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Das klassische Japan. Ein marodes Dorf, ein deillusionierter Kriegsherr, und ein humorbefreites Monster. In einem kleinen japanischen Dorf beginnt ein grausames Monster zu wüten, und Gerechtigkeit für eine Sache einzufordern. Die einfachen Leute und auch ihr Kriegsherr sehen sich vor unlösbare Probleme gestellt. Und das Monster wirkt bis in die Gegenwart.
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Seitenzahl: 528
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Das Monster im Schatten
Ein Werk von Andreas Ellermann, Sandstraße 63, 64342 Seeheim-Jugenheim, Deutschland/Europa/€U
Vergangenheit
Der Kriegsherr Takomuro
Fumiko, seine Tochter
Hara, ihre Zofe
Asuka, Tochter des Schmieds
Asano, Hauptmann der Wache
Mariko, seine Tochter
Suda, Tochter des Seifensieders
Ayana, Mietschwert
Der Shogun
Gegenwart
Der Minister
Sashiko, Herumtreiberin
Aki, Diebin
Reina & Mae, Geheimpolizistinnen
Natsumi, Akimo, Nito, Yui, Soldatinnen
Haruka, Schamanin
Fumiko Takomuro
Hara, Geist aus der Vergangenheit
Asuka & Yuki, Freundinnen
Asano, Wachpolizist
Mariko, seine Tochter
Suda, Bibliothekarin
Ayaka, Tempelwächterin
Muromachi-Periode
Bunmei-Ära
Christliches Jahr 1472
Takayama, Präfektur Toyama
Dorf Takomoru
Stolz und schwarz thronte auf einem kleinen Hügel die gemauerte Festung des Kriegsherren über dem kriegsgeschundenen Dorf. Sonderlich groß war das Dorf nun wirklich nicht mehr. Die vergangenen Kriegsjahre hatten fürchterlich in ganz Japan gewüte, und weitreichende Verwüstungen angerichtet. Es standen nicht mehr viele Häuser in dem kleinen Dorf, welches vorher schon nicht eben reich gewesen war. Neben vielleicht einem halben Dutzend Bauernhütten stand im Dorfzentrum noch eine uralte Schmiede, deren Feuer auch nicht mehr so brannte, wie man eigentlich meinen konnte. Vom Dorfzentrum führte ein dreckiger, lehmiger, Feldweg hinauf zu der schwarzen Festung. Dieser Weg war nicht einmal besonders gesichert, sondern wirkte genauso verwahrlost, wie der Rest.
Durch das Dorf selbst führte die Straße von Osaka in Richtung Aishi. Und auch diese Straße machte nicht eben einen wohl gepflegten Eindruck, sondern wirkte eher so, daß sie auch ein Opfer der letzten kämpferischen Auseinandersetzung geworden. Auch sie war lehmig und dreckig und zeugte wenig davon, daß es überhaupt noch Menschen in Takomoru gab.
In der Straße oberhalb der Schmiede besaß der Hauptmann der Wache sein eigenes Zuhause. Auch ein Gebäude, welches einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Doch diese guten Zeiten waren für Takomoru schon lange Vergangenheit. Das kleine Dorf hatte eine ruhmreiche Zeit erlebt, doch jedoch schon einige Jahrhunderte zurück lag. Damals war das Dorf ein Zentrum der Seifensiederei gewesen.
Folgte man der Straße von der Schmiede nach Osten hin, kam man an die eine Hälfte der Bauernhäuser, die vor einer verfallenen Palisade standen. Ging man dann diesem Weg hinunter kam man an das südliche Wachhaus, in dem immer zwei Soldaten des Kriegsherren ihren Dienst versahen. Auf der anderen Seite des Wachhauses ging die südliche Straße nach Osaka ab. Osaka, welches jetzt bereits eine Großstadt war, in der es alle Annehmlichkeiten des Kaiserreiches zu genießen gab. Doch davon konnten die Soldaten des Kriegsherren Takomoru nur träumen. Hinter der Palisade erstreckten sich in Richtung Osaka die fruchtbaren Felder des Dorfes. Hier wuchs dank eines kleinen Baches so gut wie alles. In dem kleinen Dorf gab es zwar eine winzige Taverne, doch da man nirgendwo Reisschnaps besorgen konnte, nutzen Durchreisende jene nur, um dort zu speisen und zu nächtigen.
Auf der westlichen Seite des kleinen Dorfes ging eine weitere Straße ab. Jene führte in Richtung Aishi, doch bevor man das größere Provinzdorf erreichen konnte, kam zuerst noch ein weiteres Dorf, welches mit zum Lehen des Kriegsherren gehörte. Auch hier lebten nur einfache Bauern. Das Lehen von Kriegsherr Takomoru war nicht reich zu nennen. Es versorgte seine Bewohner und auch seinen Lehensherrn. Doch dies war mehr schlecht als recht.
Im Süden erstreckte sich auch der Abschluß eines Bergrückens direkt neben dem großen Bambuswald, der parallel zur Straße nach Osaka wild vor sich hin wuchs. Am Rande des Berges hatte man einst einen kleinen Brunnen oben bei der Quelle des Baches gegraben, so daß man zumindest die Burg und das Dorf davor immer mit frischem Wasser versorgen konnte.
Die Zeiten waren schlecht. Die Kriege der kleineren Kriegsherren gegeneinander hielt nun schon seit einigen Jahren an, und ein Ende war nicht abzusehen. Selbst der einfache Bauer mußte bei der Verschärfung der Gesetze jederzeit damit rechnen, daß es ihm an den Kragen ging. Entsprechend war auch die Moral der Menschen. Die Wenigsten hatten Hoffnung, daß nun wirklich im geeinten Kaiserreich wieder eine goldene Ära anfing, wie sie einst Nobunaga versprochen hatte, als er das Reich vor zwei Jahrhunderten einte. Der Bürgerkrieg forderte immer noch Opfer.
Takomoru war einmal ein wunderschönes kleines Dorf, welches das Privileg besessen hatte, hinter einer schützenden Palisade zu liegen. Doch die letzten Kämpfe hatten weder etwas von der Palisade, noch vom Dorf sonderlich viel übrig gelassen. Wer während der Kämpfe nicht getötet worden war, besaß ein außergewöhnliches Glück. Der Feind hatte sogar den Hauptweg hoch zur schwarzen Festung belagert. Hätte der Shogun mit seinen eigenen Gruppen nicht in die Belagerung eingegriffen, würde weder von diesem Dorf, noch von der darüber thronenden Festung noch ein Stein auf dem anderen stehen.
Die meisten Häuser des Dorfes hatten den letzten Angriff gerade noch so überstanden. Sehr viele Häuser und Hütten waren ausgebrannt, oder standen baufälligf herum. Manche der einfachen Bauernhütten konnte sogar ein etwas heftigerer Wind einfach umwerfen. Das Dorf machte nicht eben den Eindruck als würde es den nächsten kriegerischen Konflikt noch überstehen. Es sah sogar eher so aus, als wäre das Dorf zum endgültigen Untergang verurteilt.
Doch auch wenn seine Einwohner nicht viel Hoffnung hatten, besaßen sie noch Nahrung und Kleidung und den Schutz ihres Kriegsherren. Festliche Gewänder suchte man in diesem Dorf vergebens, einfache Kleidung herrschte vor. Auch wenn der Kriegsherr noch genug Truppen hatte, um den Kern seines Lehens zu halten, stand außer Frage, daß eine letzte Verteidigung kaum noch mehr möglich war. Es sei denn, der Kriegsherr bekam Hilfe von außerhalb. Doch dies war nicht sehr wahrscheinlich. Takomoru lag nicht an einer der kriegswichtigen Straßen. Also würde der Shogun hier auch keine zusätzlichen Truppen stationieren, um diesen Teil seiner Grenzen zu halten.
Das Dorf war im dauernden Verfall begriffen. Es gab zwar außer dem Schmied noch einige andere Handwerker im Ort. Doch am wichtigsten waren die Schmiede und der Tofumacher. Alle anderen waren selbst für die Dörfler mehr oder weniger entbehrlich. Dies soll jetzt nicht abgedroschen klingen, doch man brauchte nicht sehr viel Phantasie, um sich klarzumachen, daß Takomoru dem Untergang geweiht war. Denn untergehen würde es früher oder später, ein Überleben war noch nicht einmal gesichert, selbst wenn von einem Tag zum anderen das goldene Zeitalter hereinbrechen würde.
So ist in jenen Tagen die Situation im Dorf als unsere Geschichte ihren Anfang nimmt. Und wie jede gute Geschichte beginnt sie in Frieden und Eintracht.
Es war ein Tag wie jeder andere. So sollte man zumindest denken. Die wöchentliche Patrouille des Kriegsherrn Takomoru hatte soeben wieder die neuen Klingen aus der Schmiede abgeholt. Der alte Schmiedemeister versah seine Arbeit so gut er es mit den vorhandenen Rohstoffen konnte. Sonderlich viel Auswahl hatte er nicht, wenn es darum ging, andere Dinge einzuschmelzen, um weitere Waffen herzustellen oder vorhandene zu verbessern.
Seine Arbeit war immer laut und dreckig. Der Rauch brannte in den Augen und die Finger schmerzen ihn beinahe täglich von der Arbeit. Der Schmied lebte nicht allein in dem halbverfallenen Gebäude neben seiner Arbeitsstatt. Neben seiner Frau lebte er dort noch mit seiner fast achtzehnjährigen Tochter Asuka. Jene war nichts besonderes, doch oftmals ging sie in den nahen Bambuswald oder an die Feldraine, um Kräuter zu sammeln, die man zum würzen oder heilen gebrauchen konnte.
Eines der wenigen Hobbys, die sich Asuka getraute auszuleben. In Takomuro gab es nur Soldaten und eine Handvoll Bauern. Jene versahen ihre Arbeit auf den Feldern oder halfen bei den immer noch laufenden Ausbesserungsarbeiten an der schwarzen Festung. Der letzte Angriff war über ein Jahr her, doch hatte er das kleine Dorf beinahe vollständig vernichtet. Im Dorf standen mehr Ruinen als noch stehende Häuser, und die Häuser, die noch standen, würden dem nächsten Monsum mit Sicherheit nicht standhalten. Also wurde neben Waffen auch noch Baumaterial gebraucht.
Richtige Wälder mit richtigem Holz gab es in der Nähe nicht. Dafür mußte man schon ziemlich weit reisen. Eine Woche entfernt fand man einen größeren Wald, in dem man Bäume fällen konnte. Doch der Transport bis nach Takumoru nahm nicht nur Zeit in Anspruch, sondern war auch nicht mit einfacher Muskelkraft zu bewerkstelligen. Hierfür wurden Pferde gebraucht. Und Pferde waren rar, genauso wie Ochsen oder Kühe.
Der Schmied machte sich nichts vor. Wenn es nicht irgendwie gelang, wieder an Vieh zu gelangen, würde das kleine Dorf nicht nur den kommenden Monsum nicht überleben, sondern es würde einfach so vergehen. Ochsen brauchte man zum Pflügen, Pferde zum Reisen. Mit einer Sänfte konnte man kein Holz transportieren.
Deshalb war Asuka für ihn so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Auch wenn es im Dorf vornehmlich Soldaten und Bauern gab, bestand durchaus die Möglichkeit, daß er Asuka doch noch vernünftig verheiraten konnte. Zumindest so gut, daß sie eine wirkliche Zukunft hatte.
Der Schmied, dessen Name uns nicht interessieren sollte, war ein hart arbeitender, ehrlicher Mann. Seine Arbeit war schmutzig, kräftezehrend und aus verbrauchend. Er liebte seine Arbeit, wie er es bei seiner Frau tat. Er war mit Leidenschaft dabei.
Ähnliches konnte man auch über die anderen Handwerker, die es noch im Dorf gab, sagen. Sie alle erfüllten ihre Aufgaben so gut es ihre Rohstoffe zuließen. Die Dorfgemeinschaft war schon länger gespalten, seitdem der Kriegsherr einen seiner Samurai gestattete im Dorf selbst zu wohnen. Doch die Gemeinschaft war sich darüber einig, daß der Krieger unter Umständen irgendwann einmal gebraucht würde. Auch wenn er nicht Hauptmann der Wache war.
Jener hatte sein Haus gegenüber der Schmiede, am Weg, der direkt hoch zur schwarzen Festung führte. Dieses Haus wirkte nicht einmal stabiler als der Rest des Dorfes, doch im Vergleich zu anderen Hütten besaß es ein regendichtes Dach.
Einmal in der Woche kam die Patrouille von der Festung herunter, um dann mit dem Samurai zusammen die neu gefertigten Waffen aus der Schmiede abzuholen. Der Samurai hielt auch sonst die Augen in Richtung Schmiede offen. Nicht weil er dem Schmied mißtraute, sondern weil es zu seinen Aufgaben gehörte, die Schmiede zu schützen. Nur stellte sich hierbei die Frage, vor wem oder was er die Schmiede schützen sollte. Der letzte Angriff war über ein Jahr her, seitdem war in Takumoru nicht mehr viel passiert. Jener Angriff hatte die Hälfte des Dorfes das Leben gekostet. Also war es irgendwie sinnfrei, wenn ein Samurai mit seiner Familie in einer gleichfalls baufälligen Hütte gegenüber der Schmiede lebte und täglich die Eisenbarren zählte.
Der Hauptmann der Festungswache lebte im gleichen Haus wie der Samurai. Auch er besaß eine kleine Familie. Das Haus war das einzige wirklich größere Haus in dem kleinen Dorf, doch selbst ein Kriegsherr mußte mit den Kosten in Friedenszeiten haushalten. Also lebten Hauptmann und Samurai unter einem Dach, obwohl jedem ein eigenes Haus zustand. Doch störte sich nicht wirklich einer von beiden hieran. Sie versahen ihren Dienst für ihren Kriegsherren und waren damit zufrieden. Denn ein Auskommen hatten sie durch ihren Dienst. Der Samurai selbst entsprang nicht einem Adelsgeschlecht, sondern hatte sich über die Jahre in seine jetzige Position hochgearbeitet. Er war ein Mann aus dem Volk. Beim Hauptmann sah es genauso aus. Er genoß das Vertrauen seines Herrn durch einige Heldentaten, die er in der Vergangenheit geleistet hatte.
Auch der Hauptmann hatte Familie, und wie so viele in Takumoru besaß er, wie der Schmied, eine erwachsene Tochter. Die Hauptmannstochter trägt den schönen Namen Mariko. Angeblich ist sie von den Göttern gesegnet, denn sie hat Gesichter und richtete deshalb vor dem letzten Angriff auf die Festung ihres Herrn einen kleinen Schrein im Dorf angelegt. Ihre Gesichter jedoch sind es, die dem Hauptmann Sorge machen.
Zwar gilt seine Tochter als von den Göttern berührt und ihre Visionen halfen beim letzten Angriff auch gut die Hälfte des Dorfes zu retten, doch kosten sie Mariko Kraft, die ihr dann an anderer Stelle fehlt. Die Frau des Hauptmanns verliert über die Gesichter ihrer Tochter kaum noch ein Wort, denn sie fürchtet zurecht, daß beim nächsten Aufkommen dieser Visionen erneut Unbill für das kleine Dorf bevorsteht.
Eine andere wichtige Person für Takumoru ist der Seifensieder. Eigentlich ist er nicht in dem Dorf ansässig, sondern kommt aus einer weit im Norden liegenden Präfektur. Ihm gelang die Flucht, als sich sein Kriegsherr mit seinem Nachbarn anlegte, und der daraufhin folgende Krieg so gut wie alles in der Präfektur vernichtete. Der Norden sollte eigentlich ruhiger als das restliche Land sein, aber selbst dort köchelt es. Die Kriegsherren sind sich im ganzen Land uneins.
Also floh der Seidensieder bis er nach Takumoru kam. Doch während der Flucht verlor er seine Frau und ihm verblieb nur sein Kind, gleichfalls eine Tochter. Er zog sie in den nachfolgenden Jahren in dem kleinen Dorf groß, und dank Marikos hellsichtiger Gabe überlebten auch sie den letzten Angriff des benachbarten Kriegsherrn.
Suda, seine Tochter, hilft ihm bei der schweren Arbeit Seife herzustellen. Das einzige wirkliche verkaufbare Gut, über welches Takumoru in jenen Tagen noch verfügt. Suda ist klug und intelligent. Und sie arbeitet schwer. Sie besitzt im Ort nur noch eine Freundin, dies ist die Tochter des Schmieds.
Und es gibt noch jemanden, den wir an diesem Tage kennenlernen sollten. Dies ist der Kriegsherr, der in seiner schwarzen Festung mit seinen Soldaten und dem verbliebenen Rest seiner Familie lebt. So viel Familie hat Kriegsherr Takumoru nicht mehr. Außer seiner Tochter ist ihm nichts mehr verblieben. Seine Eltern starben bei den Kämpfen der Wiedervereinigung. Damals erhielt er auch dieses Lehen, dem er sogar seinen Namen geben durfte. Seine Frau verstarb im Kindbett, doch während des letzten Bürgerkriegs blieb ihm keine Zeit sich eine neue Frau zu suchen. Inzwischen ist seine Tochter auch erwachsen. Sie trägt den wundervollen Namen Fumiko und ist sowohl in der feinen Schrift, als auch im Waffenumgang geschult. Einer ihrer Lehrer ist der Hauptmann der Wache, doch am liebsten schaut sie im Dorf den Handwerkern bei der Arbeit zu und legt auch gelegentlich selbst Hand an. Fumiko ist wißbegierig und neugierig. Aber da sie nicht weiß, wem sie trauen kann, trägt sie immer einen Dolch in ihrem Kimono, um sich jederzeit verteidigen zu können.
Ihr Vater jedoch ist ein durch den Krieg hart gewordener Mann, der in seiner kleinen Festung über nicht mehr als insgesamt siebenhundert Mann befehligt. Zweihundert davon dienen ihm als persönliche Wache, der Rest dient zum Schutz seines Lehens. Meist sind von diesen fünfhundert Mann, die als seine Soldaten dienen, in der Festung nicht mehr als einhundert versammelt, weil das Lehen einfach zu groß ist, um es zentral verwalten zu können. So sind an den Straßen und auch ein wenig abseits davon, Feldlager eingerichtet, in denen die Soldaten darauf achten, daß keine gegnerische Truppe die Grenzen Takumorus überschreitet. Denn dies wäre ein Kriegsgrund, dann gäbe es wieder Kämpfe.
Kriegsherr Takumoru ist ein aufgeschlossener Mann. Er kennt seine Verantwortung, die er für sein Lehen trägt. Inzwischen ist auch er ein wenig des Kämpfens müde. Doch dies liegt daran, daß es immer noch diesen Bürgerkrieg gibt, den nicht einmal das vereinte Königshaus wirklich hat beenden können. Immer noch streiten die Kriegsherren miteinander, wer denn nun in der Riege der vielen Shogune derjenige ist, der seinem Herrn am besten gedient hat, und somit Anspruch auf den Titel besitzt.
Herr Takumoru interessiert dies nicht. Er möchte nur eines: Sein Lehen vor weiterem Schaden bewahren. Es war schon ein regelrechtes Wunder, daß der letzte Angriff nicht das kleine Dorf vor der schwarzen Festung vollständig dem Erdboden gleichmachte. Der benachbarte Kriegsherr griff mit einfachen Katapulten an. Als der Kriegsherr mit seiner kleinen Truppe diese schließlich zerstört hatte, zog der Feind sich zurück. Doch von dem kleinen Dorf hatte er nicht genug übrig gelassen, daß man noch so bezeichnen konnte. Noch immer standen traurige Ruinen in dem Dorf herum, weil es einfach zu wenige Männer gab, die diese Baustellen abreißen konnten. Mit nur noch einer Handvoll Bauern konnte man auch nicht mehr soviel bewegen, wie es vor diesem Angriff der Fall gewesen war.
An jenem einfachen Tag war ein Teil der Bauern auf den Feldern, um den Stand der Feldfrüchte zu kontrollieren und wieder zu wässern. Die Handwerker, die noch ein wenig zu tun hatten, waren dabei, ihrem normalen Tagewerk nachzugehen.
Und die Mädchen des Ortes vertrieben sich ein wenig die Zeit mit ihren wenigen Spielen und Hobbys, die sie besaßen. Asuka und Suda waren am Rande des Bambuswaldes unterwegs, um einige Kräuter und wildwachsene Gemüse zu sammeln. Sie hatten ein leichtes Stofftuch dabei. Die beiden Mädchen kannten sich gut mit den wilden Kräutern aus, und unweit des Baches am Waldrand wuchsen mehr als genug davon. Einige davon konnte man mehrmals in der Woche abernten.
Frisches Feuerkraut wuchs hier, wilder Rettich und noch einige andere Dinge. Die Mädchen waren fleißig dabei, systematisch zu zupfen und zu graben. Hierzu benutzten sie kleine Bambusstücke. Viel hatten sie noch nicht beisammen.
Schließlich bemerkten sie auf dem Weg ein junges, einfach gekleidetes Mädchen aus dem Nachbardorf. Sie trug einen Schulterträger an dem zwei große Eimer befestigt waren. Das Nachbardorf lag ein wenig abseits, gut einen Kilometer an der Straße in Richtung Aishi entfernt. Zwar hatten sie dort auch eine Wasserquelle, doch keinen gemauerten Brunnen, wie er nach der ersten Biegung oben im Bambuswald vorhanden war. Also machten sich die Mädchen des Nachbardorfes immer wieder auf, um von dort Wasser zu schöpfen. Zwar hatte der Nachbarort einen kleinen See keine halbe Stunde Fußmarsch entfernt, doch man konnte dort nur fischen, denn das Wasser selbst dort hatte keinen guten Geschmack. Da war das Quellwasser des Brunnens schon etwas anderes.
Asuka und Suda konzentrierten sich wieder auf ihre selbstgestellte Aufgabe. Sie entfernten sich immer mehr vom Bach und gelangten zur unteren Seite des Bambuswaldes. Hier vorne wuchsen vornehmlich jene Kräuter, die man sehr gut im Tee verwenden konnte. Asuka hatte sich angewöhnt, diese Kräuter zusammenzubinden und im warmen Luftzug der Schmiede zu trocknen. Suda selbst konzentrierte ihr Sammeln mehr auf die im Boden verborgenen Knollen, die hier zuhauf wuchsen. Manchmal waren es frisch ausschlagende Bambuswurzeln, oftmals aber auch kleine orangene sehr feste Knollen, die sich sehr gut braten ließen.
Die beiden Mädchen kümmerten sich also mehr um ihre Aufgabe und vergaßen dabei die Welt um sich herum. Beide liebten es, regelmäßig hier nach Waldfrüchten zu graben und zu zupfen. Denn sie konnten mit dem, was sie fanden, dem gesamten Dorf ein wenig helfen. Auf den kargen Feldern wuchs auch nicht mehr alles. Zwar gab es noch drei Felder auf denen Reis wuchs, doch die anderen sechs Felder warfen seit dem letzten Angriff auf das Dorf nicht mehr so viel ab. Dabei strengten sich die Bauern wirklich an, den Boden locker zu halten. Doch der Paq Choi wuchs noch, wenn auch nicht mehr so groß und fein, wie er es in der Vergangenheit getan hatte.
In der Zwischenzeit hatte das Mädchen aus dem Nachbardorf die kleine Steigung erklommen, die sich in dem Bambuswald erstreckte. Erschöpft blieb sie kurz stehen und schaute zurück. Bis zum Rand des Bambuswaldes waren es vielleicht zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Meter. Trotzdem wirkte hier oben bereits der Bambuswald dunkler, und auch irgendwie böse.
Das Mädchen legte kurz den Schulterträger ab. Der Brunnen lag ein wenig abseits vom Hauptweg, damit nicht jeder aus ihm schöpfte. Sie mußte die kleine Steigung bis zu ihrer Spitze erklimmen, dann ging ein lehmiger, schon fast zugewachsener Weg, vom Hauptweg ab, und führte parallel zum Berg zum gemauerten Brunnen. Dieser Weg war nicht mehr sonderlich steil, sondern ließ sich relativ einfach bewerkstelligen. Doch diese kleine Steigung, die gerade einmal über dreißig Meter ging, kostete jedes Mal viel Kraft. Hatte man diese Steigung erst geschafft, ginge es deutlich schneller.
Das Wasserschöpfen selbst war keine schwere Arbeit, denn der Brunnen war eine moderne Variante. Man zog einen an einer Schnur befestigten Eimer aus dem gemauerten Brunnen nach oben. Doch nicht mit einfacher Muskelkraft, sondern über eine Winde, die das Seil anzog, und so den Transport möglich machte.
Immer noch gut gelaunt, legte sich das Mädchen wieder den Schulterträger über und machte sich auf, den letzten Rest des Weges hinter sich zu bringen. Die Steigung tat ihr jedes Mal an Rücken und Füßen weh, doch anders war diese gute Quelle nicht zu erreichen. Der Rückweg war deutlich einfacher, selbst mit den beiden schweren Eimern. Also raffte sie sich zusammen, und brachte den Rest des Weges hinter sich. Schließlich stand sie vor dem fast zugewachsenen Abzweig, der hinüber zum eigentlichen Brunnen führte. Der Weg war von dichten, saftigen Gras fast vollständig bedeckt. Man sah, daß die Einwohner Takumorus selbst den Brunnen nicht oft nutzten, sonst wäre der Weg breiter ausgetreten.
Das Mädchen verlagerte ihr Körpergewicht, damit sie mit dem Schulterträger durch die noch freie Passage kam. Der restliche Weg war weder steil, noch war er schwierig zu bewältigen. Er ging beinahe von selbst von statten. Nach nicht einmal weiteren zehn Minuten Fußmarsch stand sie endlich an dem gemauerten Brunnen.
Dieser Brunnen reichte gerade einen Meter zwanzig über den Boden. Er war aus festen, schweren Bruchsteinen erbaut. Dieser Brunnen war keine Schönheit, aber er versah seinen Sinn und Zweck. Der hölzerne Arm, an dem die Winde hing, reichte einmal um den Brunnen herum. Der Schöpfeimer hing an seinem Seil, sah jedoch schon ein wenig mitgenommen aus. An der Seite besaß er Kratzspuren irgendeines riesigen Tieres.
Doch das Mädchen interessierte sich nicht für die Kratzspuren, sondern schaute, ob der Eimer noch dicht genug war. Es lag wirklich nicht in ihrem Interesse mehr Zeit am Brunnen zu verbringen, als unbedingt notwendig war.
Der hölzerne Eimer klatschte das erste Mal hinunter in das Wasser des Brunnens, dann vernahm man das stöhnende Quietschen der Winde. Das plätschern des Wassers in einen der Trageeimer war weithin zu hören. Ein normales Geräusch, wenn man bedachte, wo sich der Brunnen befand.
Insgesamt schlug der Schöpfeimer fünfmal auf der Wasseroberfläche auf, bis die beiden Trageeimer endlich richtig gefüllt waren. Dann erst hatte das Mädchen seine Arbeit erledigt. Erneut schulterte sie den Träger und machte sich auf den Rückweg.
Sie hatte gerade das Stück Weg vor der Abzweigung erreicht, als sie hinter sich ein verdächtiges Knacken wahrnahm. Das Mädchen drehte sich herum, doch sah es hinter sich nichts, was das Knacken erklären könnte. Es drehte sich wieder in Richtung Hauptweg, als es rechts von ihr erneut knackte. Doch diesmal hörte sich das Knacken deutlich näher an.
Für Eventualitäten trug das Mädchen immer ein kleines Messer bei sich. Doch im Falle eines Überfalls würde dieses Messer auch nicht eben sehr viel Schutz bieten. Doch das Messer zu ziehen würde bedeuten, die Stabilität ihres Schulterträgers zu riskieren. Und dem Mädchen stand es wirklich nicht danach, erneut nochmal Wasser schöpfen zu müssen.
Es knackte ein drittes Mal. Diesmal links von ihr. Das Mädchen wandte den Kopf in die entsprechende Richtung, doch erneut war nichts zu sehen. Verwirrt schüttelte es den Kopf, nahm noch einmal alle Kraft in ihre Schultern und ruckte mit dem Träger hoch. Genau in diesem Moment knackte es genau vor dem Mädchen. Es hob den Kopf, doch bevor es schreien konnte, war es auch schon geschehen.
Die Kreatur, die vor dem Mädchen wie aus dem Nichts entstanden war, wirkte wie wabernder Nebel, und trotzdem massiv. Es war nichts greifbares, und trotzdem spürbar. Das Fell war grob und zottelig. Lang, mit verfilzten abschnitten, die darauf hindeuteten, daß es wohl sehr lange geruht hatte. Die Farbe dieser Kreatur ist braunschwarz, doch mehr schwarz denn braun, und irgendwie furchteinflößend. Sein Kopf scheint direkt mit dem Torso verwachsen zu sein, es ist kein Hals zu sehen. Stattdessen erkennt man deutlich die überlangen Arme und Beine, die an einem relativ kurzen, menschlich wirkenden Torso angesetzt sind. Arme und Beine enden in Füßen oder Händen, die man wohl eher als Krallen beschreiben kann. Sie sind sechsgliedrig, dem Menschen ähnlich, doch die Nagelkrallen gehen weit über zwanzig Zentimeter hinaus. Die Nagelkrallen haben eine ungesund gelblichweiße Farbe, und sie sind höllisch scharf. Die Krallenfinger sind länger als bei einem Menschen, und genauso wie die Handflächen von einem dunkleren schwarzen Flaum bedeckt.
Die Füße sind wie die Krallenhände. Doch besitzen sie nicht sechs Krallen wie die Hände, sondern nur vier. Doch auch hier sind die eigentlichen Nagelkrallen länger als der ganze Fuß. Sie besitzen die gleiche Farbe wie die der Hände und wirken richtig tödlich spitz. Fast scheint es so, als könne die Kreatur mit einem Fuß bereits ein Tier in der Mitte zerreißen. Die Kreatur wirkt wie aus einem Albtraum entsprungen. Es ist der personifizierte Tod, der keinerlei Unterschied im Angesicht seines Opfers macht. Der Kopf selbst wirkt zum restlichen Körper regelrecht klein, beinahe menschlich. Wenn da nicht die achtundvierzig großen und breiten Zähne wären, die selbst bei normalem Tageslicht eher Messerklingen als Zähnen ähneln. Doch am schlimmsten sind die Augen.
Die Augen sind die wahre Hölle. Aus ihrem Innerem scheint ein tiefes, dunkles, abgründiges rotes Feuer zu herrschen. Sie glühen dunkelrot auf, während es seine Hauer in die eben geschlagene Beute schlägt und genüßlich Teile des Körpers herausreißt und verschlingt. Mit seiner bekrallten Hand schlägt es nochmals in den noch zuckenden Körper des Mädchens, um den Brustkorb zu öffnen. Mit einem weiteren Griff zieht es das Herz und die anderen inneren Organe heraus, und reißt nur jene Teile ab, die es zu essen gedenkt. Dies ist einmal das Herz, die Leber, die Nieren und ein sehr großer Teil des Darmes. Der Rest des Kadavers, der inzwischen in seinem Blut schwimmt, wirkt uninteressant und wird einfach liegengelassen.
Die Kreatur schaut nicht einmal zurück, als sie wieder in den dunkleren Teil des Bambuswaldes verschwindet. Fast scheint es, als würde sie ein Teil der Schatten. Ein Teil des wandernden Nichts.
Der Abend dieses ereignislosen Tages dämmerte bereits, als dem Hauptmann der Wache einige Bewohner des Nachbardorfes gemeldet wurden. mißmutig macht sich Hauptmann Asano auf den Weg. Es ist nichts ungewöhnliches daran, wenn immer wieder einmal in Takumoru Bewohner der anderen beiden Lehnsdörfer hier erscheinen. Doch an diesem Abend sind die Männer des Nachbardorfes ungewöhnlich unruhig. Selbst seinen im ersten Wachhaus stationierten Soldaten fällt dieses Verhalten auf. Die Männer lassen sich sonst wenig aus der Ruhe bringen. Heute ist alles anders. Seine Soldaten sind nervös, also rufen sie ihn, weil sie die Situation allein nicht händeln können.
Hauptmann Asano war ein stattlicher Mann. Er war nicht kräftiger als andere, doch an ihm wirkte seine einfache Hauptmannsrüstung irgendwie mächtiger. Sein Blick traf die Bauern, die sich eingefunden hatten. Das Dorf in Richtung Aishi hatte bei den letzten Angriffen Glück gehabt und brachte nun genug ein, um selbst Takumoru mit versorgen zu können.
Doch die Bauern waren aus einem anderen Grund so aufgebracht. Einer der Männer trat vor, verbeugte sich höflich vor dem Hauptmann und sagte dann im verwaschenen Akzent der Gegend: »Herr, eine unserer Frauen wollte heute an euren Brunnen gehen und Wasser holen. Doch sie kam bisher noch nicht zurück!«
Hauptmann Asano besah sich den Mann näher. Er kannte ihn. Es war einer der Bauern, die sich in den vergangenen Wochen nicht eben mit guten Worten über den Kriegsherrn in seinem Dorf hervorgetan hatte. Die Wache führte eine Liste mit jenen, bei denen man mit Schwierigkeiten oder gar Ärger rechnen mußte. Im Allgemeinen ignorierte er diese Liste, doch es war immer wichtig, die Namen derjenigen zu kennen, die Ärger machen konnten, weil sie entsprechend Gehör beim einfachen Volk fanden. Der Name des Mannes lautete irgendwie auf Omaho!
»Herr Omaho, meinen Männern fiel keine eurer Frauen auf. Und es wird bereits dunkel. Wir werden morgen früh nach ihr suchen gehen, falls sie sich bis dahin nicht wieder bei euch eingefunden hat.«
Der Bauer wollte aufbrausen, doch einer seiner Begleiter hielt beschwichtigend seinen Arm fest. »Laß es, Hauptmann Asano wird dich bestrafen!«, sagte er dann leise. Auch hier mußte der Hauptmann einen Moment überlegen, wie dieser Bauer nun wieder hieß. Es war ärgerlich, daß sie bisher noch keine Volkszählung hatten durchführen können. In diesen Zeiten wurde dies immer wichtiger.
Die Männer entzündeten ihre mitgebrachten Fackeln am Feuertopf der wache und gingen dann wieder den Weg zurück, den sie gekommen waren. Hauptmann Asano kannte den Weg von dem anderen Dorf bis hierher unterhalb der Festung. Sie waren bereits einige Stunden unterwegs gewesen, bevor sie sich schließlich mit der Wache anlegten.
Hauptmann Asano ging in das Wachhaus. Wie immer schliefen die anderen sechs Wachen, die am Westtor auch mit abwechselnd Wache hielten. Widerwillig rüttelte er zwei von den sechs Männern wach. Danach ging er mit ihnen nach draußen und erklärte ihnen die Lage.
»Aus dem Nachbardorf wird eine Frau vermißt, angeblich soll sie an unserem Brunnen Wasser geschöpft haben. Doch niemand hat anscheinend auf sie geachtet, ob sie durch das Dorf kam oder nicht. Nehmt euch Fackeln, wir gehen hoch zum Brunnen und sehen nach, ob jemand dort gewesen ist.«
Die beiden Soldaten zeigten ihre Ehrbezeigung und gingen dann sofort zu dem winzigen Ausrüstungsraum neben ihrer kleinen Kaserne, um sich Fackeln zu holen. Als sie sich auch fertig ausgerüstet hatten, trafen sie Asano am südlichen Haupttor.
Der Hauptmann hatte sich inzwischen auch so weit ausgerüstet. Die Wache am südlichen Tor war bereits eifrig in ihrem Dienst und öffnete das schwere Tor bereits wieder. Hauptmann Asano sah den beiden Männer der Wache fest ins Gesicht.
»Auch ihr habt Niemanden gesehen, der sich in Richtung des Brunnens bewegte?«, wollte er dann wissen.
Einer der Soldaten deutete eine Verbeugung an und erwiderte: »Wir sahen in der Mittagswache nur Asuka, die Tochter des Schmieds, und Suda, die Tochter des Seifensieders, wieder einmal Kräuter und Gemüse sammeln. Außerdem waren am Morgen die Bauern durch das Tor gekommen, um sich um ihre Felder zu kümmern. Keine weiteren Vorkommnisse, Hauptmann.«
Bei diesen Worten entfleuchte Asano ein leichtes Lächeln. Seine Soldaten waren gut trainiert. Wenn sie also niemand fremdes wahrgenommen hatten, war dieser wohl auch nicht durchgekommen. Denn auf das Wort seiner Leute konnte er sich im Allgemeinen verlassen.
Die beiden Soldaten, die ihn begleiten sollten, entzündeten an einem Feuertopf ihre Fackeln und traten hinter ihn. Die beiden Männer machten keinen sonderlich nervösen Eindruck, obwohl der nahe Bambuswald im indirekten Licht der Fackeln und der Feuertöpfe direkt hinter dem Tor schon etwas unheimliches hatte. Fast schien es, als würden rot leuchtende Augen die Männer in der Finsternis beobachten.
Hauptmann Asano trat mit seinen beiden Leuten durch das Tor und gab noch eine letzte Anweisung: »Verschließt das Tor wieder. Wenn ihr uns wieder zurückkommen seht, öffnet ihr wieder. Aber auch nur auf ausdrücklichen Befehl, keine Eigenmächtigkeiten.«
Ein lautes »Hai« ertönte von der anderen Seite des Tores, als es schwerfällig Wieder in seinen Rahmen fiel. Der Hauptmann mußte sich keine weiteren Sorgen machen. Wenn es also etwas in diesem Bambuswald gab, würden sie es finden. Womöglich hatte die Wasserträgerin nur einen anderen Weg genommen.
Am kommenden Morgen würde er dies dann mit den Bauern genauer überprüfen gehen. Jetzt wollte er sich erst einmal einen kleinen Überblick verschaffen. Auch wenn Asano und seine Soldaten trainierte Soldaten waren, war der gut dreißig Meter lange Anstieg in den Bambuswald eine anstrengende Angelegenheit. Selbst ein geübter Krieger konnte am Scheitelpunkt, an dem die Abzweigung zum Brunnen lag, außer Puste geraten.
Die drei Männer erreichten mit ihren blackenden Fackeln die kleine Wegkreuzung. Sie schwenkten ihre Fackeln ein wenig, das Licht flackerte unheimlich. Dann schrie mit einem Mal einer der Soldaten auf.
Der Hauptmann und der andere Soldat traten sofort zu ihm. Jetzt sahen sie gleichfalls die Bescherung. Neben dem Weg, halb im Gras, lag ein halb ausgeweideter Kadaver. Der Kimono war halb vom Körper gerissen und zerfetzt, genauso wie der Kadaver selbst. Hier war eine grausame Bestie am Werk gewesen. Das Gesicht der jungen Frau war noch gut zu erkennen, doch alles war blutverschmiert und eine kleine Blutpfütze hatte sich unter dem Leichnam gebildet.
Der graue Kimono war nun eher rot, genauso wie der weiße Unterstoff. Beides sah aus, als wäre es in Himbeersirup getränkt worden. Doch viel schlimmer war es die geöffnete Bauchhöhle zu sehen, in der wirklich nichts mehr außer den Lungen vorhanden war. Ein Teil des Gedärms lag neben dem Leichnam, andere Stücke lagen ein wenig abseits. Die Lungen wirkten gleichfalls angerissen, wenn nicht auch zerfetzt. Im Licht der Fackeln war dies nicht vollständig zu erkennen. Es machte einem Angst, einen solch mißhandelten Körper zu sehen.
Hauptmann Asano hatte schon während der vielen Kämpfe, die er oftmals nur durch sehr viel Glück überlebt hatte, gesehen, wie kämpfende Kameraden durch Schwerter und schwere Lanzenschwerter regelrecht zerfetzt wurden. Doch noch niemals hatte er eine Leiche gesehen, die so geschunden wie eben diese war.
Diese junge Frau hatte kein Glück gehabt. Der Schulterträger lag zerbrochen neben ihr. Gerade so, als hätte eine gewaltige Urkraft ihren schwachen Leib mit nur einem Schlag regelrecht zerbrochen. Es war nicht zu erkennen, wie diese Wunden geartet waren. Sie waren furchteinflößend, deprimierend. Diese Frau hatte nicht den Hauch einer Chance gegen ihren Angreifer besessen. Gegen einen Wolf konnte man sich verteidigen. Doch das, was diese junge Frau erwischt hatte, konnte unmöglich ein Wolf gewesen sein, auch wenn die Wunden so aussahen. Doch dies konnte man nur bei Tageslicht klären.
Hauptmann Asano überlegte nicht lange. Im schroffen Ton, der von seinem Schrecken herrührte, der gerade über sein Rückgrat kroch, befahl er seinen beiden Begleitern: »Ihr beiden bleibt bei der Leiche. Ich gehe hinunter ins Dorf und hole weitere Männer, damit wir sie abbergen können!«
Die beiden Soldaten waren genauso bleich wie der Hauptmann selbst. Auch sie hatten Angst. Es waren nur gerade einmal fünfzig Meter bis hinunter zum Tor der Palisade, die diesen Namen nun wirklich kaum mehr verdiente. Doch diese fünfzig Meter waren die schlimmsten, die Asano in dieser Nacht zurücklegen mußte. In diesen fünfzig Metern starb er mehrere Tode, da er nicht wußte, ob er nicht auch jederzeit von der gleichen Bestie angegriffen werden konnte, die diese junge Frau getötet hatte. Atemlos, obwohl er in Würde gelaufen war, blieb er vor dem Südtor stehen und rief seinen Befehl. Für heute Nacht hatte er genug der Schrecken gesehen.
Als er das Dorf wieder betrat, stürmten mehrere Soldaten mit mehreren Leinentüchern hinaus in die Dunkelheit zu ihren Gefährten, um seinem Befehl Folge zu leisten, und den Leichnam von dem schaurigen Ort des Todes hinfort zu holen.
Den Weg, den der Hauptmann nun vor sich hatte, sagte ihm genauso wenig zu. Am Haus des Seifensieders vorbei, hoch über die Biegung, an der Schmiede vorbei zu dem Weg, der hinauf zur schwarzen Festung führte. Diese Sache mußte er unbedingt seinem Herrn melden.
Herr Takomuro würde nicht sonderlich erfreut sein.
Der Hauptmann ging an den Eingangswachen der Festung vorbei, die auf sein kurzes Nicken nicht weiter reagierten. Auch sie konnten sehen, welches Bündel ihre Kameraden da aus dem Wald bargen. Der Fackelschein war weithin sichtbar.
Hauptmann Asano durchschritt den ersten Festungshof, nur um dann am Haupthaus halt zu machen. An dieser Stelle mußte selbst er sich der Leibwache gegenüber ausweisen. Doch man kannte ihn, auch wenn es ungewöhnlich war, daß er um eine solche Uhrzeit zu seinem Herrn wollte.
Nachdem man den Hauptmann durch die kleine Sicherheitsschleuse in den inneren Burghof geführt hatte, führte eine Zofe ihn zum Speisesaal dieses Bereiches. Hier lebte der Kriegsherr Takomuro. Zusammen mit seiner Tochter und einer Handvoll Zofen, die ihnen zu Diensten waren. Einige der Zofen waren Frauen aus dem unter der Festung liegenden Dorf. Einfache Landfrauen, die so den Unterhalt ihrer Familien ein wenig erhöhten.
Hauptmann Asano ließ sich zum Speisesaal führen, dessen Türen ohne ein weiteres Signal geöffnet wurden. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, daß sein Herr ihn wirklich während des Essens sehen wollte. Also betrat er den kleinen Speiseraum.
Der Kriegsherr lebte nicht sonderlich luxuriös. Die Zeiten waren schwer, der Bürgerkrieg hielt immer noch an. Auch wenn es sich ein wenig abzukühlen begann. Doch dies war ein Umstand, auf den man sich nicht unbedingt verlassen konnte. Mißgünstige Nachbarn gab es genug.
Der Hauptmann aß nicht allein. Er liebte Gesellschaft bei tisch. Da war seine fast erwachsene Tochter, die einen gelben Kimono trug. Unter diesem Kimono trug sie rote Unterkleidung. Eine seltene Farbmischung. Neben ihr saß ihre beste Freundin und Zofe Hara. Jene trug einen schwarzen Kimono mit dunkelblauer Unterkleidung.
Diese beiden Mädchen sahen so harmlos aus, wenn man sie sich näher ansah, dabei hatte Hauptmann Asano in den letzten Wochen durchaus beobachten können, wie gut Hara und Fumiko mit Schwert und Schild umgehen konnten. Während Hara ein Gefühl für das Lanzenschwert hatte, griff Fumiko Takomoru lieber mit einem Katana an und sicherte ihre Defensive mit einem Wakizashi.
Doch der Hauptmann war aus anderem Grund hier, als sich die Waffenkenntnisse zwei seiner Schülerinnen ins Gedächtnis zu rufen. Sein Herr mußte wissen, was vorgefallen war.
Hauptmann Asano verbeugte sich höflich, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie zwei flinke Hände ein weiteres Gedeck auf den Tisch legten. Es war ein seltenes Privileg mit seinem Herrn speisen zu dürfen.
Der Kriegsherr war ein mittelalter, vom Leben gezeichneter Mann. In seinem schwarzen, durch das Mon seines Hauses kenntlich gemachten, Kimono strahlte er so etwas wie eine amtliche Würde aus. Dieses Lehen hier war nichts besonderes und wenn Hauptmann Asano seinen Herrn nicht so gut kennen würde, wären sie wohl beide schon längst von hier verschwunden. Aber es war ein Lehen mit einem guten Namen und einer Geschichte, die es selten gab. Die wenigsten schwarzen Festungen hatten die dunkle Jahre überlebt.
Kriegsherr Takomoru sah zu seinem Hauptmann hinüber, der langsam an dem niedrigen Tisch Platz nahm. Anhand seiner Augen konnte Hauptmann Asano bereits erkennen, daß sein Herr sicher war, daß es Nachrichten gab. Nachrichten, die ihm, als kriegsherr, nicht unbedingt zu Gefallen waren.
Asano verbeugte sich abermals.
»Herr, ich habe eine Meldung zu machen!«, begann Asano dann.
Kriegsherr Takomoru lächelte zurück und befahl: »Eßt erst einmal. Ihr seht aus, als wärt ihr dem Leibhaftigen begegnet.«
Asano nickte. Wenn er hier bei seinem Herrn aß, würde dies seiner Tochter nicht gefallen. Mariko kochte für ihr Leben gern, doch es war nicht seine Entscheidung gewesen, seinen Herrn beim Abendmahl zu stören.
Während des Essens wurde nicht viel gesprochen.
Als man schließlich damit fertig war, und die Diener die Gedecke und den Tisch abräumten und die beiden Damen Takomoru sich für den heutigen Abend verabschiedeten, schaute ein noch unglücklicher hereinsehender Hauptmann auf seinen Herrn.
»Herr, am frühen Abend waren Angehörige des benachbarten Dorfes eures Lehens bei uns. Sie beschwerten sich darüber, daß eine ihrer Frauen vom Wasserholen von unserem Brunnen nicht zurückgekommen war. Obwohl die Dämmerung einsetzte, ging ich mit einigen Wachen los, um nach dem Rechten zu sehen.«
Kriegsherr Takomoru warf seinem Hauptmann einen skeptischen Blick zu.
»Was ist denn geschehen, Hauptmann?«
Asano schluckte schwer.
»Herr, wir haben die Überreste jener Frau auf dem Weg zum Brunnen gefunden. Derzeit wird sie unten im Dorf aufgebahrt. Ich werde ihren Leichnam bis zum Morgen versteckt halten können, doch sähe ich es lieber, wenn ihr mit hinunter kämt, um sie euch anzuschauen.«
Der Kriegsherr sah seinen Hauptmann noch fester in die Augen.
»Wegen eines Wolfangriffs wollt ihr mich hinunter ins Dorf locken?«
Hauptmann Asano schluckte.
»Herr, wenn ich sicher wäre, daß es ein Wolfsangriff war, stimmte ich euch zu. Doch die Wunden sind derart schrecklich, daß ihr sie euch selbst ansehen solltet. Irgendetwas stimmt da nicht. Kein wildes Tier wäre in der Lage einem Menschen fast alle inneren Organe herauszureißen und zu fressen.«
Kriegsherr Takomoru sah zu seinem vertrauten Hauptmann. Sie hatten schon sehr lange Zeit sehr viele Schlachten geschlagen. Für den Kriegsherrn stand außer Frage, daß sein Hauptmann ihn niemals anlügen würde. Doch es kam hin und wieder vor, daß unvorsichtige Personen Opfer der vielen Wölfe in den Wäldern wurden. Aber der Bambuswald von Takomoru bot Wölfen nicht genug Nahrung.
»Es wird ein durchziehendes Rudel gewesen sein. Bahrt die Leiche bis morgen auf, dann schickt ihr sie mit einem Trupp hinüber ins benachbarte Dorf. Eure Leute sollten dann auch sofort die fälligen Steuern eintreiben, damit es uns hier in der Festung an nichts fehlt.«
Hauptmann Asano nickte.
Ihm gefiel der Gedanke zwar nicht, doch er tat, was er würde tun müssen.
Als sein Kriegsherr ihn zu gehen anschickte, stand er wortlos auf.
Nach dem Passieren der Sicherheitsschleuse und des durchschreiten des äußeren Hofes fühlte er sich noch schlechter. Heute Nacht würde er keinen Dienst bei der Wache tun. Es würde schon schwer genug werden, die einzelnen Soldaten wieder zu beruhigen, und den Horror des halbaufgefressenen Kadavers wieder zu vergessen.
Sein Blick traf den fernen Rand des Bambuswald, und der Bambuswald sah in ihn zurück.
Mit Albträumen war das so eine Sache.
Mariko, die Tochter des Hauptmannes Asano, war eine junge, quicklebendige Frau. Eigentlich war sie noch nicht offiziell eine Frau, aber sie war eben kein kleines Mädchen mehr. Vor einem Jahr waren es ihre Visionen gewesen, die es ermöglicht hatten, die wichtigsten Familien des Dorfes vor dem feindlichen Angriff zu retten.
Es war nicht einfach gewesen.
Und Mariko schreckte heute noch in der Nacht auf, wenn ihre Erinnerungen für sie wieder so real wurden wie in jener Nacht, als der Feind sie unvorbereitet angriff. Die junge Frau striegelte vor dem Schlafengehen ihre langen dunkelbraunen Haare. Ihr Vater war wieder einmal überfällig. Sonst kam er immer rechtzeitig zum Essen.
Doch heute schien etwas vorgefallen zu sein. Die Wache des kleinen Dorfes war aufgebracht und sichtlich nervös. Man bemannte sogar freiwillig die Tore doppelt, obwohl dies eigentlich unnötig war.
Mariko mußte an ihre letzten Visionen denken.
Sie hatte eine junge Frau aus dem Nachbardorf gesehen, die wasser holen ging. Doch sie kam nicht zurück, und ihr grauweißer Kimono war über und über mit Blut besudelt, als man sie fand. Es war schon unheimlich.
Doch die junge Hauptmannstochter hatte inzwischen gelernt mit ihren Gesichtern umzugehen. Viele in dem kleinen Dorf hielten sie für eine von den Göttern berührte und behandelten sie auch so. Selbst Suda und Asuka zeigten ihr gegenüber mehr Respekt als angebracht. Sie war nur eine Hauptmannstochter, nicht irgendeine Priesterin Amateratsus.
Es dauerte nicht lange, dann öffnete sich die Tür ihrer Hälfte des Hauses, welches sie zusammen mit dem Samurai des Dorfes bewohnten. Doch es war nicht ihr Vater, sondern eben jener Samurai. Der Mann sah reichlich geschafft aus. Irgendwie von etwas geschlagen, obwohl er keine äußere Verletzung trug.
Mariko machte höflich eine Kanne Tee und stellte auch zwei Tassen hin, falls er ihn mit ihr zusammen trinken wollte. Doch der Samurai machte keinen sonderlich erfreuten Eindruck.
»Kindchen, weißt du, wo dein Vater ist?«, fragte er dann forsch.
Mariko schüttelte den Kopf.
»Herr, mein Vater teilt mir selten mit, wohin und mit wem er geht. Ich bin nur eine gute Tochter und hüte das Haus während seiner Abwesenheit.«
Der Samurai goß sich etwas Tee in eine Schale, dann erklärte er ihr: »Euer Vater hat heute eine Entdeckung gemacht, die niemandem gefällt. Vor allem bedeutet dies, daß wir wieder Ärger mit dem Nachbardorf bekommen werden. Irgendwann werden wir die Aufrührer dort zur Räson bringen müssen.«
Mariko nickte nur stumm.
Es brachte nichts, dem Samurai ins Gewissen sprechen zu wollen. Seine Arbeit gefiel Mariko nicht wirklich, doch zum Schutze aller war sie dringend notwendig. Das ihr Vater ihm gleichgestellt war, sah man daran, daß sie beide jeweils eine Hälfte dieses etwas größeren Hauses am Aufgang zur schwarzen Festung bewohnten. Doch der Samurai sah sich immer noch als der eigentlich höhergestellte an. Ein Umstand, der Mariko selbst zwar nicht störte, doch ihren Vater hin und wieder zu aufrührerischen Reden veranlaßte, weil er den Samurai einfach nicht so Ernst nehmen konnte, wie er gerne genommen werden wollte.
Nachdem er eine zweite Schale Tee getrunken hatte, öffnete sich die Haustüre erneut und ihr Vater kam nach Hause. Hauptmann Asano sah reichlich bleich aus. Fast schien es, als sei ihm das Essen bei seinem Herrn nicht wirklich bekommen.
Der Samurai lächelte seinen Kollegen an und meinte dann: »Ich habe mir deinen Fund angesehen. Wenn wir Ärger mit dem Nachbardorf morgen vermeiden wollen, werden wir etwas von einem Wolfsangriff erzählen.«
Hauptmann Asano erwiderte den festen Blick des Samurai.
»Dies wäre unehrenhaft. Wir wissen nicht einmal, ob sich ein Wolfsrudel in unseren Gefilden herumtreibt. Wir sollten zumindest vorher einmal nachschauen gehen, ob es hier überhaupt so etwas wie Wölfe gibt.«
Der Samurai schüttelte entschieden den Kopf. Neben dem Kriegsherrn war er der Einzige, der dem Hauptmann Befehle erteilen durfte. »Ich habe keine Lust, dieses Dorf von Aufrührern, die noch nicht einmal pünktlich ihre Steuern bezahlen, mit zusätzlichen Truppen zu besetzen, nur weil jene nicht an einen Wolfsangriff glauben. Wir sagen ihnen, daß es ein Wolfsangriff war, und damit ist es dann gut.«
Asano sah seine Tochter an.
»Und was sagt meine weise, von den Göttern berührte, Mariko dazu?«, fragte er dann, den schimpfenden Samurai ignorierend.
Mariko sah den Samurai an, dann ihren Vater.
»Könnt ihr mir beschreiben, wie ihr diese Frau gefunden habt?«, wollte sie dann wissen.
Der Hauptmann nickte und gab ihr eine grobe Beschreibung der Leiche. Er endete mit den Worten: »... es war kein schöner Anblick. Nichts war mehr dort, wo es eigentlich hingehört, und man sah sofort, daß alle inneren Organe fehlten.«
Mariko nickte verstehend.
Der Samurai wurde nun auch ein wenig stiller. Auch er gab sehr viel auf das Urteil der Hauptmannstochter, auch wenn er es selten zugab. Doch er wußte, daß sie mit ihren Gesichtern schon oftmals Recht behalten hatte. Seinem Geschmack nach ein wenig zu oft. Doch dies war ein Problem, welches man an anderer Stelle lösen konnte.
»Nun, weise Mariko, was sagt ihr?«
Die Hauptmannstochter sah von einem zum anderen, dann bemerkte sie: »Ich hatte vor einigen Tagen ein solches Gesicht. Den Tod einer jungen Frau, deren Schulterträger in der Mitte zerbrochen war, obwohl nichts in der Nähe befindlich ist, mit dem man dies bewerkstelligen könnte. Doch bisher konnte ich mir keinen Reim darauf machen. Wenn jedoch dieses Gesicht wahr wurde, heißt dies nur, daß wir wieder Probleme haben.«
Der Samurai grinste abfällig.
»Ja, ein Problem haben wir wirklich. Bedeutet eure Aussage doch, daß ihr bescheid wußtet. Könnt ihr uns etwas über den Angreifer sagen, oder war jener in eurer Vision wieder einmal unsichtbar?«
Mariko senkte traurig den Kopf.
Es war nicht ihre Schuld gewesen, daß vor einem Jahr das noch florierende Dorf angegriffen worden war. Sie hatte den Tag des Angriffs einige Nächte vorher in einer Vision gesehen und war schreiend aufgewacht. Doch in ihrer Beschreibung des Angriffs, in dem sie die Hälfte des Dorfes sterben sah, konnte sie die Uniformen und Rüstungen ihrer Angreifer nicht sehen. Sie waren für sie unsichtbar gewesen, während sie die Dörfler systematisch abschlachteten.
Es war nicht ihre Schuld gewesen, dies sagte sie sich jeden Abend.
Der Samurai stand auf, verbeugte sich vor dem Hauptmann und entgegnete: »Sollte eure Tochter das nächste Mal ein wenig mehr sehen, wäre uns allen geholfen. Es bleibt dabei, wir werden sagen, daß es ein Wolfsangriff war.«
Mit diesen Worten verließ er das Haus.
Am darauffolgenden Morgen brachen der Samurai und vierzig seiner besten Männer in das benachbarte Dorf auf, um den dortigen Bauern etwas von einem Wolfsangriff zu erzählen. Auch wenn es dem Samurai selbst nicht sonderlich gefiel, war dies die einzige Möglichkeit, die bliebe, wollten sie nicht einfach eine wilde Panik verursachen. Die Lage in Takomoru war so schon schlimm genug.
Hauptmann Asano ging in der Zwischenzeit zu seinem Herrn in die schwarze Festung. Dort tagte wieder einmal der Kriegsrat. Jedoch ohne den Samurai, eine Ausnahmesituation.
Der Kriegsrat bestand aus einem halben Dutzend gut geschulter Offiziere, die alle ihrem Kriegsherrn blind ergeben waren. Kein Einziger von Ihnen hatte sich jemals in einer Schlacht eine schwere Verwundung zugezogen, doch sehr viele Kämpfe bereits erfolgreich überlebt.
Kriegsherr Takomoru sah zu seinen Untergebenen.
»Unsere Situatíon ist nicht so einfach, wie gedacht. Ich rechne jeden Tag damit, daß unser ehrenwerter Herr Shogun uns wieder zu den Waffen ruft, weil er gegen die beiden Häuser im Norden und im Westen kämpfen will. Die Herren sind sich immer noch nicht einig über die Machtverteilung geworden. In Osaka bereitet der dortige Kriegsherr bereits wieder seine Maschinerie vor, was für uns bedeutet, daß wir uns auf eine harte Zeit einrichten müssen.«
Hauptmann Asano nickte zustimmend.
Seine eigenen Informanten hatten ihnen diese Informationen verschafft.
»Wir haben ein viel schwerwiegenderes Problem. Der Herr Samurai hat sich entschlossen, im Nachbardorf zu verkünden, daß die Wasserträgerin einem Wolf zum Opfer fiel, und das wir ihre sterblichen Überreste an unserem Schrein verbrennen werden. So möchte er eine Panik dort verhindern. Doch fanden unsere Soldaten keinerlei Spuren eines Wolfes!«
Ein Offizier sah zu seinen beiden Vorgesetzten und fragte: »Warum erzählen wir überhaupt eine Lüge? Wir wissen noch nicht einmal im Ansatz, was die junge Frau getötet hat. Über diesen Bambuswald kursieren schon seit Jahrzehnten Gerüchte und Legenden. Bisher erwiesen sie sich als Trugschluß! Doch was wäre, wenn sie doch der Wahrheit entsprächen?«
Kriegsherr Takumoru schlug mit der Hand hart auf den Kartentisch.
»Wir folgen keinen Legenden, noch weniger Gerüchten. Wir wissen alle, daß dieser Bambuswald etwas Besonderes ist, weil so tief im Südwesten sonst kaum Bambus wächst. Ja, er ist unsere einzige Quelle für einfaches Holz, und er bietet uns eine Quelle, deren Wasser so rein und klar wie selten in diesem Teil des Landes ist.«
Die Anwesenden nickten.
»Aber dieser Bambuswald gehört mit zu unserem Dorf. Also sind wir auch für ihn verantwortlich. Unabhängig davon, ob uns dies gefällt. Eine junge Frau kam überraschend zu Tode. Dies kann uns bedrücken, sollte es aber nicht. Unsere Nachbarn bereiten offen einen weiteren Krieg vor, darauf müssen wir uns vorbereiten.«
Hauptmann Asano fröstelte bei diesen Worten leicht.
Der Samurai und seine vierzig Mann erreichten am frühen Mittag das Nachbardorf. Die streitbare Truppe machte keinen sonderlich freundlichen Eindruck. Ihre schwarzen Rüstungen zeigten deutlich, daß sie auf Ärger aus waren.
Der Samurai kannte die Einwohner des Nachbardorfes gut genug, um zu wissen, daß eine einfache Erklärung kaum ihren Segen fand. Doch das Wort des Kriegsherrn hatte Gewicht. Und er war auch nicht mehr als ein Befehlsempfänger. Ginge es nach ihm, wäre der streitbare Geist im Nachbardorf längst mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden.
Mit einem Handzeichen ließ er seine Leute Aufstellung nehmen, als ihm eine kleine Abordnung der Dörfler entgegen kam. Die restlichen Einwohner des Dorfes kümmerte sich um seine Felder, die rund um dieses Dorf herum lagen.
Der Samurai deutete eine höfliche Verbeugung an, bereute es aber fast sofort wieder, als er sah, wer die Dörfler anführte.
Das Nachbardorf verfügte nicht über eine Schmiede, nicht einmal über einen Seifensieder, sondern nur über einen Haufen ungehobelter Bauern. Als Krieger waren sie auch nicht wirklich zu gebrauchen, auch wenn einige von Ihnen in der Vergangenheit Soldaten bei ihrem Herrn gewesen waren.
Der Wortführer der Dörfler sah auf den Samurai herab und meinte: »Hat euch unser Herr also geschickt, um uns zu berichten?« Der Samurai konnte nicht anders als hämisch grinsend zu antworten: »Und um vielleicht ein Exempel zu statuieren, solltet ihr uns dazu zwingen!«
Der Wortführer, ein wirklich bulliger mann, lächelte amüsiert zurück. »Takomoru benötigt uns genauso, wie wir die schwarze Festung brauchen. Es würde euch also nichts bringen, wenn ihr uns angreift. Erklärt uns lieber, woran unsere Frau gestorben ist!«
Der Samurai machte eine kurze Pause, dann erklärte er: »Unser Herr trug uns auf, euch davon zu berichten, daß die junge Frau augenscheinlich Opfer eines Wolfangriffes wurde. Ihr Leichnam wird in Takumoru heute noch verbrannt.«
Der Wortführer nickte zustimmend.
»Damit können wir leben! Wenn es auch schwer fällt. Der letzte Kriegszug hat auch uns ausgeblutet. Uns fehlen Frauen, und Männer, die in der Lage sind, dieses Dorf im Falle eines weiteren Kriegszuges zu schützen.«
Der Samurai nickte zustimmend.
Seine eigene Analyse der Situation war zu einem ähnlichen Schluß gekommen.
»Deshalb bin ich bereit, jeden kampffähigen Mann von euch mit in die schwarze Festung zu nehmen, damit ihr helft, sie zu halten.«
Der Wortführer der Dörfler lachte gehässig zurück. »Wir haben alle lange genug im Dienst unseres Herrn gestanden. Wenn wir alle kampffähigen Männer zu euch entsenden, kümmert sich niemand mehr um unsere Felder. Und dann ergeht es uns wie Takumoru. Das Dorf verwaist und wird keinem weiteren Angriff mehr standhalten. Noch können wir ausreichend Nahrung für alle erzeugen. Doch auch unsere Felder sind nicht die Besten.«
Dies war dem Samurai durchaus bekannt.
»Also werdet ihr keine Männer mit uns schicken?«, wollte er dann wissen.
Zwar besaß er die Autorität, im Zweifelsfall auch mit Gewalt vorgehen zu können, doch es würde herzlich wenig bringen, wenn sie sich gegenseitig zerfleischten. Ein Exempel zu statuieren, würde nur etwas bringen, wenn es einen groben Regelverstoß gab. Noch waren die Zeiten nicht so schlecht, daß man wirklich jedes Vergehen ahnden mußte.
Mit einem Handzeichen ließ er seine Truppe wieder zusammentreten. »Wir werden nun den Grenzposten kontrollieren und danach wieder nach Takumoru zurückkehren. In der Zwischenzeit hätte ich gerne, daß ihr alles Wichtige der jungen Frau für die Aufbahrung ihrer Urne vorbereitet.«
Der Wortführer der Dörfler nickte zustimmend, dann schaute er schweigend zu, wie die Truppe durch das andere Tor seine kleine Gemeinde wieder verließ. Ja, die Zeiten waren schlecht, und sie konnten durchaus noch schlechter werden. Für ihn jedenfalls stand fest, daß die Macht des Kriegsherrn Takumoru im Schwinden begriffen war, und daß früher oder später ein neuer Kriegsherr dieses verfluchte Lehen zugesprochen bekommen würde.
Eine volle Woche blieb es in Takumoru ruhig. Die Bewohner des Nachbardorfes hatten die Urne der Ihren in einer Trauerprozession abgeholt. Beide Dörfer trauerten. Doch in Takumoru machte sich ein wenig Hoffnung breit. Vielleicht war es wirklich nur ein größerer Wolf gewesen, der sich die junge Wasserträgerin geholt hatte. Auch wenn es da diese Legende um den Bambuswald gab, die schon Jahrhunderte zurückreichte, und nicht eben als gutes Omen anzusehen war.
Auf der Straße war nicht eben wirklich viel Verkehr, weil Takumoru nicht eben eine Feste war, die für ihren Reichtum bekannt war. Aus Aishi war dann schließlich auch nur ein einzelner Karren in Richtung Takumoru unterwegs. Dieser Karren wurde von drei Gauklerinnen betrieben. Die drei jungen Frauen betrieben ihre Kunststücke schon längere Zeit. Sie waren professionell und beileibe nicht so unbewaffnet, wie sie immer auftraten. Wenn es hart wurde, konnten sie sich durchaus verteidigen.
In ihrem Gepäck befand sich eine Tonrolle, die sie vom Shogun selbst ausgehändigt bekommen hatten, nachdem sie am Hofe von Aishi einen Auftritt absolvierten. In der Tonrolle befand sich eine Nachricht für den Lehensherrn Takumorus. Die Anführerin der kleinen Gauklertruppe sicherte mit ihrem Leben diese Tonrolle.
Die Straße zwischen den beiden Dörfern war nicht eben in besten Zustand. Man hätte auch den etwas längeren Umweg über die Straße quer durch den Bambuswald nehmen können, doch auch Gerüchte wie umherstreichende Wölfe erreichten fahrendes Volk ebenfalls. Also hatten sie die Straße zwischen den beiden Dörfern gewählt, bevor ihr weiterer Weg sie dann in Richtung Osaka führen würde. Und dazu mußten sie mit ihrem Karren letztlich doch durch den Bambuswald.
Zuerst jedoch erreichten sie die äußere Umfassung von Takumoru, die nicht eben einen vertrauenserweckenden Eindruck hinterließ. Die Tore waren alt und ungepflegt, und sahen aus, als hätten sie bereits einmal eine unfreundliche Begegnung mit einem Rammbock gehabt. Auch die Palisade wirkte eher so, als würde sie bei einem der Sommerstürme endgültig in sich zusammenfallen.
Für die Gauklerinnen ein normales befestigtes Dorf. Auch wenn diese Befestigung schon lange keine guten Zeiten mehr gesehen hatte. Als Gaukler und Spielleute kannten sie den Zustand im Land. Nirgendwo sah es wirklich gut aus, außer in den großen Städten. Doch allzu viele hatte das Japan dieser Tage nicht zu bieten. Eine Handvoll Städte und Gemeinschaften, die wirklich diesen Namen verdienten. Eine Handvoll Städte, in denen man mit seinem artistischen Können wirklich Geld verdienen konnte. Es sei denn, man transportierte Nachrichten zwischen verfeindeten Häusern hin und her, mit dem sich auch gutes Geld verdienen ließ.
Die Gauklerinnen interessierte nicht wirklich der Inhalt der Tonrolle. Wichtig war nur, daß sie ihn ablieferten und dann mit ihrer Bezahlung von dannen ziehen konnten. Die drei Frauen verstanden sich auf den Schaukampf mit dem Katana, dem Bogenschießen und dem Jonglieren aller möglichen Gegenstände. Darunter fielen auch spitze Dolche oder brennende Fackeln.
Als ihr Wagen das Aishi-Tor von Takumoru passierte, fiel sofort auf, in welchem mißerablen Zustand das Dorf war. Es standen nur noch eine Handvoll baufälliger Hütten, dafür waren die Schmiede, die Häuser des Seifensieders und des Tofumachers noch die einzigen, die man wirklich als stabil ansehen konnte. Der Rest des Dorfes wirkte eher tot. Daran änderte auch nichts die aktive Truppenpräsenz.
Am Haus des Samurai machten die drei Frauen halt und stellten ihren Wagen ab. Dann trat die Anführerin der kleinen Truppe vor, verbeugte sich vor der Wache und zeigte ihren Passierschein vor.
Die Wache rief postwendend nach Hauptmann Asano.
Jener war nicht sonderlich erfreut, fahrendes Volk in dem kleinen Dorf zu sehen. Vor allem dann nicht, wenn es einen Passagierschein des Shoguns vorweisen und beim Kriegsherr vorsprechen wollte.
Auch wenn Asano nur ein einfacher Hauptmann war, versah er seinen Dienst immer beflissen. Und diese drei fahrenden Frauen machten ihn zwar nicht nervös, doch war er sich darüber sicher, daß sie nur weiteren Ärger bedeuteten.
Die Anführerin der Gaukler trat vor den Hauptmann, deutete ihre Verbeugung mehr an, als daß sie sie durchführte, und bemerkte dann: »Um unser aller Ehre Willen, laßt mich bei eurem Kriegsherrn vorsprechen. Ich trage eine Nachricht unseres Shoguns für ihn bei mir.«
Hauptmann Asano sah die Anführerin der kleinen Truppe maßnehmend an.
»Wer sagt mir, daß ihr die Wahrheit sagt?«, wollte er dann wissen.
Die Gauklerin sah ihn abschätzend an, und erwiderte: »Auch wenn ihr mir nicht glauben wollt, meine Mission ist wichtig. Ich kenne den Wortlaut der Nachricht zwar nicht, und es ist mir auch egal. Ich soll diese Nachricht nur übergeben.«
Der Hauptmann mußte nicht lange überlegen.
Mit einer Handbewegung wies er zwei Wachen an, die einzelne Frau in den kleinen Thronsaal des Kriegsherrn zu schaffen. Ihm war nicht wirklich wohl dabei, doch wenn sie die Wahrheit sprach, konnte er sich wieder um die Dinge kümmern, die wirklich wichtig waren, und dieses fahrende Volk einfach ziehen lassen.
Kriegherr Takumoru staunte nicht schlecht, als sein Hauptmann eine Gauklerin in seinen Thronsaal führte. Die junge Frau trug einen dreiteiligen Kimono, der reichlich auffällig und bunt gehalten war. Über ihrem Rücken hing eine schwere Tonrolle. Doch trug sie keinerlei Waffen. Zumindest nicht sichtbar.
Der Kriegsherr, der mit seinen beiden wichtigsten Beratern in seinem Thronsaal saß, schaute mißtrauisch zu Hauptmann Asano. Normalerweise hätte sich jener ein solches Verhalten nicht geleistet. Also mußte an dieser Gauklerin mehr dran sein, als es den Anschein hatte.
Die junge Frau verbeugte sich nun richtig und ehrvoll und stellte sich auch vor: »Mikani Haruna, Kriegsherr. Ich bin auf Geheiß unseres Herrn des Shoguns hier, um euch eine Botschaft zu überbringen. Eine Botschaft, die nur für euch bestimmt ist, nicht für euer Fußvolk.«
Mit einer Handbewegung scheuchte er Asano und seine beiden Begleiter wieder aus dem Raum. Als sich die Schiebetür hinter dem Hauptmann wieder geschlossen hatte, legte der Kriegsherr demonstrativ sein Wakizaki auf seine Knie. Gegen eine einzelne Frau wirkte das Katana ein wenig übertrieben. Er war immerhin Kriegsherr im Dienste ihrs Shoguns.
Die Gauklerin nahm nun bedächtig die Tonrolle von ihrem Rücken und erbrach deren Siegel. Dann ließ sie eine einfache Schriftrolle herausrutschen und reicht diese dem Kriegsherr. Dabei ließ sie aber deutlich erkennen, daß sie einen Dolch im Ärmel ihres Kimonos trug.
Der Kriegsherr mußte bei einer solchen Sicherheitsvorkehrung lächeln. Mit einem Dolch würde sie es kaum an seinem Wakizaki vorbei schaffen. Doch wäre sie vielleicht eher in der Lage seine beiden Berater zu erledigen, bevor er sie erwischte. In jedem Fall war Vorsicht angesagt.
Ehrerbietig übergab die Gauklerin die Schriftrolle.
Takumoru kannte dies bereits von anderen Tagen. Sein Shogun würde wieder seine Teilnahme an einem Feldzug von ihm erwarten. Dabei besaß er jetzt bereits zu wenig Männer. Die Schriftrolle trug wiederum selbst ein blaubraunes Siegel, was eindeutig darauf hindeutete, daß es schon wieder mit den wilden Samurai der westlichen Küste Schwierigkeiten gab. Kein besonders wilder Auftrag. Aber ein Auftrag, der ihn gute Soldaten kosten konnte.
Widerwillig warf Takumoru der Gauklerin einen kleinen Beutel mit Münzen zu.
»Dies ist für euch und eure Mühe, daß ihr den Weg hierher überhaupt gefunden habt. Ich erlaube euch, die Nacht in meinem Dorf zu verbringen. Sucht euch ein nicht so beschädigtes Haus und bleibt dort bis zum Morgen. Danach wird Hauptmann Asano euch bis zur nächsten Straßenkreuzung in Richtung Osaka bringen.«
Die Gauklerin schüttelte streng den Kopf.
»Herr, unser Herr wies mich nur an, euch den Inhalt der Tonrolle zu bringen. Mir wurde nicht gesagt, daß ich diese Nacht in eurem Dorf verbleiben soll.«
Der Kriegsherr lächelte nachsichtig.
»Es würde auffallen, würdet ihr bereits heute Abend weiterreisen. Meine Anweisung steht, Frau Mikani. Ihr verbleibt diese Nacht in den Befestigungen meines Dorfes, morgen früh könnt ihr dann mit eurer Truppe weiterfahren.«
Widerwillig beugte sich die Gauklerin.