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Was ganz klein angefangen hat, entwickelt sich weiter. Es wächst und wächst, und dient als Auslöser für etwas noch Gewaltigeres. Götter werden involviert, und mit einem Mal stehen unsere Helden mit dem Rücken an der Wand. Die Hand in einer Krisensituation. Es gibt kein vor oder zurück, sondern nur ein Mittendurch. Sie muß sich Kämpfen stellen und sich vor ihren Göttern beweisen.
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KAIGON
Vorwort
Liebe Leser, liebe Freunde dieser Serie,
ich weiß, als Schriftsteller sollte man darauf achten, wie man mit seinen Fans umgeht, und vor allem immer ein offenes Wort für sie haben. Dennoch möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen bisherigen Fans für ihre loyale Treue bedanken.
Mir ist bekannt, daß das Thema Japan, inklusive der wirklich schwierig zu verstehenden Kultur dieses wunderschönen Landes, nicht jedermanns Sache ist. Die Serie Japan Mysteries wurde vor über 12 Jahren bei einem Chat mit meiner damaligen Coverkünstlerin geboren. Damals firmierte es noch unter dem wenig prosaisch verwertbaren Namen THE RATPACK.
In der ursprünglichen Idee sollten die Helden die verstoßenen Monster unserer Albträume sein, so ein Unhold wie Frankenstein, ein vergessener Vampir, eine zu bemitleidende Hexe, den einen oder anderen Untoten noch an ihrer Seite, und dann natürlich die üblichen Verdächtigen, wie das lebende Skelett, der Werwolf und der wenig ehrenhafte Vampir.
Wer die Serie bisher verfolgt hat, wird feststellen, daß einige dieser Charaktere Einzelabenteuer erhalten haben. Und das nur wenige Archetypen der menschlichen Albträume die Auswahl für diese Buchreihe überstanden. Der Vampir ist noch da, der Werwolf ebenfalls. Doch die Mumie und Frankensteins Monster fielen leider der unablässigen, gnadenlosen Schere im Kopf eines Schriftstellers zum Opfer.
Dafür haben wir nun eine Kitsune1 in der Runde, die noch einige Überraschungen birgt, und eine Gruppe ewig junger Frauen, die wohl auf ewig dazu verflucht zu sein scheinen, einer Aufgabe nachzugehen, die sie eigentlich nicht niemals wahrnehmen wollten.
Ich gebe zu, mir als Verfasser dieser Serie fiel manches schwer. Und die alte Regel gilt bei mir nicht mehr, die da heißt: Kille niemals einen Hauptprotagonisten. Beim Hauptantagonisten scheint es wurscht zu sein, ob er eine Episode überlebt! Doch seine Helden möchte man gerne Leben sehen. Im Verlauf dieser Geschichte sind bereits einige Helden den Weg allen Sterblichen gegangen. Dies war beabsichtigt, auch wenn es sich vielleicht manches Mal nicht so las.
Als Autor sehe ich meine Bücher wie meine Kinder an. Ich bin auf jedes Stolz, welches entsprechenden Anklang bei meinen Lesern findet. Doch warum diesmal dieses Vorwort?
Dieser kleine Text hat eigentlich nur den Zweck, den geneigten Leser schonend darauf vorzubereiten, daß die Serie Japan Mysteries durchaus nicht nach dem geplanten siebenten Buch beendet ist. Das war einmal im Gespräch, doch mir fiel auf, daß es den meisten Lesern nicht nur Spaß macht, diese Geschichten zu lesen, sondern mir fast genauso viel Spaß, sie zu schreiben.
Das erste Abenteuer unserer Helden ist mit dem siebten Band abgeschlossen. Mit dem achten Buch dieser Reihe beginnt dann ein weiteres Abenteuer. Es befindet sich bereits in der Planung, doch genaueres wird darüber nicht verraten.
Mich interessiert an dieser Stelle sowieso eher mehr, wie meine Leser die Geschichte bis jetzt finden. Auch wenn manche Teile der Geschichte für den nichtjapanaphinen Leser schwer zu verstehen sind, möchte ich den gewohnten Erzählstil beibehalten.
Wenn dennoch Bedarf zum Nachfragen besteht, tut dies einfach. Normalerweise ist in jedem der bisherigen Bücher meine eMailAdresse veröffentlicht. Ihr könnt also jederzeit Kontakt mit eurem Lieblingsautor suchen. Auf direkten Input von seitens meiner Leser freue ich mich besonders, davon erfahre ich viel zu selten.
De Balzac war nicht umsonst der berühmte Archivar Europas, der sich mit magischen Problematiken auseinandersetzte. Sein Ruf reichte deutlich weiter, als es man es sich vielleicht vorstellen konnte. Jedenfalls führte er schon seit einigen Jahrhunderten pedantisch Buch darüber, was denn so in der Welt geschah.
Nicht nur in der Welt der normalen Menschen, sondern vornehmlich in der Welt des Magischen. Man könnte ihn als Bewahrer alten Wissens bezeichnen, doch meist wurde er nur Gruftwächter genannt, denn die wahren Schätze seines Wissens lagen in unterirdischen Katakomben unter seinem Laden in Montmatré.
De Balzac konnte sich schon nicht mehr daran erinnern, als er mit seiner Aufgabe begonnen hatte. Fest stand, das dies schon eine geraume Weile her war. Doch de Balzac fühlte sich nicht alt. Als es damals darum ging, diese Aufgabe zu übernehmen, und er sich zwischen einem normalen Leben als Mensch, oder dem als magisch versiertes Wesen entscheiden mußte, wählte er wider besseren Wissens den magischen Weg.
Gerome war der letzte Nachkomme in einer gut aufgestellten Magierdynastie. Sein Vorfahre Honore de Balzac hatte sich nur auf einen Handel eingelassen, der nur mit der Unschuld eines Kindes beglichen werden konnte. So wurde Gerome schließlich zum Archivar der magischen Geschichte der Welt. In seinen unterirdischen Gefilden lagen Wissensschätze, die zu gefährlich waren, um sie der modernen menschlichen Welt in die Hand geben zu können.
Die Menschen hatten das Gefühl für das Magische, für das, was alles miteinander verband, verloren. Man verließ sich mehr auf Technologie als auf magische Künste. Man verließ sich mehr auf die Unwägbarkeiten einer künstlichen Intelligenz, anstatt die eigene zu benutzen.
Die Liste war endlos.
Gerome de Balzac hatte seine kleine Bücherei nicht umsonst in Montmatré eröffnet. Vor einigen Jahrhunderten war dies noch ein ganz kleiner, unwichtiger, Stadtteil von Paris gewesen. Da fiel es nicht weiter auf, wenn eine Buchhandlung seit Jahrhunderten immer am gleichen Stand bestand, obwohl kaum Kunden den Laden betraten.
de Balzac hatte sich gefreut, als Yamamoto mit ihrem Freund bei ihm auftauchte, genau so, wie es ihm von Lucius vorhergesagt worden war. Doch damit war auch gleichzeitig klar geworden, daß Lucius Prophetie von der schlechten Zukunft der Menschheit Wirklichkeit werden würde. Es war selten, daß eine geborene Japanerin seinen Laden betrat. Vor allem dann noch in Begleitung eines deutschen Werwolfs, der selbst bereits einige Wirren hinter sich hatte. De Balzac hatte nur überrascht, wie schnell die Fähigkeiten von der einen Yamamoto auf die Andere übergegangen waren. Inari hatte es sonst nicht so eilig, Nachfolger zu benennen. Doch bei der Hand schien dies sowieso eine Ausnahmesituation zu sein. Auch wenn Yamamoto es nicht wußte, sie war nun genauso unsterblich, wie es ihre Mutter war. Jene würde noch einige Zeit benötigen, um es wirklich zu verstehen.
Gerome hatte sich wirklich schlau in diesen Dingen gemacht, denn es war abzusehen, daß alles Konsequenzen haben würde. Als er an diesem Morgen hinunter in seine Buchhandlung ging, um an seinem Don Quixote2 weiterzuarbeiten. Das Buch sollte restauriert sein, wenn sein britischer Kunde vorbei kam, um es abzuholen.
Der alte Archivar war nicht weiter überrascht, nicht allein in seinem Laden zu sein, obwohl er die Vordertüre noch nicht aufgeschlossen hatte. Die junge hübsche Frau, zu deren Füßen ein Sack Reis lag, lächelte ihn amüsiert an.
„Wie ich sehe, de Balzac, amüsierst du dich immer noch!“, eröffnete sie das Gespräch.
Der alte Mann lächelte aufmunternd zurück, und entgegnete: „Ich habe selten so hohen Besuch in meinen bescheidenen Räumen. Ich bin sicher, du bist nicht hier, weil du dir ein Lehrbuch über Göttlichkeit holen möchtest?!“
Inari lächelte ihn verschmilzt an.
„Immer noch der alte Spaßvogel. Du weißt genau, weshalb ich hier bin!“
Gerome sah den Reisgott verwundert an.
„Ich besitze Smaragdblütes3 Manuskript leider nicht. Ich weiß nur, daß es alle Verbrechen von Haus Ikabara während der Meiji-Ära enthält. Intensiv genug beschrieben, um das Haus auf ewig in die Verdammnis zu befördern, weil auch der japanische Staat in einem solchen Fall eingreifen müßte.“
Der Reisgott lächelte ihn immer noch nachsichtig an.
„Deshalb bin ich nicht hier., weiser Mann!“, kam als Antwort.
De Balzac sah den Reisgott nun wirklich verwundert an.
„Und weshalb seid ihr dann gekommen? Normalerweise macht ihr keine Hausbesuche!“, stellte er dann fest.
Der Reisgott lächelte wieder nachsichtig.
„Ich bin hier, weil wir beide das gleiche Problem bekommen werden! Haus Ikabara ist dabei, die Existenz von Magie offenzulegen. Und sie tun es mit Taten weltweit.“
Der Archivar horchte auf.
„Die Magie offenlegen? Was unternimmt Haus Ikabara denn jetzt schon wieder?“, wollte er wissen.
Der Reisgott schüttelte angewidert den Kopf.
„Vor gut einem Jahr war die Hand gezwungen in Saitama eine Gruppe Schattenbiester zu töten, die in die Stadt einfallen und das laufende Fest stören wollten. Die Hand hatte erfolg, doch seitdem ist deren Messer verschollen. Ich weiß nur, daß es Haus Ikabara nicht erwischt hat. Mehr weiß ich nicht!“
de Balzac lächelte den Reisgott amüsiert an.
„Und du denkst, das Verschwinden des Messers hat etwas mit den Machenschaften von Haus Ikabara zu tun? Schattenbiester sind unberechenbar. Die verspeisen auch schon einmal jemanden nur im Vorbeigehen!“
Der Reisgott nickte erneut.
„Du weißt, weshalb ich hier bin. Man gewährte dir diese Langlebigkeit nicht aus Spaß. Es war schwer, die anderen Götter davon zu überzeugen, daß wir einen neutralen Archivar benötigen, der genau niederlegt, was denn wirklich geschieht. Damit irgendwann einmal die Menschen ihre Verbindung zu den Göttern verstehen lernen!“
Der alte Archivar nickte nun ebenfalls.
„So sah es in der Stellenbeschreibung aus. Seitdem helfe ich verschiedenen magisch aktiven Gruppen Unbill von der Menschheit fernzuhalten, das direkt auf Magie fußt. Worauf willst du hinaus? Und weshalb bekomme ich eine Information über deine liebste Arbeitsgruppe?“
Inari lächelte wieder nachsichtig.
Manchmal waren Menschen doch die wahren Kleingeister.
„Ich vermute, daß Toyama sich auf den Weg gemacht hat, direkt aktiv gegen Haus Ikabara zu werden. Jedenfalls trifft Hiroshi in den nächsten Tagen in Paris ein. Er will den kläglichen Rest seiner Truppen inspizieren. Ich vermute, er wird Toyama im Schlepptau haben.“
de Balzac nickte zustimmend. So weit ergab das für ihn durchaus Sinn.
Inari lächelte wieder vielsagend.
„Ich weiß auch, daß du im Keller magische Waffen hortest. Ich will, daß du das Messer mit allen notwendigen Mitteln ausstattest, inklusive eines Rückflugtickets nach Japan, wenn sie hier mit ihrem Job fertig ist. Doch sie darf Ikabara Hiroshi kein Haar krümmen. Schärfe ihr das ein!“
Der Archivar sah den Reisgott verblüfft an.
Das mit den Waffen war ein offenes Geheimnis, dennoch hatte er sich geweigert, Yamamoto auch nur auf dieses Depot aufmerksam zu machen. Die Frau war noch nicht bereit, einen Krieg zu führen. Und das, was er da unten hortete, waren die Waffen, die er gesammelt hatte, nachdem der letzte Krieg geendet. Es befanden sich auch ein gutes Dutzend dämonischer Klingen da unten, die nicht vertrauenswürdig waren.
„Ich soll Toyama helfen, ihre Aufgabe zu erfüllen?“, fragte er irritiert nach.
Der Reisgott nickte.
„Das ist wichtig. Haus Ikabara soll wissen, daß sie ihrer Strafe nicht entkommen können. Und die Zerschlagung der französischen Zelle verschafft der Hand in Japan vielleicht genau die Zeit, die sie brauchen, um sich auf die anstehenden Probleme vorzubereiten.“
de Balzac merkte, daß der Reisgott nicht alles sagte.
„Wie soll ich helfen, wenn ich bestimmte Details nicht weiß?“
Die junge, schöne, Frau verwandelte sich wieder in einen alten, buckligen Mann zurück und lächelte dann vielsagend.
„Von den Details wirst du erfahren, wenn es so weit ist. Aktuell ist erst einmal wichtiger, daß Toyama wieder nach Hause kommt. Und du wirst dafür sorgen!“
Mit einem sanften Plopp lste sich der Reisgott wieder auf.
Der alte Archivar dachte einen Moment nach, bevor ihm klar wurde, was dies bedeutete. Etwas war im Busch. Etwas geschah, von dem nicht einmal die alten Götter ihren treuesten Vasallen erzählen wollten. Im Klartext bedeutete dies dann wohl, daß man sich auf einigen Ärger vorbereiten sollte.
de Balzac überlegte noch einmal, welche Konsequenzen dies nach sich ziehen würde. Die Anweisung von Inari war eindeutig gewesen. Der Reisgott war sich aber auch sicher gewesen, daß sich Toyama bei ihm melden würde. Da war es dann schon verwunderlich, daß der Reisgott nicht selbst eingriff, um das Messer der Hand wieder zur Räson zu bringen.
Andererseits!
Das Messer war vor gut einem Jahr verschwunden!
Normalerweise hielten die Mitglieder der Hand untereinander Kontakt. Sie hatten da ihre eigenen Kanäle. Wenn das Messer also sicher in seinen Laden kommen würde, bedeutete dies nur, daß er bei Haus Ikabara selbst auf der Abschußliste stand.
Doch die Familie de Balzac hatte ihren Laden niemals geräumt. Nicht einmal während des zweiten Weltkrieges, als Nazis marodierend durch die Stadt zogen. Selbst da war geöffnet gewesen, weil es noch genug Dämonenjäger gab, die gleichzeitig einige Monster zur Strecke brachten, die die Nazis unterstützten. Ohne diese Dämonenjäger wäre damals die Welt bereits verloren gewesen.
Gerome de Balzac wartete ab, was die kommenden Tage bringen würden. Vielleicht wurde es ja nicht einmal halb so schlimm, wie der Reisgott befürchtete. Doch wenn Toyama kam, um sich mit vernünftiger Ausrüstung zu versehen, sollte er für sie einiges zurechtlegen.
Er schlurfte also wieder aus seinem Laden hinaus, nahm die zweite Tür an der linken Wand, die wie ein Teil der Wand aussah. Dahinter gab es einen Abstieg zu einem jener Keller, von denen es in Paris tausende gab. Da unten lagerte er das, was wirklich gefährlich war.
Inari erschien nach ihrem kurzen Besuch auf der Erde wieder in den gewohnten Gefilden. Und fand Amaterasu alles andere als glücklich vor. Die Sonnengöttin starrte wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf jenes Gebilde, welches den Göttern vermeldete, was sich gerade auf Erden tat.
Der Reisgott trat näher und war von dem Szenario, welches da gerade ablief, alles andere als begeistert. Natürlich war es wieder nur eine Variante einer Varianz, einer vagen Möglichkeit. Trotz allem war es ein beschauliches und durchaus logisches Szenario.
Die Sonnengöttin trat von dem Vorhersagemodell fort und näherte sich wieder dem inzwischen verwaisten Thron. Dort oben hatte einst der Anführer aller Götter gesessen, und hatte das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit bewahrt.
Seit Jahrhunderten war dieser Thron nun schon verwaist.
Inari wußte, daß Amaterasu ebenso das Recht hatte, dort zu sitzen, wie er auch er selbst. Doch der Reisgott half mit seinen vielen Dienern und Kindern lieber den Menschen, anstatt sie beständig prüfen zu müssen. Das erledigten seine viele Diener und Kinder deutlich effektiver, als würde er es selbst tun.
Amaterasu sah sich zu dem Reisgott um.
„War deine Mission erfolgreich?“, fragte sie dann niedergeschlagen.
Widerwillig mußte er nicken.
„Wenn man es den Umständen entsprechend nimmt! Du solltest dich öfter unter den Menschen zeigen, Göttin des Lichts. Vielleicht wären die Menschen dann ein wenig anders.“, entgegnete er flach.
Amaterasu lächelte ihn dennoch amüsiert an.
Ihre schlechte Laune hielt sowieso nie sonderlich lange.
Trotzdem war sie diesmal besonders stark ausgeprägt, weil im Yomi No kuni5 anscheinend etwas vorging, was sich nicht kontrollieren ließ. Was es genau war, konnte man nicht sagen, denn den Göttern war von Izanagi selbst untersagt worden, diesen unheiligen Ort jemals wieder zu betreten. Der Schöpfergott bereute mehr als jeder Andere, daß er diesen Ort jemals betreten oder gar geschaffen hatte. Dennoch war das Yomi No kuni etwas, auf das die alten Götter richtig Stolz waren. Zwar lebten dort nicht die Dämonen, sondern nur die Seelen all jener, die in ihrer Zeit auf der Welt der Menschen nicht eben Musterschüler gewesen waren, doch dieses Gefängnis wurde quasi von Izanami bewacht, die pedantisch darauf achtete, daß keines ihrer Schäfchen entkam.
Izanagi hatte sich schon vor so langer Zeit von seiner Frau abgewandt und fungierte lieber als Wächter der vielen Tore in die Unterwelt, die alle versiegelt waren. Manche sogar noch von anderen Göttern, die genauso viel Angst davor hatten, wenn wieder ein lebendes Wesen in diese Unterwelt geriet und sich dort verlor.
In der Geschichte der Menschheit war dies oft genug vorgekommen.
Dies machte es dennoch nicht einfach, damit umzugehen.
Der Himmelsthron verwaiste, weil der Gott, der normalerweise auf ihm saß, sich um anderes kümmerte, als das, für das er eigentlich zuständig war. Izanagi war nie darüber hinweg gekommen, in was sich seine wunderschöne Frau verwandelt hatte, so lange sie sich im Yomi No kumi aufhielt.
Inzwischen war der wichtigste Eingang dorthin seit Jahrtausenden versiegelt, und seit Jahrhunderten umtrieb es den höchsten aller Götter sicherzustellen, daß es nicht noch andere Eingänge, Klüfte, oder sonstige Zugangsmöglichkeiten gab.
Amaterasu schien zu spüren, wie sich der Reisgott fühlte.
Irgendwie fühlte sich Inari daran schuldig, daß manche Dinge so gekommen waren, wie sie gekommen waren. Dabei war es noch nicht einmal direkt die Schuld des Reisgottes selbst, daß sich die Dinge so entwickelten, wie sie es schließlich taten. Vom Standpunkt der Sonnengöttin aus, hatte der Reisgott entsprechend seiner eigenen Vorgaben gehandelt.
Als es in ganz Asien keine Dämonenjäger mehr gab, schuf er/sie/es mit ihrer Kraft einfach eine Gruppe neuer, die bei ihrer ersten Aufgabe bereits einen winzigen Fehlerbeging, der sich bis auf die Gegenwart auswirkte.
Sonst verließ sich Inari lieber auf ihre Kitsune. Ihre fuchsförmigen Diener, die meist mehr als nur einfache Füchse waren. Hin und wieder nahm sie auch solche Verfluchten wie Mimo Nagajima in ihren Reihen auf. Und Amaterasu verwunderte es nicht sonderlich, daß Nagajima letztlich bei der Kitsune geblieben war, der er eigentlich nur als Sidekick dienen sollte. Inari hatte anscheinend einen guten Einfluß auf die Menschen, auch wenn sie es zuließ, daß manche Menschen schlicht über ihre Gier oder Dummheit stolperten.
Womit wir wieder beim obersten Gott Izanagi waren. Auch jener war gestolpert. Es lag Ewigkeiten zurück, aber die Menschen erfuhren es trotzdem. Der Schöpfergott verstieß seine Mitschöpferin, weil sie im Yomi No kumi ihre Schönheit eingebüßt hatte. Dabei war es Zufall gewesen, daß sie dort gelandet war.
Nicht beabsichtigt.
Egal, geschehen war geschehen.
Seitdem war Izanagi nicht mehr derselbe.
Er begann seine regulären Aufgaben zu vernachlässigen, die immer mehr Amaterasu zufielen, die sich bald vor Arbeit nicht mehr retten konnte. Sich mal wieder in eine der phillipinischen Höhlen zurückzuziehen war ihr seitdem nicht vergönnt gewesen. Ihre alte Wohnhöhle an der Küste unterhalb von Osaka war inzwischen in einen Schrein umgewandelt worden, und fast täglich beteten dort Menschen, daß Amaterasu diese Höhle in der nächsten Zeit nicht wieder aufsuchen möge.
Inari sah die uralte Schwester und Freundin lächelnd an.
„Du findest, ich hätte keine neuen Dämonenjäger berufen sollen!“, warf er ein.
Amaterasu schüttelte den Kopf.
„Doch, sie sind zwingend notwendig, wollen wir die Welt der Menschen so erhalten, wie wir es bisher getan haben. Doch du hättest an die Gabe deiner Fähigkeiten nicht unbedingt den Fluch der Unsterblichkeit hängen sollen.“, warf sie ein.
Inari nickte zustimmend.
„Geschehen ist geschehen! Sie mit diesen Gaben sterblich zu lassen, würde bedeuten, daß ich riskierte, daß sie sich unter den Menschen verbreiten. Und wir beide wissen nur zu genau, zu wie viel Schaden Menschen fähig sind, die mehr Macht besitzen, als ihnen guttut.“
Amaterasu lächelte nun nicht mehr.
„Wir entschieden uns beide damals, diesen angehenden Shogun göttliche Gaben zu gewähren, als er darum bat. Keiner von uns ahnte, daß er sie dazu benutzen würde, ein Blutregime aufzubauen, um sich damit die Macht im Reich zu sichern. Keiner von uns konnte ahnen, in welches Monster er mutieren würde.“
Inari sah schuldbewußt zu der Sonnengöttin.
Sie hatte ja so Recht.
Aber es war ihrer beider Entscheidung gewesen, nach Jahrtausenden endlich mal wieder einem Menschen den göttlichen Segen zuteil werden zuteil werden zu lassen, um so sicherzustellen, daß die Menschen geschützt waren. Das Takatsuki Akeno die so erhaltenen Fähigkeiten mißbrauchen würde, hatte niemand wirklich ahnen können. Auch nicht, daß er seine eingeborene Tochter in den Richtstein vermauern ließ, der seine verfluchte Burg stützte.
Inari fühlte sich deshalb heute noch schuldig. Umso schuldiger fühlte sich der Reisgott, als der amoklaufende Shogun das kleine Monstrei in der Nähe seiner Burg verheerte, um an deren magischen Schatz zu kommen. Zwar bekam er diesen nicht in die Finger, aber danach war das Tal um Takatsuki auf ewig verflucht.
Sämtliche seitdem verlaufenen Maßnahmen hatten eigentlich nur dazu gedient, zu verhindern, daß dieser Amokläufer in Shogunrüstung wieder das Licht eines Tages erblickte. Die Legende wurde hinterlassen.
Doch die von Inari bestellten Wächter, die vom Reisgott bestellten Dämonenjäger, vermasselten es gleich bei ihrer ersten Mission derart, daß die Zukunft, wie sie sich entwickeln sollte, nicht mehr aufzuhalten war.
Zwar hatte Inari öfter Maimai Botschaften geschickt, doch manche waren ignoriert und andere stümperhaft ausgeführt worden. Einer der Gründe, weshalb der Reisgott eher seinen Kitsune vertraute, als Dämonenjägern. Doch es war nicht seine eigene Wahl gewesen, ausgerechnet jene Handvoll junger Frauen zu Dämonenjägern zu machen. Es stand fest, daß gegen Takatsuki eine gleichstarke Macht etabliert sein mußte, wenn er erneut aufgehalten werden sollte. Diesmal für immer. Denn Inari und der Tod hatten an einem abgelegenen Ort auf der Welt ein Grab für all jene geschaffen, die in ihrer Bosheit einfach nicht zu kurieren waren. Dieses Fleckchen war ein besonders gemeiner Ort. Wer sich seinen Regeln nicht beugte, kam nie wieder heraus. Deshalb war dieser Ort immer noch ein Geheimnis. Auch wenn es zwei Wächter dort gab, die nach dem Rechten sahen. Die endgültige Grablege für den verfluchten Shogun stand schon bereit.
Das einzige Problem war, ihn entweder an der Wiederauferstehung hindern, oder ihn gleich vollständig zu vernichten. Beides war nicht direkt möglich, deshalb hoffte Inari darauf, daß ihre Dämonenjäger zumindest diesmal auf die Kitsune hörten, die sie ihnen zur Verstärkung geschickt hatte.
Doch die letzten Jahre waren schwer für die Dämonenjäger gewesen. Der menschliche Faktor brach immer noch durch. Auch bei ihrer Kitsune offenbarte sich immer öfter, daß sie ihr Leben als Mensch mißte. Dies war nicht weiter schlimm. Jeder vermißte irgendwann einmal ein altes Leben.
Selbst Seelen, die sich nicht einmal mehr an ihr letztes Leben erinnerten, trauerten jenem dennoch hinterher. Denn etwas blieb immer zurück. Talente, Gedanken.
Amaterasu bemerkte, daß Inari in Gedanken versunken war.
„Deine Dämonenjäger haben gute Arbeit geleistet. Die Nekogami sind wieder unter Kontrolle, und werden sich nicht einmischen. Zumindest nicht von meiner Warte aus.“, bemerkte die Sonnengöttin.
Der Reisgott nickte schwach.
„Das ändert nichts daran, daß die Unsterblichkeit es nicht besser gemacht hat!“, entgegnete Inari traurig.
Vom Thron vernahmen die beiden Frauen ein leises Räuspern.
Izanagi war wieder da.
Der Schöpfergott sah ein wenig niedergeschlagen aus.
„Inari, es war richtig, deine Dämonenjäger mit der Bürde der Unsterblichkeit zu prüfen. Deine Kitsune haben diese Prüfung auch, und wie du weißt, zeigt nur ein kleiner Teil die Besonnenheit, auf die wir alle solchen Wert legen. Warum verzagst du also? Weil dir deine Verantwortung bewußt ist, und du weiterhin Schaden von den Menschen abwenden willst? Oder liegt es daran, daß du begonnen hast, wie die Menschen ein Gewissen zu entwickeln?“
Izanagi trug wieder seine magische Prunkrüstung. Keiner existierende Waffe war dazu fähig, diese Rüstung zu durchschlagen. Schematische Diener nahmen ihm Helm und Waffengurt ab, dann stand der Schöpfergott wieder in normaler Kleidung vor ihnen. Zumindest das, was er als normale Kleidung empfand. Es war ein bunt gewirkter Kimono, gehalten von einem Obi, wie man ihn selten sah. Den Obi zierte ein fliegender Reiher.
Inari sah zum Schöpfergott hoch, verbeugte sich, und erwiderte: „Meine Kitsune sind meine Kinder. Sie werden allein dadurch geprüft, weil sie auf die Menschen achtgeben sollen. Manche von ihnen sind gut, manche sind böse. Das sind meine Kitsune auch. Manche spielen nur Streiche, andere belehren!“
Der Reisgott holte kurz Luft, und fuhr dann fort: „Ich kenne meine Verantwortlichkeiten und vernachlässige sie nicht. Ich kümmere mich um meine Aufgaben, sorge für gute Ernten, und auch für genug Nachwuchs unter den Menschen.“
Doch bevor sie die dritte gestellte Frage beantworten konnte, donnerte Izanagi: „Und was soll dein komischer Handel mit dem Tod? Warum dieses zusätzliche Mausoleum an gefallenen Seelen?“
Inari zuckte verschreckt zusammen.
Es kam selten vor, daß Izanagi wütend wurde. Meist wurde er es, wenn kein anderer Gott anwesend war. Doch diesmal schien er genau deshalb auf der Erde unterwegs gewesen zu sein.
„Wieso triffst du einen Pakt mit dem Tod ohne mich zu informieren? Er hätte mit dabei helfen können, Izanami wieder zu uns zu holen!“ Dabei schwang eine ungewisse Trauer in seinen Worten mit. Ein Gefühl, daß einem kalte Schauer über den Rücken jagte.
Inari wollte einen Schritt auf den Thron hin machen, doch Amaterasu hielt sie mit der blanken Hand zurück. statt dessen trat die Sonnengöttin einen Schritt auf den Thron zu, ging in die Knie und sagte: „Herr, Schöpfervater, Inari und ich handelten nur nach dem, was du ein Gewissen nennst. Wir haben alle sehr viel Unbill über die Menschen gebracht. Doch anstatt nur die Trümmer unseres Fehlverhaltens wegzuräumen, entschlossen wir uns, etwas aktives zu tun. Natürlich liegt die Scham bei uns. Doch die Menschen brauchen uns immer noch, sonst könnten wir hier oben in Ruhe und Frieden leben.“
Izanagi sah überrascht auf.
Die Sonnengöttin sah, daß er geweint. Seine Augen schienen rot zu strahlen.
„Ich will doch nur Izanami zurück!“, keuchte er.
Inari wollte erneut einen Schritt auf den Thron zu machen, doch die Sonnengöttin hieß sie wieder innehalten. Dann nahm sie den Kopf ihres Vaters in ihren Schoß und sagte: „Inari tut nur das, was eigentlich deine Aufgabe gewesen wäre, Vater. Wir alle tun das. Wir kennen das Leid, unter dem du stehst, weshalb du dich verpflichtet fühlst, die Unterwelt von der Menschenwelt fernzuhalten. Bei den Dämonen mag dir das gelungen sein, diese werden ihre Gefängnisse nicht verlassen. Nicht, ohne dabei Verträge zu brechen, die älter als die Menschheit sind. Doch die Menschen müssen endlich lernen mit dem Bösen umzugehen!“
Izanagi sah zuerst zu Inari, dann zu Amaterasu.
„Deshalb habt ihr diese unsterblichen Dämonenjäger geschaffen?“
Inari nickte stumm. Amaterasu ebenfalls, doch sie ließ Worte folgen: „Aber nur, weil wir die Menschen schützen wollen. Lernen sie, sich selbst zu schützen, vertrauen sie uns Göttern wieder mehr.“
Izanagi wischte die Trauer aus seinem Antlitz, dann sah er seine beiden Töchter an. Inari’s Dickschädel war er gewohnt. Aber es war das erste Mal, daß Amaterasu sich mit dem Reisgott zusammentat. Beide arbeiteten in Sachen Erntewirtschaft zusammen. Und dies schon seit altersher. Doch Inari hatte ihre Befugnisse ein wenig ausgeweitet, wie man an ihren Kitsune sehen konnte. Eigentlich waren jene nämlich anders geplant gewesen. Doch Izanagi hatte damals ein großes Herz gezeigt, weil er ihr diese Kinder gestattete.
„Ihr wollt ihnen beibringen, sich selbst zu schützen, und gebt diesen Wächtern noch die Bürde der Unsterblichkeit?“ Amaterasu nickte zustimmend. „Dazu waren wir gezwungen, weil weder die koreanischen, noch chinesischen, Dämonenjäger kontaktierbar waren. Ein gutes Jahrhundert später erfuhren wir erst, daß es sie nicht mehr gab. Und das ihre Kampfkunst in Vergessenheit geraten war.“
Izanagi schluckte schwer.
„Und das habt ihr im letzten Jahrtausend einfach hinter meinem Rücken durchgezogen. Anstatt mich einmal um Rat zu fragen, oder warum ich die chinesischen und koreanischen Dämonenjäger auflöste!“
Inari trat nun doch einen Schritt vor, verneigte sich demütig und entgegnete: „Ihr wart so in Trauer um Izanami, daß wir befürchteten, ihr seid keinem klaren Argument zugänglich!“
Wider erwarten lächelte Izanagi bei diesen Worten wieder.
„Ich trauere immer noch. Ich traue ihr immer noch nicht. Und einen Krieg in unseren Gefilden zwischen Unsresgleichen werden wir genauso wenig überstehen, wie es unsere griechischen Verwandten, oder die römischen, taten. Es wäre unser Untergang. Nur die Stärksten von uns würden diesen Krieg überleben! Und ich weiß nicht einmal, wer von uns als stark anzusehen ist.“
Amaterasu sah ihren Vater schwer verletzt an.
Wegen ihres Bruders war sie bereits mehrfach durch ihre eigene private Hölle gegangen. Daran hatte sie nicht unbedingt Interesse es zu wiederholen.
„Eas gedenkt ihr, wegen eurer Dämonenjäger zu unternehmen?“, fragte Izanagi dann.
Amaterasu sah zu Inari und entgegnete dann: „Die Unsterblichkeit dürfen wir nicht mehr zurücknehmen. Aber wir können dafür Sorge tragen, daß sie wie normale Menschen unter Ihresgleichen leben können. Mehr Macht hast du uns leider nicht gegeben!“
Der Schöpfergott sah seine beiden ungehorsamen Kinder fest an. Fasste sie gut ins Auge, und sagte dann: „Gebt Ihnen, was sie benötigen, und macht sie auf ihren Fehler aufmerksam. Zeigt ihnen, wo sie sich verbessern müssen, um weiterhin bestehen zu können. Aber richtet sie nicht. Ich finde, sie sind schon arm genug dran.“
Inari trat nun erneut vor ihren Vater und bemerkte: „Unsere Dämonenjäger haben aber mehrere Geister und auch einen Werwolf in ihrem Gefolge. Wie sollen wir da verfahren?“
Izanagi mußte nun wirklich lächeln.
„Oh, ihr dummen Kinder. Bietet den Geistern etwas, damit sie wieder ins Reich der Lebenden zurückkehren. Und dem Werwolf bietet eine Entbindung von seinem Fluch an, sofern er bereit ist, sich zum alten Glauben zu bekennen. Danach bringt das in Ordnung.“
Amaterasu meldete sich wieder zu Wort.
„Vater, unsere Dämonenjäger benötigen sowohl die Fähigkeiten des Werwolfes, als auch des besonderen Vampirs, als auch die der anteilig beteiligten Geister. Es wäre unklug, ein funktionierendes Team entsprechend aufzuteilen oder gar zu spalten. Zudem die Gefahr, um die es uns geht, noch nicht gebannt ist!“
Izanagi überlegte einen Moment.
„Deshalb diesen Hort, wo die geschlagenen Plagen dieser Welt auf immer verdammt werden? Deshalb dieser Kuhhandel mit dem Tod?“
Inari nickte schuldig.
„Wir sahen keine andere Wahl. Zudem Menschen, wenn es um das Totenreich geht, hin und wieder sehr kreativ sind. Wir wollten dir nur helfen, Izanami zurück in unsere Reihen zu holen. Mehr Intension besaßen wir nicht.“
Der oberste Gott stand von seinem Thron auf und ging hinüber zu der Weissagemaschine, die Amaterasu vorher benutzt hatte. Er konzentrierte sich auf die besagte Gruppe, und auf das Ereignis, welches unausweichlich bevorstand.
Wie erwartet zeigte das Gerät nun ein Szenario, welches immer noch als eine Horrorvision bezeichnet werden konnte, doch durchaus weniger Kollateralschaden nach sich zog. Es lief nicht perfekt, aber es lief zumindest annehmbar.
Der Gott wandte sich wieder seinen Töchtern zu.
„Eure Prognose ist so weit korrekt. Doch ihr vergeßt, wenn der Shogun freikommt, werden global viele dieser Monster denken, daß ihre Gefängnisse zu stürmen sind. Also wird es weltweit zu Konsequenzen kommen, wird er sich befreien können. Ihr solltet mehr präventiv arbeiten.“
Amaterasu sah zu ihrem Vater.
„Und was bedeutet dies für uns?“, wollte sie wissen.
Izanagai lächelte nachsichtig.
„Bereitet eure Jäger darauf vor, daß die nächste Schlacht vielleicht ihre letzte wird, sollten sie sich noch einmal einen Schnitzer oder gar Fehler erlauben. Überleben ist nicht alles, wenn man dabei das verliert, was einen wirklich ausmacht.“
Dann sah er zu Inari. „Und du gewährst deiner Kitsune den Wunsch, den sie dir gegenüber geäußert hat. Ohne Wenn und Aber! Sie hat sich jetzt bereits eine besondere Belohnung verdient. Laß sie nicht länger und weiter leiden, dazu ist sie im Herzen viel zu gut.“
An Amaterasu gewandt, sagte er: „Und du schärfst dem Vampir und dem Werwolf ein, daß sie ihre Fähigkeiten nur dann behalten, wenn sie bei dem nachfolgenden Kampf ihr Bestes tun. Und du gewährst beiden ebenfalls eine menschliche Identität.“
Amaterasu nickte, entgegnete dann aber: „Der Werwolf hat eine menschliche Identität, die wir nur wieder bestätigen müssen, damit er legal in Japan leben kann. Doch bei dem Vampir wird es kritisch. Wir wissen nicht, in welchem Zustand sie ist. Wir wissen nur um ihre Fähigkeiten, und was sie damit anrichten kann!“
Izanagi wurde neugierig.
„Ein Vampir, dessen Spektrum ihr nicht lesen könnt?“
Inari nickte erneut schuldbewußt.
„Auch so etwas, daß wir verbockt haben!“
Doch anstatt seine beiden Töchter erneut zu rügen, brach der oberste Gott in schallendes Gelächter aus. Ein Gelächter, welches schließlich die ganzen göttlichen Gefilde erfüllte, und kein Ende zu nehmen schien.
Eine Stunde, nachdem ihr Flugzeug in Paris gelandet war, befand sich Toyama Mariko bereits wieder auf dem Kriegspfad. So nannte sie es, seitdem sie vor acht Monaten in Saitama die Truppe im Stich gelassen hatte, weil sie den Befehl, den sie erhalten hatte, wortgetreu erfüllen wollte.
Toyama war alles andere als dumm.
Sie war eine ausgebildete Killerin, die es jederzeit mit einem Yakuza aufnehmen konnte. Doch die letzten acht Monate hatten sie ihr Talent des Verwandelns wiederentdecken lassen. Toyama ging nicht als die junge, hübsche, Frau von Bord des Touristenfliegers, sondern als eine alte, gebrochene, Chinesin, die nichts außer ihrem Heimatdialekt beherrschte, und ziemlich unbeherrscht darauf reagierte, wenn das Flugpersonal ihr unbedingt helfen wollte.
Diese Tarnung aufzubauen hatte Wochen gebraucht. Inzwischen war es ihre dritte Verkleidung, die sie in der Nähe von Ikabara Hiroshi benutzte. Und der Anführer der Ikabara-Yakuza war gar nicht mal so einfach hinter das Licht zu führen. Seine Leibwächter wußten genau, wer in der näheren Umgebung seiner Häuser heimisch war. Wenn sich dort etwas änderte, wurde die betreffende Person erst einmal bis auf das Letzte ausgeforscht.
Toyama schlurfte bedächtig die Gangway herunter und überlegte bereits, wie es weiter gehen würde. Es war nicht ihr erster Besuch in Paris, seitdem sie sich an Ikabara rangehängt hatte. Doch es war offensichtlich, daß es jeden Tag gefährlicher wurde.
Als diese dumme Geschichte vor gut acht Monaten in Saitama angefangen hatte, überlegte sich Mariko immer öfter, mit dem gefährlichen Job aufzuhören, und vielleicht eine kleine Blumenhandlung zu übernehmen, die in Osaka zum Verkauf stand. Es gab so viele gute Tarnungen, die man benutzen konnte.
Doch jetzt war sie erst einmal die alte, gebrechliche Chinesin, die keinen Ton europäisch oder gar japanisch über die Lippen brachte. Die Flugbegleiterin brachte sie noch an den Servicetunnel, und strengte sich an, von ihrem langsam tippelnden Gang nicht genervt zu sein.
Ikabara kam einige Passagiere nach ihr am Kofferlaufband an. Sie tat interessiert, als suche sie ihr eigenes Gepäckstück. Ikabara wurde wie immer von einem guten Dutzend bewaffneter Wachen umgeben. Toyama kannte inzwischen die Schwachstellen jedes Einzelnen. Acht Monate waren genug Zeit, um die beständigen Leibwächter des Geschäftsmannes und Yakuza intensiv zu observieren. Toyama muß0te sich ein Grinsen verkneifen, als sie feststellte, daß diese Männer ihre Schwachstellen immer noch nicht abgestellt hatte. Käme es zum Kampf, stellten sie keine sonderliche Gefahr für sie dar. Die Männer wären schneller tot, als sie es sich vorstellen konnten.
Doch nun war Toyama eine alte Chinesin, die sich in einem fremden Land nicht ausdrücken konnte. Ihre Tarnung hatte genug durchsickern lassen,daß jeder annehmen würde,daß diese schreckliche Hinterwäldlerin in Europa ihren Sohn besuchte, der eine einheimische Chinesin von hier geheiratet hatte, und diese unbedingt seiner Mutter vorstellen wollte, und deshalb seine Mutter auch kommen ließ.
Die Tarnung war perfekt, und verdammt schwer zu durchschauen, weil Toyama alles bei sich trug, die diese Hintergrundgeschichte festigte. Acht Monate Arbeit, nur für das hier!
Ikabara und seine Leibwächter hatten ihr Gepäck aufgenommen, und wurden kurz darauf von einem Chauffeur begrüßt, der sie in fehlerfreien japanisch begrüßte. Der Mann war Europäer, Deutscher.
Die alte Chinesin humpelte und stakste den Weg zu den Ausgängen, immer weit genug entfernt, um den Leibwächtern nicht aufzufallen, aber nah genug dran, um wirklich jedes Detail mitbekommen zu können. Deshalb fiel ihr auf, daß die drei dunkelblauen Mercedes Benz, die vor dem seitlichen Eingang des Flughafens Orly warteten, auch deutsche Nummernschilder trugen. Das große M, welches für München stand, dann zwei Buchstaben, und dann ungewöhnlicherweise eine vierstellige Nummer. Solche Nummernschilder gab es in Deutschland nicht sehr oft. Die Fahrzeuge waren Mietwagen, um noch unauffälliger zu sein.
Toyama merkte sich alle drei Nummernschilder. Sie war sich sicher, daß diese Fahrzeuge auf den direkten Weg nach Deutschland fahren würden. Aber im Gegensatz hierzu würde sie Zeit verlieren, weil sie sich neu ausrüsten mußte. Ihre Ausrüstung war damals in Saitama verloren gegangen. Es mußte schnell gehen, und sie hatte eine Tarnung gebraucht, die halbwegs glaubwürdig war.
Bis heute hatte Ikabara nicht begriffen, was damals passiert war, als er diese halbnackte Streunerin aufgelesen hatte, die ihm panisch etwas von einer versuchten Vergewaltigung berichtet hatte. Ikabara hatte sie einige Tage in seinem Sommerhaus untergebracht, ohne zudringlich zu werden. Der Yakuza benahm sich exzellent. Einen besseren Gentlemen hätte man sich gar nicht wünschen können.
Toyama war es damals gelungen in einen Teil der Festung einzudringen. Nachdem Ikabara sie neu ausgestattet hatte, verschwand sie eines Nachts. Just in jener Nacht, in der er wahrscheinlich doch zudringlich geworden wäre. Doch ihr war das egal. Diese von ihrer Mutter übernommene Antipathie gegen alles, was mit der Yakuza zusammenhing, bewahrte sie schließlich davor, die Seiten zu wechseln. Ob dies nun Ironie der Geschichte war oder nicht, seitdem hing Toyama wie eine Klette an Ikabara.
In ihrem Reisegepäck befand sich ein kleines Schreibheft, in dem sie alles wissenswerte, was in den vergangenen Monaten geschehen war, notiert hatte. Dies war ziemlich viel gewesen. Zweimal hatte sie die Tarnung wechseln müssen, weil einer der Leibwächter ihr ein wenig zu sehr nachgeschnüffelt hatte. Doch da sie Fumiko ihr Wort gegeben hatte, bei dieser Aktion keine unnötigen Toten zu verursachen, mußte sie abtauchen, die Identität wechseln und dennoch in der Nähe bleiben.
Nachdem sie die drei Nummernschilder mehrfach memoriert hatte, fiel ihr nicht weiter auf, daß die Fahrzeuge bereits abgefahren waren. egal, sie würde sie wieder finden, und damit auch den Ort, an dem sich Ikabara diesmal verstecken würde. Es war dennoch ungewöhnlich,daß der Yakuza nicht direkt in Deutschland einreiste, sondern über Frankreich einreiste. Ok, das Schengener Abkommen galt für alle europäischen Staaten, und als Ausländer mußte man nur an den Außengrenzen und den Flughäfen ein wenig Angst haben, registriert zu werden. Ein innereuropäischer Grenzkontrolldienst existierte zwar, wurde aber so gut wie nie in Anspruch genommen.
Im Klartext hieß dies, wenn sich jemand bereits in Europa aufhielt, konnte er ohne jede weitere Kontrolle quer durch Europa reisen, ohne an einer Landesgrenze näher kontrolliert zu werden. Hin und wieder machte die Polizei Stichprobenkontrollen, doch jene brachten selten etwas. Es sei denn, man wurde in einem Lastwagen geschmuggelt.
Die drei Mercedes Benz waren fort. Toyama suchte die nächste Toilette auf, und nach ungefähr einer halben Stunde verließ eine völlig andere Asiatin den Flughafen in Richtung Innenstadt. Toyama hatte da eine Adresse, an die sie sich wenden konnte. Und genau dort fuhr sie hin. Nicht direkt, falls es doch noch einen Beobachter gab. Aber direkt genug, um sich dort vielleicht die Ausrüstung zu beschaffen, die sie dringend brauchte.
Gerome de Balzac staunte nicht schlecht, als eine junge Asiatin wieder einmal seinen Laden beehrte. Nicht, daß er nicht vorbereitet gewesen wäre. Aber man sah dieser Frau an, daß sie eigentlich einem gänzlich anderem Beruf nachging, als das, was sie ausstrahlte. Hier betrat eine Frau in einem Tweedanzug seinen alten Bücherladen. Sie interessierte sich für die gelegentlich versteckten Tonfiguren ebenso, wie für die Bücher über spezielle Arithmetik. Diese Frau war vom Fach. Sie kannte sich mit Büchern genauso auf, wie mit ihrem Spezialgebiet.
de Balzac kam hinter der Theke hervor und musterte die Frau. Der Tweedanzug war in einem unschuldigen braun gehalten, obwohl er davon ausging, daß dieser Frau dasselbe auch in Cord oder einem schlichten grau stehen würde. Die Kleidung war gut genug, um nicht weiter auffällig zu sein, aber auch gut genug, um einen Eindruck zu vermitteln, der gewünscht war.
Der alte Buchhändler lächelte die Kundin freundlich an.
Doch sie ignorierte ihn geflissentlich, sondern näherte sich einem der Regale, in dem sich Bücher befanden, die auf die Anwesenheit von ganz bestimmter Magie reagierten. Vor diesem Regal war auch Inari erschienen. Der alte Mann erinnerte sich nur zu gut daran.
Die Frau senkte ihren Blick über die hier befindlichen Bücher. Dabei schien ihr ein Exemplar ins Auge zu fallen. Ein Buch über eine alte Kriegerlegende. Eine chinesische Legende zwar, doch es war die eines Kriegers, der seine Ehre dadurch wieder herstellte, in dem er das Monstrum vernichtete, in das sich sein Herr verwandelt hatte. Soviel Heldenmut fand man in der chinesischen Literatur selten.
Die Frau schien chinesisch fließend lesen zu können, aber sie war definitiv keine Chinesin. Asiatin schon, aber es war schwer zu erkennen, von wo sie kam. Die Frau erwiderte sein Lächeln, dann sagte sie in fast akzentfreien Französisch: „Ich suche den guten Gerome de Balzac.“
Der alte Buchhändler und Archivar trat vor und musterte die Frau nun näher. Anscheinend gehörte sie zum gleichen Stamm wie Yamamoto, die vor über einem Jahr bei ihm eingefallen war. „Das dürfte nun ich sein. Mit was kann ich in meinem simplen Laden helfen?“
Die Frau lächelte mit einem mal gefährlich.
„Ich benötige eine vollkommene Ausrüstung. Am besten etwas für Jemanden, der sich in den Schatten bewegt, und trotzdem nicht auffällt. Und ein Fahrzeug, mit genug Reichweite, weil ich Jemanden folgen muß.“
Der alte Mann lächelte nun nicht mehr.
„Und wie wollt ihr das bezahlen? Ihr seht nicht gerade so aus, als schleppt ihr einen großen Beutel frischgeprägten Goldes mit euch herum!“
Die Frau lächelte wieder, und zog dann aus ihrem Handschuh eine schwarze Kreditkarte. Die Karte war goldgeprägt, und wies seinen Besitzer als ziemlich wohlhabend aus. de Balzac kannte solche Karten zu genüge. Seine spezielle Kundschaft verfügte meist darüber, ohne auch nur einen Ton darüber zu verlieren, wie sie denn genau daran gekommen waren.
Die junge Frau lächelte wieder.
„Ihr solltet eigentlich verstehen, daß ich keinem Fremden etwas verkaufen kann, was ich rein technisch nicht besitze. Dies hier ist ein Buchladen, kein Ausrüstungsshop.“, erklärte er dann.
Die Frau lächelte ihn erneut an.
„Das wird Letter enttäuschen. Sie setzt so viel auf eure Fähigkeiten. Vor allem, wenn es darum geht, Bücher oder Dinge zu organisieren, die man an anderer Stelle gar nicht mehr bekommen kann, oder die als verloren gelten.“, war ihre Antwort.
de Balzac besah sich die Fremde noch einmal.
„Dann müßt ihr Toyama sein! Das Messer, daß sogar schon Inari zu vermissen scheint!“, war seine Erwiderung darauf.
Die Japanerin schien unmerklich zusammenzuzucken, doch sie hatte sich bemerkenswert unter Kontrolle. Sie sah den alten Mann fest an.
„Entweder verfügt ihr über besondere Kanäle, oder ihr habt von mir bereits gehört. Das sollte aber unmöglich sein, denn in Europa arbeite ich normalerweise nicht!“, war ihre Entgegnung.
Der alte Mann grinste wieder.
„Inari hat euch angekündigt. Ich dachte nur nicht, daß es nur knapp eine Woche dauern würde, bis ihr hier bei mir reinschneit. Mir wurde bereits avisiert, daß ihr eine Ausrüstung benötigen werdet. Doch mit dem Transportmittel könnte es ein wenig knapp werden.“
Toyama sah den alten Mann nun genauer an.
Wer es nicht wußte, würde niemals darauf kommen, daß dieser alte Buchhändler bereits mehr als acht Jahrzehnte auf dem Buckel hatte. Toyama Mariko hatte schon so einiges von de Balzac gehört. Darunter auch die Legende, daß dieser Buchladen hier noch niemals umgezogen war.
„Nun, ich brauche eine Ausrüstung, mit der ich klettern und kämpfen kann. Am besten so verstohlen in den Schatten, wie es die alten Assassinen oder die Ninja tun. Und dann brauche ich ein schnelles Verkehrsmittel, und einen Computerzugang, weil ich etwas überprüfen muß!“, erklärte sie.
de Balzac hatte ungerührt zugehört.
„Das mit der Ausrüstung ist relativ leicht. Ich habe im Keller vielleicht das Passende liegen. Angeblich war es die Kampfausrüstung einer wirklich berühmten asiatischen Kriegerin. Keine Ahnung, wie die in meine Bestände kam. Das Fahrzeug wird schon schwieriger. Wie viele Räder soll es haben?“
Toyama überlegte einen Moment.
„Mit Zweien komme ich am schnellsten voran. Aber motorisiert, für Radfahrer ist Paris nicht geschaffen!“
Der alte Archivar lächelte wieder.
Mein Computer steht hinten. Schaut euch um, wenn ihr etwas zu essen wollt, bedient euch in meiner Küche. Ich suche euch inzwischen die Ausrüstung zusammen. Ich nehme an, ihr zieht letale Waffe vor?“
Toyama nickte, während sie dem alten Mann nach hinten folgte.
Dabei fiel ihr auf, daß dieser Buchladen bemerkenswert gut sortiert und sauber gehalten war. Man fand selten eine Stelle, an der sich ein wenig Staub angesammelt hatte. In der Küche köchelte bereits eine große Tasse Tee und auf dem Tisch standen mehrere Sandwiches auf Tellern. Mehr jedenfalls, als dieser alte Mann allein essen würde. Man schien sie erwartet zu haben.
Gehorsam nahm sie am Küchentisch Platz, während de Balzac ihr ein wenig Tee eingoß. „Meine private Mischung. Sie wird euch gut tun. Während ihr euch stärkt, hole ich eure Ausrüstung aus dem Keller. Und wenn das dann erledigt ist, erkläre ich euch, wie ihr euch den fahrbaren Untersatz besorgen könnt!“
Mit diesen Worten verschwand er in einem dunklen Seitengang des Hauses. Eine schwere Tür war zu hören, dann die nächste halbe Stunde gar nichts mehr. Als de Balzac schließlich zurückkam, hatte er auf seinen dürren Ärmchen drei schwere Holzkisten.
Diese legte er neben dem Küchentisch ab, und erklärte dann: „In der längsten Kiste sind eure Waffen drin. Ich weiß nicht, was ihr so braucht, aber ich habe einen modernen Sportbogen beigelegt, falls ihr so was gebrauchen könnt. Ansonsten nur Waffen für den Nahkampf. Also Messer, Dolche, Schwerter. Und vielleicht auch noch die eine oder andere Besonderheit. Alles aufeinander abgestimmt.
In der kurzen dünnen Kiste befindet sich euer Rüstzeug. Es ist eine komplett faltbare Papierrüstung aus dem siebzehnten Jahrhundert. Sie ist nachtschwarz, ein wenig zerschrammt, aber noch sehr gut in Schuß. Angeblich soll sie in der Lage sein, selbst Kugeln des Kalibers fünfundvierzig aufzuhalten. Ob es schon getestet wurde, weiß ich nicht. In der kurzen Kiste findet ihr Nachtsichtgerät und noch einige andere Spezialitäten wie einen Wurfhaken, falls ihr ihn braucht. Eine Kletterhilfe ist auch dabei, wenn notwendig.“
Toyama pfiff anerkennend.
Nicht nur, daß der alte Mann die ganzen Kisten auf einmal allein aus dem Keller hochgeschafft hatte. Die Ausrüstung war nach ihrer Beschreibung auch wirklich für ihre Zwecke geeignet.
Nun lächelte der alte Archivar dennoch.
„Ihr könnt mein altes, frisiertes Motorrad bekommen. Es steht hinten im Hof, und die hintere Hoftüre ist immer offen. Da ist auch genug Platz drauf, alle Kisten unterzubringen. Obwohl ich euch empfehle, die kleinste Holzkiste gleich in euren jetzigen Aufzug zu integrieren. Damit ihr auch gleich lernt, wie die Teile zusammenpassen.“
Toyama nickte zustimmend.
„Ich brauche noch euren Computer, mein Herr.“, wies sie dann höflich darauf hin.
Der alte Mann lächelte wieder und zog einen Zettel aus seiner Tasche.
„Alles bereits erledigt. Inari hat mich sehr gut instruiert, als es um eure Person ging. Sie sagte mir auch, hinter wem ihr her seid. Also machte ich mir die Mühe, und habe seine europäischen Domizile, inklusive der weniger bekannten, aufgelistet. Da er jedoch vom Flughafen mit einem Wagen abfuhr, der ein deutsches Nummernschild hatte, geht ihr fest davon aus, daß er auch in Richtung Deutschland unterwegs ist!“
Toyama nickte.
de Balzac sah sie triumphierend an.
„Ihr werdet ihn in Rothenburg ob der Tauber finden. Er hat sich dort in einem Gasthof niedergelassen, weil er dort jemanden treffen will. Dieser Jemand ist schon seit fünf Tagen überfällig. Doch er scheint wichtig für seine Pläne zu sein.“, erklärte der Archivar seelenruhig.
Mariko überlegte einen Moment.
Wieso sollte einer der schlimmsten Yakuza-Anführer jemanden in Deutschland in einem winzigen Städtchen treffen sollen? Das ergab keinen Sinn. Es sei denn, daß was der Hand bisher das Leben schwer gemacht hatte, war nur der Auftakt für etwas deutlich Größeres. Diesen Gedanken wollten sie nicht zu Ende führen.
In den vergangenen acht Monaten hatte sie den Feind gut genug kennengelernt, um zu wissen, welche taktischen Ziele er verfolgte. Doch warum eine fränkische Kleinstadt? Das ergab keinen Sinn.
Toyama bedankte sich für Alles, und wollte aufbrechen, doch de Balzac schüttelte den Kopf. „Madame, ich weiß wer ihr seid, und ich kenne die Regeln, nach denen ihr lebt. Ihr habt die Ausrüstung von mir hier erhalten, um sie hier auch direkt anzuziehen. Verwandelt euch. Ich gehe solange raus in den Laden, wenn ihr wollt!“
Mariko Toyama hatte niemals die Scheu besessen, sich vor einer anderen Person auszuziehen. Oftmals war dies als Messer gar nicht anders möglich, nah genug an ein Ziel zu kommen. Es machte ihr also keinerlei Schwierigkeiten, sich vor dem alten Mann aus dem braunen Kostüm zu schälen, und dann Stück für Stück in die neue Ausrüstung reinzuklettern.
Mit einer Sache hatte der alte Mann jedoch Recht. Die Rüstung war leicht und locker, man spürte sie kaum. Es war für sie auch kein weiteres Problem, ihre normale Straßenkleidung dann wieder darüber anzuziehen. Dabei war ihr aufgefallen, daß die Unterseite der Rüstung aus Leder bestand. Dies war eine uralte japanische Rüstung. Keine einfache Kriegerrüstung, sondern eine Rüstung jener Ninja-Kampfeinheiten, wie man sie während des dritten Bürgerkriegs benutzt hatte. Diese Rüstung war nicht nur alt, sie war archaisch.
Wie konnte man einen Ort als Heimat empfinden, in dem man seit einer Dekade nicht gewesen war? Yamamoto Sayaka fragte sich dies seit einigen Wochen schon fast täglich. Natürlich hielt sie via Telefon Kontakt zu ihrer Familie, die es bisher immer wieder geschafft, den Häscherrn von Haus Ikabara zu entkommen. Das normale Leben ihrer Mutter war vorbei. Ihre Familie befand sich in Großbritannien auf der Flucht, und sie konnte und durfte nicht helfen.
Für Yamamoto ein unhaltbarer Umstand. Doch so waren nun einmal die Regeln der Hand. Es war schwer, sich daran zu gewöhnen. So wie vieles fremd und schwer geworden war, was sie als Kind noch als Normalität empfunden hatte. Die europäische Kultur unterschied sich radikal von der asiatischen. Die britische sogar noch mehr von der europäischen selbst, die mehr französisch geprägt war.
Für Yamamoto mehr als nur eine einfache Umstellung.
Tante Fumiko hatte ihnen inzwischen ein kleines Haus am Stadtrand von Osaka besorgt. Dafür war Sayaka auch wirklich dankbar, denn in den alten Familiensitz der Yamamoto wollte sie nicht zurück. Dies war das Haus ihrer Eltern. Es einfach zu übernehmen wäre irgendwie falsch in ihren Augen. Denn ihre Eltern lebten noch. Wenn auch nicht in Japan, sondern immer noch in Europa.
Flüchtlinge, wie sie es selbst noch vor gut acht Monaten gewesen war.
Yamamotos Gatte Andreas kümmerte sich um alles, wenn es das Haus betraf, während sie selbst sich mehr um die sinnlichen Genüsse kümmerte. Das tägliche Einkaufen mit Tante Haruka gehörte auch dazu. „Yuihan“, die Koordinatorin der Hand, kaute noch immer an dem Umstand, daß Toyama verloren gegangen war. Das Messer der Hand war die Einzige der fünf Frauen im Kern, die nicht diese unbedingte Unsterblichkeit besaß. Deshalb war sie verletzlicher als alle anderen. Yuihan hatte in ihrem Jahrhunderte andauernden Leben schon so einiges gesehen. Und vieles davon hatte ihr nicht gefallen.
Wahrscheinlich hatte sie deshalb die Hand immer wieder dazu angehalten, Gutes zu tun, sich in Dinge einzumischen, die eigentlich nicht ihre Aufgaben waren. Doch letztlich spielte dies keine Rolle.
Das Einkaufszentrum in Osaka war Yamamoto unbekannt. Es mußte in den vergangenen zehn, elf Jahren gebaut worden sein. Es war ziemlich groß, und beherbergte in der untersten Etage sogar einen Inari-Schrein. Kein besonders großer Schrein, dafür aber einen Alten. Dieser hier war dem Reisgott gewidmet, damit er diesen Teil von Osaka auf immer schützen möge. Japaner rissen solche Gebäude nicht ab, sondern umbauten sie im besten Fall.
Yamamoto verwunderte noch ein wenig mehr, daß sich normale Angestellte regelrecht vor Ishida Haruka zu verbeugen schienen, auch wenn sie nur am Geschäft vorbei ging. Yuihan führte sie zielsicher hinunter zu dem kleinen Schrein. Hier standen ein kleines Priesterhaus und der normale Schrein. Doch das Schreingebäude war geschlossen.
Sayaka verstand nicht wirklich, weshalb die Koordinatorin der Hand sie hier hinunter geführt hatte. Der Schrein war alt. Das Torii hatte schon einmal bessere Zeiten gesehen. Man sah ihm an, daß es in den letzten Jahren regelmäßig neu eingelt wurde. Das Holz war aber nicht lackiert. Ungewöhnlich für einen Inari-Schrein. Der Reisgott legte im allgemeinen Wert auf solche Kleinigkeiten.
Schließlich standen die beiden vor dem Torii des Schreins.
Yamamoto wußte nicht, was sie sagen sollte.
Das Holz des Tores war uralt. Mindestens achthundert Jahre alt. Yuihan lächelte bei diesem Gedanken. Dann bemerkte sie: „Dies war der erste Schrein, den die Hand aus eigener Hand aufstellen ließ. In der Kleinstadt nicht weit von Takatsuki entfernt, die damals zwar auch schon Osaka hieß, aber die keinerlei Bedeutung für das Reich hatte.“
Sayaka sah Ishida fest an.
„Und warum bringst du mich hierher?“, wollte sie wissen.
Yuihan lächelte wissend und vielsagend, bevor sie antwortete: „Du wirst hier gleich ein paar sehr gute Freunde kennenlernen. Sie werden dir helfen, deine Fähigkeiten richtig zu entwickeln. Und zwar schneller, als wir damals Zeit hatten.“
Yamamoto sah ihre „Tante“ verblüfft an.
„Heute gibt es Unterricht?“
Yuihan nickte bestätigend.
„Wir haben keine andere Wahl. Unser „Brainiac“ sollte wissen, was er kann, bevor er in den Einsatz geht. Ich bin sicher, das nächste Abenteuer wartet schon auf uns!“
Mit diesen Worten ließ sie Yamamoto am Torii stehen.
Sie war gerade wieder auf dem Weg zur Rolltreppe, als sie der verzweifelte Blick von Sayaka traf. Erneut machte sie Halt, und kehrt, und ging zu der jungen Frau zurück.
„Sayaka, wenn eines wichtig ist, in unseren Reihen, dann ist es Vertrauen. Wenn du noch nicht einmal mir vertrauen kannst, wie kannst du dann ein einem Haus wohnen, welches dir Fumiko zur Verfügung gestellt hat? Auch dies erfordert Vertrauen. Die Hand ist auf deine Fähigkeiten angewiesen, daß haben wir vor acht Monaten auf grausame Art und Weise lernen dürfen. Die Entscheidung deiner Mutter kritisiert Niemand. Aber es war Fumiko, die sich dafür verantwortlich zeichnet, und nicht du, die damals noch nicht einmal verstand, was ihre Mutter so treibt und mit was sie eigentlich ihren Unterhalt verdient!“
Yamamoto lächelte schwer.
Die Sorgen um ihre Eltern machte sie übernervös. Und sie beherrschte bis auf die Illusion und die Blendung nicht wirklich ihre Fähigkeiten. Das sie es mit ihrem Willen schaffte, ihren Gatten an der Verwandlung zu hindern, war da schon ein kleines Wunder. Denn eigentlich ging sie davon aus, daß sie früher oder später die Kontrolle verlieren würde.
„Welche Rolle spielte meine Mutter bei der Hand?“
Haruka sah die jüngere Frau amüsiert an.
„Sakura Yamamoto benutzte die Macht ihres Geistes, um unsere Gegner entweder einzusperren, oder sie mit ihren eigenen Gedankenbildern wahnsinnig zu machen. Deine Mutter beherrschte das so gut, das es sie schließlich brandmarkte. Irgendwann bekam jemand mit, über welche Macht sie verfügte, und versuchte sie für seine Zwecke zu mißbrauchen. Die Hand griff ein, und es gab Tote.“
Sayaka Yamamoto wurde rot.
„Deine Mutter kann mit ihren Fähigkeiten nicht töten. Du genauso wenig! Aber du kannst den Gegner Dinge glauben lassen, die er niemals für möglich hielt, gleichzeitig kannst du Kraftfelder errichten, die stärker sind, als jene, zu denen Priester fähig sind. Und du kannst das ohne irgendwelche Bannzauber, oder kleinen Streifen mit vorbereiteter Magie. Du machst das mit deinem Geist! Deshalb bist du heute hier.“
Im innerem des Schreines warteten zwei Personen auf die beiden. Yamamoto nahm sie jetzt erst wahr. Da war ein junger Mann, der wirklich süß aussah. Er machte den Eindruck, als gehöre er nicht wirklich hierher. Doch dieser Eindruck täuschte, wenn man sich ansah, wie er mit der jungen Frau an seiner Seite umging. Beide bewegten sich so selbstsicher in diesem Schrein, als würde er ihnen gehören.
Die Frau trug einen einfachen Hosenanzug nach der neuesten Mode. In einer frühlingshaften Farbe, der Jahreszeit angepaßt. Ihr Begleiter nur ein einfaches Shirt und eine verwaschene Jeans. Man sah beiden an, daß sie es gewohnt waren, maskiert unter den Menschen ihrer Arbeit nachzugehen.
Haruka führte die Tochter ihrer Freundin nun in den Schrein hinein, wo sie sofort von den beiden Anwesenden begrüßt wurden. Ishida lächelte immer noch. Die junge Frau lächelte ebenfalls.
Yamamoto kannte die Frau. Von einem Bild aus der Zeitung. Es war die aktuell beurlaubte Direktorin des naturhistorischen Museums in Tokyo. Die Sache war nur deshalb in der Zeitung gelandet, weil es erneut einen Skandal um das Museum gegeben hatte. Doch diesmal war die Sache nicht so einfach.
Eine Mumie war abhanden gekommen, und die Museumsdirektorin, die sowieso in der Verwaltung nicht sonderlich beliebt gewesen war, wurde kurzerhand in einen Zwangsurlaub geschickt, da es keine Möglichkeit gab, ihr nachzuweisen, daß es ihr verschulden war, daß die Mumie abhanden gekommen war. Die Mumie selbst fehlte,aber ihr hölzerner Sargophag war erhalten geblieben.
Doktorin Akira Sae war zur Interimsdirektorin gekürt worden, und mußte sich nun auf einem Gebiet mit dem Verwaltungsrat auseinandersetzen, wie sie es nicht gewohnt war. All das hatte Yamamoto damals dem Zeitungsartikel entnommen. Zum Glück wurde die Sache bisher aus dem Fernsehen herausgehalten.
Die Frage nur, für wessen Glück das sprach.
Die junge Frau, die vielleicht fünf Jahre älter als Sayaka selbst war, verbeugte sich begrüßend vor den beiden Neuankömmlingen. Ihr jünger wirkender Begleiter verbeugte sich ebenfalls, doch nicht halb so geübt.
Ishida stellte die beiden vor.
„Darf ich dich mit der aktuell beurlaubten Frau Direktorin des Museums für Naturhistorie in Tokyo bekanntmachen, Miss Ahihara Tomoe. Ihr junger Begleiter ist Nagajima Mimo, seines Zeichens ein Kenner unserer Waffentechnologie.“
Sayaka verbeugte sich nun ebenfalls und stellte sich vor.
Die Kitsune sah zu der jungen Frau hinüber, und wandte sich dann an Ishida.
„Und das ist euer Neuzugang?“
Haruka nickte zustimmend.
„Sie übernimmt die Position ihrer Mutter. Und wir brauchen sie. Und wir brauchen sie funktionierend. Bisher spielt sie mit dem, was sie könnte, nur herum.“
Die Kitsune lächelte wieder.
„Das wird schwierig, weil sie vieles von dem noch gar nicht gesehen hat, was ihr Potential rechtfertigen würde.“, warf die Kitsune dann ein.
Ishida nickte zustimmend.
„Das ändert nichts daran, daß Fumiko sie vorbereitet haben will. Nicht jeder ist für den Kampf gegen Monster und Dämonen geboren. Wäre sie in Saitama dabei gewesen, nichts gegen euch, wären unsere Verluste niedriger gewesen.“
Die Kitsune nickte.
Auch dies war für sie völlig nachvollziehbar.
„Ok, ich werde sie trainieren, genauso wie ich es mit Sutan tun muß. Aber Sutan beherrscht ihre Gaben deutlich besser, als sie hier.“
Ishida nickte dankbar.
„In der Hand steht in den nächsten Tagen Größeres an. Fumiko will uns endlich aufklären, was sie ständig daran hindert, so zu handeln, wie es eigentlich angebracht wäre. Vielleicht gibt uns diese Antwort die Luft, die wir brauchen, um unsere Reihen wieder zu festigen.“
Die Kitsune lachte wieder.
„Dir ist aber klar, daß die Hand ihre Fähigkeiten nicht so benutzt, wie sie es könnte? Fumiko ist die Einzige, die einmal wirklich einen guten Zug von diesen Fähigkeiten genommen hat. Sie ist auch die Einzige, die einige kleine Wunder vollbringen kann. Dinge, die ihr anderen auch können solltet.“
Ishida sah noch einmal hinüber zu Yamamoto.
„Bringt ihr bitte bei, wie sie mit ihren Fähigkeiten umgeht. Wir brauchen sie.“
Die Kitsune nickte, dann trat sie hinüber zu der jungen Frau, während Haruka Ishida den Schrein wieder verließ.
Mimo Nagajima sah gelangweilt zu ihrer neuen Schülerin hinüber. Es war leichter gewesen, in den vergangenen acht Monaten Sutan beizubringen, vollständig Teil der tokioter Bevölkerung zu werden. Bei dieser jungen Frau hier sah er diverse Schwierigkeiten auf sie zukommen. Wenn es zum Kampf kommen würde, wäre diese Anwärterin in jedem Fall noch nicht wirklich bereit. Sie dachte zu schwerfällig.
Ahihara Tomoe verbeugte sich vor Yamamoto Sayaka und begann das Gespräch dann dementsprechend. „Es ist egal, was die Hand versucht dir einzureden, du bist nicht einfach die Nachfolgerin deiner Mutter.“
Yamamoto sah die Fremde überrascht an.
„Wie kommt ihr darauf?“
Die Kitsune lächelte sie nun das erste Mal direkt an.
„Mir ist inzwischen bekannt, daß die Hand in den meisten Fällen nicht einmal wußte, gegen wen oder was sie genau vorging. Aber sie waren erfolgreich, obwohl sie nur bruchstückhafte Informationen hatten. Das allein zeichnet sie aus. Dies macht sie aber nicht zu etwas Besonderem. Besonders werden sie durch den Umstand, daß die Hand immer genau wußte, was getan werden mußte, und es dann auch tat. Ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit zu nehmen.“
Sayaka sah die Junggebliebene überrascht an.
„Also beobachtet ihr die Hand wohl schon ziemlich lange?“
Nagajima kam herüber und lächelte bissig.
„Das tun wir nicht. Aber wir kennen all die Legenden über sie.“
Tomoe lächelte amüsiert auf.
„Das ist Mimo, meine rechte Hand und mein Vertrauter.“
Yamamoto verbeugte sich wieder höflich.
Die Kitsune lächelte immer noch.
„Nun, wie bringt man Jemanden etwas bei, von dem er noch nicht einmal weiß, daß er so etwas kann? Darauf gibt es keine generelle Antwort!“, begann sie.
Nagajima lächelte bissig, und blökte: „Telepathie ist eine Sache, die gar nicht mal so schwierig ist. Es gibt sogar Menschen, die Pheromone lesen können, als wären sie Ameisen. Und dann haben wir noch jene, die zwar Illusionen erzeugen können, aber noch nicht einmal im Ansatz begriffen haben, was sie da erzeugen!“
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, verwandelte er sich mit einem Mal in einen uralten Mann. Von jetzt auf gleich.
Sayaka erschrak förmlich, bei einer solchen Sicht auf die Macht.
Tomoe lächelte immer noch.
„Soviel dazu, daß du noch nicht einmal deinen Augen trauen darfst. Jetzt mußt du erst einmal lernen, wie man solche Illusionen durchschaut. Das kann deinen Begleitern und dir das Leben retten.“, führte sie aus.
Yamamoto versuchte sich zuerst willentlich darauf zu fokussieren, den alten Mann als das zu durchschauen, was er war. Doch das Bild wurde nicht wirklich klar, statt dessen flackerte es ständig zwischen einem mehrschwänzigen weißen Fuchs und dem jungen Mann hin und her.
Die junge Frau erschrak. Solches hatte sie noch niemals wahrgenommen. Als sie wieder in der Realität ankam, fröstelte es sie leicht. Anstelle des alten Mannes stand da nun wieder ein junger Mann.
Ihr Blick traf den von Ahihara. Doch diese lächelte immer noch.
„Das, was ich gesehen habe ...“
Die Kitsune lächelte immer noch.
„Entspricht der Wahrheit. Mein Begleiter und ich dienen Inari. Wir sind ihre Kinder, wenn man so will. Wir sind beide Kitsune.“, erklärte sie.