Ein Restaurant zum Verlieben - Roberta Gregorio - E-Book
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Ein Restaurant zum Verlieben E-Book

Roberta Gregorio

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Beschreibung

Einfach zum Anbeißen: Drei köstliche Romance-Highlights in einem zuckersüßen Sammelband DAS KLEINE RESTAURANT DES GLÜCKS: Träume mit Zuckerguss – damit begeistert Münchnerin Lena in ihrem kleinen Lokal die Gäste. Doch plötzlich hat sie einen Konkurrenten: den teuflisch charmanten Tom mit seinem modernen Restaurant direkt gegenüber. Kurzum sagt Lena ihm in einem Koch-Wettbewerb den Kampf an – und schon bald fliegen die Funken! DIE KÖCHIN UND DAS DORFGEFLÜSTER: Schon immer wollte Maxie in ihrem beschaulichen Heimatort ein Restaurant aufbauen – nur die seltsamen Nachbarn wollen ihr einen Strich durch die Rechnung machen. Als dann auch noch Rolf Bauer im Dorf aufschlägt – seines Zeichens Starkoch und Maxies Ex – werden ihre Pläne gehörig durcheinandergewirbelt … DIE KÜCHENFEE: Spitzenköchin Lilli kann nichts so schnell zum Überkochen bringen – bis sie ihren Mann in flagranti mit ihrer Chefin erwischt. Plötzlich single, arbeitslos und pleite, muss sie nochmal ganz von vorn anfangen, unterstützt von ihren zu Chaos neigenden Lieblingsmenschen und dem charmanten Bio-Bauern Mike, der versucht sie für sich zu gewinnen … Drei Feelgood-Liebesromane mit viel Herz, Humor und Heißhunger, für Fans von Sophie Kinsella und Jenny Colgan.

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Seitenzahl: 971

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Über dieses Buch:

DAS KLEINE RESTAURANT DES GLÜCKS: Träume mit Zuckerguss – damit begeistert Münchnerin Lena in ihrem kleinen Lokal die Gäste. Doch plötzlich hat sie einen Konkurrenten: den teuflisch charmanten Tom mit seinem modernen Restaurant direkt gegenüber. Kurzum sagt Lena ihm in einem Koch-Wettbewerb den Kampf an – und schon bald fliegen die Funken!

DIE KÖCHIN UND DAS DORFGEFLÜSTER: Schon immer wollte Maxie in ihrem beschaulichen Heimatort ein Restaurant aufbauen – nur die seltsamen Nachbarn wollen ihr einen Strich durch die Rechnung machen. Als dann auch noch Rolf Bauer im Dorf aufschlägt – seines Zeichens Starkoch und Maxies Ex – werden ihre Pläne gehörig durcheinandergewirbelt …

DIE KÜCHENFEE: Spitzenköchin Lilli kann nichts so schnell zum Überkochen bringen – bis sie ihren Mann in flagranti mit ihrer Chefin erwischt. Plötzlich single, arbeitslos und pleite, muss sie nochmal ganz von vorn anfangen, unterstützt von ihren zu Chaos neigenden Lieblingsmenschen und dem charmanten Bio-Bauern Mike, der versucht sie für sich zu gewinnen …

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Sammelband-Originalausgabe Mai 2024

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München. Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen Romane finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von

© shutterstock / Michael Schnabl / Richard Peterson / Africa Studios / Phubes Juwattana / TigerStock's / acarapi

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)

ISBN 978-3-98952-336-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Ein Restaurant zum Verlieben

Drei Romane in einem eBook

dotbooks.

Roberta GregorioDas kleine Restaurant des Glücks

Kann man das große Glück zwischen Pasta und Tiramisu finden? In ihrem kleinen, verträumten Restaurant zaubert Lena jeden Tag wunderbare Kreationen auf den Tisch: Für eine Pause oder gar die Liebe hat sie keine Zeit! Vor allem, seit nur wenige Meter weiter ein neues und modernes Restaurant eröffnet hat und die Gäste in Scharen anlockt. Doch so schnell gibt Lena nicht auf und meldet sich kurzerhand bei einem Restaurant-Wettbewerb an … nur um festzustellen, dass Konkurrent Tom ihr auch dort mit seinem teuflischen Charme die Schau stiehlt. Als er Lena trotzdem seine Hilfe anbietet, lehnt sie entrüstet ab – das kann nur eine weitere Hinterlist sein, oder? Doch Tom scheint fest entschlossen zu sein, den Retter in der Not spielen zu wollen … und stürzt sie damit beide ins Chaos!

Kapitel 1

»Frau Rossini, Sie wissen, wie ich zu Ihrem Restaurant stehe. Ich kenne das Felicità bereits seit seiner Eröffnung und Ihre Eltern seit damals, als sie es als junges Paar übernommen haben. Da waren Sie noch gar nicht auf der Welt. Ihr Restaurant ist eine der wenigen Einrichtungen, die ich mir nicht mehr aus unserer Straße wegdenken könnte. Tun Sie endlich etwas, sonst werden Sie noch vor Ende des Jahres schließen müssen.«

Maddalena befand sich in ihrem stickigen Büro, das nur ein kleines Fenster besaß, und kämpfte schon seit Stunden mit Nummern, Papieren und – telefonisch – mit dem strengsten aller Steuerberater, Herrn Schlosser. »So schlimm?«

»Schlimmer!«

»Was schlagen Sie vor?«

»Das kann ich nicht sagen. Ich bin Steuerberater, kein Gastronom. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihren Eltern. Die haben fast 30 Jahre lang alles genau richtig gemacht.«

Das wusste Maddalena inzwischen. Es war ja nicht so, dass Herr Schlosser ihr das nicht alle paar Minuten vorhielt. Um ehrlich zu sein, hatte Maddalena ja genau das getan:

Sie hatte den Laden vor einigen Jahren übernommen. So ganz ohne Zeremonie. Ihre Eltern waren wieder zurück nach Italien gezogen, und Maddalena hatte einfach so weitergemacht wie zuvor.

»Es ist halt nicht einfach …«, versuchte Maddalena sich irgendwie herauszureden und gleichzeitig – das musste sie sich selbst eingestehen – ein wenig Mitleid in ihrem Gesprächspartner zu wecken.

»Ja, Frau Rossini, das kann ich mir schon vorstellen. Aber es gibt in unserer Straße durchaus erfolgreiche Restaurants, also hängt es einfach nur an Ihnen. Und das, obwohl Sie weiß Gott genug Talent besitzen.« Herr Schlosser nahm sich wirklich viel heraus. Aber er hatte es Maddalenas Vater hoch und heilig versprochen, sich um dessen Tochter zu kümmern. Wenn sie es einerseits zu schätzen wusste, so war es doch oft frustrierend, ständig so hart mit der Realität konfrontiert zu werden. Diese wiederholten Anspielungen etwa auf erfolgreiche Restaurants. Maddalena wusste genau, wen Herr Schlosser damit meinte:

Tommaso Trotta.

Auch er hatte seit knapp einem Jahr ein Restaurant. In derselben Straße. Die Eröffnung von Tommasos Trattoria Trotta hatte den Anfang des Endes gekennzeichnet. Exakt seit Bestehen seines Restaurants hatte das Felicità begonnen, heftig zu wanken.

Niedergeschlagen legte Maddalena auf. Sie brauchte ganz klar einen Plan, um das Felicità zu retten. Nur fand sie partout keinen Weg aus dem Sumpf aus Rechnungen, Mahnungen, demotiviertem Personal und unzufriedenen Gästen. Sie spürte die ganze Last auf ihren Schultern und war sich nicht sicher, ob sie das noch lange aushalten konnte.

Sie hatte ja schon irgendwie Lust auf etwas Neues. Allein schon von der Einrichtung her war das Felicità überholt und einfach nicht mehr aktuell. Das Motto passte ihrer Meinung nach nicht mehr. Felicità – Glück. Selbst das italienische Schlager-Duo Al Bano und Romina Power, das dank eines Songs mit eben diesem Titel weltberühmt geworden war, hatte sich getrennt. Trotzdem war der Innenraum des Lokals mit Bildern geschmückt, die dieses Nicht-mehr-Paar in der Blüte ihrer Jugend zeigten. Ganz ehrlich war Maddalena selbst genervt vom 80er-Jahre-Look ihres Restaurants. Ihr war natürlich klar, dass sich etwas ändern musste. Aber sie hatte schlicht und einfach nicht das Geld dazu. Deshalb erhob sie sich, ging den Flur entlang in den Gästeraum und blickte dabei auf ihre zahlreichen gerahmten Urkunden, Teilnahmebescheinigungen und Zeugnisse. Ihr Vater hatte sie in ihrer Ausbildungszeit zu jedem auch nur erdenklichen Kochkurs angemeldet, den er ausfindig machen konnte. Nur ihm hatte sie es zu verdanken, wenn sie heute von sich behaupten konnte, eine wahre Vorspeisen-Spezialistin geworden zu sein. Schade, dass ihre hervorragende Ausbildung ihr momentan nichts nutzte. Dann hielt sie am veralteten Kassettenrecorder und startete zum gefühlt millionsten Mal das Album des glücklichsten Nicht-mehr-Paares. Maddalena schüttelte alle negativen Gedanken von sich, hob den Kopf, straffte die Schultern und betrat mit ihrem gewohnt offenen Lächeln den Gästeraum.

***

Auch Tommaso Trotta war bereit für den täglichen Betrieb. Alles war hergerichtet, die letzten Vorbereitungen getroffen. Noch war der Saal bis auf eine Person leer: Domenico. Aber das war kein richtiger Gast, sondern ein pensionierter Italiener, der nichts mit sich selbst anzufangen wusste, und deshalb den ganzen Tag in italienischen Restaurants absaß. Obwohl er selten für seine sporadischen Bestellungen bezahlte, so war er doch überall gern gesehen. Er wusste nämlich immer alles.

Alles.

Bis ins letzte Detail.

Der kleine Mann konnte einem sagen, wer gerade in der nahe gelegenen Eisdiele gefeuert worden war und vor allem, warum. Auch war er stets darüber informiert, ob der eine Restaurantbesitzer einen neuen Lieferanten oder der andere seine Speisekarte umgeschrieben hatte. Kurz: Domenicos Besuche waren Gold wert. Denn wer nichts wusste über seine Konkurrenten, war verloren.

Domenico nippte gerade an seinem Espresso, stand dabei an der Theke, konnte bei seiner Körpergröße kaum drüber schauen. Tommaso gesellte sich zu ihm. Noch war ja nichts los, das Personal war bereit. Ein paar Minuten Tratsch konnte er sich gönnen.

»Allora, Domenico, was gibt es Neues?«, fragte er ihn wie beiläufig.

Der Angesprochene hob mit unschuldigem Gesicht die Schultern, stellte seine Tasse ab, griff nach dem Amaretto-Keks und warf ihn sich in den Mund. Ein Spiel, das Tommaso schon kannte. Domenico tat immer ganz ahnungslos. Er fiel dann aber regelmäßig auf direkte Fragen herein.

»Wie läuft es im Felicità drüben?«, packte Tommaso also eines seiner Lieblingsthemen an.

»Ach, schlecht, schlecht, schlecht. Malissimo! Die junge Rossini schafft das nicht alleine. Ich gebe ihr noch ein paar Monate und dann chiuso.«

»Nun komm schon. Du übertreibst!« Er wusste ja, dass es schlecht stand um das Geschäft seiner Restaurantnachbarin. Und es tat ihm aufrichtig leid. Man musste kein Genie sein, um sich zu denken, dass seine Trattoria einer der Hauptgründe ihrer Schwierigkeiten war. Aber, dass sie nun gleich schließen sollte, hielt er für übertrieben.

»Credimi, glaub mir, das Felicità steht schon mit einem Bein im Grab.«

»Wer sagt denn so etwas?«

Domenico stellte sich auf die Fußspitzen, hielt sich am Marmortresen fest und beugte sich, so gut es ging, nach vorne. »Hat mir der Özgür gesagt. Sie hat bei ihm ein paar offene Rechnungen. Und er soll nicht der Einzige mit diesem … Problem sein.« Der Mann teilte Tommaso das mit ernster, schwerer Stimme mit. Seine gesamte Körperhaltung verriet, wie wichtig er sich selbst dabei vorkam.

Tommaso kannte Özgür selbstverständlich. Er lieferte das beste Gemüse überhaupt. Auch ihm. Dass Maddalena so arge finanzielle Schwierigkeiten zu haben schien, setzte Tommaso unerwartet heftig zu.

Als die ersten Gäste eintraten, starb das Gespräch sofort.

»Was bekommst du?«, wollte Domenico wissen.

Tommaso hob nur abwehrend die Hand. Der Gedanke an Maddalena Rossini begleitete ihn aber trotzdem, wie so oft, durch den Tag.

***

Ein einziger Tisch im Felicità war zur Mittagszeit belegt. Gerda und Hans. Maddalenas treuste Kunden.

Sie kamen jeden Tag.

Jeden!

Tag!

Teresa, Kellnerin im Felicità seit 20 Jahren, nahm bereits die Bestellung auf. Als ob das notwendig wäre! Selbst die Tische und Stühle, Wände und Vorhänge kannten die Bestellung auswendig: gemischte Vorspeise mit Pizzabrot für zwei Personen, eine Portion Spaghetti Bolognese, auf zwei Teller aufgeteilt, Pizza Capricciosa – auch diese auf zwei Teller aufgeteilt. Dazu eine Flasche Rosé. Nur wenn es etwas zu feiern gab, kam eine Nachspeise hinzu. Abweichungen waren nicht nur unwahrscheinlich, sondern schier unvorstellbar.

Aber trotzdem.

»So, Signori, prego, was darf es denn heute sein?«

Gerda studierte die Speisekarte, die sie mit größter Wahrscheinlichkeit bereits auswendig kannte. Wie erstarrt wartete Teresa mit gehobenem Kugelschreiber und Block auf ein Zeichen. »Hans, was meinst du, sollen wir heute die gemischte Vorspeise nehmen?«

Hans nickte.

»Ja, dann also die Vorspeise. Aber bitte ohne Auberginen. Und ein Pizzabrot dazu.«

»Mit oder ohne Knoblauch?«

»Ohne, bitte. Nicht, Hans?«

Hans nickte erneut.

Maddalena gab sich den restlichen Bestellvorgang nicht, stand immer noch unentschlossen im Flur und überlegte, ob sie sich wohl unbemerkt wieder in ihr Arbeitszimmer verkriechen konnte. Aber Gerda hatte bereits ihren Arm gehoben, um sie zu sich zu winken.

»Hallo Lena!«, grüßte sie Maddalena begeistert und ehrlich erfreut.

»Buongiorno, Gerda. Hans.« Maddalenas Gruß kam etwas weniger enthusiastisch herüber, was keiner zu bemerken schien.

Teresa entfernte sich diskret – sofern man bei einer Körpergröße von 1,90 mal 1,20 überhaupt von Diskretion sprechen konnte –, war aber ganz offensichtlich heilfroh, die Aufmerksamkeit der Gäste bei Maddalena abgeben zu dürfen. Diese durchquerte bereits den kleinen Gästeraum und ging auf den einzigen besetzten Tisch zu. Gerda hatte sich erhoben und die Arme ausgebreitet. Heute hatte sie Gelb als Farbton für ihr Outfit ausgesucht. Maddalena musste blinzeln. Alles an Gerda leuchtete. Maddalena war zum Weinen zumute. Weil Gerda so perfekt ins Bild passte. Und, weil sie das Bild hasste, das sich ihr bot. Alles sah staubig aus um sie herum. Alt, überholt. Hässlich. Die Tischdecken, die Dekoration, sogar die Wandfarbe. Welches Restaurant, das etwas auf sich hielt, hatte heutzutage noch Pastelltöne an den Wänden? Und auf den Stühlen, die Ton in Ton gepolstert waren?

Der Druck, der auf Maddalena lastete, war plötzlich so groß, dass sie daran zu ersticken glaubte. Ohne etwas dagegen tun zu können, kamen ihr die Tränen. Fantastisch! Der Nullpunkt war erreicht. Was konnte es noch Schlimmeres geben, als weinend in Gerdas Arme zu sinken?

»Na, na, na! Was ist denn mit dir los, Lenalein?« Maddalena fühlte, wie Gerda beruhigend ihre dunkle, lockige Mähne tätschelte. Ihr Schluchzen war so heftig, dass sie kein Wort herausbrachte. Peinlich berührt bekam Maddalena mit, wie ihre Tränen Spuren auf Gerdas gelber Bluse hinterließen. Hans, der ohnehin kein gesprächiger Mensch war, wünschte sich, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, auf einen anderen Stern. Die gesamte Szene war ihm offensichtlich alles andere als angenehm. Dramatik gab es in seinem Leben, dank Gerda, bestimmt genug.

Mit offenem Mund sah er seiner Frau zu, wie sie Maddalena aufforderte, sich zu setzen. Erst als sie der jungen Frau den Stuhl zurechtgerückt hatte, setzte auch Gerda sich, drehte sich voller Anteilnahme Maddalena zu und nahm deren Hände.

»Erzähl schon! Was ist los?«, hakte Gerda nach, die sich nicht die Bohne um Dinge wie Diskretion und Privatsphäre kümmerte.

Als Maddalena begann zu berichten, fühlte sich das für sie an wie eine Befreiung. Wie das Öffnen einer Schleuse, die viel zu lange geschlossen gehalten worden war.

»Es läuft so schlecht, hier im Felicità! Wenn sich nichts erheblich bessert, muss ich zum Jahresende schließen!«, gab sie zu und merkte, wie gut es tat, das laut auszusprechen.

Die fast synchrone Reaktion der Gäste kam ihr etwas übertrieben vor. Beide hielten vor Schreck die Hand vor den Mund, beide fassten sich ans Herz.

Instinktiv sprach Maddalena weiter, erzählte von den finanziellen Schwierigkeiten, die mit der Eröffnung der Trattoria Trotta angefangen hatten. Sie beichtete ihren Wunsch, ihrem Restaurant endlich ein neues Gesicht zu geben. Auch erzählte sie darüber, wie überfordert sie sich manchmal fühlte. Erst dann folgte betretenes Schweigen.

Die Erste, die sich fing, war natürlich Gerda – diesmal direkt an Hans gewandt. »Wo gehen wir denn dann essen, wenn die Maddalena schließt?« Empört schnappte Maddalena nach Luft. Diese Bemerkung war ja wirklich nicht nett. Dann aber fiel ihr wieder ein, dass sie ja bei Gerda saß, und die war nicht gerade für ihr Taktgefühl bekannt. Maddalena musste trotzdem wieder weinen.

Teresa näherte sich leise mit der Vorspeise, stellte sie gekonnt und elegant vor den Gästen ab. Maddalena wollte sich, nach ihrem mehr als unprofessionellen Ausbruch, zurückziehen, aber Gerda bestand darauf, dass sie bei ihnen sitzen blieb. Sie war gefangen.

Traurig betrachtete sie die Szene, die sich ihr bot, und wurde dabei, wenn überhaupt möglich, noch trauriger. Hans knabberte an seinem knusprigen Pizzabrot. Er schien nachzudenken. Auch Gerda war ungewöhnlich still. Gerne hätte Maddalena etwas gesagt, um die Stimmung wieder aufzulockern. Aber sie sah das Aus so konkret vor sich, dass ihr die Worte fehlten.

»Wir werden verhungern«, bemerkte Gerda trocken mit ihrer rauchigen Stimme. Diese Aussage klang so endgültig, dass auch Hans innehielt und das Pizzabrot sinken ließ.

Es war derartig leise im Gästeraum, dass die Musik im Hintergrund aufdringlich laut erschien.

Teresa schaute neugierig auf und sogar Allegra blickte aus der Durchreiche. Die spindeldürre und winzig kleine Köchin musste sich dazu noch nicht einmal bücken.

Tja. Was sollte Maddalena darauf antworten?

Glücklicherweise brauchte sie sich darum keine Sorgen mehr machen, denn just im schweigsamsten Moment ging die Tür auf. Erleichtert schnellte sie hoch und eilte ihrem Gast entgegen. Aber es war nur Daniela. Trotzdem eine willkommene Unterbrechung. Besonders in diesem delikaten Moment.

Daniela trat gut gelaunt herein. Ihr Erscheinungsbild war gewohnt heiter, ihr Outfit gewohnt … bunt. Sie war nicht nur Maddalenas beste Freundin aus Kindergartentagen, sondern auch stolze Vintage-Modeladen-Besitzerin. Ihre beste Kundin war sie selbst. Daniela trug leidenschaftlich gern Mode aus der Vergangenheit. Und sah dabei sogar toll aus.

»Hi, Süße! Hallo Teresa. Bestellst du mir bei Allegra eine Pasta? Irgendeine?« Voller Elan ging sie auf Maddalena zu und begrüßte sie mit Küsschen auf die Wange.

»Wieso siehst du so beschissen aus?« Das war noch so eine Eigenart von Daniela. Sie war sehr deutlich in ihren Aussagen. Ihr Freund Stefano machte sich darüber oft lustig. Maddalena hingegen fand das manchmal ziemlich anstrengend.

»Danke.«

»Danke und weiter? Ist was passiert?«

»Ich habe mit Schlosser telefoniert.«

Die beiden Freundinnen setzten sich an einen Tisch.

»Und?«

»Ja, es sieht schlecht aus.«

»Weil du apathisch bist!«

»Zu freundlich.«

»Ist doch wahr. Aber ich habe eine Neuigkeit für dich!« Daniela kramte umständlich in der viel zu großen Leder-Prada, die sie irgendwann auf einem Flohmarkt ergattert hatte.

»Stefano hat mir dieses Infoblatt für dich mitgegeben. Du sollst da mitmachen.«

Sie nahm es entgegen.

Der Amici-Italiani e.V. organisiert den ersten»Ristorante originale«-Wettbewerb. Zur Anmeldung herzlich eingeladen sind alle italienischen Restaurantbesitzer aus Schwabing. Weitere Informationen gibt es online oder via E-Mail.  

»Wie kommt er darauf, dass ich mich bei einem derartigen Wettbewerb lächerlich machen will?«

»Weil der Erstplatzierte Geld bekommt?«

Das war allerdings ein Argument.

Teresa näherte sich mit einem Teller.

»Prego.« Sie stellte die Pasta vor Daniela ab, gab ihr das Besteck und erblickte dabei das Infoblatt. »Was ist das?«

»Nichts!«

Maddalena griff danach. Aber es war zu spät. Teresa war schon am Lesen. »Geniale!« So der einzige Kommentar der Kellnerin.

»Sag ich doch«, pflichtete Daniela ihr bei und pustete dann in ihre Nudeln.

»Vergesst das Ganze. Selbst wenn wir mitmachen würden, ist es doch Wunschdenken zu gewinnen!«

»Darum geht es gar nicht. Allein schon deinen Namen bei den Amici-Italiani bekannt zu machen ist Gold wert. Immerhin haben die mittlerweile um die 2000 Mitglieder, habe ich gehört.«

Maddalena sah mit Schrecken dabei zu, wie ein Stein ins Rollen kam, den sie nur zu gerne mit sofortiger Wirkung gestoppt hätte. Weil sie sich vor dieser Herausforderung fürchtete. Sie war sich einfach viel zu sicher, dabei kläglich zu versagen. Und ihre Energie reichte nicht aus, das auch noch zu verarbeiten.

»Die Amici-Italiani machen tolle Sachen. Meine Eltern sind da schon lange dabei«, meldete sich schon wieder Allegra aus der Küche.

»Mädels, cool bleiben, ja? Ich habe nicht vor, da mitzumachen, okay?«

»Weil du eben doch apathisch bist!«

»Das bin ich gar nicht!«

»Ein bisschen schon!« Wo kam diese Stimme denn nun her? Hans? Der verschwiegene Hans? Ihr treuer Kunde Hans? Wie konnte er ihr so in den Rücken fallen?

»Lena, wir werden dich in dieser Angelegenheit unterstützen so gut wir können«, mischte sich auch Gerda ein und fuchtelte mit der Gabel herum. Das Olivenöl tröpfelte ihr dabei auf das gelbe Gewand.

»Ich natürlich auch«, ließ Teresa verlauten.

»Keine Frage!«, stimmte Allegra ebenso zu.

»Ich weiß ja gar nicht richtig, um was es da geht«, versuchte Maddalena, dem Gespräch ein Ende zu setzen.

»Lena, das kannst du mir jetzt nicht als Argument vorsetzen. Du brauchst dich nur informieren.«

»Das will ich aber gar nicht.«

»Ich finde, das bist du uns schuldig!« Teresa konnte so überzeugend sein, wenn sie sich vernünftig zeigte.

»Hör dir doch erst einmal an, wie diese Sache läuft, dann kannst du immer noch Nein sagen«, schlug Daniela mit vollem Mund vor.

Was konnte Maddalena dem schon entgegensetzen? Es war ja nun wirklich nichts dabei, sich erst einmal zu informieren. Danach würde sie ablehnen. Sie hatte nicht die Kraft, sich auf einen Wettbewerb zu konzentrieren. Es war so schon schwer genug, den Laden voranzutreiben. Gleichzeitig erkannte sie aber auch, dass sie in letzter Zeit wirklich apathisch geworden war. Dabei war sie immer der kreative Kopf im Felicità gewesen. Vor allem, als ihre Eltern noch mit im Geschäft waren. Was war nur passiert, um aus ihr so eine flache Person ohne Engagement zu machen? Konnte die Gastronomie einem das antun? Aus ihr war ein Zombie geworden. Wo und wann hatte sie ihren Mut und ihren heiteren Charakter verloren?

»Also?«

»Von mir aus, ruf Stefano an und lass mich hören, ob das etwas für mich ist.«

Daniela nahm ihr Handy zur Hand, wählte die Nummer ihres Freundes und reichte Maddalena das Gerät.

»Amore, was gibt’s?«, meldete sich Stefano beim zweiten Läuten.

»Hi. Hier spricht Lena. Amore ist bei mir und hat mir von diesem Amici-Italiani-Wettbewerb berichtet. Hast du gerade Zeit, mir das etwas genauer zu erzählen?«

Stefano war selbstständiger Webdesigner. Eigentlich hatte er immer etwas zu tun, worüber sich Daniela nicht selten beklagte. Sein Vater war Gründungsmitglied des Vereins, und Stefano machte begeistert mit. »Ja, ein paar Minuten habe ich Zeit. Was willst du denn wissen?«

»Vor allem, wie das konkret ablaufen soll.«

»Du, ganz einfach: Das ganze wird nur einen Tag dauern, findet auch erst in zehn Tagen statt. Genug Zeit also, sich darauf vorzubereiten. Es ist nichts Aufwendiges. Während des Wettbewerbstages werden allen Restaurantbesitzern die gleichen Aufgaben gestellt. Diverse Gründungsmitglieder werden sich als Jury ansehen, wie du die Aufgaben bewältigst, und Punkte vergeben. Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt.«

»Wie soll ich mir diese Aufgaben vorstellen?«

»Aufgaben aus der Gastronomie natürlich. Alles im Rahmen deines Restaurants. Antipasti, Pasta, Pizza. So etwas in der Art. Und das Beste ist, dass euch Coaches zugeteilt werden.«

»Ach komm! Coaches?«

»Ja, da haben sich die Amici-Italiani etwas Megatolles ausgedacht. Erfolgreiche Restaurantbesitzer aus ganz Deutschland werden dabei mitmachen und euch Teilnehmern wertvolle Tipps geben.«

»Du, das ist nichts für mich. Danke, dass du an das Felicità gedacht hast, aber eine Teilnahme ist für mich ausgeschlossen.«

Schweigen.

»Ähm … nimm das nicht persönlich, Stefano, aber so einen Trubel verkrafte ich nicht. Wir sind nicht für so Großes gewappnet.«

Schweigen.

»Bist du noch dran?«

»Ja.«

»Bist du beleidigt?«

»Nicht die Spur, weil du da nämlich mitmachen musst!«

»Aha. Und das sagt wer?«

»Ich. Weil ich dich nämlich bereits angemeldet habe.«

»Spinnst du? Wieso machst du so was?«

»Weil Tommaso Trotta sich ebenso eingetragen hat. Als Allererster.«

Verdammt! Wieso war dieser Idiot von Trotta ihr immer mindestens einen Schritt voraus?

»Hat dich das jetzt überzeugt?«

»Ja, hat es!«

So, und jetzt fehlte Maddalena nur noch ein Schlachtplan! Diesem miesen Trotta-Trottel würde sie es schon zeigen. Diesem miesen, hach, so gut aussehenden Trotta-Trottel.

Kapitel 2

Maddalena verwandelte ihr Arbeitszimmer in das Hauptquartier der Felicità-gewinnt-Kampagne und fand selbst, dass es dabei schon gar nicht mehr so trist und grau erschien.

Die gesamte Mittagspause über tüftelte sie mit ihren engsten Gefährten und Mitarbeitern aus, was in den nächsten Tagen an Vorbereitung auf sie zukommen würde.

»Der Hans, der kann dir ja die Wände streichen, nicht Hans? Wenn du deine Existenz schon aufs Spiel setzt, dann wollen wir die Jury aber auch richtig empfangen – mit einem ganz neuen Look!« Gerda sah ihren Mann dabei so scharf an, dass dieser nur nicken konnte. Wie immer.

»Das würdest du wirklich machen, Hans?« Maddalena wollte nicht, dass der arme Mann sich verpflichtet fühlte.

Dieser hob aber den Daumen und versuchte sich an einem Lächeln, was insgesamt als ermutigend aufgefasst werden konnte.

»Was haltet ihr von Rosa als Grundfarbe?«, schlug Gerda vor.

Maddalena, Daniela, Teresa und Allegra blickten fast gleichzeitig auf. Gab es etwas Schrecklicheres als ein rosafarbenes Restaurant?

Daniela fing sich als Erste wieder. »Rosa ist eine schicke Farbe, nur ist das nicht unbedingt ein Ton, mit dem man Italien identifiziert. Meine Gegenvorschläge wären Gelb, Hellblau und Grün. Wie Sonne, Meer und Natur.«

Diese Kombination gefiel Maddalena. Sie konnte sich das richtig gut vorstellen. Alle anderen nickten auch zustimmend. Außer Gerda. Die war ein wenig eingeschnappt.

»Bei der Gelegenheit könnten wir auch Stoffe für Gardinen, Polsterungen und Tischdecken besorgen, die farblich dazu passen.« Teresa war ganz rot im Gesicht vor Aufregung.

Maddalena schluckte. Die Farbe konnte sie sich gerade so leisten. Stoffe hingegen kaum. Und wer würde gratis und auch noch so schnell für sie nähen?

»Ich weiß, was du jetzt denkst«, mischte Allegra sich mit ihrer Pieps-Stimme ein. »Du hast nicht das nötige Geld dazu, stimmt’s?«

»Nicht nur das. Selbst wenn ich das Geld hätte, nähen kann ich nun wirklich nicht.«

Die Köpfe drehten sich automatisch in Richtung Gerda. Diese hob aber abwehrend die Hände. »Mädels, guckt mich nicht so an. Ich kann das auch nicht.« Sie überlegte. »Aber Kunigunde aus der Wassergymnastik war mal Schneiderin. Vielleicht würde die das machen.«

Kunigunde? Wenn sie so nähte, wie sie hieß, konnte das ja heiter werden.

»Na gut, dann streichen wir erst und überlegen inzwischen, wie wir das mit dem Stoff am besten anstellen«, fasste Teresa zusammen.

Die Sitzung wurde zunächst einmal vertagt. Maddalena fand, dass sie das Erwachen aus der Starre langsam angehen lassen sollte.

Ein Blick auf die Uhr verriet dem Personal, dass es sich nicht mehr lohnte, nach Hause zu gehen. Das Restaurant öffnete in weniger als 20 Minuten für den Abendbetrieb. Teresa und Allegra verschwanden kurz im kleinen Personalraum und legten die Füße hoch, während Gerda und Hans sich verabschiedeten und versprachen, am nächsten Tag wiederzukommen. Natürlich!

Maddalena begleitete Daniela noch zur Tür.

»Danke.« Sie nahm ihre Freundin fest in den Arm. Es tat gut zu wissen, dass es Menschen gab, die einen auch einmal richtig wachrütteln konnten.

»Ach, nicht der Rede wert!« Daniela machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bis morgen dann. Ich fahr gerne mit zum Baumarkt und helfe dir bei der Farbauswahl.«

»Das wäre toll. Freu mich drauf!«

***

Daniela traf in ihrem Laden ein, den ihre Mitarbeiterin Agathe in ihrer Abwesenheit bestens unter Kontrolle hatte, und begab sich sofort in eine ruhige Ecke, um ungestört zu überlegen. Sie hatte da so eine Idee, wusste aber noch nicht so recht, wie sie das anstellen sollte. Zunächst suchte sie im Netz nach schönen, geeigneten Stoffen und rechnete durch, wie teuer der Einkauf in etwa werden würde. Sie addierte etwas Geld für Kunigundes Arbeit dazu und kam auf ungefähr 3000 Euro.

Damals, bei ihrer eigenen Ladeneröffnung, hatte Daniela auf Crowdfunding zurückgegriffen, was hervorragend geklappt hatte. Mit den im Netz zusammengetragenen Spenden hatte sie sich diverse Einrichtungsgegenstände geleistet. Unzählige Male hatte sie Maddalena bereits eine derartige Aktion vorgeschlagen. Diese hatte aber nicht auf ihre Freundin hören wollen. Sie empfand betteln als demütigend. Das musste etwas mit ihren italienischen Genen zu tun haben.

Aber Daniela war das jetzt egal. Entweder betteln oder schließen. Und Maddalena musste ja erst einmal nichts davon erfahren.

Daniela sah sich die neuen Crowdfunding-Seiten an und blieb auf der am schönsten gestalteten hängen. Vieles hatte sich seit ihrer eigenen Erfahrung geändert. Es hieß jetzt zum Beispiel, dass Projekte, die mit Videos ausgestattet wurden, mit einem viel höheren Erfolg rechnen konnten als anonyme Anzeigen. Auch sie selbst fand diese Idee hervorragend. Nur wie kam sie jetzt zu einem Video?

Sofort dachte sie an Stefano. Der hatte nicht nur eine Kamera, sondern auch noch wunderbare Ideen. Sie musste ihn einweihen. Wieder rief sie ihn an.

»Schatz, ich bin’s. Würdest du ein Filmchen für mich drehen?«

Stefano lachte in den Hörer. Er kannte seine Freundin lang genug. Vor allem ihren seltsamen Humor. »Filmchen, ja?«

»Für Lena.«

»Solange ich mich dabei nicht nackt zeigen muss …«

Jetzt kicherte Daniela selbst. »Das ist nicht zwingend notwendig. Obwohl ich der Idee nicht abgeneigt wäre.«

»Sag schon! Was soll ich machen?« Er gab sich geschlagen. Wenn Daniela etwas wollte, bekam sie es. So oder so.

»Es geht um ein Video, dass ich für Lena auf einer Crowdfunding-Page einrichten möchte. Sie soll das aber nicht erfahren. Du weißt ja, wie sie ist.«

»Im Prinzip kein Problem. Aber Innenaufnahmen vom Felicità halte ich schon für sinnvoll. Organisier das, dann machen wir es.«

»Ich muss wohl Teresa einweihen.«

»Gute Idee.«

»Danke, Schatz. Du bist der Beste.«

»Aber nicht gut genug, um dein Ehemann zu werden …«

Das schon wieder! Stefano hatte schon mindestens zwanzigmal um ihre Hand angehalten. Aber heiraten war wirklich nichts für Daniela. Für Stefano war dieser Schritt nämlich gleichbedeutend mit Häusle-Bauen und bambini. Und das war Daniela irgendwie zu früh.

»Ich liebe dich, Stefano. Das muss dir erst mal reichen.«

»Tut es doch …«, gab er weich zurück. Und Daniela wurde es augenblicklich wohlig warm. Das mit Stefano würde sie schon irgendwie hinbekommen.

Sie legte auf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Felicità. Auch das würde sie hinbekommen. Wäre ja gelacht!

Kurzerhand suchte sich Daniela Teresas Nummer heraus. Wenn sie Maddalena damit überrumpeln wollte, musste alles schnell gehen.

»Hi, Teresa, störe ich dich gerade?«

»Nein, nein. Was gibt’s?«

»Ich bräuchte von dir einen großen Gefallen.«

»Schieß los!«

»Das ist eine lange Geschichte, aber würdest du heute Nacht bei einer Aktion im Felicità mitmachen?«

Schweigen.

»Keine Angst, ich will nichts anstellen, nur einen Film drehen …«

»Darf ich dabei angezogen bleiben?«

Himmel, was dachten die Leute eigentlich alle von ihr?

»Ja, darfst du. Aber kein Wort zu Maddalena. Alles Weitere erkläre ich dir dann.«

»Dani, mach mir keinen Ärger, ja?«

»Würde ich dich jemals in Schwierigkeiten bringen?«

Teresa brach in schallendes Gelächter aus und legte auf.

Ganz klar musste Daniela ein wenig an ihrem Image arbeiten. Irgendwie hatte man ganz allgemein eine total falsche Meinung von ihr.

***

Maddalena verstand nicht, wieso Teresa es plötzlich so eilig hatte, sie nach dem bisschen Abendbetrieb, den sie auch im Schlaf hätten meistern können, nach Hause zu schicken.

»Komm schon! Du siehst müde aus. Ich schließe für dich ab.« Sie schob Maddalena praktisch zur Tür hinaus.

»Ganz ehrlich, ich bin nicht die Spur müde. Es war doch gar nichts los.«

»Aber du hast tiefe Augenringe. Du brauchst dringend Schlaf.«

Augenringe? Echt?

»Na, wenn du meinst …« Maddalena gab sich geschlagen.

Augenringe.

Wie unangenehm.

Eine Stunde früher zu Hause. Eine ganze Stunde. Was um alles in der Welt sollte sie mit einer ganzen freien Stunde anfangen? Maddalenas Leben war inzwischen so unflexibel an Uhrzeiten gebunden, dass ihr das Entspannen nur dann gelang, wenn sie auch sonst immer frei hatte.

Sie ging in ihrer Wohnung auf und ab – auch die quasi unverändert von ihren Eltern übernommen – und war beinahe versucht, die Wäsche zu machen. Aber so weit kam es nicht.

Nach langer Zeit setzte sich Maddalena nämlich einmal wieder an ihren Schreibtisch, klappte ihr handgeschriebenes Rezeptbuch auf und blätterte es durch.

Vorspeisen-Rezepte. Ihre Leidenschaft. Es gab nichts in der Gastronomie, das sie so sehr begeisterte, wie die Kreation und Zubereitung von Vorspeisen. Im Restaurant war alles das, was mit Antipasti zu tun hatte, ihr Bereich. Maddalena kaufte die Zutaten ein, Maddalena verarbeitete sie, Maddalena bot sie den Gästen an.

Manchmal dachte sie darüber nach, das Angebot noch zu vergrößern. Manchmal hatte sie große Lust, einen zusätzlichen Antipasti-Lieferservice aufzubauen. Manchmal … wenn die Realität sie nicht einholte.

Kürbis.

Irgendwie fiel ihr gerade ein, dass sie noch nie Kürbis in ihr Sortiment aufgenommen hatte.

Maddalena grübelte. Gegrillt? Klar. Das war einfach. Mit Balsamico-Essig. Knoblauch? Nein. Eher Petersilie. Frittiert? Hauchdünn geschnitten, in Mehl gewälzt und ab damit ins heiße Olivenöl. Ja! Das musste sie ausprobieren. Gleich morgen. Maddalena streckte sich. Jetzt war sie müde, richtig müde.

Augenringe.

Herrgott.

Ab ins Bett jetzt.

***

»Kommt rein!« Teresa flüsterte. Blickte sich um. Sah dabei aus wie eine schlechte Schauspielerin in einem Fernsehkrimi.

»Danke, Teresa.« Daniela und Stefano traten hinein.

»Fühlt sich komisch an hier drinnen, ohne Leute, ohne Maddalena. Irgendwie nicht die Spur lebendig. Bist du sicher, dass die Aufnahmen auch richtig wirken werden?«

»Bestimmt. Mach dir keine Sorgen.« Stefano versteckte sein Auge bereits hinter der kleinen Kamera. »Teresa, kannst du eine Flasche Wein und ein paar Gläser auf den Tisch stellen?«

»Klar!« Sie deckte den Tisch hübsch und betrachtete nachdenklich ihr Werk. »Crowdfunding also … wenn Maddalena das herausfindet, wirft sie mich raus!« Teresa kicherte nervös.

»Unsinn. Sie wird das nie erfahren.«

»Na hoffentlich. Ich mag meine Arbeit. Noch immer.«

Daniela umarmte Teresa spontan.

Alle mochten sie das Felicità.

Alle mochten sie Maddalena.

Deshalb waren sie schließlich hier.

***

Die Nachtluft war erfrischend. Tommaso brauchte ein paar Minuten im Freien. Nach einem ganzen Tag im Restaurant konnte er sich nicht gleich wieder in seiner Wohnung einsperren. Er blickte abwesend auf die Armbanduhr. Nach ein Uhr. Ungewöhnlich spät. Konnte mal vorkommen. Wenn die Gäste sich gerade amüsierten und noch weiter und weiter bestellten, griff er nur selten ein. Grappa, Wasser, Espresso, Limoncello. Kurz: gutes, einfaches Geld.

Instinktiv blickte er rüber zum Felicità. Es brannte noch Licht. Das war außergewöhnlich. Maddalena machte immer vor ihm zu. Vielleicht hatte sie auch gute Kundschaft. Er würde es ihr so sehr gönnen!

Tommaso seufzte tief, blickte in den Himmel, der keinen einzigen Stern zeigte, schaute dann auf die Straße, die allmählich ruhiger wurde. Er seufzte wieder, konnte dabei aber nicht sagen, was ihn so wehmütig stimmte. Dann drehte er sich zur Eingangstür, die meist offen stand, und stieg die Stufen zu seiner Wohnung hoch.

Er war nachdenklich. Nicht einmal sein Kater konnte ihn ablenken. Obwohl das Tier wirklich mit allen Mitteln versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Die heutige Nachricht von Maddalenas Schwierigkeiten hatte ihn berührt. Er fühlte sich schuldig. Und wusste nicht, wie er es besser machen konnte. Was, wenn er ihr irgendwie half? Nur wie?

***

»Sieht sehr gut aus, mein Schatz.«

»Ja? Findest du, amore?«

»Absolut! Die Hintergrundmusik passt auch perfekt. Gefällt mir sehr. Macht wirklich Lust darauf, das Restaurant mal zu besuchen.« Stefano trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch, Blick auf den Monitor fixiert. Ja, er war zufrieden.

»Dann kannst du ja alles hochladen.«

»Danke, mein Schatz. Ich weiß das zu schätzen.« Daniela war ganz in ihrem Element, schaute kaum auf vom Bildschirm. Sie wollte das zu Ende bringen. So war sie. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, dann ging sie zielstrebig darauf zu.

Erst, als der Eintrag sie hundertprozentig überzeugte, gab sie ihn zur Veröffentlichung frei.

Es gab kaum etwas, was sie nicht für ihre Freundin getan hätte. Daniela war Maddalena zu ewigem Dank verpflichtet. Jedenfalls hatte Daniela dieses Gefühl. Alte Geschichten, die sie nur zu gern verdrängte. Sie erhob sich vom Schreibtisch, drückte sich selbst und ihrem Projekt die Daumen und ging zu Bett. Leise kuschelte sie sich an Stefano, der bereits leicht schnarchte, dachte noch eine Weile über ihre Beziehung nach und fiel dann in einen traumlosen Schlaf.

***

Ganz ehrlich, diese Sache mit den Augenringen brachte Maddalena vollkommen aus dem Konzept. Sie hatte extra lange ausgeschlafen, obwohl sie nicht die Spur von Schatten unter ihren Augen gesehen hatte. Und jetzt sah sie erst recht keine. Hoffentlich war das Thema damit erledigt. Bisher hatte sie sich nie Sorgen um ihr Aussehen machen müssen. War es jetzt so weit? Musste sie mit ihren 29 Jahren anfangen, sich mehr zu pflegen? Das fehlte ihr gerade noch!

Eine Schicht Abdeckstift mehr konnte auf jeden Fall nicht schaden. Vielleicht auch ein wenig Rouge.

Genau.

Ja.

Hervorragend! Jetzt sah sie aus wie geschminkt für einen Faschingsball. Genervt wischte sie sich das Gesicht ab und machte sich – wie immer fast ungeschminkt – auf den Weg ins Restaurant. Diese Augenringe-Sache musste sie unbedingt noch einmal mit Teresa besprechen.

Das Felicità lag noch ganz ruhig da. Sie mochte es am liebsten, wenn sie allein war, nur begleitet von dem leichten Brummen der Motoren der Kühlräume. Sie arbeitete gerne ungestört an ihren Antipasti, ließ dabei die Gedanken herumfliegen und entspannte komplett. Das waren die Momente, in denen sie sich daran erinnerte, was es war, das ihr an der Gastronomie so sehr gefiel. Dieses Einswerden mit den Zutaten, die Konzentration, die die einzelnen Vorgänge erforderten, die Freude, das Resultat ihrer Anstrengungen betrachten zu können. Ja, egal wie sie es drehte und wendete, hierzu war sie geschaffen. Etwas anderes konnte sie gar nicht. In einem Büro würde Maddalena wahrscheinlich eingehen.

Sie richtete die gefüllten Champignons, die Auberginen-Schiffchen, die Artischockenherzen und die Kürbis-Chips hübsch an, betrachtete ihr Werk stolz und verließ die Küche.

Ja, jetzt konnte der Tag beginnen – mit oder ohne Augenringe.

***

Nur wenige hundert Meter weiter war auch Tommaso bereits in seinem Restaurant beschäftigt. Während er sich in der Küche sehr wohl auskannte, sie aber nicht unbedingt als sein Reich betrachtete, so lag seine Begabung doch viel mehr im organisatorischen Bereich und im Service. Schon sehr früh hatte er in seinem Arbeitszimmer diverse Papiere geordnet und die Tageskarten für die nächsten vier Wochen geplant, zusammengestellt und ausgedruckt. Eine leichte Übung. Er hatte noch massig Zeit, bis der Betrieb losging. Vielleicht schaffte er es, sich im Internet nach einem neuen Reiseziel umzusehen. Im Januar wollte er unbedingt verreisen, wusste aber noch nicht so recht, wohin. War sogar noch unentschlossen, ob es ins Warme oder ins Kalte gehen sollte. Er öffnete eine bekannte Reise-Webseite, klickte sich durch die verschiedenen Angebote und verlor sich, wie so oft, im Netz.

Nach einer Weile landete er, einmal mehr und völlig unbeabsichtigt, auf der Homepage des Felicità. Eine total überholte Internetpräsenz. Aber er guckte nicht etwa drauf, um zu spionieren, nein. Er blieb immer und immer wieder an Maddalenas Foto hängen, das die Seite schmückte. Sie strahlte heiter in die Kamera und verzauberte ihn jedes Mal aufs Neue.

Er googelte ihren Namen, kam sich dabei vor wie ein Idiot, hielt aber inne, als er irgendwo auf der zehnten Seite auf eine neue Notiz stieß, die er noch nicht kannte.

Nanu? Crowdfunding?

***

»Morgen, amore. Seit wann bist du denn schon wach?« Stefano fand seine Freundin am Schreibtisch vor.

»Noch nicht lange. Wollte nur eben noch sehen, ob sich schon etwas getan hat in Sachen Spendensammeln.«

Stefano massierte Danielas Schultern, stand dicht hinter ihr und blickte selbst auf den Bildschirm. »Schau mal, amore, du hast eine Nachricht.«

Daniela öffnete ihr Postfach, während Stefano sich etwas zu trinken aus der Küche holte. »Schatz?«

»Was ist?«

»Das glaubst du mir nie …«

Neugierig kam er zurück. »Was ist los?«

»Entweder haben wir mit unserem Film einen echten Hit gelandet, oder es gibt hier noch jemanden, dem das Felicità am Herzen liegt.«

»Wieso?«

»Na, weil wir bereits auf die gesamte Summe gekommen sind.«

»So schnell?«

»Ja, ich bin selbst ganz überrascht.«

»Wie viele Leute haben denn da mitgemacht praktisch über Nacht?«

»Hmmm … nur eine Person.«

»Was? Eine einzige Person macht 3000 Euro locker? Ist die denn verrückt? Das ist sicher fake, Dani. Sieh mal nach dem Namen.«

»Ach Mann!«

»Fake?«

»Nein, aber der Geldgeber will anonym bleiben.«

Kapitel 3

Der Baumarkt war gut besucht, und Maddalena ließ sich von Daniela durch die Gänge leiten, ohne so richtig auf den Inhalt der Regale zu achten. Sie fand ganz einfach, dass Rohre, Parkettböden und Kloschüsseln ihre Aufmerksamkeit nicht verdienten.

»Den Stoff habe ich übrigens auch schon gleich bestellt!«, erwähnte Daniela so beiläufig wie möglich.

»Häh?« Ganz sicher hatte Maddalena sich verhört.

»Ja, ja. Du fragst dich jetzt bestimmt, wie ich überhaupt dazu komme …«

»Zum Beispiel, ja.«

»Crowdfunding.«

Maddalena richtete den Blick verzweifelt gen Himmel und registrierte dabei, dass Baumärkte unheimlich hohe Decken hatten. »Du weißt doch ganz genau, dass ich das nicht mag!«

»Weiß ich, ja. Aber dazu ist es jetzt zu spät. Ich habe das Geld längst zusammen und bereits wieder ausgegeben. Ein einziger Spender hat den gesamten Betrag übernommen.«

Jetzt blieb Maddalena erstaunt stehen. »Nur einer?«

»Nur einer«, bestätigte Daniela vorsichtig.

Sie schien auf der Hut zu sein, was Maddalena aus unerfindlichen Gründen noch wütender machte.

»Egal. Du wirst das Geld zurückgeben. Und zwar plötzlich.« Eigentlich hatte Maddalena auch gar keine Lust, das Thema noch weiter auszudiskutieren. Als sie aber den verletzten Gesichtsausruck ihrer Freundin bemerkte, blieb sie stehen und rang mit sich. Daniela war eigentlich keine Person, die sich von irgendwem verletzen ließ. Und Maddalena wollte ganz gewiss nicht die Erste sein. Ihre Freundin wollte nur helfen. Das musste sie sich vor Augen halten.

Sie seufzte, fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

»Die Leute machen das auch wirklich freiwillig? Ich meine, du nötigst sie nicht oder so?«

»Schön wär’s, wenn ich irgendjemanden dazu nötigen könnte, mir Geld zu geben …«

An Danielas Tonfall erkannte Maddalena ganz deutlich, dass sie noch immer ein bisschen eingeschnappt war.

»Na gut!«, gab sie sich daher endlich geschlagen, stapfte dabei aber mit dem Fuß auf. So hart, dass sie den Schlag durch die Fußsohle ihrer Stiefeletten spürte.

»Alles wird gut, Lena.« Jetzt ganz plötzlich viel sanfter gestimmt, strich Daniela ihr über die Schulter. Maddalena legte sich kurz in diese ermutigende Berührung hinein. Es fiel ihr nicht leicht, sich anzulehnen. Ganz und gar nicht.

»Komm, wir müssen jetzt die Farbe suchen!«, beschloss Daniela und zog sie einfach weiter durch die Gänge. Ganz so als wäre nichts geschehen.

»Was meinst du zu dieser Farbe?«, wollte Daniela wissen, als sie die Farbabteilung erreicht hatten. Maddalena, mit den Gedanken noch immer bei der Crowdfunding-Angelegenheit, hatte nicht mitbekommen, dass ihre Freundin mit einem dieser Farbkataloge herumspielte.

»Etwas zu dunkel vielleicht?«

»Ich finde, du solltest ruhig etwas Mut beweisen. Nach den grässlichen Pastelltönen brauchst du jetzt etwas Kräftiges.«

Maddalena war nicht wirklich überzeugt. Statt Azurblau, hielt ihr Daniela jetzt Nachtblau hin. Das ging nun wirklich nicht!

»Allein schon die Tatsache, dass wir streichen, wird die Kundschaft bereits positiv überraschen. Wir wollen jetzt nicht übertreiben und sie direkt verschrecken.«

Ein Verkäufer mischte sich diskret, aber bestimmt ein.

»Kann man den Damen helfen?«

»Ja!«

»Nein!«

Er ignorierte Danielas Nein elegant.

Eine Stunde geduldiges Beratungsgespräch später, gingen die Freundinnen zufrieden aus dem Baumarkt. Gerda und Hans würden am Nachmittag die Farbeimer abholen. Maddalena freute sich endlich. Es war oft nur der erste Schritt, der so große Angst machte, wenn man etwas Neues anging. Den noblen Spender hatte sie bei der Aufregung bereits wieder vergessen.

Vor dem Felicità verabschiedeten sich die beiden Frauen voneinander.

»Magst du noch auf einen Cappu mit hinein?«

»Du, ein anderes Mal gerne. Aber ich muss mich mal wieder um meinen Laden kümmern.«

Maddalena hatte deswegen schon ein ganz schlechtes Gewissen und ließ ihre Freundin flink davonfahren.

Aber Maddalena kam auch weiter nicht zur Ruhe. Im Restaurant warteten bereits Gerda und Hans auf sie, die sich mit ihr für den folgenden Tag absprechen wollten, an dem es endlich losgehen sollte mit der kleinen Renovierung.

Hans schien das Thema sehr zu interessieren. Er wurde nämlich ungewöhnlich gesprächig.

»Spätestens um fünf Uhr muss es losgehen.«

Maddalena schluckte. Fünf Uhr? Fünf Uhr in der Früh? Konnte man zu der Uhrzeit schon wach sein, geschweige denn streichen? »Wenn wir gegen sechs Uhr anfangen, ist das doch auch noch in Ordnung, oder Hans?«

Einen Versuch war es wert.

»Das ist nicht dasselbe, Lena. Wir wollen doch zügig fertig werden!«

Mist. Das würde ihren vermeintlichen Augenringen gar nicht gut tun.

»Was hast du denn nun für Farben genommen?«, mischte sich Gerda ein.

»Hellblau, Gelb und Grün, wie besprochen.«

»Kein Rosa?«

»Kein Rosa. Aber Daniela hat inzwischen wohl die Stoffe gekauft – dank einer ihrer irren Aktionen. Die Farbe der Gardinen ist ein frischer Gelbton. Extra für dich ausgesucht.« Stimmte zwar nicht, aber eine beleidigte Gerda war schwieriger zu ertragen als eine gut gelaunte. Und in der Tat strahlte sie gleich beinahe gerührt.

»Für mich?«

»Ja, nur für dich!«

Hans murmelte unverständliches Zeug, während Gerda selig vor sich hin lächelte.

»Dann kann ich Kunigunde ja bereits zum Vermessen einladen, damit wir auch das zügig hinbekommen.«

»Gute Idee, Gerda.« Maddalena wünschte, alles im Leben wäre so einfach, wie Gerda bei Laune zu halten.

Einfach war es zum Beispiel aber auch, Domenico, den kleinen, allwissenden Italiener, zufriedenzustellen. Er saß einfach nur an seinem Tisch, scheinbar unbeteiligt, und nippte an seinem Espresso, als gäbe es nichts weiter, was ihn kümmerte.

***

»Sie renoviert.«

Tommaso merkte Domenico an, wie verwirrt er war, als er ihm diese Neuigkeit überbrachte.

»Ist doch gut«, stellte er fest und tat dabei so beiläufig wie möglich, wischte mit der Hand über die Tischdecken, stellte Blumen, Salz- und Pfefferstreuer um und kontrollierte die Zuckerdosen.

»Ich weiß nicht. Vielleicht renoviert sie ja auch nur, um leichter einen Käufer zu finden.«

An diese Möglichkeit hatte Tommaso nicht gedacht. Er hatte vielmehr gehofft, dass Maddalena damit eine Art Neustart wagen wollte. Abwegig war Domenicos Vermutung aber nicht. »Ob dir da in nächster Zeit vielleicht etwas zu Ohren kommt?«, fragte Tommaso absichtlich vage.

»Mal sehen, ob sich was machen lässt …« Domenico hob vielsagend die Augenbrauen und spazierte aus der Trattoria. Tommaso blieb zurück und beobachtete den weiteren Verlauf der Vorbereitungen und das langsame Eintrudeln des Personals. Mit den Gedanken war er aber ganz woanders. Maddalena. Immer öfter, immer intensiver. Sie hatte es ihm angetan, das konnte er nicht leugnen. Schon beim ersten zufälligen Treffen hatte die rassige Italienerin etwas in ihm bewegt. Und diese Sorge, ein bisschen für ihre Schwierigkeiten mitverantwortlich zu sein, ließ ihn nicht los und immer mehr hineinrutschten in dieses zarte, undefinierte, aber immer wichtiger werdende Gefühl. Er konnte nur hoffen, dass Maddalena jetzt alle Kräfte noch einmal sammelte, um ihrem Felicità wieder zum verdienten Erfolg zu verhelfen.

***

»Passen Sie aber um Himmels willen auf, Ihr Budget nicht zu übersteigen, sonst geht Ihre Renovierung ordentlich in die Hose, Frau Rossini.«

Wieso war sie eigentlich auf diese absurde Idee gekommen, Herrn Schlosser über ihre Pläne zu informieren? Hatte sie etwa erwartet, ihn damit beeindrucken zu können? Weit gefehlt …

»Keine Sorge, Herr Schlosser. Ich gebe nicht mehr aus als notwendig. Um ehrlich zu sein, habe ich gute Unterstützung von Freunden und Bekannten und brauche daher keine großen Summen.« Das wollte sie ihm mal unter die Nase reiben. Ja, es gab auch Menschen, die sie unterstützten und nicht dauernd nur meckerten.

»Ich sage es ja nur ungern, Frau Rossini, aber ich glaube nicht, dass es mit ein bisschen Farbe getan ist. Sie müssen Ihre Einstellung ändern. Nehmen Sie sich ein Beispiel an … anderen Restaurants. Selbst bei uns in der Straße gibt es durchaus Läden, die trotz Krise, trotz Konkurrenz, wirklich super arbeiten. Das hat sicher etwas mit …«

Maddalena klinkte sich aus, hörte nicht mehr hin. Wenn Herr Schlosser auch nur noch ein einziges Mal andere Restaurants erwähnte, ging sie an die Decke. Dass Tommaso Trotta sein Liebling war, war ja wirklich kein Geheimnis, obwohl der Steuerberater natürlich nie einen Namen nennen würde. Trotzdem trug sein Schwärmen nicht gerade dazu bei, ihre ohnehin schon sehr gespaltete Meinung über den Trotta zu bessern.

»Dass ich am Amici-Italiani-Wettbewerb teilnehmen werde, habe ich Ihnen aber bereits erzählt, oder?« Irgendetwas musste sie ja sagen, um ihn von seiner Lobeshymnen-Wolke herunterzubringen.

Schweigen.

»Nein, das haben Sie nicht.«

Schweigen. Räuspern.

»Keine gute Idee?« Plötzlich war sich Maddalena gar nicht mehr so sicher, ihn damit beeindruckt zu haben. Bei Herrn Schlosser konnte man es offensichtlich nie richtig machen.

»Jetzt haben Sie mich doch tatsächlich sprachlos gemacht, Frau Rossini. Das ist eine ganz hervorragende Idee. Gut. Machen Sie so weiter.«

Und schon hatte er das Gespräch beendet.

Maddalena schaute den Hörer lange an.

Hatte er das jetzt echt gesagt? Das war doch fast schon ein Lob gewesen, oder?

Sie jauchzte vor Erleichterung und Freude. Vielleicht ging es ja tatsächlich langsam bergauf!

***

Es ging los mit Renovieren: Hans entpuppte sich als perfektionistisch veranlagter Sklaventreiber, wobei Maddalena bewusst wurde, dass sie ihn offensichtlich immer falsch eingeschätzt hatte. Sie fragte sich kurz, wie er sein wahres Ich all die Jahre so konsequent vor ihr versteckt haben konnte, kam aber nicht dazu, nach einer Antwort zu suchen. Er scheuchte die Damen nämlich von einer Ecke in die andere, gab ihnen immerzu neue Aufträge, machte am Ende aber doch alles selbst, weil es ihm nicht passte, wie sie sie ausführten. Doch nicht so!, wurde zu seinem Lieblingsausruf. Die Einzige, die sich darüber amüsierte, war Gerda.

»Beim Hans muss immer alles ganz genau nach seinen Anweisungen gemacht werden.«

Kicher.

»So ist er, mein Hans!«

Kicher.

Wenn Hans aber so weitermachte, würde Maddalena ihn mit zunehmender Sicherheit in einem der Farbtöpfe ertränken. Zusammen mit Gerda.

Nach einigen Stunden aufreibender Arbeit stellte sich aber so etwas wie ein natürliches Gleichgewicht ein. Gerda klebte alles ab. Teresa pinselte hohe Stellen schön, Allegra hingegen die tiefen. Maddalena putzte hinterher und Hans machte den ganzen Rest. So eingespielt kamen sie gut voran und arbeiteten in einer seltenen Art von stiller Symbiose – bis Gerda fand, dass es zu leise war.

»Davon bekomme ich ja Kopfschmerzen.«

»Wovon?« Höflichkeitshalber fragte Maddalena nach – und bereute es sofort.

»Na, von dieser lauten Stille. Das vertrage ich nicht.«

Teresa lachte auf und versteckte das sofort – mehr schlecht als recht – hinter einem gespielten Hustenanfall.

»Mir fällt zum Beispiel gerade auf, dass ich gar nichts über euer Privatleben weiß«, fuhr Gerda unbeirrt fort.

»Das ist auch gut so«, mischte sich Hans sehr diskret ein.

»Wieso denn? Jetzt sind wir hier schon seit Ewigkeiten Stammgäste, und ich weiß noch nicht einmal, ob die Teresa verheiratet ist.«

»Wahrscheinlich, weil sie es nicht verraten will. Ich würde auch nicht jedem dahergelaufenen Gast meine ganze Lebensgeschichte erzählen.«

»Aber Hans! Wir sind doch nicht dahergelaufene Gäste. Wir gehören sozusagen zur Familie, nicht wahr?« Gerda blickte jetzt Teresa so erwartungsvoll an, dass diese nicht das Herz hatte, sie nicht als Familienmitglied zu behandeln.

»Ach Hans, ist schon gut. Macht mir nichts aus, über mein Leben zu erzählen. Wobei es eigentlich nicht viel zu sagen gibt. Ich bin nicht liiert.«

»Aber du bist nicht zufällig lesbisch?«

Bei der Frage geriet Hans auf seiner Leiter beinahe aus dem Gleichgewicht.

»Gerda!«

»Was denn? Könnte doch sein. Wir sind ja auch total offen für alles.«

Allegra kicherte in ihrem Eck und tat sehr beschäftigt.

»Nein, Gerda, ich stehe eigentlich schon auf Männer. Der Richtige war bisher wohl einfach nicht dabei.«

Gerda verlor das Interesse sofort. Und Maddalena hielt sich clever aus dem Gespräch heraus, um ja nicht in Gerdas Visier zu geraten. Über ihr Liebesleben gab es nämlich nicht viel zu erzählen. Oder besser, gar nichts. Niente. Tote Hose.

»Und du Allegra?«

»Seit zehn Jahren glücklich verheiratet.«

»Oh! Dann muss ich mich also nur um die Lena und die Teresa kümmern.«

Maddalena sah Teresa an, wie unangenehm ihr das war, wunderte sich aber gleichzeitig, dass Gerda sie noch nicht einmal gefragt hatte. War sie für ihre treuste Kundin ein hoffnungsloser Fall? Oh Mann. Das war ja fast schon eine halbe Depression wert. Und würde mit Sicherheit wieder Augenringe geben. Vorsichtshalber warf Maddalena einen Blick in den Flurspiegel. Also, bei aller Anstrengung: Augenringe konnte sie wirklich nicht erkennen. Teresa hatte ihr da einen Floh ins Ohr gesetzt, von dem sie sich einfach nicht befreien konnte.

Kunigunde traf zeitgleich mit Domenico ein. Maddalena hatte die Tür eigentlich nur für die Schneiderin offen gelassen. Gäste waren jetzt wirklich nicht willkommen, mitten im Chaos grande. Aber Domenico war ja streng genommen kein richtiger Gast. Und er ging Kunigunde sogar helfend zur Hand, obwohl sie sich auch allein sehr geschickt anstellte. Man sah ihr ihre Erfahrung an. Und man sah ihr ihre … ähm … Kreativität an. Der bodenlange, sehr hübsche Patchwork-Rock passte zwar nicht richtig zur Blümchenbluse, aber getrennt voneinander waren die Teile sicher sehr reizvoll und stellten einen interessanten Kontrast zu Kunigundes lilafarbenen Haaren dar.

»Schnucki, hältst du mir das Meterband hier fest, ja?«

Also, Schnucki, das war Domenico. Sogar Hans lachte darüber.

»Gerne, Signora.«

»Signora? Das heißt doch Dame, oder? Schnucki, findest du, ich sehe aus wie eine Dame?« Kunigunde lachte ihm direkt ins Gesicht, und Domenico wurde dabei, wenn möglich, noch kleiner.

»Signora ist ein Kompliment.«

»Für mich nicht, Schnucki. Ich bin so eine richtige bitch, verstehst du?«

Nein, das Tat Schnucki offensichtlich nicht wirklich, denn für ihn blieb Kunigunde weiterhin Signora.

Maddalena und ihr kleines Team strichen zwar ohne Pause weiter, aber sie ließen sich keinen einzigen Schlagabtausch zwischen den zweien entgehen.

»Was ist, kommst du noch mit, Schnucki?«, wollte Kunigunde irgendwann wissen, als sie ihre Arbeit beendet hatte.

Klar, Schnucki ging mit. Er war ja nicht blöd.

»Hat deine Schneiderin den Domenico jetzt echt abgeschleppt?«

Gerda tat empört.

»Meine Schneiderin? Ich kenne die Dame nur vom Sport und bin sicher nicht verantwortlich für ihr dubioses Verhalten.«

»So ist’s: Jedes Töpfchen findet sein Deckelchen.«

Hans und seine Weisheiten. Herrlich! So amüsant wie eine Wurzelbehandlung ohne Anästhesie.

»Fast alle. Und wenn sie wie Maddalena und Teresa ihr Deckelchen nicht finden, dann hilft die gute Gerda einfach nach.« Das war Gerdas Kommentar dazu, und Maddalena und Teresa vertieften sich lieber wieder vollends in der Arbeit.

***

Daniela war ja wirklich nicht leicht sprachlos zu machen. Aber die Farbe im Felicità schaffte das, was schon viele vergeblich versucht hatten, problemlos. Ihre Augen tanzten von der Decke zur Wand, vom Eck wieder zurück zur Decke, im Versuch, das neue Gesicht des Restaurants im Ganzen zu sehen. Es gelang ihr nicht wirklich, aber die Teilbilder, die sie erblickte, überzeugten sie wohl auch.

»Wow! Das ist so viel besser als das Eitergelb von zuvor! Mensch, ihr habt wirklich ganze Arbeit geleistet. Toll, toll, toll!«

Ihr Enthusiasmus war ansteckend. Hans schien selig, und die Frauen führten einen kurzen, aber intensiven Freudentanz auf, der, bei genauerem Betrachten, einen heftigen Fremdschäm-Tsunami auslösen konnte.

Das Lob tat einfach zu gut nach der ganzen Schufterei.

»So, aber jetzt gehen wir«, stellte Hans sehr entschlossen klar.

»Ach Hans, jetzt wird es doch gerade erst nett.«

»Nett ist es bei mir zu Hause. Habe d‘ Ehre, die Damen.« Und weg war er.

»Er ist ein alter, sturer Spielverderber«, sagte Gerda zu niemandem direkt und folgte ihm.

Auch Teresa und Allegra verabschiedeten sich.

Maddalena und Daniela blieben zurück.

»Hast du Hunger?« Maddalena war immerzu besorgt um Danielas Wohl. Letztere konnte nämlich gar nicht kochen. Ernährte sich meist von Fertiggerichten.

»Ein bisschen schon«, gab sie zu.

»Komm mit in die Küche.«

Maddalena war ehrlich stolz auf die Restaurantküche. Die Renovierung dieses Teils des Lokals war die letzte, große Investition ihrer Eltern gewesen, bevor Maddalena übernommen hatte.

»Fleisch? Mit Reis?«

»Boah, ja, das wäre echt genial. Wie hast du das erraten?«

»Ich kenn dich doch. Du isst nicht ordentlich.«

Sicher und gezielt bewegte Maddalena sich hin und her. Jeder Griff passte, jede Bewegung führte zu einem Resultat.

»Du solltest viel öfter kochen.«

»Ich weiß. Es macht mir Spaß.«

»Du siehst dabei echt cool aus. Dass aus dir mal so eine talentierte Frau werden würde, hätte ich echt nicht gedacht. Im Kindergarten hast du in der Spielküche immer den totalen Mist gebaut.«

»Du hast im Kindergarten aber auch nur Mist gebaut. Vor allem warst du miserabel gekleidet. Irgendwo habe ich ein Bild, da trägst du ein braunes Kleid mit gelbem Tüll über einer rosa Leggins.«

Daniela kicherte. »Meine Mutter hat einen fragwürdigen Modegeschmack, den sie damals leider auch an mir ausgelassen hat.«

»Oh ja! Richtig besser geworden ist es ja nicht …«

Daniela blickte an sich hinab. Sie trug einen dunklen Rock mit hellen Punkten, Plateauschuhe und eine Spitzenbluse.

»Quatsch. Du bist toll!« Maddalena nahm das Besteck aus der Schublade und stellte Teller und Utensilien vor Daniela auf den Tisch.

»Du aber auch.« Hungrig roch Daniela am Gericht.

»Wer hätte das gedacht, dass aus uns einmal so erfolgreiche Frauen werden würden.«

»Frauen stimmt zweifellos. Erfolgreich leider in meinem Fall nicht so ganz.«

»Unsinn! Du bist sehr wohl erfolgreich. Was du jeden Tag leistest, würde ich in einer ganzen Woche nicht schaffen. Das Felicità hat eine Flaute. Kann passieren. Das wird sich jetzt ändern. Ganz bestimmt!« Daniela schnitt sich das erste Stück Fleisch herunter und kaute genüsslich.

»Das hoffe ich sehr. Und übrigens danke nochmal, wegen der ganzen Crowdfunding-Sache, die du auf die Beine gestellt hast. Schade, dass ich mich nicht auch persönlich bei demjenigen bedanken kann, die mir so viel Geld zur Verfügung gestellt hat«, bemerkte Maddalena.

»Vielleicht ein reicher Scheich auf Frauensuche?«, schlug Daniela vor.

»Oder George Clooney, der sein neues Lieblingsrestaurant ausstatten will?«, rief Maddalena begeistert.

»Du immer mit deinem George! Was findest du eigentlich an dem alten Opa, Maddalena? Das musst du mir echt mal erklären!«

»Er ist nicht alt. Er ist reif. Weißt du, wie guter Wein.«

»Wein mag ich auch nicht.« Daniela nahm einen ganzen Löffel voll Reis. »Du musst dich nach einem Jüngeren umsehen, Lena.«

Ach, an Männer dachte sie nur selten. Wie sollte sie auch die Zeit dazu finden?

»Jaja, jetzt kommst du mir sicher mit dem Argument, dass du keine Zeit hast und so. Zeit für die Liebe muss man finden, Lena. Es gibt sicher auch Männer, die ähnliche Arbeitszeiten haben wie du.«

Ja, Tommaso Trotta zum Beispiel.

Absurd.

Wieso war Maddalena ausgerechnet der eingefallen. Irgendwie ging das Gespräch in eine Richtung, die ihr zunehmend unangenehm wurde.

Zurück zum Crowdfunding.

»Ist ja auch egal, wer mir letztendlich diese 3000 Euro geschenkt hat. Auf jeden Fall bin ich der Person zu ewigem Dank verpflichtet.«

»Genau. Auf ewig miteinander verbunden. Irgendwie romantisch.«

»Gott, Dani, mach was mit deinen Hormonen! Du bist echt unausstehlich mit deinen immerwährenden Frühlingsgefühlen.«

»Ich denke nur voraus. Du wirst bald 30. Wenn du nicht als alte Jungfer sterben willst, musst du dich ranhalten.«

Maddalena warf mit der Serviette nach ihrer Freundin.

Manchmal war sie wahrlich unausstehlich.

Kapitel 4

»Schön, dass ihr hier seid. Danke fürs Kommen.« Daniela begrüßte alle und bat sie in ihren kleinen Laden – Gerda und Hans, Teresa und Allegra. Stefano war sowieso schon da.

»Wo brennt’s denn?« Hans war ungeduldig, blickte sich nicht wirklich erfreut um und begutachtete die ausgestellten Kleidungsstücke, wie jeder andere wohl eine giftige Kröte angeschaut hätte.

»Ich wollte mit euch über Lenas Einweihungsfeier sprechen«, fuhr Daniela fort.

Gerda klatschte entzückt in die Hände. »Oh, eine Feier. Ich liebe Feiern. Was können wir tun?«

»Ich habe diese Einladungen gedruckt, vielleicht könnt ihr die verteilen. An Nachbarn, Freunde und Bekannte. Alle, die euch einfallen«, informierte Stefano die Anwesenden. Er reichte die hübschen Kärtchen herum, die entzückt bestaunt wurden – weniger entzückt als interessiert von Hans.

»Maddalena ist kein Mensch, der sich aufdrängt. Auf Feiern steht sie auch nicht unbedingt. Damit also ihre Wiedereröffnung nicht in die Hose geht, müssen wir eingreifen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie von sich aus an spezielle Einladungen gedacht hat«, erklärte Daniela.

»Kann ich nur bestätigen. Ich habe sie gefragt, was sie für übermorgen vorhat, und sie hat mit den Achseln gezuckt«, berichtete Allegra.

»Ja, so ist sie die Gute. Also, es hängt von uns ab, okay?«

Alle nickten sich zu.

»Und ihr beide müsst irgendwie arrangieren, dass dann auch für alle genug zu essen und trinken da ist, ja?«, bat Daniela.

Teresa und Allegra erklärten sich dazu bereit, und Gerda machte wohl schon eine mentale Liste von den Leuten, die sie einladen wollte.

***

Domenico hielt Tommaso die Einladung hin.

»Oh, schon übermorgen?«

Maddalena hatte es offensichtlich eilig. Ihn hatte sie nicht eingeladen. Natürlich nicht. Warum machte ihm das etwas aus?

Der kleine Italiener schien seine Gedanken zumindest teilweise zu erahnen und schickte sich an zu erklären: »Mich hat sie auch nicht direkt eingeladen. Ich habe das Kärtchen von … der Signora Kunigunde.«

Tommaso hob fragend die Augenbrauen, und Domenico schüttelte den Kopf. »Kennst du wohl nicht. Aber ich bin mir sicher, dass Maddalena dich nicht hinauswerfen würde, wenn du auch vorbeischauen würdest.«

»Ach, ich weiß nicht …«

Domenico grinste. Sein Schnurbärtchen wurde dabei fast doppelt so lang.

»Was lachst du?«

»Amore, amore! Wie schön ist die Liebe!« Jetzt machte Domenico einen Kussmund und klimperte mit den Wimpern.

War das so offensichtlich, dass er Maddalena interessant fand?

»Du liegst da vollkommen falsch …«, versuchte Tommaso ihm das trotzdem auszureden. Immerhin war Domenico ja nicht gerade bekannt für seine Diskretion.

»Mir machst du nichts vor. Ist aber auch wirklich hübsch, die junge Rossini. Wäre ich nur 20 Jahre jünger und 20 Zentimeter größer, würde ich es selbst mal bei ihr versuchen. So ein Mädchen kann ja nicht ewig ungebunden bleiben.«

»Sie ist also Single?«

»Kein Mann weit und breit. Noch nicht einmal als Personal.«

Tommaso hatte das ja bereits vermutet. Allerdings war so eine Bestätigung ihm lieber.

»Dann hätte ich sozusagen freie Bahn.«

Domenico nickte übertrieben.

»Ich glaube aber nicht, dass sie es dir so einfach machen würde. Sie ist eine ganz harte Nuss.«

»Wieso erzählst du mir das alles überhaupt? Wie gesagt, ich stehe nicht auf sie.« Tommaso erinnerte sich gerade wieder mit Schrecken daran, dass Domenico ein Klatschmaul war. Dem neugierigen Italiener gegenüber war Leugnen eindeutig besser.

Jetzt hob der kleine Mann in geheuchelter Unterwürfigkeit die Arme und ging lachend auf den Ausgang zu – höchstwahrscheinlich in die nächste gelateria. Wohin auch sonst?

»Danke, Domenico!«, rief Tommaso ihm noch hinterher.

»Ach, nicht der Rede wert.«

In dem knappen Jahr, das er nun schon in dieser Straße lebte und arbeitete, hatte er das Felicità