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Andreas Meckel

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Beschreibung

Das Jahr 2103! Die Menschheit dringt endlich weiter in das Sonnensystem vor. Der Bürgerkrieg liegt gerade einmal 30 Jahre zurück, die politische und soziale Lage ist kritisch. Der Weltsicherheitsrat benötigt eine positive Ablenkung, und möchte gleichzeitig den Verbleib der damals geflohenen Dissidenten klären. Und stößt dabei im Jupitersystem auf ein galaktisches Geheimnis.

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M E G A

Jupiter - Expedition

1. Genf, Schweiz

4. November 2092

Es war gerade einmal fünf Jahre her, daß das Weltmilitär sich entschlossen hatte, eine eigenständige bewaffnete Weltraumorganisation zu gründen. Die auf dem Boden und in der Luft beständig seit dem Bürgerkrieg existierenden Einheiten wurden nach und nach dieser neuen geschaffenen Organisation eingegliedert. Ein Vorgang, der wahrscheinlich noch eine volle Generation dauern sollte, bis endlich auch das nationale Dünkel aus den einzelnen militärischen Operationsgruppen entfleucht war. Doch das Weltmilitär, welches nun unter dem Namen Strategische Raumflotte firmierte, hatte seit dem Bürgerkrieg1 vor gut zwanzig Jahren einen guten Grund überhaupt zu existieren.

Der Bürgerkrieg war wirklich noch nicht so lange her. Aber lange genug, daß bereits eine Generation von Menschen aufgewachsen war, die nichts von den damaligen Problemen wußte. Natürlich wurde im Geschichtsunterricht offen und klar darüber berichtet, was das damals für eine schlimme Zeit gewesen war. Eine Zeit, in der die vereinigte Weltregierung gerade nur in ihren Anfängen konstituiert war, und sich Feinden gegenüber sah, die mehr als nur das Leben selbst verachteten.

Als die letzten Dynastien von Diktatoren ihren letzten Krieg begannen, achtete niemand darauf, wie sich die Weltregierung denn als Ganzes verhalten würde. Dieser letzte Krieg dauerte zwar nur zwölf Jahre, doch der angerichtete Schaden war immens. Zu groß für die Menschheit, um ihn mit globalen Mitteln einfach reparieren zu können.

Vor zwanzig Jahren waren zwanzig Raumschiffe des Alpha-II-Typs durch die dichten Maschen des Abfangnetzes gerutscht und bis zum Jupiter vorgedrungen. Diesen hatten sie inzwischen vor gut achtzehn Erdjahren wieder verlassen. Mit unbekanntem Ziel und nur noch einer einzigen Funknachricht, die zur Erde durchkam.

Karim N’Benga wußte das Alles. Der neben ihm wartende Admiral Friedrich Lindner wahrscheinlich ebenfalls. Lindner war das, was man beim Militär einen Soldat mit Schneid nannte. Blöd für die MEGA2, der N’Benga als operativer Direktor vorstand, war der Umstand, daß die gerade erst gegründete strategische Raumflotte ihre eigenen Probleme damit hatte. Nicht nur mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch mit den zukünftigen Zielen von Organisationen wie die MEGA selbst. Ein eigentlich normaler Vorgang. Unnormal war hierbei nur, daß sowohl der amtierende Admiral der strategischen Raumflotte, als auch der MEGA-Direktor vom Weltsicherheitsrat nach Genf vorgeladen worden waren.

Lindner war nervös. Im Bürgerkrieg hatten solche patenten Offiziere zumeist auf der Seite der gesellschaftlichen Feinde gestanden. Doch die VWR3 war es irgendwie gelungen, einen Keil in das ansonsten wirklich gut organisierte feindliche Heer zu treiben. Schließlich war es gelungen, die noch aufmüpfigen Nationen zu erobern und die demokratische Grundordnung wieder herzustellen.

In den Jahren nach dem Bürgerkrieg, bis ungefähr 2076, war der Weltgerichtshof mehrfach gezwungen gewesen, gegen an dem Bürgerkrieg teilnehmende hohe Offiziere die Todesstrafe zu verhängen. Nicht eben demokratisch, aber leider zwingend notwendig.

Zum Glück gab es da schon die beiden Kolonien auf Mond und Mars. Dort war es kaum zu kämpfen gekommen, und die Lunarer nahmen gerne die politischen Gefangenen der Erde bei sich auf. Das Mondgefängnis war kein wirklich erstrebenswerter Ort. Doch die Gefangenen konnten dort unter sich selbstorganisiert, aber überwacht, leben. Nicht unbedingt das Paradies, aber leider notwendig, solange der Planet noch seine geschlagenen Wunden des Konfliktes leckte. Und das er es lange tun würde, war selbst dem schlimmsten Zweifler schon nach einem Jahrzehnt nach dem Bürgerkrieg klar.

N’Benga jedoch hielt einfach nur seinen kleinen Aktenkoffer fest.

Sein Job war auch nicht eben leicht.

Die MEGA war offiziell im Jahre 2070 gegründet worden. Alle wichtigen Weltraumorganisationen wurden gezwungen in ihr aufzugehen. In dieser langen Zeit hatte die MEGA den ersten Regierungsauftrag erhalten. Ihn aber nicht umsetzen können, weil es quasi noch keine bemannte Raumfahrt im Solsystem gab. Und die Testung von Luft-und Raumfahrzeugen aller Art funktionierte auch nur, wenn es eine regelrechte Industrie in diesem Sektor gäbe.

Der Planet leckte seit zwanzig Jahren die geschlagenen Wunden und kam mehr oder weniger so durch. Effektiv war dies nicht. N’Benga wußte das. Dennoch hatte die MEGA in den letzten Jahrzehnten ihr bestes getan, um auf dem Gebiet der Raumfahrt die ersten Fortschritte zu machen.

Trotzdem änderte dies nichts daran, daß sie nun beide in Genf vor dem Büro des Weltsicherheitsrats saßen und darauf warteten, eingelassen zu werden. Admiral Lindner machte einen wirklich geschafften Eindruck. Der gar nicht so alte Mann hatte einen weiten Weg zurücklegen müssen, um heute hier zu sein.

N’Benga wußte das, sein Weg war sogar noch ein wenig weiter gewesen. Die MEGA unterhielt auf dem Mars ihr Hauptbüro, weil die Erde seit dem Bürgerkrieg nicht unbedingt ein wirklich sicherer Ort und Hafen war.

Täglich waren in etwa fünfzig bis sechzig MEGA-Raumschiffe unterwegs, um entweder Vermessungsaufgaben nachzukommen, oder den beiden unabhängigen Kolonien Mars und Mond dabei zu helfen, ihre Autarkie zu behalten. Dies war aktuell eine der Hauptaufgaben der MEGA, die Logistik aufrecht zu erhalten.

Politisch befand sich das Solsystem im Umbruch. Die VWR wurde inzwischen von allen Nationen als oberste Regierungsinstanz akzeptiert, und die Provinzen waren schon kurz nach dem Krieg entsprechend gemittelt worden. Keine Nation bekam Geländegewinne, sondern alle mußten etwas abgeben, was von da an als gemeinschaftliches Land angesehen wurde. Menschen, die sich auf diesen wild über die Landkarte verteilten Flecken niederließen, bekamen das Recht, mit einfachen Mitteln sich ein neues Leben zu schaffen.

In den letzten zwanzig Jahren hatte sich dieses Verfahren der VWR als so nützlich erwiesen, daß die Flecken, die für die Einheit der Menschheit standen, überall gewachsen waren. Zwar nicht sehr viel, doch die ersten Flecken wuchsen bereits zusammen und dort wuchs eine völlig neue Generation Menschen auf. Menschen,die das einfache Leben genauso schätzten, wie die technischen Innovationen, die ihnen die moderne Zivilisation brachte.

Das Militär besaß seine fest zugewiesenen Arbeitsbereiche.

Admiral Lindner war einer der glücklicheren Offiziere, die nach dem Bürgerkrieg nicht in die Wüste geschickt worden waren, sondern bleiben durften, um den angerichteten Schaden wieder zu reparieren. Mit der logischen Konsequenz, daß das Militär heutzutage jeden winzigen Schritt direkt vom Weltsicherheitsrat absegnen lassen mußte.

Militärisches Material hatte die Zeit nach dem Bürgerkrieg nicht in ausreichender Masse überlebt. Infanterie gab es wie Sand am Meer, doch die meisten Soldaten zogen es vor, sich auf den Gemeinschaftsflächen ein Stück Land und ein Haus zu sichern, und den Militärdienst hinter sich zu lassen. Die moderne Jugend hatte kaum Interesse am Kampf. Nicht einmal am sportlichen Messen miteinander, weil Kämpfen in den letzten beiden Jahrzehnten wirklich verpönt wurde.

Sowohl der strategischen Raumflotte, als auch der MEGA, fehlte es definitiv an interessiertem Nachwuchs. Raumfahrt war nicht überall dasselbe. Regelmäßíg entsendete die MEGA Raumschiffe, die die alten Satelliten der Vergangenheit wartete und sie wieder auf Position brachte.

Das war der normale Dienst, durch den jeder Aspirant durch mußte. Die MEGA-Akademie in San Francisco war entsprechend großzügig geplant und gebaut worden, doch es fehlte definitiv an Nachwuchs.

Dies war eines der Probleme, weshalb N’Benga heute vor dem Weltsicherheitsrat sprechen wollte. Die MEGA benötigte, genauso wie die strategische Raumflotte, die Erlaubnis, aktiv Werbung für ihre Arbeit machen zu dürfen. Ansonsten wäre es noch in dieser Generation mit der bemannten Raumfahrt vorbei.

Trotzdem war es umgekehrt gelaufen. Lindner und N’Benga waren beide vorgeladen worden. Den genauen Grund hatte die VWR ihnen nicht genannt. Nur das es eilig sei.

Dem baumlangen Afrikaner steckte noch der tagelange Flug vom Mars in den Knochen. Er war sofort mit einer Alpha II zur Erde aufgebrochen, als die Depesche auf seinem Schreibtisch gelandet war.

Der Flug vom Mars zur Erde war kein Pappenstiel.

Dreihundert Millionen Kilometer wollten zurückgelegt werden. Mit der aktuellen Raumfahrttechnik eine Quälerei. Aber machbar. Auch wenn es letztlich die Landung auf dem Landefeld in Genf es gewesen war, die N’Benga so erschöpfte. Das MEGA-Raumschiff war mit Höchstschub geflogen. Wahrscheinlich würde man das halbe Antriebssystem austauschen müssen, damit der alte Vogel wieder flog.

N’Benga wußte das. Er war schon lange genug Astronaut, auch wenn er in den Jahren seit dem Bürgerkrieg eher in Bürokratie ersoff, anstatt weiterhin zwischen den Planeten des Sonnensystems abzuhängen. Das Sonnensystem konnte manchmal verdammt groß sein.

Die strategische Raumflotte besaß selbst eigene Interessen, die sie gesichert sehen wollte. Doch außer den baufälligen Überresten der ersten von Menschen dauerhaft eingerichteten Raumstation war dem globalen Militär nicht viel verblieben. Ihre eigenen Raumschiffe waren nur gepanzerte Versionen jener Raumschiffmodelle, die die MEGA und so gut wie jedes interplanetare Handelsunternehmen auch benutzte. Da hatte sich in den vergangenen zwanzig Jahren wirklich nicht viel getan. Zudem die Militärs immer noch das Problem mit Energiewaffen hatten, die sie nicht zum Einsatz bringen konnten, weil die aktuellen Raumschiffmodelle einfach nicht genug Saft hergaben, damit man überhaupt einen Bergbaulaser abfeuern konnte. Und die Erschließung des Asteroidengürtels war eine der primären Aufgaben, die sich die MEGA selbst gestellt.

Und nun saßen diese beiden Männer gemeinschaftlich auf einer schlichten Holzbank vor dem Büro des Weltsicherheitsrats und hofften darauf, daß man sie diesmal anhören würde.

2. Der Weltsicherheitsrat

Diese Institution war kein Club der Supermächte mehr. Nach der neuen, selbstgegebenen Verfassung der VWR, gab es so etwas wie Nationen nicht mehr. Damit war auch der Begriff der Supermacht hinfällig geworden.

Seit dem Bürgerkrieg waren Atomwaffen geächtet. Das, was im zwanzigsten Jahrhundert Macht und Wohlstand versprach, war unwichtig geworden. Wirtschaftliche Macht zeigte sich nun nicht mehr in der Masse einer Bevölkerung, oder in deren gesammelter Arbeitskraft, sondern daran, wie innovativ eine Provinz mit ihren Ideen umging. Macht, repräsentiert durch Militär, militärischer Schlagkraft, oder gar der Vernichtungskraft ihrer Waffen, war unwichtig geworden. Die Menschheit stand vor globalen, gemeinsamen, Problemen.

Im vergangenen Jahrhundert war es der Klimawandel gewesen, der den politischen Umbruch erst ermöglicht hatte. Als die Menschheit um das Jahr 2010 herum realisierte, daß es wirklich einen Klimawandel gab, und sie einen Schuldigen dafür suchte, fanden sich die kleinen, wehrlosen, Nationen zusammen und schufen den reichen Industriestaat als Schuldigen. Obwohl man zu jener Zeit absolut keine Ahnung hatte, was und wie denn überhaupt der Klimawandel zustande kam.

In den 2020ern legte sich die Panik ein wenig, und die Vernunft zog wieder in der Wissenschaft ein, gleichzeitig gab es auch viele Superreiche, die sich darum bemühten, die Menschheit voranzubringen. Es kam zum Wettlauf ums All zwischen staatlichen Organisationen und den Superreichen, den am Ende keiner gewann, und das einfache Volk dabei nur draufzahlte. Das gleichzeitig dieser schwelende Konflikt zwischen den Reichen und dem einfachen Bürger letztlich in der Mitte des Jahrhunderts zum Bürgerkrieg führen würde, hätten die Superreichen selbst am wenigsten gedacht. Man überdachte den Klimawandel in diesen Jahren und entdeckte, daß man es mit einem Phänomen zu tun hatte, was Planeten immer wieder betraf. Es zeigte sich auch, daß alle gewählten Maßnahmen, dessen Auswirkungen in den Griff zu bekommen, nur die soziale Schieflage verschlimmerten. Wären die anderen Faktoren für den Bürgerkrieg nicht auch noch zum Tragen gekommen, wäre der Krieg wahrscheinlich vermieden worden.

Doch eine Handvoll machtgieriger Politiker sah sich wohl gezwungen, ihre eigenen Befugnisse dahingehend auszuweiten. Das Ergebnis war ein Bürgerkrieg, der zwölf Jahre auf dem Planeten wütete, und nicht nur sein politisches Antlitz vollständig umkehrte.

Es gab keine Supermächte mehr.

Und der Weltsicherheitsrat hatte nun die Aufgabe, darauf zu achten, daß sich die einzelnen Provinzen des Planeten so entwickelten, daß ein Überleben der Menschheit sichergestellt war.

In der Zeit nach dem Bürgerkrieg ging es der Menschheit nicht gut. Die Aufbauphase nach diesen zwölf Jahren Krieg, der den gesamten Planeten in Brand gesetzt, und in dem quasi das einfache Volk gegen selbstgerechte Politiker ankämpfte, war auch nicht zu romantisieren, obwohl dies bestimmt immer noch einige taten. Doch diese Wenigen vergasen dabei immer wieder, daß es kein einfacher Volksaufstand gegen die Reichen gewesen war, sondern etwas völlig anderes. Blindwütiger Nationalismus, der sich zu Beginn des Jahrhunderts wieder einmal zeigte, in Verbindung mit einer Selbstgerechtigkeit unter den Berufspolitikern weltweit führte schließlich zur Explosion.

Millionen, Milliarden, starben.

Der Krieg siebte gnadenlos aus. Wer nicht unbedingt leben wollte, wer nicht für ein gewisses Gedankenbild einstand, starb aus. Die Natur siebte gnadenlos durch. Und das während des Höhepunktes jener klimatischen Phase, die man als Klimaerwärmung in die Geschichtsbücher eintrug. Die Hitze war kaum auszuhalten, und ihre Auswirkungen sorgten dafür, daß ganze Nationen verdursteten.

Manche Nationen, die sich eigentlich aus dem Bürgerkrieg heraushalten wollten, konnten sich nicht heraushalten. Atomwaffen wurden gestohlen, zum Einsatz gebracht, Chaos brach aus.

Und über allem thronte der Weltsicherheitsrat, die letzte Instanz, von den Reichen und Wohlhabenden des Planeten gesteuert, und achtete darauf, daß die eigenen Interessen nicht allzu großen Schaden nahmen. Dem wirtschaftlichen Verrat folgte der politische auf dem Fuße. Das Chaos griff um sich, die ersten Nationen gingen in diesen zwölf Jahren relativ rasch unter. Doch es waren nicht die kleinen Länder, die das Zeitliche segneten, sondern richtige Industriestaaten, deren Innovationskraft den ganzen Planeten immer wieder vorangebracht hatte. Doch diese Nationen gingen nicht einfach sang- und klanglos unter. Oder sie wurden von einem Nachbarland assimiliert. Nein, diese Nationen gingen vollständig unter, die Landesbevölkerung verstarb weitgehend an freigesetzten Viren oder Krankheiten, die sich bei der herrschenden Hitze sehr rasch ausbreiteten.

Die Natur konnte grausam sein. In diesem Bürgerkrieg zeigte sich das Durchhaltevermögen von politischen Systemen. Demokratien überlebten die Zeit der Unbill mit deutlich weniger Schaden als jene Nationen, die von Diktatoren, Potentaten und entlaufenen Irren geführt wurden. Supermächte wie Rußland und die Volksrepublik China wurden von dem Bürgerkrieg hinweggerafft, und deren politische Anführer starben den Feuertod, als amoklaufende Bürger in den Hauptstädten ziemlich große Atombomben zündeten, um dem Spuk ein Ende zu machen.

Der halbe afrikanische Kontinent löste sich in der Zeit des Bürgerkriegs fast vollständig auf. Nationen starben wie die Fliegen, ihre Bürger ebenso. Der komplette saudische Einflußbogen wurde von dem Bürgerkrieg erfaßt und die Scheichs und Mullahs erhielten von ihren Völkern die Strafe dafür, weil sie sie über fast ein Jahrhundert hinweg nur verraten hatten. Ganze arabische Städte brannten aus und wurden nicht wieder aufgebaut.

In Nord- und Südamerika nicht anders.

Die so schon wirtschaftlich wackelnden Nationen kollabierten, als der Bürgerkrieg ihre wichtigsten Handelspartner in Europa und Asien hinwegfegten. Das einfache Volk zeigte, daß es die Schnauze voll davon hatte, immer und immer wieder belogen zu werden. Brasilia wurde genauso zerstört wie Rio de Janeiro. In Brasilien bis Peru überstand kein korrupter, national denkender, Politiker den Volksaufstand und die nachfolgenden Brände. Im Amazonasgebiet wurden die Indigenen aktiv und richteten Massaker in Folge an. Das Blutbad endete erst, als die brasilianische Armee eingriff und dabei die Hälfte ihrer Streitkraft einbüßte.

Die Völker der Welt erhoben sich nicht, wie es sich Karl Marx einst angeblich gewünscht hatte, sie erhoben sich, wie sich nur geballter Volkszorn entladen konnte, weil die Politik gierig, und die Wirtschaft unfähig war. Der Flächenbrand dauerte nur zwölf Jahre an.- gestoppt wurde er von einem einfachen Ereignis. Einem Ereignis, welches die Menschheit bis heute als Warnung erachtete.

Und die einen neuen Glauben schuf, dem die Menschen von da an folgten.

Ein verirrter Komet striff so nah an der Venus vorbei, daß er dort genug Fahrt bekam, um mit Hochgeschwindigkeit knapp über die Erdatmosphäre hinweg zu brausen. Der leuchtende gelbe Komet veränderte alles.

Die Menschheit beruhigte sich, und die überlebenden Demokratien riefen einen neuen Weltsicherheitsrat ins Leben, nachdem die UNO in New York ebenfalls Schaden genommen hatte. Man einigte sich darauf, daß nicht die militärisch mächtigsten Nationen den neuen Weltsicherheitsrat bildeten, sondern die Länder, in denen die Intelligenz über den Nationalismus triumphiert hatte. Aus verständlichen Gründen lehnte Deutschland seinen Platz im neuen Weltsicherheitsrat ab. Doch die Überredungskunst des neuen China brachte die Deutschen schließlich dazu, doch ein Mitglied des neuen Reigens zu werden. Das erste Edikt des Weltsicherheitsrats bestand aus der Verlautbarung, das alle Nationen vor dem Weltsicherheitsrat gleich seien. Und das jede Regierung der überlebenden Völker verpflichtet wurde, eine feste Anzahl Delegierter nach New York zu schicken, um einen globalen Friedensvertrag auszuhandeln.

Die ersten fünf Monate nach dem Bürgerkrieg vergingen damit, daß sich aus der UN eine völlig neue Gemeinschaft bildete, mit dem Weltsicherheitsrat als jene Behörde, die letztlich den Planeten regierte. Zumindest solange, bis man eine andere Lösung gefunden hatte, die für alle Nationen gleichermaßen angenommen wurde.

Deshalb nannte sich die UN mittlerweile VWR, und der Weltsicherheitsrat war die Instanz, die die Fäden in der Hand hielt. Dies bedeutete, daß der Weltsicherheitsrat keine einfache politische Organisation mehr war, sondern sich in jeden Bereich der VWR einmischen durfte, mit dessen Entwicklung er nicht einverstanden war.

Die Welt hatte nach dem zwölf Jahre dauernden Bürgerkrieg zwanzig Jahre gebraucht, um sich wieder auf ein Niveau aufzubauen, welches dem Vorkriegsniveau entfernt nahe kam. Perfekt war die Situation nicht. Nachdem der Weltsicherheitsrat in eigenen Edikten die nationalen und privaten Weltraumbehörden aufgelöst und in der MEGA zusammengelegt hatte, und gleichzeitig der MEGA auch einen entsprechenden Pflichtauftrag gab, änderte sich auf dem Gebiet der Raumfahrt einiges. Man hatte ja schon eine Mondkolonie und eine Marskolonie zu versorgen. Völlig autark waren die Kolonien immer noch nicht. Diese Kolonien lebten noch so, wie die Welt vor dem Krieg gelebt hatte. Dementsprechend gestand die VWR diesen menschlichen Außenposten auch ziemlich schnell vollständige politische Autarkie zu. Ein mutiger Schritt, der sich jedoch rentierte. Mond und Mars arbeiteten loyal mit der Erde zusammen. Technologische Innovation verbreitete sich so deshalb sehr schnell. Und in der Raumfahrt waren die drei von Menschen bewohnten Plätze im Solsystem gleichauf.

Die letzten zwanzig Jahre waren dennoch für die Menschheit nicht einfach gewesen. Die VWR kümmerte sich zuerst um den Welthunger, bevor sie sich daran machte, ein stabiles wirtschaftliches Gleichgewicht herzustellen. Da man den Planeten unter den überlebenden knappen fünf Milliarden Menschen flächenmäßig nicht aufteilen konnte, aufgrund der Umweltschäden ging dies sowieso nicht, verfiel man auf eine viel bessere Idee. So etwas wie eine Bezahlwährung wurde erst einmal abgeschafft. Inzwischen wurde der schlichte Credit als Währung ohne Wert eingeführt. Mit Credits wurde nun die Arbeitsfähigkeit eines Menschen bemessen.

Dabei stellte sich heraus, daß Lebensmittelerzeuger einen deutlich höheren Wert als beispielsweise Ingenieure besaßen. Ingenieure waren aber dennoch wichtig, weil elektrischer Strom und größere Maschinen immer noch gewartet und weiter entwickelt werden mußten. Die gesamte Lohnpyramide verschob sich, in der Intelligenz, Innovation, Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit eingerechnet wurden. Der halbe Planet stand Kopf, als die VWR das neue Währungssystem und das neue Wertesystem endlich offiziell verkündete. Ein Wertesystem, welches sich immer noch weiter entwickelte, umfassender und dadurch gerechter wurde.

Zeitungen, Magazinem und Journale wurden angewiesen, investigative Journaile zu betreiben, wenn sie ihre Lizenzen behalten wollten. Propaganda gab es nicht mehr. Weder in Film, noch Fernsehen, noch im Printwerk wurde Propaganda noch zugelassen. Werbetreibende mußten sich zwangsläufig nach neuen Berufen umschauen, denn aktuell wurden sie nicht mehr gebraucht. Oder sagen wir es besser so: Sie wurden nicht mehr an den Einsatzorten gebraucht, an denen sie vorher tätig waren.

Zwanzig Jahre Konstitution sorgten schließlich dafür, daß die Welt gerade begann an der Pforte eines neuen goldenen Zeitalters zu kratzen. Nur diesmal reagierte die Welt überlegter. Man brach nicht einfach zu neuen Gefilden auf, sondern sicherte erst einmal die bereits in Besitz befindlichen.

Die Politik stabilisierte sich, die Wirtschaft erholte sich langsam vom Krieg, und die Technologie fraß sich auf einem Standard fest, der von nun an eingehalten wurde. Mit der Gründung der strategischen Raumflotte veränderte sich wieder alles, denn dem astralen Arm des Militärs wurde gleichzeitig das bodengestützte Militär so weit unwichtig. Es mußte sich unterordnen. Und da keine generelle Militärpflicht für den einzelnen Bürger bestand, schrumpfte die globale Armee auf eine so winzige Menge, daß es nicht weiter auffiel. Das Militär, welches in der Vergangenheit nicht nur sehr oft für politischen Streit gesorgt hatte, wurde beinahe unwichtig.

Beinahe.

Und an dieser Stelle griff wieder der Weltsicherheitsrat, der weisungsbefugt gegenüber MEGA und der strategischen Raumflotte war. Zwar war die MEGA eine zivile Organisation, doch sie hatte Verantwortlichkeiten. Die Satellitenwartung war nur eine davon. Genauso war es auch bei der Raumflotte. Auch sie hatte einige Aufgaben, denen sie immer nachzukommen hatte. Dazu gehörte unter anderem die Sicherung des erdnahen Raums, sowie die Aufrechterhaltung einer bestimmten Menge an Bodentruppen in verschiedenen Waffengattungen, inklusive Versorgung.

Der Weltsicherheitsrat bestand aktuell aus einem fünfköpfigen Gremium. Fünf Nationen waren hier vertreten, aber ihre Vertreter vertraten nicht die Nationen an sich, sondern die Kontinente, die sie repräsentierten. Fünf Kontinente, fünf Repräsentanten. Eine einfache, schlichte Politik.

Doch der Weltsicherheitsrat biß sich gerade selbst an der einen oder anderen Sache die Zähne aus. Da war einmal das Problem mit der MEGA, die dringend mehr Einflußmöglichkeiten brauchte, um sicherzustellen, daß das technische Niveau erhalten blieb. Und dann das Militär, welches unbedingt Raumschiffe benötigte, mit denen es möglich war, den erdnahen Raum zu sichern. Nur konnte jenen zweiten Teil auch wieder nur die MEGA gewährleisten, die eigentlich eine größere Aufgabe benötigte, um endlich der Welt beweisen zu können, daß ihre Existenz wirklich einen Sinn hatte.

Jetzt könnte man meinen, daß hier auch wieder nur Berufspolitiker am werkeln wären, die viel mehr darauf achteten, daß sie ihre Aufgabe insoweit sinnvoll ausführten, daß man sie nicht sofort abberief. Doch es sah anders aus. Die fünf Repräsentanten des Weltsicherheitsrats, die von dem ursprünglich einmal mehr als zwanzigköpfigen Gremium übriggeblieben waren, waren keine Berufspolitiker. Es waren einfache Menschen, die von ihren Provinzen dazu aufgerufen worden waren, sich so in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen.

Europa war fast zehn Jahre von einem deutschen Vertreter im Weltsicherheitsrat repräsentiert worden. Heute machte den Job ein Italiener. Er machte ihn nicht gerne, aber er machte ihn. Der asiatische Repräsentant war heute ein Inder. In den Tagen der Konstitution war es ein Japaner gewesen. Der afrikanische Delegierte stammte heute aus Kenia, während sein Amtsvorgänger einst Ägypter gewesen war.

Jetzt könnte man meinen, mit diesen fünf Politikern wäre der Weltsicherheitsrat einfach nur gut besetzt. Die Religionen, die den Bürgerkrieg überlebten, besaßen das Recht, welches ihnen von der VWR eingeräumt wurde, und stellten entsprechend auch einen Berater für dieses Gremium, welches gerade die Welt so gut regierte, wie sie es eben konnten. Die überlebenden Religionen waren neben dem chinesischen Taoismus nur noch Shintoismus (Japan), Hinduismus (Indien), Schamanismus (Südamerika & Afrika) und Atheismus. Vom Katholizismus und seinen Lügen, sowie dem Judentum und dem Islam blieben nur noch deren Bauwerke übrig. Der Glauben selbst starb mit dem goldenen Kometen. Die Welt war also glaubenstechnisch nicht viel besser dran als vorher, zudem sich immer noch Gerüchte hielten,daß im Untergrund der Welt immer noch Christen, Moslems und Juden lebten, die daran arbeiteten, die Verhältnisse vor dem Bürgerkrieg wiederherzustellen.

Doch dies war nicht mehr als eine Mär, die sich einige findige Autoren ausgedacht. Die VWR wußte mit Sicherheit, daß von den Christen, Moslems und Juden keiner auf der Erde zurückgeblieben war, als deren Anführer die verbliebenen Ares-II-Raumschiffe bestiegen und mit einem Großteil ihres Vermögens ins Jupitersystem gestartet waren. Von dort waren sie dann knapp sechs Jahre später erneut gestartet, und hinterließen der Menschheit eine Botschaft, die man sehr schwer als Gruß interpretieren konnte.

Fest stand, die alten abrahamitischen Religionen existierten nicht mehr auf dem Planeten Erde. Ihre letzten Repräsentanten hatten sich einige Jahre im Jupitersystem versteckt gehalten, bevor sie dann mit ihren altersschwachen Raumschiffen erneut aufbrachen. Diesmal jedoch mit scheinbar unbekanntem Ziel.

Es war nicht so, daß die VWR und der Weltsicherheitsrat eine einzelne Religion oder deren Auswüchse als Gefahr ansahen. Es war vielmehr so, daß die Menschheit deutlich besser miteinander zusammenarbeitete, als es vorher der Fall gewesen war. Die überlebenden Religionen dürsteten nicht nach Blut, sondern einfach nur danach, daß der Mensch menschenwürdig leben konnte.

Und daran hatte der Weltsicherheitsrat die vergangenen zwanzig Jahre gearbeitet. Man war auch entsprechend vorangekommen. Doch schließlich hatte man erkannt, daß es nur dann vorwärts gehen konnte, wenn man dafür Sorge trug, daß sich nicht nur endlich das politische System stabilisierte, sondern auch die Wirtschaft endlich wieder Ziele bekam, die man umsetzen konnte.

Dies war auch der Umstand, weshalb der Weltsicherheitsrat den Direkter der MEGA, und den Admiral der strategischen Raumflotte gemeinschaftlich zum Termin gebeten hatte. Das Militär fühlte sich in diesen modernen Zeiten sowieso stiefmütterlich behandelt. Damit wollte man heute ein für alle Mal ein Ende machen. Immerhin hing die Zukunft der Menschheit als Ganzes davon ab.

3. Vertrauenssitzung

04. November 2092

Endlich wurden ihre beiden Namen aufgerufen. Es war nicht unüblich, daß der Weltsicherheitsrat mehrere Repräsentanten auf einmal zu Sitzungen bat. Doch es waren immer mehr als nur zwei. N’Benga machte sich darüber eigentlich keine Gedanken. Er wollte endlich, daß die neuen Zuständigkeiten der MEGA endlich in ein Edikt gegossen wurden, damit seine Organisation endlich vernünftig mit der Arbeit anfangen konnte. Die letzten zwanzig Jahre seit dem Bürgerkrieg hatten vornehmlich darin bestanden, beschädigte oder ausgemusterte Satelliten auszutauschen. Richtig sinnvoll wurde die Arbeit nur dadurch, weil das Satellitensystem der Erde eines ihrer Schwachpunkte in der Verteidigung war. Außer der alten, längst wracken, ISS, gab es auch im Erdorbit nicht wirklich eine Raumbasis, die man als solche benutzen konnte. Und die MEGA besaß noch nicht das finanzielle Polster, um sich auf Mond und Mars Landebuchten zu sichern.

Die beiden Männer traten in das sogenannte Rondell ein, welches der Haupttagungsort des Weltsicherheitsrats war. N’Benga fiel sofort die gedrückte Stimmung auf. Bei seinem Antriebsbesuch vor Jahren scherzten die einzelnen Delegierten noch miteinander. Heute war hier eine Stimmung wie auf einem schlechtgewarteten Friedhof.

Lindner trat neben ihn, salutierte und schnarrte: »Admiral Lindner wie befohlen!« N’Benga hütete sich zu grinsen. Die Deutschen hatten eine Menge dafür getan, damit das neue politische System sich stabilisierte. Lindner ähnelte jedoch wirklich mehr einer Karikatur, als einem wirklich gestandenen Offizier. Aber N’Benga kannte seine Akte.

Lindner war im Bürgerkrieg Offizier gewesen, und er hatte auf der richtigen Seite gekämpft. Nachdem er sich eine Verwundung in der Schlacht um Gibraltar zugezogen hatte, nutzte er seine Zeit im Militärlazarett, um eine Strategie auszuarbeiten, die zumindest für Europa das Morden beendete. Sein Plan gelang, und als Dankeschön beförderte ihn die damals in Konstitution befindliche VWR zum amtierenden Admiral der strategischen Raumflotte. Dabei lag Lindners Spezialgebiet im Einsatz von schweren Landverbänden und Seestreitkräften.

Der Vorsitzende begrüßte die beiden Repräsentanten der beiden wichtigsten Institutionen der neuen Menschheit. Militär und Wissenschaft waren schon immer Innovationstreiber gewesen. Dann sagte sie, die Vorsitzende: »Sie befinden sich hier, weil die VWR ein gewaltiges Problem hat. Und zwar ein doppeltes, welches ihre beiden Organisationen nur gemeinschaftlich lösen können!«

Lindner warf N’Benga einen irritierten Blick zu.

Der Afrikaner lächelte schwach, bevor er entgegnete: »Frau Vorsitzende, in welcher Form könnte die MEGA wirklich vom Nutzen sein? Uns fehlen aktuell schlichtweg die Kompetenzen, um unsere Aufgaben in dem Rahmen nachkommen zu können, wie es benötigt wird. In Europa wurde das Schulsystem immer noch nicht auf den neuen Standard gebracht, einmal davon abgesehen, daß vielleicht in Afrika die Hungersnot beendet ist, aber die Bildung immer noch nicht ein Niveau hat, daß die MEGA es direkt nutzen könnte.«

Die Delegierte Asiens nickte zustimmend. Doch Asien hatte nie ein Problem mit seinem eher strikt gehandhabten Bildungssystem gehabt. Europa hatte während des Bürgerkriegs Federn lassen müssen. Genauso Amerika, auf dessen Gebiet Nordamerika einige Atombomben gezündet wurden. Der Krieg hatte unterschiedliche Opfer gefordert.

Bekommen hatte er sie dennoch. Die Opferzahlen waren sogar dem Militär ein Dorn im Auge. Zuviel Unschuldige waren in diesem verdammten Bürgerkrieg gestorben, dessen genaue Ursache bis heute nicht wirklich ermittelt worden war. Ob es wirklich nur die Hitze gewesen war, wie einige Philosophen inzwischen schlußfolgerten, wollte niemand wirklich sagen.

Die Vorsitzende nickte ihren Gremiumsmitgliedern zu, dann begann sich der Rollo vor den Fenstern des Rondells abzusenken. Die linke Wand wurde beleuchtet. Hier war nun eine Karte des Sonnensystems zu sehen.

Die Vorsitzende begann zu sprechen: »Das ist die aktuelle Situation, meine Herren. Und die VWR und der Weltsicherheitsrat sind auf ihrer beider Kooperation hierbei angewiesen. Wie sie sehen, sind die Versorgungslinien zum Mars und zum Mond immer noch stabil. Doch auf Dauer wird das nicht reichen.«

N’Benga räusperte sich.

Die Vorsitzende ignorierte es und fuhr fort: »Wie sie wissen, hielten sich die Dissidenten einige Jahre im Jupitersystem auf. Irgendwie ist es ihnen dort gelungen, ihre alten Ares-II technisch aufzurüsten, daß sie sich nun mit deutlich höherer Geschwindigkeit aus dem Sonnensystem entfernen, als sie es eigentlich könnten. Unsere eigenen Experten haben hochgerechnet, daß die Dissidenten das Solsystem in etwa fünf Jahren endgültig werden verlassen haben. Wenn unsere Beobachtungen so weit korrekt sind, steuern sie das Sirius-System an.«

N’Benga räusperte sich wieder.

Diesmal erlaubte ihm die Vorsitzende zu sprechen.

»Frau Vorsitzende, dies sind historische Fakten. Es war die MEGA selbst, die die Theorie aufstellte, daß die Dissidenten, wie sie heutzutage genannt werden, in Richtung Sirius unterwegs sind. Doch wir alle wissen, daß sie selbst mit einem verbesserten Antrieb ihrer Ares-II mindestens zehntausend Jahre, wenn nicht mehr, unterwegs sein werden.«

Die Vorsitzende nickte bestätigend, dann erschien das nächste Bild auf der Wand. Diesmal zeigte es einen Navigationsvorposten auf dem Mond. N’Benga kannte die Anlage. Dort war für die Ares-II einst von der Vorläuferorganisation der MEGA der verbesserte Antrieb getestet worden. Das nächste Bild war für Lindner genauso peinlich. Es zeigte eine Waffenteststrecke auf dem Mars, die früher dem Erdmilitär gehörte.

N’Benga jedoch begann zu verstehen. Die Einführung machte nun Sinn. Auch wenn es nicht so aussah. Die Vorsitzende fuhr fort: »Unserer Welt mangelt es an Ressourcen, wir möchten aber keine Aufteilung in diverse Unterspezies riskieren. Wir haben MEGA und strategische Raumflotte hergebeten, weil der Weltsicherheitsrat an beide den gleichen Auftrag zu vergeben hat. Kooperation hierbei wäre am nützlichsten, solange die VWR sich nicht einig wird, wie wir unser neues politisches System wirklich in den Griff bekommen sollen.«

Nun war es an Lindner etwas zu sagen: »Die politischen Umstände sind nicht stabil?«, wollte er wissen.

Die Vorsitzende nickte. »Leider nicht so stabil, wie wir sie gerne hätten. Unsere erste Kampagne, den Welthunger einzudämmen, und die Wirtschaft auf stabile Beine zu stellen, fruchtet noch nicht wirklich. Die Menschheit verfolgt gerade kein Ziel. Es gibt nichts, was die Menschen von ihren kleinlichen, privaten, Problemen ablenkt. Der Weltsicherheitsrat hätte da schon einige Vorschläge, nur benötigen wir dazu die Zusammenarbeit von MEGA und Militär.«

N’Benga meldete sich.

»Wenn ich ihrer Einführung richtig gefolgt bin, befürworten sie eine größere Expedition zum Jupiter, um aufzuklären, was die Dissidenten dort getan haben!«

Der Delegierte von Afrika nickte nun.

»Ja, so könnte man es ausdrücken. Uns ist aber auch bekannt, daß der MEGA immer noch nicht die Kompetenzen eingeräumt wurden, die sie eigentlich benötigte, wenn sie ihrer Aufgabe wirklich effektiv nachkommen möchte. Deshalb erteilt der Weltsicherheitsrat der MEGA diese notwendigen Kompetenzen. Dies bedeutet aber auch, daß die MEGA allein plant, wie die Jupitermission zu verlaufen hat. Diese Mission wäre quasi der zweite offizielle Auftrag, den die MEGA erhält.«

Nun war es an Lindner zu mosern.

»Politik hin oder her. Welche Rolle soll die strategische Raumflotte dabei spielen? Sie bestellen nicht einfach den Admiral und den zivilen höchsten Direktor der Raumfahrtbehörde ein, wenn es da nicht noch etwas Anderes gäbe!«

Die Vorsitzende des Weltsicherheitsrats nickte wieder.

»Ja, wir möchten, daß die Expedition der MEGA von einem militärischen Transporter begleitet wird. Voll ausgerüstet und ausgestattet. Und wir sähen es gerne, wenn mindestens fünfzig Bewaffnete im Hintergrund bleiben und die Anlagen sichern, die die MEGA als Erste begutachten wird.«

Lindner war verblüfft.

»Die MEGA bekommt die Expedition, und das Militär nur die Sicherung?«, wollte er wissen.

Der nordamerikanische Delegierte nickte zustimmend. »Es wird keine einfache Sicherungsaufgabe sein. Wir gehen davon aus, daß es welche gibt, die zurückgelassen wurden. Sie kennen die faschistische Denkweise der Dissidenten. Sie werden sich selbst noch einmal ausgesiebt haben, bevor dann das, was sie Elite nennen, in Richtung Sirius aufbrach.«, erklärte er dann.

Die Frau Vorsitzende sah die beiden Repräsentanten fest an.

»Die Jupiterexpedition wird eine offizielle Mission sein. Die MEGA wird bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Expedition aufbricht, regelmäßig in den Medien über ihr Vorankommen berichten. Ja, an dieser Stelle ziehen wir die Propaganda vor, denn die Menschheit soll nicht erfahren, weshalb eigentlich die Expedition unternommen werden soll.«

Jetzt war es Lindner, der aufhorchte.

»Der eigentliche Missionsgrund ist Geheimsache?«, fragte er verblüfft.

Der asiatische Delegierte nickte.

»Wir wissen nicht, was sie dort gefunden haben. Aber sie müssen etwas gefunden haben. Es ist zu gefährlich, daß dieses Wissen zu schnell nach außen dringt. Es gibt genug Abenteurer, die mit einer alten Ares-II aufbrechen würden, um als Schatzsucher zu Ruhm und Ansehen zu kommen.«

Der Admiral konnte das sofort nachvollziehen. Der MEGA-Direktor anscheinend auch. »Also sehen sie sich gezwungen, die MEGA auf eine offizielle Mission zu schicken, während das Militär dieser ganzen Operation quasi den Rücken frei hält?«, stellte Lindner süffisant fest.

Die Vorsitzende des Weltsicherheitsrat nickte abermals.

»Sie verstehen doch sicher unsere Probleme hierbei? Diese Expedition sollte in zehn Jahren abgewickelt sein. Die VWR wünscht mit dieser Expedition ein neues Zeitalter einzuläuten. Und dazu gehört nun einmal, daß alles nach Plan verläuft. Die Welt leidet immer noch unter den Nachwirkungen des Bürgerkriegs. Und wenn wir den Menschen nicht bald ein wenig Hoffnung verkaufen, wird sich der Planet mit dem aktuellen politischen System nicht wieder erholen. Es ist also immens wichtig, daß diese Expedition stattfindet und wir erfahren, was die Dissidenten da draußen gefunden haben.«

N’Benga räusperte sich wieder, dann merkte er an: »Sie haben das nicht einfach gefunden. Sie wußten, daß es da war. Also flogen sie hin, um es für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Wenn es also davon Überreste gibt, sollten Wissenschaftler der MEGA es entschlüsseln können. Die Dissidenten wußten, daß es da ist. Ich glaube, daß ist das, was der Weltsicherheitsrat und die VWR zugeben sollten, wenn die Expedition wieder daheim ist.«

Die Vorsitzende schluckte schwer.

Der MEGA-Direktor hatte Recht.

Lindner zwinkerte dem Afrikaner aufmunternd zu. Mit einem Mal hatte er wieder das alte Feuer in den Augen. Das gleiche Feuer, welches ihn draußen während der Warterei verlassen hatte.

»Die Raumflotte wird die MEGA in jeder Hinsicht unterstützen. Wir beide werden uns sofort daran machen, die entsprechenden Pläne auszuarbeiten. Ich kann davon ausgehen, daß wir diese ganze Angelegenheit autonom abwickeln dürfen?«

Abermals nickte die Vorsizende und fuhr die Rollos wieder hoch.

In Lindners Augen war mit einem Mal ein Feuer, wie er es schon länger nicht mehr gehabt. Dem Militär schwebte deutlich vor, wie man diese Expedition aufziehen mußte, damit sie nicht nur zu einem politischen, sondern zu einem generellen, Erfolg werden konnte.

N’Benga kannte Lindner noch nicht weit genug, um das einschätzen zu können. Doch er wußte, wenn der Admiral bei dieser Sache wirklich so mitzog, wie es den Eindruck machte, würde es funktionieren. Auch wenn Lindner der MEGA bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorwarf, daß es mit der Disziplin nicht weit her war.

4. Windjammerjahre

Der Anbeginn der menschlichen Raumfahrt ähnelte eher einer mittleren Katastrophe. Noch im zwanzigsten Jahrhundert schoß man einfache chemische Raketen ins Orbit, um Satelliten und Menschen zu transportieren. Es waren aber auch jene chemisch angetriebenen Raketen, die dem Menschen den Mond öffneten und die ersten vollautomatischen Roboter auf den Mars brachten. Mit der Challenger-Katastrophe gegen Ende der 1990er Jahre war dann der Enthusiasmus vorbei, der den Mensch bis dahin beflügelt hatte.

Um die Zweitausender Jahre herum brach dann das Zeitalter der privaten Weltraumfahrt an, welches alles wieder beflügelte. Diese zwanzig Jahre, in denen Superreiche Vermögen ausgaben, um billige Weltraumfahrt für Jedermann zu erzeugen, sorgte dafür, daß sich Antriebskonzepte und Ideen änderten. Dennoch war es noch ein sehr weiter Weg bis zu dem elektrostatischen Antrieb, wie er nach 2150 Verwendung finden sollte.

Die Menschheit befand sich schon damals im Umbruch. Doch er wurde nicht wirklich wahrgenommen, weil die Politik das tat, was sie immer tat: Sie schützte die Interessen einer kleinen Minderheit, und ignorierte die Bedürfnisse der großen Masse. Dabei war die politische Ausrichtung dieser Verräter im Staatsdienst vollkommen irrelevant, denn jeder Berufspolitiker arbeitete nur an der Steigerung seines persönlichen Reichtums.

In den Ländern Europas war persönlicher Reichtum auch dringend notwendig, wollte man in der Kommunalpolitik Erfolge erzielen. Die vereinigten Staaten von Europa, die sich gegen Ende der 2020er konstituierten, bauten fest auf dieses System, denn diejenigen, die die Macht hatten, wollten sie nicht aufgeben.

Ob dies schließlich zum Bürgerkrieg gut dreißig Jahre später führte, können moderne Historiker heute nicht mehr nachvollziehen. Fest steht, daß dieser Umstand nicht ganz unschuldig daran war, daß sogar die Raumfahrt und die Wissenschaft an sich ins Kreuzfeuer der Geknechteten und ihrer Kerkermeister geriet. Die Reichen gerierten sich, daß sie keine weitere Wissenschaft mehr benötigten, und den Armen stank es, daß das Bruttosozialproduktes eines kleinen Landes in Wissenschaft und Forschung floß, wo doch dieses Geld bei alkoholkranken und Drogen nehmenden Versagern der Gesellschaft besser aufgehoben wäre. Da die Armen keine Lobby hatten, verschärfte sich das politische System und schwenkte aus Richtung Demokratie in Richtung Diktatur um. In Europa hatte es anfangs den gewünschten Effekt bis der Bürgerkrieg ausbrach - das einfache Volk wurde in unfairen System klein gehalten, während die Reichen in den Nobelorten feierten. Vornehmlich sich selbst und ihren Reichtum. Ja, die Welt war in diesen Tagen nicht sonderlich fair. Doch dieses unfaire System gebar eine völlig neue Art von Raumfahrer. Eine Art Pionier, der bereit war, mit einem experimentellen Antrieb den nächsten Planeten im Sonnensystem anzufliegen.

Diese Pioniere brachen in winzigen Besatzungen bis zu drei Mann in Raumschiffen auf, die diesen Namen weder verdienten, noch ihn wert waren. Langen Metallgestellen, an denen die entsprechenden Antriebssysteme einfach angeflanscht wurden. Oder auch die Behausungen für die Besatzungen. Alles war ein reines modulares Stecksystem. Sonderlich sicher war das System zusätzlich nicht, denn der kleinste Kontakt mit einem astralen Körper konnte bereits den Untergang für diese Art Raumschiff bedeuten.

Diese Raumschiffe waren auch nicht sonderlich schnell, und wurden, der Einfachheit halber im Erdorbit zusammengeschraubt. Eine feste Raumstation wurde eingerichtet, auf der eine Handvoll Techniker die Arbeit übernahm, die Windjammer zusammenzuschrauben, zu stecken und sonst wie flugfähig zu machen.

Das erste Schiff der Windjammerklasse startete 2030 aus dem Erdorbit. Sein Ziel war die Venus. Die WJ-01 startete mit sehr viel Enthusiasmus, weniger Elan, und einem Mut, der heute noch zu bewundern ist. Sie erreichte ihr Ziel niemals. Sie ging auf dem Weg zur Venus verloren. Augenscheinlich durch einen Asteroidensturm, der ihren Weg kreuzte. Trümmer wurden bis heute nicht gefunden.

Die WJ-02 startete dann mutig Richtung Saturn. Die WJ-03 zum Neptun und immer so weiter. Für die Jupiterexpedition, für die allererste, wurde die WJ-15 ausgewählt. Sie unterschied sich in ihren Modulen ein wenig von den Schwesterschiffen, besaß auch deutlich mehr Masse, und besaß den ersten Antrieb, der nicht auf reiner Chemie beruhte. Die WJ-15 verfügte über einen Ionenantrieb, dessen Treibmasse Goldstaub darstellte.

Die WJ-02 umrundete erfolgreich den Saturn und kehrte zur Erde zurück. Ihre Piloten wurden als Helden gefeiert, und ihre Erkenntnisse in astraler Navigation wurden bei der LUA Pflichtprogramm. Die WJ-03 stürzte auf dem Neptun ab, und die letzte Funkübertragung des im Sterben begriffenenen Captains der Mission wurde zum Mahnmal für diese Zeit von Billigraumschiffen. Captain Mason der WJ-03 verstarb zwar auf dem Neptun, doch seine Schilderung dessen, was er dort vorgefunden hatte, veränderte alles. Doch es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis endlich wieder ein menschliches Raumschiff die mutige Reise zum Neptun unternahm, um seinen Fund zu verifizieren. Damals wußte keiner von uns, was gefunden werden würde. Und welche Konsequenzen dies für uns alle hätte. Jedenfalls untermauerte es N’Bengas Jupitertheorie. Das die Dissidenten wirklich etwas wußten, was die moderne Menschheit nicht wußte.

Die Geschichte der WJ-15 ist nun etwas außergewöhnlich. Sie nahm den Weg über die damals frisch eingerichtete Marsorbitalstation, um dann quer durch den Asteroidenring zu fegen und vom Radar zu verschwinden. Wir wissen bis heute nicht einmal, ob das im Flugplan vorgesehen war. Der Bürgerkrieg vernichtete entsprechende Informationen nachhaltig. So wie fast das gesamte Serververwaltungssystem der vereinigten Staaten von Europa. Der Bürgerkrieg schuf Geheimnisse, die am liebsten niemand mehr wissen wollte.

Die Windjammerjahre bis zum Bürgerkrieg hatten auch etwas Gutes. Der Flug zum Mond wurde für den einfachen Bürger stemmbar, auch wenn manche Familien meherere Generationen daran abbezahlen mußten. Der große Mondtourismus setzte zwar nicht ein, dafür aber eine Auswanderungswelle, wie man sie zuletzt erlebte, als in Europa diverse Hungersnöte wüteten, und die Menschen in die USA aussiedelten.

Auch wenn eine Windjammer im Schnitt vierhundert Tage bis zum Mars benötigte, und in ganz schlechten astralen Zeiten sogar noch länger, gab es viele, die sich getrauten, in den später daraus entwickelten Transport- und Kolonisationsträgern, die längere Reise zu machen. Der Flug zum Mond war ein Katzensprung gegenüber dem Flug zum Mars.

Nur so war zu erklären, wie die Mond- und Marskolonien innerhalb von kurzer Zeit so viel Zuwachs bekamen. Der Mars blühte in jenen Jahren regelrecht auf. Mit dem Erfolg, daß sich dort der freie Geist wirklich durchsetzte. Die Marsianer setzten sich für unbedingte Gleichheit ein, und nachdem sie ihre Autonomie bekamen, nutzten sie diese zuerst einmal dafür, mitzuhelfen, den globalen Hunger in den Griff zu bekommen. Doch anders als zu den Zeiten, als die Dissidenten herrschten. Es ging nicht um Profite, es ging darum, Menschenleben zu retten, denn jedes Leben war wertvoll. Selbst dann, wenn es nicht arbeitsfähig war.

Die Windjammer jedenfalls bescherten der Welt den einfachen Ionenantrieb, der immer noch ein Treibmittel benötigte. Später bezeichnete die MEGA ihn einfach als Antriebssystem 02. Oder A-02. Zwar effektiv, aber nicht ausreichend, wenn es darum ging, größere Distanzen zurückzulegen.

Und an dieser Zukunft sollte die MEGA in den nachfolgenden Jahren arbeiten. An einer Zukunft, die allen Menschen zugute kam.

5. PIIA

Das Ingenieurswesen der Menschheit war schon immer für Überraschungen gut. Der A-02 war ein relativ guter Antrieb, doch hausintern wurde er als PIIA bezeichnet. Der Plasma-Ionen-Induktionsantrieb hatte den Vorteil, daß er mit einem Bruchteil der regulären Treibmasse klar kam. Eindeutig eine wirtschaftlich bedeutende Entdeckung.

Doch das Plasma für den PIIA wurde in einer Vorkammer erzeugt, die der eigentlichen Antriebsdüse vorgebaut sein mußte. Das System arbeitete nicht unbedingt perfekt, aber als plasmatischer Antrieb war ein PIIA durchaus zu gebrauchen, koppelte man das Grundprinzip noch mit dem Prinzip eines Ionenantriebs erhielt man die doppelte Antriebsleistung.

Bei rein technischen halben Kosten.

Die Ingenieure hatten sich wirklich Mühe gegeben, daß der PIIA aus dem Innerem des Raumschiffes kontrolliert werden konnte. Dabei war allen klar, daß schon ein einfacher Ionenantrieb den Nachteil hatte, daß er Strahlung emittierte. Die alten Windjammer kannten das Problem, deshalb waren die Schiffe stellenweise einen halben Kilometer lang, und besaßen ein klassenmäßiges Ladungssystem. Der Plasmaantrieb machte es nicht eben einfacher, denn auch dieser erzeugte wiederum eine Strahlung, die für den Menschen nicht unbedingt gut war. Beides zusammen erzeugte einen Antrieb, der zwar mit direkter Strahlung arbeitete, aber genauso viel negative Strahlung emittierte.

Der PIIA war gefährlich, unterlief uralte Abkommen, die das Abfeuern einer Atombombe im Erdorbit betrafen, erzeugte aber genug Schub, daß man weiter entfernte Ziele in einer angemessenen Zeit erreichen konnte. Der Antrieb war ein notwendiger Kompromiß zwischen Leistung und Geschwindigkeit zum eigentlichen Verbrauch.

Der A-02, wie seine lapidare Bezeichnung in den technischen Handbüchern lautete, revolutionierte die Raumfahrt dann richtig. Aus den halben Kilometer langen Raumschiffen, die mehr dürren Gestellen mit Aufbauten ähnelten, wurden kleinere, mobile, Einheiten. Die Menschheit war schon immer darauf bedacht, kosteneffektiv zu arbeiten.

Ob dieser Gedankengang am späteren Bürgerkrieg die Ursache war, konnte heute niemand mehr so genau sagen. Der Krieg vernichtete viele Aufzeichnungen, die in der Zukunft vielleicht von Belang gewesen wären. Der Aufbau der Mars- und Mondkolonie wäre jedoch niemals möglich gewesen, wenn es den A-02 nicht gegeben hätte.

Da der Bürgerkrieg nur die Erde selbst betraf, und das politische System in jenen Tagen international schon nicht unbedingt das stabilste war, wurden die bereits aufgebauten Kolonien sich selbst überlassen. Mars und Mond überstanden diese schlimme Phase nur deshalb, weil trotz des Krieges einige Nationen sich noch verpflichtet fühlten, die Kolonien zu unterstützen.

Als sich NATO/OTAN und UN zusammentaten, war es 2054 so weit. Der Weltsicherheitsrat ächtete öffentlich alle Diktaturen und alle Nationen, die die Menschenrechte nicht achteten. Der unbedachte Einmarsch der UN-Blauhelmtruppen in Ungarn löste schließlich eine Kettenreaktion aus.

Der Bürgerkrieg brach aus, weil irgendwelche Terroristen dachten, sie könnten in Ungarn eine UN-Stellung einnehmen. Das Massaker von Hevice stellt heute in den Geschichtsbüchern den Ausbruch des Krieges dar.

Der PIIA wurde in jenen Tagen als taktische Waffe eingesetzt. Selbst ohne einen aktiven Sprengkörper auf einer damit ausgestatteten Rakete stellte ein solcher Antrieb eine Waffe dar. War das Verhältnis von Treibmasse mit Ionenausstoß nicht kongruent gehalten, verwandelte sich die gesamte Antriebseinheit in eine taktische Bombe.

Alle Seiten setzten diese Waffe ein.

Bis zum Ende des Bürgerkriegs die letzten verbliebenen Diktatoren sich mit Ares II-Raumschiffen aus dem Staub machten. Sie flohen mit ihren Getreuen. Nicht, weil man ihnen keine Wahl gelassen hätte, sondern weil sie nicht von ihrer Art der menschenverachtenden Politik ablassen wollten.

Die Diktatoren, die es nicht rechtzeitig genug zu einem der Fluchtraumschiffe schafften, wurden von den vereinigten Truppen der NATO und der UN gefangen gesetzt. Und in den Nachkriegsjahren vor ein ordentliches Gericht gestellt.

Zumindest dem, was man damals ein ordentliches Gericht nannte.

Allein, der Umstand, daß beide Seiten den PIIA als taktische Atomwaffe eingesetzt hatten, verhinderte die vollständige Ächtung der Waffe. Die letzten Diktatoren des alten Systems erhielten nicht die Todesstrafe, sondern wurden in irgendwelche menschenleeren Gegenden verbannt, wo sie in Arbeitslagern darüber nachdenken konnten, was sie falsch gemacht.

Die restliche Welt entwickelte sich weiter. Oder machte zumindest den Anschein, daß eine Entwicklung in Gang gekommen war, die allen nutzte. Der A-02 wurde zwar nicht zur Legende, aber zur Grundlage der beiden Raumschiffmodelle Ares III und Alpha I. Beide Modelle waren noch mit dem ursprünglichen PIIA ausgerüstet. Dementsprechend beliebt wurden sie, auch wenn sie nicht die Reichweite der deutlich schmaler gehaltenen Ares II erreichten.

Doch die VWR gab so schnell nicht auf.

Aus dem PIIA-Prinzip wurden in den nachfolgenden Jahren nach dem Krieg entsprechend Aggregate entwickelt, mit denen man größere Menge Strom erzeugen konnte. Diese PIIA-Reaktoren hatten nur den kleinen Nachteil, daß sie im Zweifelsfall eine Menge Radioaktivität emittierten. Doch die Energieausbeute war ungefähr zehnmal höher als bei einem herkömmlichen Atomreaktor.

Die Menschheit hatte die Hitzewelle zu Beginn des Jahrhunderts überstanden, danach einen blutigen Bürgerkrieg, der fast alle Nationen in Mitleidenschaft zog, und auch noch die Gründung der ersten astralen Kolonien.

Man sollte denken, die Erfolgsgeschichte des PIIA wäre an dieser Stelle vorbei. Dabei begann an dieser Stelle erst die Geschichte, sowohl des Antriebs, als auch der menschlichen Expansion.

Die mehrdeutige Botschaft aus dem Jupitersystem, in das die Raumschiffe der Dissidenten geflüchtet waren, verwirrte auf der Erde mehr als genug. Also wurde sie zur Geheimsache erklärt. Gleichzeitig wurde aus der LUA, NASA und ein halbes Dutzend anderer nationaler und internationaler Weltraumorganisationen die MEGA geschmiedet. Ihr eigentliches Hauptquartier wurde auf den Mars verlegt, um dem ganzen Planeten zu zeigen, daß die MEGA immer von der großen Politik unabhängig agieren durfte und konnte.

Fünf Jahre nach dieser historischen Botschaft verschwinden die Flüchtlingsschiffe vom Radar und auch von den sie beobachteten Observatorien. Fest steht nur, daß die Dissidenten einen Antrieb benutzen, der ein gutes Stück weiter fortgeschritten war als ein regulärer PIIA. Das Antriebssystem schien einem PIIA zu ähneln, deutete aber eine deutlich höhere Energieausbeute an, die direkt im Antriebssystem sichtbar wurde.

Die MEGA kommt ihrer Aufgabe nach und testet alle regulären Raumschiffe, die auf Erde, Mars und Mond in den Werften gefertigt werden. Ohne das Siegel der MEGA darf quasi nichts mehr fliegen.

Gleichzeitig beginnt die MEGA mit ihrem eigenen neuen Antriebskonzept, welches schlicht die Kennung A-03 tragen soll. Später wird daraus der A-04, der für das Antares-Projekt von Bedeutung ist. Denn in diesem Fall sind das erste Mal MEGA-Ingenieure direkt am Bau eines Kriegsschiffes beteiligt.

Das der Antares-Raumschifftyp dann auch noch weitere Aufgaben erhält, liegt an der Sturheit der MEGA-Führung selbst, die in jenen Tagen schon in den Händen von Karim N’Benga liegt. Damals noch ein junger Ingenieur, der mit Antriebssystemen nicht so viel zu tun hat, setzt er gegenüber der VWR durch, das die MEGA in ihren Aufgaben unabhängig bleibt.

Und das die Konstruktion der Antares-Raumschiffklasse weiteren Interessen dient. Immerhin liegt ein vollständig unbekanntes Sonnensystem vor der Menschheit, daß man erst einmal näher kennenlernen muß.

Der PIIA jedoch bleibt erst einmal gängiges Antriebssystem, bis man entschlüsselt hat, was die alten Ares II der Dissidenten so schnell gemacht hat, daß sie in der Lage waren, in nicht ganz fünf Jahren den Erfassungsbereich solarer Observatorien zu verlassen.

6. 10. November 2092

N’Benga saß längst wieder in dem Hochatmosphärenklipper, der ihn nach New York zurückbrachte. In der alten Megacity Nordamerikas unterhielt die MEGA nicht gerade uneigennützig ein eigenes lokales Büro. Der alte AT&T-Tower war für die Aufgabe am besten geeignet gewesen.

Nach der Enteignung der Superreichen, nach der Umstellung des Systems auf ein eher kommunistisch anmutendes Beispiel, befand sich die Menschheit schon seit über zwanzig Jahren daran, aus den geschlagenen Wunden des Bürgerkrieges, der daraus resultierenden Grausamkeit, und dem Nichtaufgebenwollen neues Kapital zu schlagen. Zumindest in dieser Hinsicht hatte sich nicht viel verändert.

Das es keinen Reichtum mehr auf der Erde gab, und die meisten Güter, die existierten, Allgemeingut waren, machte es auch nicht eben einfacher. Zwar gab es noch so etwas wie Währung, doch die komplette Wirtschaft hatte nach dem Bürgerkrieg noch einmal vollständig neu aufgebaut werden müssen. Zwar hatte man nun eine faire globale Währung, aber es hakte dennoch hin und wieder hier und da im System.

Die MEGA als einziger Großkonzern, dessen primäre Aufgabe darin bestand, alle Fahrzeuge zu testen, und sie erst nach einem festgelegten Protokoll freizugeben, verdiente ihre Brötchen auch nicht auf reguläre Art und Weise. Zwar entwarf sie Raumschiffe, baute sie, in zum Teil eigenen, unabhängigen, Werften, doch eigentlich hatte man die globalen Weltraumorganisationen deshalb unter einem Hut zusammengefaßt, weil die Regierung sie so besser kontrollieren konnte. Und Kontrolle war in jenen Tagen wirklich wichtig, wenn man ein völlig neues, stabiles System schaffen wollte.

Es hielt sich immer noch das politische Gerücht,daß es auf der Erde immer noch Anhänger der Dissidenten gab. Und wenn es diesen einmal gelungen war, Raumschiffe in die Finger zu bekommen, würden sie dies wohl auch noch ein weiteres Mal versuchen wollen.

Die MEGA war nicht einmal im Ansatz militärisch. Die strategische Raumflotte war es schon, und inzwischen umschwirrten, Mückenschwärmen gleich, ganze Flotten des alten Ares II und III-Typs den Planeten Erde.

Niemals wieder sollten Dissidenten die Möglichkeit erhalten ihrer gerechten und gerechtfertigten Strafe zu entkommen. Das politische System war strikt geworden. Zwar baute man allmählich wieder eine Demokratie auf, doch es war abzusehen, daß dies noch eine geraume Weile dauern könnte. Denn Demokratie war nicht einfach ein Kulturgut, sie mußte verdient werden.

Der Weltsicherheitsrat und die VWR waren nur der Anfang eines neuen Systems, welches alles besser machen wollte. Gewachsene Strukturen hatten den Bürgerkrieg kaum überlebt, dennoch hatten manche Staaten, wie die Mitglieder der ehemaligen Europäischen Union doppeltes Glück, weil die Vereinigten Staaten von Europa in der Krise zusammenhielten. Von dort war einst auch die Idee gekommen, den PIIA als taktische Atomwaffe gegen ihre Feinde einzusetzen. Europa hatte den Bürgerkrieg gut überstanden.

Andere Teile der Welt weniger.

Dennoch bemühten sich alle, den Systemwechsel so angenehm wie möglich zu vollziehen. Allein deshalb mühte sich die Menschheit schon seit zwanzig Jahren ab, ein neues, faireres politisches System zu schaffen. Es war abzusehen, daß diese Aufgabe mehrere Generationen in Atem halten würde.

Weltraumfahrt wäre in einem solchen Fall vollständig irrelevant, wenn es nicht die Kolonien auf Mond und Mars gäbe. Deshalb blieb die Weltraumfahrt interessant, weil es genug Freiwillige gab, die die verwüstete Erde in Richtung der Kolonien verlassen wollten. Mond und Mars besaßen eine gewisse Unabhängigkeit, dennoch gehörten sie fest zum System Erde. Sie sorgten dafür, daß es stabil blieb.

Auch wenn die Marskolonie viel zu klein war, um einen neuen Systemwechsel auf der Erde gegensteuern zu können. Militärisch jedenfalls war der Mars dritte Welt. Hier fand man nicht einmal einen marstauglichen Panzer vor.

Luna mit seinen inzwischen drei Städten war da etwas anders. Die Mondbewohner waren schon immer ein eher schräg anmutendes Völkchen gewesen. Sie waren kämpferisch, was wohl eher an ihrer Umgebung lag. Sie besaßen keine Armee, nicht einmal so etwas wie Milizen. Sie hatten Gevatter Mond, der sie gegen alles und jeden beschützte.

Wohl deshalb waren die lunaren Werften diejenigen, die ein wenig effektiver arbeiteten als die des Mars. Die Marsianer waren behäbig, doch sie konzentrierten sich aktuell eher darauf, ihre Kolonie auszubauen, und endlich die erste Titanglaskuppel über der ersten Stadt zu errichten.

Alle waren mit sich selbst beschäftigt.

Nur die MEGA hatte nun einen Auftrag, den sie nur mit ernsthaften Schwierigkeiten erledigen konnte. Das Alpha IV-Projekt steckte noch in den Kinderschuhen, der neue Antrieb war bereits in der Entwurfphase, doch man kam nicht wirklich voran.

N’Benga erinnerte sich wieder, was er Lindner versprochen hatte: »Die MEGA wird auch für die strategische Raumflotte einen Raumschifftyp entwickeln, den sie dann mit Stolz fliegen können.«

Der Admiral hatte amüsiert gelacht, und geantwortet: »Die VWR wird dem Militär niemals wieder genug Macht in die Hände geben, damit das System insgesamt stabil wird. Die Politiker wollen, daß wir das Sonnensystem gegen Angriffe von außen sichern können. Dabei steht fest, daß wir niemals mit so etwas rechnen dürfen. Es gibt keine Aliens, und die Dissidenten sind weit fort. Eine Verteidigungsflotte aufbauen bedeutet für mich nur, daß ich wieder den falschen Herren diene. Das Militär wird wieder zum Werkzeug der Politik und unsere Flotte soll dann später wohl jene Nationen einschüchtern, die nicht bereit sind, bei dem Projekt Weltregierung wirklich mitzuziehen. Für manche Menschen hat der Bürgerkrieg nicht geendet, als er endete.«

N’Benga hallten diese Worte immer noch im Ohr nach.

Womöglich hatte ja Admiral Lindner Recht. Nur wenn er Recht hatte, befand sich die Menschheit in einer deutlich kritischeren Phase als es den Anschein hatte. Vielleicht war es nicht so klug gewesen, sämtliche politischen Systeme gleichzuschalten.

N’Benga interessierte dies nicht sonderlich. Als geborener Marsianer war er es gewohnt in einer gestrengen Demokratie aufzuwachsen. Die Marsianer waren hart, aber ihr System des Ausgleichs hatte dafür gesorgt, daß jeder Marsianer kämpfen konnte. N’Benga interessierten politische Systeme nicht sonderlich. Für ihn war das wichtig, was am Ende rauskam.

Die Erde war am Scheideweg. In den kommenden Jahrzehnten würde sich entscheiden, in welche Richtung sich die Waagschale neigte. Ob es eine globale Diktatur geben würde, oder ob der Planet die Kurve bekam, und eine globale Demokratie erhielt. Beides war möglich,

N’Benga verdrängte den Gedanken wieder.

Seit sechs Tagen grübelte er darüber, wie er das neue Mannschaftssystem der MEGA aufbauen sollte. Natürlich könnte er den marsianischen Standard als Grundlage nehmen, doch würde dies bedeuten, daß die Mannschaft von vorneherein einer strikten Disziplin folgen müßte.

Wenn er jedoch das militärische Rangsystem der strategischen Raumflotte als Grundlage nahm, würde die VWR und der Weltsicherheitsrat wegen angeblicher Nähe zum Militär der MEGA wieder die Kompetenzen stutzen. Oder schlimmer, der Organisation die Möglichkeit nehmen, daß zu tun, was ihr eigentlicher Job war: Hoffnung in Zeiten zu verbreiten, die dringend diese Medizin bedurften.

Zwar waren die neuen Weltführer eine geschlossene Gemeinschaft, die stellenweise noch pathetischer reagierte, als es ihre Amtsvorgänger getan hatten, doch sie waren immer noch Politiker. Politiker taten meist nicht unbedingt das, was allen gut tat, sondern primär ihnen selbst. Zumindest dies hatte man aus dem letzten Zeitalter gelernt, in dem die Reichen an einem angeblich anthropogenen Klimawandel Vermögenswerte anhäuften.

Und N’Benga wußte aus eigener Erfahrung auf dem Mars, daß man Politikern nicht sonderlich weit trauen durfte. Sie brachten es immer wieder fertig, ein gutes System zu pervertieren und zu etwas zu machen, was es hätte niemals sein sollen. Schließlich entschied er sich das marsianische System vorzuziehen.

Die Menschheit hatte nicht mehr viel zu verlieren, aber umso mehr zu gewinnen. Die Jupitermission hatte bestimmt noch einen tieferen Grund, als dort nur nach dem Rechten zu sehen, und nachzuschauen, weshalb die Dissidenten dort über ein Jahr Halt gemacht hatten.

N’Benga zeichnete die Änderung des Rangsystems der MEGA ab, gab das Schreiben in den Übermittler und wartete ab, bis er das Empfangssignal der Gegenseite erhalten hatte. Nun gab es keine Möglichkeiten mehr, das von ihm initiierte System für die MEGA noch zu stoppen.

Mit dem nächsten Schiff würde er sowieso auf den Mars zurückkehren. Von dort aus, der Hauptzentrale der MEGA, würde er sich jene Mannschaftsmitglieder kommen lassen, die diese Mission unbedingt brauchte. Das neue Alpha IV-Modell würde seine Aufgabe schon erfüllen. Und mit ihm auch seine neue Besatzung, die von Anfang an auf diesem Raumschifftyp eingeübt sein müßte, um das Raumschiff im Schlaf zu beherrschen.

Die Menschheit hatte nur diese eine Chance.

7. Starttag

Die noch namenlose Antares stand an der Startfläche und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Der lange silbern glänzende Rumpf, das vierfach Leitwerk um den Triebwerkskopf herum, und die langgezogene spitze Nase gaben dem Schiff den Anschein als sei es einem schlechten Science-Fiction-Film der frühen Fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts entsprungen. Dieses Raumschiff würde Geschichte schreiben, obwohl ers längst bereits Geschichte war.

Der Alpha IV-Typ der MEGA war ein Sonderfall. Die modernste Technologie hatte in diesen Schiffstyp Einzug gehalten. Und dies bei einem maximalen Startgewicht von knapp zweitausend Tonnen. Später im freien Weltraum, wenn keine Gravitation das Raumschiff mehr beeinflußte, konnte das Leitwerk komplett in den Schiffsrumpf eingezogen werden. Damit war das Raumschiff auch in der Lage horizontal auf planetaren Körpern zu landen. Dafür befanden sich auch entsprechende Triebwerke an der Unterseite jenes Decks, welches dann den Kiel bilden würde. Nur für die atmosphärische Landung würde das ausfahrbare Leitwerk wieder benötigt. Bis dahin mußte der Pilot zeigen, was er konnte.

Die Antares stand so starr und still an ihrem Startpod, das man sich kaum vorstellen konnte, daß dieses Raumschiff wirklich flugfähig war. Der Schiffskörper war dreimal so breit wie der der legendären Saturn V-Rakete, mit der die NASA vor Ewigkeiten bis auf den Mond gekommen war.

Ion dem Bereich hinter der Brücke schlossen sich zuerst die Mannschaftsquartiere und die gemeinsame Messe an, danach kam erst einmal scheinbar lange Nichts, bis dann auf der obersten Ebene der kleine Beiboothangar begann. Hier standen zwei kleine Dingis. Beiboote, die den Namen eigentlich kaum verdienten. Sie waren nur für kleinere Trips um das Mutterschiff gedacht, konnten aber auch auf Kleinstasteroiden landen. Ihre Antriebsleistung war jedoch nicht so berauschend, daß man damit größere Ausflüge unternehmen konnte. Aber sie waren da und boten Platz für die gesamte zehnköpfige Besatzung. In jedes Dingi paßten zur Not fünf Personen.

In dem Deck unterhalb der Brücke schlossen sich diverse wissenschaftliche Labore an, dahinter dann die Kabinen für die wissenschaftliche Besatzung. In der rein militärischen Mission einer Antares befänden sich an dieser Stelle die Bunker für die ferngelenkten Torpedos und der erste von drei verbauten Raketenwerfern. Hinter dem Allem befand sich das oberste Deck des Maschinenraums.

Dieser war mit Absicht klein gehalten. Die Antares war nicht groß genug, um mehr als vier Mann Besatzung zu benötigen. Ein kleines Zugeständnis an die strategische Raumflotte, die schon seit Jahren unter Nachwuchsmangel litt. Also war man gezwungen Kampfschiffe mit Minimalstbesatzungen auf ihre Patrouillen zu schicken. Im Allgemeinen bedeutete dies nicht mehr als vier Mann. Selbst bei einem voll bewaffneten Zerstörer, wie ihn die Antares-Klasse eigentlich darstellte. ja, es hatte nicht einmal zum Leichten Kreuzer gereicht. Dazu reichte die Masse nicht, die letztlich durch den PIIA bewegt wurde. Die Antares-Klasse besaß auch keine laserabweisende Panzerung, sondern nur eine hitzeneutrale weiße Lackierung. Ein Patent der MEGA selbst.