange, vergrub die Fingerspitzen in ihrem langen, welligen Haar, das er so sehr liebte.

Die Liebe war nicht das Problem, denn sie war da. Groß und warm und stark. Nur vielleicht nicht stark genug? Gern hätte Carolina ihre Arme gehoben, um ihn zu berühren, irgendwo am Bauch. Um mit ihren Fingern über seine Bauchmuskeln zu fahren, bis er Gänsehaut bekam. Aber es ging nicht. Ihre Arme lagen in ihrem Schoß wie vom Wind umgewehte Gräser. Sie atmete seinen Duft ein.

»Für den Laden lässt sich sicher eine Lösung finden. Oder etwa nicht?« Eigentlich hatte er recht. Trotzdem hasste sie, was er sagte, und liebte zugleich seine Berührungen. Das war verwirrend.

»Als ob das so einfach wäre. Du drehst dir alles zurecht …«

Er nahm die Hand von ihrer Wange. »Tue ich das?«

»Ja, verdammt!«

»Ich drehe nichts. Ich will einfach nur hier weg. Was ist falsch daran, dass ich Erfahrungen sammeln möchte, die nichts, aber auch gar nichts mit Amalfi, dem Meer und der ganzen Küste zu tun haben? Caro, mir fällt das Atmen manchmal schwer, verstehst du das? Mir ist das hier zu eng, zu klein. Als hätte ich Platzangst.« Er wedelte mit den Händen und fächelte sich Luft zu. »Geht dir das nie so?«

Carolina schloss die Augen, als könnte sie auf diese Weise auch die Gefühle ausschalten. »Nein. Mir passiert das nie. Amalfi macht für mich alles vollkommen, alles schöner.« Sie schluckte schwer, denn er stand noch immer ganz dicht bei ihr, und seine körperliche Nähe war nicht einfach zu ignorieren. Sie sehnte sich nach ihm – eigentlich immer, wie am ersten Tag. Doch sie musste Distanz zwischen sich und ihn bringen. Sie konnte nicht vernünftig denken, wenn er ihr so nah war.

»Ja, aber wäre Amalfi auch ohne mich schön? Fragst du dich das nicht?« Sie hörte ihm an, dass er verzweifelt war. Und das wollte sie nicht. Deshalb musste sie ehrlich sein.

»Doch, das tue ich. Und die Antwort ist, dass Amalfi wundervoll ist. Ganz unabhängig davon, wer hier ist und wer nicht.«

»Was willst du damit sagen?«

»Ich will damit sagen, dass du gehen solltest, wenn es dein Wunsch ist. Ich kann und will dich nicht zurückhalten. Irgendwann würdest du es mir vorwerfen.«

»Caro …« Er fuhr sich hilflos über seine kurz rasierten Haare.

»Nein, wirklich … Ich meine es ernst. Du weißt sicher am besten, was gut für dich ist.« Während sie das sagte, fiel ihr auf, dass sie bisher davon ausgegangen war, auch zu wissen, was ihrem Freund guttat … Wie falsch hatte sie gelegen! Und wie ungewohnt sich das anfühlte, seine Wünsche nicht mehr richtig zu kennen.

»Wie stellst du dir das vor? Was wird aus uns?«

Sie zog die Schultern hoch. »Es kann kein Uns geben, wenn du gehst«, flüsterte sie. Es tat so weh, diesen Satz auszusprechen, dass Carolina sich im Stuhl zurücklehnen musste.

Er verharrte einige Momente wie versteinert, drehte sich dann von ihr weg und ging zur Haustür, machte sie auf und warf sie donnernd hinter sich zu.

Kapitel 1

»Die beste Freundin erkennt man daran, dass sie am lautesten lacht, obwohl sie deinen Witz schon kennt.«

Spruch aus der neuen Kartenkollektion Amiche aus edlem Amalfi-Papier, mit Zeichnung, exklusiv in der Cartiera Cavaliere erhältlich.

Amalfi, etwas mehr als ein Jahr später

Musik lag in der Luft. Es war traditionelle fröhliche Straßenmusik, die durch Carolinas offene Ladentür direkt zu ihr hineindrang. Ein Musiker, der inzwischen jeden Tag hierherkam, sang an der Straßenecke neapolitanische Klassiker, die Carolina geistesabwesend mitsummte. Sie lächelte, als sie sah, dass sich ein älteres Paar, das sich in ihrem kleinen Papierladen gerade Postkarten ansah, leicht im Takt der Musik bewegte. Vermutlich unbewusst taten sie es mit fast identischen Bewegungen. Carolina musste wegsehen, denn sie vermisste diese Art von trauter Zweisamkeit so sehr, dass ihr schwer ums Herz wurde. Mit Aldo, ihrem Freund, lief es in letzter Zeit nicht besonders gut. Sie hatten nicht gestritten, allerdings auch nicht gelacht oder sich amüsiert oder … na ja, sich im Gleichtakt zur Musik bewegt. Sie hatte sich vorgenommen, mit ihm zu sprechen, mit ihm zu klären, wo genau sie standen, doch verschob sie dieses Gespräch immer wieder. Und Aldo suchte es erst recht nicht. Stattdessen rief er sie seltener an, schob die Arbeit vor und bemühte sich immer weniger um sie.

Carolina seufzte, strich gedankenverloren mit den Fingerspitzen über das Holz ihres Verkaufstresens. Es war nicht glatt, aber sie liebte das schwere antike Material. Es war eine Herausforderung, mit einem Laden, der nur so von Erinnerungsstücken und Familientraditionen überquoll, auch in der Gegenwart und möglichst weit in die Zukunft hinein erfolgreich zu sein. Vor allem mit einem Produkt, das mitunter altbacken wirken konnte. Das dicke, hochwertige Amalfi-Papier aus Baumwoll-, Hanf- und Leinengewebe, das Carolina in ihrem Laden verkaufte, bezog sie aus einem Familienbetrieb, der sich seit Jahrhunderten im amalfitanischen Valle dei Mulini befand. Dort wurde das Büttenpapier, das Carolina so sehr liebte, noch fast genauso hergestellt wie früher. Der Prozess des Zermalmens von Gewebe, aus dem das Papier dann entstand, wurde zum Beispiel nach wie vor im ursprünglichen Steinbecken vorgenommen, in dem sich riesige, mit Wasserkraft angetriebene Malsteine rotierend bewegten. Carolina hatte sich den Vorgang schon oft angeschaut, die Faszination war noch genauso groß wie beim ersten Mal. Doch sosehr sie das dicke Papier liebte, so sehr wusste sie auch, dass es irgendwann nur noch für Hochzeitseinladungen verwendet werden würde – wenn überhaupt. Und das wollte Carolina nicht hinnehmen.

Deshalb hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, wie man das Amalfi-Papier auch anderen Kunden schmackhaft machen konnte. Ihr waren beim Grübeln unzählige lustige Sprüche eingefallen, die sie mit ihren besten Freundinnen in Verbindung brachte und mit denen sie die Karten hübsch illustrierte. Ein frecher Spruch und ein kleines Aquarell dazu waren das, wovon Carolina sich einen Wandel versprach. Die Kombination aus edlem Papier aus anderen Zeiten und modernem Konzept und Design würde neue Kunden ansprechen. Dass ihre Freundinnen Livia und Diletta auch zu ihrer Innovation beigetragen hatten, war ein hübscher Nebeneffekt des Projekts.

Als hätte sie die beiden mit dem Gedanken herbeigerufen, schneiten die jungen Frauen genau in dem Moment in Carolinas Cartiera herein. Livia, die Eismacherin, und Diletta, die Besitzerin des Zitronenladens. Alle drei hatten sie ihre Geschäftsräume nebeneinanderliegend im Erdgeschoss des Palazzo La Fontana, direkt an Amalfis Piazza Duomo.

»Wenn das so weitergeht, wird der Straßenmusiker zu einer Institution hier«, kommentierte Diletta augenrollend, ohne Carolina zu begrüßen. Das brauchte sie auch nicht, denn sie hatten schon am Morgen zusammen ihren Kaffee bei Sal, ihrem Lieblingsbarista, getrunken. Das war eine lieb gewonnene Tradition, ein Moment, den sie sich, sooft es ging, nahmen, um ihre Freundschaft zu pflegen, sich zu unterhalten und daran festzuhalten, dass sie immer aufeinander zählen konnten.

Obwohl Diletta schmollte, sah sie – wie immer – umwerfend aus. Sie war eine mediterrane Schönheit, doch Carolina, die sich immer etwas zu rundlich fand, war nicht neidisch. Wie könnte sie auch? Diletta war zwar ein sehr direkter Mensch, aber auch gleichzeitig so herzensgut, dass man ihr nichts übel nehmen konnte. Man musste sie einfach lieben.

»Stört der Musiker dich? Also, ich finde ihn super!« Livia drückte Carolina einen Kuss auf die Wange und schob sich mit einem Finger den Pony, der ihr fast bis in die blauen Augen reichte, von der Stirn. Früher hatte sie ihr Haar kürzer getragen. Doch seit sie mit Mario, einem Italiener aus dem Norden, in den sie sich während seines Sommerurlaubs verliebt hatte, zusammen war, erschien alles an ihr irgendwie weicher, nicht mehr so streng und kontrolliert.

»Super finde ich ihn abends nach acht.«

»Da ist er doch schon weg.«

»Eben!«

Carolina kicherte. Obwohl sie Diletta und Livia jeden Tag sah und dabei nicht selten Zeugin eines solchen Schlagabtauschs wurde, fand sie ihre Freundinnen nach wie vor erheiternd. »Ich mag ihn eigentlich auch«, brachte sie sich ein. »Und den Touristen gefällt er sowieso. Das ist noch immer das Wichtigste, oder?«

Diletta nickte widerwillig, Livia hob den Daumen. »Unbedingt!«, betonte sie. Dann blickte sie auf ihre Armbanduhr. Sechzehn Uhr. »Sollen wir los?«

Carolina erhob sich von ihrem Hocker. Das ältere Ehepaar war gegangen, ohne etwas zu kaufen, es waren keine weiteren Kunden mehr da. Am frühen Nachmittag wurde es etwas ruhiger im Zentrum von Amalfi. Es war zu heiß zum Shoppen, die meisten Gäste zogen sich nach einem leichten Essen zurück auf ihre Zimmer, um dann ausgeruht und gestärkt den Nachmittag am Meer oder am Pool zu genießen. Oder um im inzwischen schattigeren Ort Souvenirs oder Eis zu kaufen.

Ja, sie konnten definitiv Pause machen.

»Gerne!«, sagte Carolina deshalb. Sie folgte ihren Freundinnen ins Freie und schloss ab.

Draußen blickte Carolina über die Piazza Duomo. Der Marktplatz war komplett von der Sonne erfasst und erstrahlte in der Hitze geradezu. Es war so grell, dass Carolina blinzeln musste. Die monumentale Treppe mit ihren zweiundsechzig Stufen, die sich im Sommer anfühlen konnten wie sechshundertzwanzig, wie Carolina aus eigener Erfahrung wusste, und die zum Dom mit seiner schwarz-weißen Fassade führte, lag in der Sonne. Carolina liebte die amalfitanische Atmosphäre, diesen unvergleichlichen Charme, den der kleine Ort mit großer Geschichte ausstrahlte. Die Verbindung zwischen Steilhang, Mittelmeer und ruhmreichen Legenden war einzigartig, geradezu wundervoll. Und wundervoll belebend wirkten auch die Farben der vielen Sonnenschirme, die vor den Bars, Restaurants und Konditoreien der Piazza standen. Das Plätschern des nahe gelegenen Sant’Andrea-Brunnens klang heiter und erfrischend.

Heute waren die drei Freundinnen von Livias Großmutter Filippa und ihrem Freund Andrea auf ihr Boot eingeladen worden. Zum frühen Abendessen, aber auch, um etwas zu besprechen. Filippa hatte sich mysteriös gegeben und den Grund der Einladung nicht verraten. Natürlich hatten die Freundinnen Theorien aufgestellt. Sie waren zu dem Schluss gekommen, dass Filippa und Andrea endlich beschlossen hatten, wann sie heiraten würden, und dass sie das den drei Freundinnen offiziell mitteilen wollten. Die beiden waren im letzten Sommer zusammengekommen, und Andrea hatte wenig später schon um ihre Hand angehalten, aber Filippa hatte sich bisher nicht dazu entschließen können, Ja zu sagen.

»Wie sollen wir eigentlich reagieren, wenn sie uns zu ihrer Hochzeit einladen?«, wollte Carolina wissen, die mit ihren etwas kürzeren Beinen kaum nachkam, wenn Diletta und Livia mit großen Schritten die Piazza überquerten.

Livia gestikulierte etwas unbeholfen. »Überrascht?«

»Ja, auf jeden Fall«, pflichtete Diletta ihr bei.

Carolina blinzelte, die Sonne blendete sie.

»Na gut!«, sagte sie und stieß in diesem Moment mit einer Person zusammen. »Oh, Verzeihung!«, rief sie und schirmte ihre Augen ab. Jetzt erkannte sie erst, dass sie in eine blonde junge Frau gerannt war. Die Tasche war ihr aus der Hand gefallen, und nun verteilte sich deren Inhalt weit über den Boden. Carolina, Livia und Diletta bückten sich, um rasch alles aufzuheben.

»No problem!«, erklärte die Frau lächelnd, während sie gleichzeitig abwiegelte. »Ich habe nicht geschaut. Mein Fehler«, sprach sie in gutem Italienisch. Man hörte trotzdem ihren amerikanischen Akzent.

»Na ja. Ich bin auch eher wie ein blindes Huhn über die Piazza gelaufen«, gab Carolina zu und reichte der jungen Frau ihre Tasche. »Und ich bin übrigens Carolina, und das sind meine Freundinnen Diletta und Livia. Falls Sie während Ihres Aufenthalts in Amalfi irgendetwas brauchen sollten, Sie finden uns da vorne in den kleinen Läden.« Carolina zeigte mit dem Finger auf den Palazzo La Fontana.

»Entzückend!«, schwärmte die Frau. »Ich bin Rachel, bitte, gerne per Du. Und ich hoffe, etwas länger zu bleiben. Sicher werde ich euch einen Besuch abstatten.«

»Jederzeit!« Carolina hob die Hand zum Gruß, und gemeinsam mit ihren Freundinnen setzte sie ihren Weg zum Hafen fort, wo Filippa und Andrea auf ihrem Boot auf sie warteten.

Carolinas Lieblingsmonat war der Juli, weil dann der Sommer in Amalfi in vollem Gange war. Unzählige Boote und Jachten in allen möglichen Größen und Formen schaukelten sanft auf offener See und schienen eine Welt für sich zu bilden. Und Amalfi war vom Meer aus vielleicht noch schöner. Die bunten Häuschen, die sich so perfekt an die Felsen schmiegten, wirkten wie gemalt. Carolina hob den Saum ihres leichten Sommerkleides an und drehte sich so, dass die Sonne ihre Beine beschien. Sie war von Natur aus eher blass. Während Diletta nach einem Tag am Strand gebräunte Haut vorweisen konnte, verwandelte sie sich immer nur in eine reife Paprika. Trotzdem gab sie die Hoffnung nicht auf und versuchte immer wieder, die richtige Dosis Sonneneinstrahlung abzubekommen.

Sie hatten gerade das Essen beendet und nun mit einem kühlen Glas Prosecco in der Hand an Deck Platz genommen, um sich zu unterhalten. Während des Essens – drei Gänge frischer Fisch vom Feinsten – hatten sie nur über Belanglosigkeiten gesprochen. Sie wussten also noch immer nicht, was der Grund für ihre Einladung war. Carolina hielt ihr Glas fest in der Hand. Es fühlte sich angenehm kühl an. Und obwohl sie sonst nur selten Alkohol trank, nippte sie jetzt am Prosecco, der erfrischend auf ihrer Zunge prickelte.

»So lässt es sich aushalten …«, schwärmte Diletta und rekelte sich in der Sonne. Sie nahm einen Schluck frisch gepressten Orangensaft. Carolina wusste, dass ihre Freundin auf Alkohol verzichtete, seit sie im letzten Spätsommer eine Fehlgeburt erlitten hatte. Es wollte einfach nicht klappen mit einer neuen Schwangerschaft, obwohl sie und ihr Mann Ezio es Monat um Monat versuchten – mit Unterstützung von einem Kinderwunschzentrum.

Carolina ließ ihren Blick über das glitzernde Wasser schweifen. Sie konnte das Meer riechen und gegen das verankerte Boot schwappen hören. Doch plötzlich fühlte sie sich selbst beobachtet.

Sie hob den Blick. Filippa saß auf der gepolsterten Sitzbank und hatte sich mit dem Rücken an Andrea gelehnt. Sie sah blendend aus. Andrea hatte leger einen Arm um ihre Taille gelegt und die Beine von sich gestreckt. Livia hatte sich nicht weit von ihrer Nonna Filippa hingelegt. Vermutlich schlief sie. Diletta hingegen prüfte angestrengt eine Stelle an ihrem Bein. Wie Carolina sie kannte, wollte ihre Freundin sichergehen, dass keine Körperbehaarung nachwuchs. Da niemand sonst an Deck war, musste Carolina sich getäuscht haben. Niemand beobachtete sie. Also ließ sie weiter ihren Blick über das wundervolle Meer mit seinen farbenfrohen Schattierungen schweifen. Schließlich entdeckte sie ein ihr wohlbekanntes Boot.

Die BeCa, wie in großen weißen Lettern auf blauem Grund selbst aus Distanz zu lesen war. Carolina atmete tief durch. Dort drüben war Bernardo – ihr Ex. Der Bernardo, der sie vor mehr als einem Jahr verlassen hatte, um die Welt zu erkunden. Ja, er war zurück, hatte es nicht lange fern von Amalfi ausgehalten. Aber das interessierte Carolina nicht. Nicht mehr. Sie hatte Aldo, sie hatte ein Leben. Ein Leben ohne Bernardo. Sie hatte ihren Laden und ihre Freundinnen, und sie war glücklich. Ja. Sie brauchte Bernardo nicht. Und doch schoss ihr Blick immer wieder zu seinem kleinen Boot. Bernardo konnte nicht wissen, dass sie hier war. Er war viel zu weit weg, um sie auszumachen. Trotzdem kam es ihr so vor, als würde er direkt zu ihr sehen. Immer wieder. Als warte er auf irgendeine Geste. Doch das war natürlich absoluter Schwachsinn.

Seit Bernardo wieder in Amalfi war, also seit Beginn der Saison, hatte sie noch nicht mit ihm gesprochen. Er hatte ein paarmal versucht, sie zu kontaktieren, zumal er wieder Vollzeit nebenan bei Livia in der Eismanufaktur arbeitete. Er und Carolina liefen sich oft über den Weg, das ließ sich gar nicht vermeiden. Und offen gestanden hatte sie es ihrer Freundin Livia eine ganze Weile übel genommen, dass sie ihn wieder eingestellt hatte. Doch dann hatten die beiden Freundinnen sich zusammengesetzt und darüber gesprochen. Carolina hatte eingesehen, dass Livia Bernardos Hilfe in der Eismanufaktur brauchte. Sie hatte auch begriffen, dass sie lernen musste, damit umzugehen, ihn wieder um sich zu haben. Carolina hatte das alles akzeptiert. Mit ihm sprechen wollte sie trotzdem nicht, und er respektierte das.

Jetzt war er vom Boot aus ins Meer gesprungen. Carolina stellte das Glas ab und beobachtete die Meeresoberfläche genau. Sie wusste, dass Bernardo in seinem Element war. Er war ein hervorragender Schwimmer, liebte es aber ganz besonders, abzutauchen und den Atem so lange anzuhalten, bis er prustend aus den Tiefen an die Oberfläche kam, um endlich Sauerstoff in die Lunge zu lassen. Carolina machte das immer ganz nervös. Sie hatte sich unzählige Male ausgemalt, dass er irgendwann gar nicht mehr auftauchte und sie ihn für immer ans Meer verlor.

Das war nicht passiert. Verloren hatte sie ihn aber trotzdem.

Carolina ließ das Boot nicht aus den Augen. Von Bernardo noch immer keine Spur. Warum machte er das immer? Sie stand auf, lehnte sich weit über die Reling.

»Alles okay?«, fragte Diletta beunruhigt. Sie rutschte an Carolina heran, sah in dieselbe Richtung.

Carolina knetete ihre Hände, antwortete nicht. Wo blieb er nur so lange? Oder war er vielleicht schon aufgetaucht, und sie hatte es aus der Distanz nur einfach nicht gesehen?

»Caro?«, versuchte Diletta es erneut.

»Ja, ich …« Da! Endlich! Carolina entdeckte Bernardos Kopf. Er war wieder aufgetaucht. Vor Erleichterung setzte sie sich. »Alles in Ordnung, Diletta.« Doch das stimmte nur halb, denn diese Angst, Bernardo zu verlieren, war so präsent wie noch nie zuvor. Dabei konnte sie ihn gar nicht noch mehr verlieren.

Kapitel 2

»Fackle nicht lange und greif nach der Hand deiner besten Freundin. Wenn dich jemand aus dem größten Schlamassel herausziehen kann, dann sie!«

Amalfi, ein Sommer vor vielen Jahren

Die Sonne knallte Bernardo auf den Bauch, und es würde ihn nicht wundern, wenn seine Haut tatsächlich anfing zu brennen. Aber es war Sommer, und die gesunde Bräune gehörte dazu, vor allem, weil sie den Mädchen gefiel, die aus aller Welt kamen, um Urlaub in Amalfi zu machen.

»Soll ich dich eincremen?«

Er richtete sich leicht auf, legte die Hände unter seinen Nacken und zog den Kopf hoch. Carolina sah ihn an, in ihrer Hand hielt sie Sonnencreme. Lichtschutzfaktor dreißig, vermutete er. Mindestens. Sie war immer vorsichtig, aufmerksam, bedacht. Meistens zog er sie damit auf, weil man mit fünfzehn unvorsichtig und locker sein durfte.

Er hatte sich am frühen Nachmittag mit seinem Badetuch am Strand neben seine Cousine Livia gelegt. Dann waren Diletta und Carolina dazugekommen. Die drei waren unzertrennlich, doch es war immer Platz für andere, die sich ihrer kleinen Gruppe anschließen wollten. Und Bernardo war gerne mit dabei, wenn es sich ergab.

Carolina sah ihn erwartungsvoll an. Eigentlich mochte Bernardo keine Sonnencreme. Er fand sie zu klebrig auf der Haut, und er hasste es, wie der Sand danach an seinem Körper haftete. Aber Carolina blickte ihn weiterhin eindringlich an – anders als sonst. Und das verwirrte ihn.

Also ließ er sich darauf ein. »Klar«, sagte er mit vorgetäuschter Abgebrühtheit. Doch er drehte sich auf den Bauch und schloss die Augen. Die Geräusche um ihn herum schienen jetzt deutlicher durchzudringen. Lachende Menschen, Musik aus den Lautsprechern des Strandbads nebenan, Schritte, die den Sand zum Vibrieren brachten. Er zuckte leicht zusammen, als er die kalte Creme auf seiner beinahe glühenden Haut spürte, doch Carolina verteilte sie sofort, sodass das Gefühl sehr angenehm war. Ihre Haare streiften seinen Rücken bei jeder Bewegung und setzten ihn gleichzeitig komplett unter Strom. Er räusperte sich und ermahnte sich selbst, mit dem Unsinn aufzuhören. Das war Carolina, die Freundin seiner Cousine. Carolina, die er kannte, seit er denken konnte. Ja, das süße Mädchen aus dem Papierladen, das ständig zwischen Postkarten, Lesezeichen und dicken Blöcken verschwand und die meiste Zeit ihren Eltern beim Verkauf half. Das Mädchen, auf das er schon mal ein Auge geworfen hatte, von dem er sich jedoch aus Respekt stets ferngehalten hatte. Sie war eine Nummer zu groß für ihn. Doch sie bewegte ihre Finger weiterhin sanft über seinen Rücken, und er merkte, wie er eine Gänsehaut bekam. Er konnte es nicht verhindern, wollte es plötzlich auch gar nicht. Was war schon dabei, wenn er die Berührungen einfach genoss?

Bernardo bemerkte, wie neben ihm jemand aufstand.

»Wir gehen ins Wasser, Caro. Kommst du mit?« Das war Livia.

»Ja, ich bin gleich fertig. Geht ihr nur vor«, ließ sie ihre Freundinnen wissen.

Aber Bernardo wollte sie nicht abhalten. »Na los. Ab ins Wasser«, rief er deshalb und setzte sich auf. Er vermisste sofort ihre Hände auf seinem Rücken und wollte nichts mehr als die Uhr zurückdrehen, um den Moment immer wieder zu erleben. Doch er durfte sich diesem Wunsch nicht hingeben.

Carolina setzte sich im Schneidersitz auf ihr Badetuch. Ihre Knie waren vom Knien im Sand ganz rot. Sie rieb sich wiederholt mit den Handflächen über die Beine, um die letzten Reste der Creme loszuwerden.

»Ach, eigentlich habe ich gar keine Lust«, erklärte sie achselzuckend und schaute auf den Boden.

»Was? Wieso nicht?« Er versuchte, sich so leger wie immer zu geben. So selbstsicher und ironisch. Es misslang ihm. Sie machte ihn nervös. Heute machte sie ihn nervös, und er bekam nicht aus dem Kopf, wie wundervoll es sich angefühlt hatte, von ihr berührt zu werden und ihre Haare auf seinem Rücken zu spüren.

»Weil ich lieber bei dir bin.« Jetzt hob sie den Blick.

Er war sprachlos, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder.

»Wusstest du das denn nicht?« Sie spielte mit einer Locke, und er wollte das auch tun. Stattdessen vergrub er seine Hand im Sand, der unter der heißen obersten Schicht angenehm kühl war.

»Was soll ich nicht gewusst haben?« Die Antwort auf ihre Frage kam wie ein Reflex.

»Dass ich dich mag …«

»Meine Güte, Carolina, ich …« Er wusste nicht, wie er ihr erklären sollte, dass es ihm genauso ging. Er hatte so auf diesen Augenblick gehofft. Und nun war er gekommen, und er fühlte sich überrumpelt, denn er kannte sich überhaupt nicht aus mit Gefühlen. Er war knapp siebzehn und war bisher mit Sommerflirts und lockeren Beziehungen ohne Tiefgang ganz gut gefahren.

»Oh, nein, nein. Schon gut. Ich dachte nur eben, so etwas wie … Ich weiß nicht, ich habe mir eingebildet, dass von dir auch etwas kam. Es tut mir leid. Ich …« Carolina wurde rot und stotterte.

Er schob sich etwas näher zu ihr, nahm ihre Hände. »Hey, hey, hey. Dir muss gar nichts leidtun, okay? Ich bin nur etwas überrumpelt.«

»Oh, mein Gott. Das ist mir so peinlich! Bitte, vergiss, was ich gesagt habe.« Sie stand so schnell auf, dass ihre Gelenke knackten. Er wollte sie aufhalten und das Missverständnis klären. Stattdessen blickte er ihr hinterher, bis sie in den Wellen verschwand.

Er ließ sich auf den Rücken fallen und bedeckte die Augen mit beiden Händen.

Carolina mochte ihn. Peng. Sein Herz klopfte aufgeregt. Es war wundervoll, aber es machte ihm gleichzeitig Angst.

Bernardo mied Carolina in den nächsten Wochen. Die Furcht vor seinen eigenen Gefühlen war stärker als der Wunsch, sie zu erleben.

»Was ist eigentlich mit dir los?«

Bernardo erschrak. Er war bei seiner Nonna Filippa zu Besuch, wo auch Livia mit ihrer Familie lebte. Sie saßen zusammen am großen Küchentisch, während Nonna kochte. Livia sah ihn mit gerunzelter Stirn an.

»Was soll mit mir los sein?« Er legte seine Hände flach auf den Tisch, spürte, dass nun auch Nonna die Ohren spitzte, während sie den frischen Fisch putzte.

»Du verhältst dich in letzter Zeit so seltsam. Fast habe ich den Eindruck, dass du mich und die anderen meidest. Also sag schon, wo liegt das Problem?«

Bernardo überlegte, so zu tun, als hätte er keine Ahnung, wovon sie sprach. Doch er musste eine Lösung finden. So konnte es nicht ewig weitergehen. Also gab er sich einen Ruck. »Es geht um Carolina. Sie hat mir neulich am Meer gestanden, dass sie mich mag.«

»Na endlich!«, mischte sich Nonna ein. Sie zeigte mit der Spitze des Messers auf ihn, gestikulierte. »Sie ist ein mutiges Mädchen, das genau weiß, was es will. Das solltest du dir merken, mein Lieber!«

»Du wusstest es?«, fragte er erstaunt.

»Ich glaube, in ganz Amalfi gibt es niemanden, der nichts von Carolinas Schwärmerei für dich weiß. Außer dir natürlich. Aber das wundert mich nicht. Du bist so was von blind.« Auch Livia hob aufgeregt die Hände in die Luft. Sie war die Enkelin, die Nonna Filippa am ähnlichsten war. Bernardo fragte sich oft, ob es tatsächlich in den Genen lag. Vielleicht imitierte Livia Filippa auch nur unbewusst. Immerhin lebten sie zusammen und verbrachten viel Zeit miteinander.

»Offensichtlich …«, überlegte Bernardo laut.

Filippa schenkte ihnen Saft nach. Eigentlich mochte keiner so recht den Birnensaft, den sie unbeirrt weiter einkaufte und ihren Enkeln und Enkelinnen vorsetzte. Es hatte aber auch niemand so recht das Herz, es ihr zu sagen.

Sie setzte sich zu ihnen. »Du magst sie nicht?« Filippa legte fürsorglich ihre Hand auf seine.

Bernardo konnte den Fisch riechen, und es war gerade so leise in Nonnas Küche, dass die penetrante Stimme einer Reiseleiterin von der Via Lorenzo D’Amalfi bis zu ihnen drang. Sie erklärte den Touristen, dass die Via sich zum Shoppen eignete. Und Bernardo wünschte, auch so klare Worte finden zu können, um zu erklären, was Carolinas Geständnis in ihm bewegt hatte. Nämlich eine ganze Menge. »Ich mag sie. Sehr sogar. Vielleicht schon immer. Aber … Was, wenn es nicht passt? Es geht immerhin um Carolina. Ich will nicht, dass wir uns dann nicht mehr leiden können, versteht ihr?«

»Ach, Bernardo, ihr seid so jung! Ich glaube, du solltest die Sache ganz entspannt angehen. Eine Garantie gibt es ohnehin nie.«

»Nonna hat recht. Und Carolina würde schier ausflippen, wenn du mit ihr gehen wolltest. Meine Güte, ihr zwei als Paar, das wäre mal ein Ding«, pflichtete Livia Nonna aufgeregt bei.

Bernardo stand auf, ging in der Küche auf und ab, fuhr sich mit beiden Händen über den glatt rasierten Kopf. Was hatte seine Nonna sich aufgeregt, als er damit angefangen hatte, sich die Haare immer kürzer zu schneiden. Sie mochte seine Locken so sehr. Nonna behauptete immer, er habe sie von Nonno geerbt. Bernardo wusste nicht, wem er seine Haarpracht zu verdanken hatte, aber er mochte es kurz und unkompliziert.

»Na gut!«, sagte er schließlich. »Ich werde mit Carolina sprechen.«

Livia und Nonna Filippa gaben exakt den gleichen begeisterten Schrei von sich und klatschten erleichtert in die Hände. Sie freuten sich, und Bernardo konnte nicht anders, als zu lächeln.

»Das müssen wir feiern«, beschloss Nonna und holte eine Flasche selbst gemachten Limoncello aus dem Kühlschrank. Die langen, zylinderförmigen Limoncello-Gläser bewahrte sie immer einsatzbereit im Gefrierfach auf. Sie stellte die Gläser auf den Tisch und schenkte sich ihres bis zum Rand voll, während der Likör in Livias und seinem Glas kaum den Boden bedeckte.

»Salute! Auf dass ihr beiden die große Liebe miteinander erleben werdet!«, sprach Nonna ernst.

»Ja! Lasst uns auf die Liebe trinken!«, freute sich Livia.

Sie stießen an und nippten an ihren Gläsern. Bernardo sah, wie Livia das Gesicht verzog und ihr Glas sofort wieder auf den Tisch stellte. »Ach, mir fällt gerade ein, dass Carolina, Diletta und ich uns heute Abend bei Sal zum Aperitivo treffen. Komm doch auch, dann könnt ihr reden!«, schlug Livia vor.

Bei Sal traf man sich, weil er mit den Tischen seiner Bar Sal sul Mare direkt auf der zentralen Piazza Duomo stand, auf der sich in Amalfi das Leben abspielte. Noch dazu war Sal ein feiner Kerl, den alle mochten. Bernardo nickte also. »Dann sehen wir uns später dort.«

Als er auf den Tisch bei Sal zuging, an dem Carolina, Diletta und Livia saßen, war Bernardo später so nervös, dass er stolperte und beinahe fiel. Niemand bemerkte es. Außer Carolina, die aufblickte und erstaunt wirkte, ihn zu sehen.

Bernardo fand, dass sie an diesem Abend noch schöner aussah als sonst, und er spürte wieder, wie sein Herzschlag losgaloppierte. Als er den Tisch erreichte, begrüßte er die drei Mädchen – wie immer – mit Küsschen.

»Ma ciao, du Fremder! Wo warst du die letzten Wochen?«, zog Diletta ihn auf.

Bernardo blickte zu Carolina, und sie sah weg. Er räusperte sich und setzte sich einfach. Diletta beließ es zum Glück dabei. Sal kam zum Tisch, nahm seine Bestellung auf und war schon wieder weg. Die Tische waren restlos belegt. Rund um sie herum unterhielten sich die Besucher in Sprachen aus aller Welt, und es war ein gutes Gefühl, mittendrin zu sein. Die Atmosphäre war sommerlich entspannt. Es war warm, nicht mehr heiß. Musik war zu hören. Sanft nur. Bernardo versuchte auszumachen, woher sie kam, konnte dem Gedanken aber nicht konzentriert folgen. Carolina sah so bezaubernd aus. Die Beleuchtung, die unter Sals Sonnenschirmen hing, spiegelte sich in ihren Augen.

Ein Kellner brachte ihm seinen alkoholfreien Aperitif. Das Glas war kalt, das Eis klirrte. Er trank und überlegte, dass sie unzählige Male so beieinandergesessen hatten, nur diesmal war alles anders.

Livia und Diletta unterhielten sich. Sie schnatterten so schnell, dass Bernardo nicht mitkam. Carolina schien auch nicht zu folgen. Sie saß ihm gegenüber, er schob seinen Stuhl näher an sie heran, doch war sämtliche Ausgelassenheit und Spontaneität zwischen ihnen wohl verloren, und er fand keine Worte. Sie offenbar auch nicht, denn sie schwieg und blickte auf ihre Hände.

»Ich …«, setzte er schließlich an.

»Hast du …«, begann auch sie zeitgleich.

Er lachte nervös. »Sag du zuerst.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Mach du.«

Er drehte und wendete das Glas in seiner Hand. Es hinterließ nasse Ränder auf dem Tisch. Er fuhr mit dem Finger drüber. Doch dann hob er den Blick, sah Carolina an, direkt in ihre Augen. Um ihn herum schien alles zu verschwinden. Er sah und hörte nur noch Carolina. Sie war so wunderschön und endlich greifbar nah. Und Bernardo hatte jetzt den Mut, sich einzugestehen, wie sehr er wollte, dass sie seine Freundin wurde. »Ich möchte mit dir über neulich reden, als wir am Strand waren.«

Carolina lachte nervös. Dann schepperte es hinter ihnen. Ein Kellner hatte ein Glas umgeworfen. Einerseits war Bernardo froh über die Unterbrechung, andererseits verfluchte er das Glas, das ausgerechnet jetzt umfallen musste.

»Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich weiß gar nicht mehr richtig, was ich gesagt habe. Wahrscheinlich hatte ich einen Sonnenstich oder so. Also vergiss es einfach. Du musst nicht wieder wochenlang untertauchen und mich meiden wie die Pest.« Sie lachte wieder trocken.

Ihre Worte erreichten ihn seltsam gedämpft, nahmen ihm aber gleichzeitig den Wind aus den Segeln. »Es tut mir leid.«

Sie schüttelte den Kopf. »Um Himmels willen! Bitte alles, nur kein Mitleid.«

Sie verstand alles falsch, und er wollte sich erklären. So war das mit den großen Gefühlen: Sobald sie entstanden, wurde es kompliziert, verloren Worte an Bedeutung. Doch noch bevor er Ordnung in seine Gedanken bringen konnte, schob Carolina ihren Stuhl nach hinten und stand auf. Sie ging, ohne sich zu verabschieden.

Livia und Diletta blickten ihr perplex hinterher. »Wohin geht sie denn?«, erkundigte sich Diletta verwirrt.

»Keine Ahnung …«, sagte er und stand selbst auf. Dann warf er ein paar Euro auf den Tisch und ging auch, um ihr zu folgen.

Kapitel 3

»Wenn du bei Geschichten von früher nicht mehr weißt, ob sie dir oder deiner besten Freundin passiert sind, dann hast du genau die richtige Person ausgesucht.«

Auf dem Boot bei Filippa und Andrea ließ es sich aushalten, fand Carolina. Und nachdem sie beschlossen hatte, nicht mehr nach Bernardo Ausschau zu halten, sowieso. Es war ein herrlicher Sommertag, und Carolina hatte keinen Grund, traurig oder besorgt zu sein. Sie hatte ein wahnsinnig gutes Essen genossen, sie war mit ihren besten Freundinnen zusammen, und sie wartete darauf, den Grund für die Einladung zu erfahren.

Der Moment schien gekommen, denn Andrea stand auf, rief nach dem Steward. Carolina fand es noch immer seltsam mitzuerleben, wie reich Andrea war. Er hatte ein halbes Leben lang als Pförtner beim Hotel La Fontana gearbeitet. Erst vor etwa einem Jahr hatte er sich als Besitzer des Hotels und reicher Geschäftsmann geoutet, der sich unsterblich in Filippa verliebt und nur deshalb tagein, tagaus an der Tür des Gebäudes gestanden hatte, um die Frau seiner Träume zu sehen. Früher hatte Filippa noch in der Eismanufaktur gearbeitet, die jetzt Livia übernommen hatte. Und Livias Artigiani del Gelato sowie Carolinas Cartiera Cavaliere und Dilettas Casa del Limone befanden sich im Erdgeschoss des Palazzo La Fontana, in dem auch das Hotel war.

Der Steward brachte unverschämt leckere, winzige Süßspeisen aus der teuersten Pasticceria der Küste, und Carolina nahm sich erst zwei, dann drei, dann hörte sie auf zu zählen. Sie erhaschte einen Blick auf Livia, die mit vollen Backen kaute und ihr zuzwinkerte. Bei Diletta sah es nicht anders aus. Das war gut, denn so fühlte sich Carolina weniger schuldig. Das Boot schaukelte leicht auf dem Meer, die Küste sah von ihrem Ankerpunkt aus herrlich aus mit ihren bunten Häusern, die sich eng und pittoresk aneinanderreihten. Endlich konnte Carolina richtig entspannen.

»Ragazze mie, ihr fragt euch sicherlich nach dem Grund unserer Einladung«, setzte Filippa endlich an, die zwar schon immer wunderschön war mit ihrer zierlichen Figur und ihrem silbernen Haar, seit ihrer Beziehung mit Andrea aber förmlich erstrahlte.

Andrea nickte beipflichtend. »Ja, wir haben einige wichtige Entscheidungen getroffen und möchten sie mit euch teilen«, erklärte Andrea, der früher einen Schnurrbart getragen hatte, der sein Gesicht so weit versteckt hatte, dass Carolina erst, nachdem er ihn abrasiert hatte, bemerkt hatte, was für ein gut aussehender Mann er eigentlich war.

Carolina kaute langsamer. Sie hatte irgendetwas im Mund, das schokoladig und gleichzeitig fruchtig schmeckte. In einer anderen Situation hätte sie wohlig geseufzt. Doch jetzt spürte sie, dass etwas Wichtiges kommen würde. Deshalb schluckte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit auf das ältere Paar, das sie so sehr ins Herz geschlossen hatte, als wären es ihre eigenen Großeltern. Filippa und Andrea waren die liebsten Menschen, die sie kannte. Sie wünschte ihnen nur das Beste.

»Wir machen es kurz«, beschloss Filippa. »Andrea möchte das La Fontana verkaufen.«

Carolina hielt vor Schreck die Luft an. Sie hatte erwartet, dass die beiden heiraten würden. Dass Andrea hingegen das Hotel verkaufen wollte, kam sehr überraschend.

Livia fand als Erste die Worte wieder. »Aber warum denn?« Es lag viel Bedauern in ihrer Stimme.

Ein großes Boot rauschte an ihnen vorbei und warf Wellen auf, sodass sie heftig schaukelten, bis das Meer sich wieder beruhigte.

Filippa zog die Schultern hoch, nahm aber Andreas Hand. »Wir sind nicht mehr die Jüngsten, und wir denken, es ist an der Zeit, uns zur Ruhe zu setzen und so viel wie möglich in die Hände anderer zu geben. Das Hotel braucht neue Ideen, Innovation und Energie. Und wir haben schlicht und ergreifend keine Lust mehr dazu.«

»Aber …« Das war Diletta. Auch sie war offenbar sprachlos.

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