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Das schlechte Gewissen kann eine echte Plage sein. Es gibt einfach keine Ruhe und man kann es auch durch Verstandeseinsicht einfach nicht abstellen. Psychologisch, in der Psychotherapie, der Beratung und im Coaching gehört das schlechte Gewissen zu den hartnäckigsten Symptomen, die nur äußerst zäh in den Griff zu kriegen sind. Maja Storch und Gerhard Roth stellen sich der Frage, woher eigentlich die lange Überlebensdauer eines schlechten Gewissens kommt und wie man damit umgehen kann. Gerhard Roth erklärt, aus welchen Komponenten des menschlichen Gehirns sich so eine komplexe Funktion wie das schlechte Gewissen im Laufe der Entwicklung aufbaut. Maja Storch stellt anhand von drei gut nachvollziehbaren Praxisbeispielen eine alltagstaugliche Systematik vor, mit der man den Quellen des eigenen schlechten Gewissens auf die Schliche kommt und einen Plan entwickeln kann, wie man damit umgeht. Ein Buch, das für viele Menschen als Erlösung dienen kann!
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Seitenzahl: 141
Das schlechte Gewissen – Quälgeist oder Ressource?
Das schlechte Gewissen – Quälgeist oder Ressource?
Maja Storch, Gerhard Roth
Maja Storch / Gerhard Roth
Das schlechte Gewissen – Quälgeist oder Ressource?
Neurobiologische Grundlagen und praktische Abhilfe
Dr. Maja Storch
Institut für Selbstmanagement und Motivation Zürich ISMZ
Spin-off der Universität Zürich
Scheuchzerstraße 21
8006 Zürich
Schweiz
Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth
Roth-Institut
Am Weser-Terminal 10
28217 Bremen
Deutschland
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Lektorat: Dr. Susanne Lauri
Bearbeitung: Dr. Maria Schorpp, Konstanz
Herstellung: René Tschirren
Umschlag, Gesamtgestaltung, Satz, Illustrationen: Claude Borer, Riehen
Format: EPUB
1. Auflage 2021
© 2021 Hogrefe Verlag, Bern
(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96134-7)
(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76134-3)
ISBN 978-3-456-86134-0
https://doi.org/10.1024/86134-000
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Inhalt
Inhalt
Einleitung
Hinweise zum Gebrauch dieses Buches
Schlechtes Gewissen wohin man schaut…
Erste Option: SG zum Schweigen bringen
Zweite Option: SG mildern
Dritte Option: SG aufgreifen und als Leitlinie für eine Richtungsänderung erkennen
Psychologie und Neurobiologie des schlechten Gewissens
Grundzüge der Persönlichkeitsentwicklung aus neurobiologischer Sicht
Ordnungs-Systematik 1: Die Zeitachse
Ordnungs-Systematik 2: Die vier Ebenen der Persönlichkeit
Ordnungs-Systematik 3: Die sechs psychoneuralen Grundsysteme
Das Zusammenwirken von Ordnungs-Systematik 1, Ordnungs-Systematik 2 und Ordnungs-Systematik 3
Motive, Motivkonflikte und ihre Rolle für das schlechte Gewissen
Appetenz und Aversion
Motivation als konflikthaftes Geschehen
Von der Belohnung zur Motivation
Konflikte zwischen unbewussten Motiven und bewussten Zielen
Schlechte Gewohnheiten und ihre Veränderbarkeit
Fazit
Maßnahmen gegen das schlechte Gewissen
Gabriela und ihre Schwester
Das Somatogramm
Gabrielas Somatogramm vom Schwester-SG
Gabrielas Somatogramm vom Theodor-Körper
Maja Storch und der Orgeldienst
Josef und der Herzinfarkt
Epilog
Literatur
Vertiefende Literaturtipps von Maja Storch
Vertiefende Literaturtipps von Gerhard Roth
Über die Autorin und den Autor
Einleitung
Wann hatten Sie zuletzt ein schlechtes Gewissen? Vor einer Woche? Gestern? Heute? Oder gerade jetzt, weil sie dieses Buch lesen, statt etwas Dringenderes zu tun?
Wie oft haben Sie ein schlechtes Gewissen? Einmal im Monat, einmal in der Woche, mehrmals am Tag oder eigentlich dauernd? „Eigentlich habe ich kein schlechtes Gewissen, sondern ich bin ein schlechtes Gewissen und zwar ein wandelndes“, erklärt Mechthild, eine Mutter vonzwei lebhaften Buben, sieben und fünf Jahre alt, Ehefrau, Hausbesitzerin und Hundefrauchen, die in Teilzeit als Sozialpädagogin arbeitet.
Können Sie Ihr schlechtes Gewissen abstellen, wenn es Ihr Wohlbefinden zu sehr beeinträchtigt? Lautet die Antwort „Ja“, dann brauchen Sie eigentlich nicht weiter zu lesen und können dieses Buch einer bedürftigen Person schenken. Lautet die Antwort „Nein“ oder „Manchmal“, dann können Sie von diesem Buch profitieren.
Falls Sie unter schlechtem Gewissen leiden, wie fühlt sich Ihr schlechtes Gewissen an? Ist es eher im Kopf angesiedelt, als eine Art innere Stimme, oder macht es sich eher in der Magengrube als mulmiges Gefühl breit? Meldet es sich kurz und knackig wie eine Push-Nachricht vom Handy, oder nistet es sich längerfristig als Stimmungslage in Ihrer Psyche ein?
Und eine letzte Frage: Haben Sie öfter Streit mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, weil diese Person ein völlig gewissensbefreites Leben hat? Wie sieht’s aus mit anderen Familienmitgliedern? „Chill’ mal die Basis, Dad“, sagt Merlin, der Sohn eines Freundes zu seinem Vater, wenn der sich aufregt, weil das Jugendzimmer schon wieder riecht wie ein Iltisbau (kommt von den ungelüfteten Sneakers, die ohne Socken getragen werden, auch im Hochsommer). „Ich bin gechillt!“, schreit mein Freund dann mit rotem Kopf und hat sofort ein schlechtes Gewissen, weil er ausgerastet ist und sich nicht pädagogisch korrekt verhalten hat.
Hier wird deutlich: Das schlechte Gewissen hat viele Facetten und kann äußerst lästig werden. Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihr schlechtes Gewissen ein Eigenleben führt und ihnen den Alltag vergällt. Wenn es Ihnen auch so geht, sind Sie richtig in diesem Buch, und wir heißen Sie herzlich willkommen. Wir werden versuchen, Ihnen dabei zu helfen, die neurobiologischen Vorgänge dieser komplexen inneren Instanz zu verstehen. Anhand von Fallbeispielen werden wir Ihnen konkrete Alltagshilfen an die Hand geben, damit Ihr Leben mehr Qualität bekommt und Sie ihren Alltag mit deutlich weniger schlechtem Gewissen zubringen können. Entweder weil es gar nicht mehr so stark wird oder weil Sie Strategien kennen, um den Störenfried abzustellen.
Dieses Versprechen führt zu einer wichtigen Überlegung: Wie viel schlechtes Gewissen braucht der Mensch? Was machen wir denn mit diesem Biest, das uns belästigt wie eine Stechmücke an einem lauen Sommerabend? Dabei würden wir den gern geruhsam am Seeufer verbringen, was uns jedoch gerade wegen dieser Belästigungen nicht gelingt.
Was ist unser Ziel? Soll das schlechte Gewissen einfach komplett verschwinden? Wir meinen: Nein! Das schlechte Gewissen erfüllt nämlich zwei wichtige Funktionen: Erstens sorgt es durch rechtzeitige Alarmsignale für das Überleben des Organismus. Solche Art Weckrufe haben wir mit Tieren gemeinsam. Zweitens regelt das schlechte Gewissen das Zusammenleben der Sippe und hat darum die Aufgabe, ein soziales Miteinander zur sichern. Mit schlechtem Gewissen sind Werte und Normen verbunden. Durch diese Instanz wird unsere menschliche Kultur tradiert.
Ein so wichtiges System darf man nicht einfach unbesehen im Sinne einer oberflächlichen Zuckerguss-Psychologie der positiven Emotionen auf null runterfahren. „Lass es dir doch gutgehen“, „Sieh es einfach positiv“, „Du musst deine Ressourcen mobilisieren“ – solcheAufforderungen greifen viel zu kurz, wenn sie einseitig nur die positiven Stimmungen als erstrebenswert betrachten. Das schlechte Gewissen brauchen wir, auch wenn es manchmal gar nicht angenehm ist. Was wir jedoch strategisch gut planen können, ist das Ausmaß, in dem wir schlechtes Gewissen erleben möchten, und die Zeitspanne, die es andauern soll.
Im Prinzip ähnelt das Vorgehen sehr dem, einen Wecker zu stellen. Sie können bestimmen, wann er sich meldet, mit welchem Signal, wie laut das Signal sein soll, und sie können den Weckruf entweder abstellen oder auf „immer wieder ertönen“ einstellen, bis er seine Funktion erfüllt hat. An diesen Fähigkeiten zur Steuerung des schlechten Gewissens können Sie selbst arbeiten. Selbst wenn Sie nicht alles so hundertprozentig in den Griff kriegen wie einen Wecker, können Sie sich doch über weite Strecken das Leben deutlich erleichtern. Darum lautet unsere Devise: Das schlechte Gewissen darf bleiben, aber es muss gebändigt werden. Man sollte nicht darunter leiden müssen; stattdessen sollte das schlechte Gewissen im Dienst des Menschen stehen, dem es gehört. Es sollte sozusagen eine Wandlung durchmachen von der lästigen, blutsaugenden Stechmücke zum wertvollen Mitbewohner, dem man ab und zu auf die Finger klopfen muss, damit er innerhalb seiner Grenzen bleibt.
Sind Sie neugierig geworden? Dann lassen Sie uns die Ärmel hochkrempeln und loslegen!
Zürich und Bremen, Herbst 2021
Maja Storch und Gerhard Roth
Hinweise zum Gebrauch dieses Buches
Unser Anliegen in vorliegendem Buch ist, die Neurobiologie hinter dem schlechten Gewissen und ganz konkrete praktische Anwendungen miteinander zu verbinden. Aus diesem Grund haben wir uns für folgenden Ablauf entschieden: Zunächst werden von Maja Storch praxisnah und aus dem Leben gegriffen drei Menschen vorgestellt, die aus den verschiedensten Gründen mit schlechtem Gewissen zu kämpfen haben. Nach dieser Sensibilisierung für das Thema folgt das Kapitel von Gerhard Roth mit Beispielen aus Philosophie und Geschichte – und den neurobiologischen Grundlagen des Phänomens schlechtes Gewissen.
Im Anschluss an diese Grundlagen erläutert Maja Storch in einem praktischen Methodenteil, wie es sich mit schlechtem Gewissen umgehen lässt. Die Lesenden begegnen hier wieder den Menschen, die sie vom ersten Kapitel kennen, und können nun mit vertieftem Verständnis nachvollziehen, auf welche theoretische Grundlage sich die konkreten Praxishilfen beziehen.
Noch eine Anmerkung zur Literatur: Im Kapitel von Gerhard Roth finden sich zahlreiche Literaturverweise auf wissenschaftliche Studien. Maja Storch hat in ihren Praxisteilen der Lesbarkeit wegen auf Literaturhinweise verzichtet. Sie hat am Ende des Buches eine kleine kommentierte Literaturliste mit Tipps für die Menschen eingefügt, die sich vertiefend mit der Thematik befassen wollen.
Schlechtes Gewissen wohin man schaut…
Maja Storch
„Heute schon SG gehabt?“, schreibe ich meiner Freundin um 7.53 Uhr.
Ich habe mit einigen hilfsbereiten Menschen aus meinem sozialen Netzwerk vereinbart, dass ich sie mehrfach am Tag anschreiben darf, ob sie gerade ein schlechtes Gewissen zu verzeichnen haben oder vor kurzer Zeit eines hatten. Dieses Monitoring dient meiner Sammlung von Fallbeispielen für die Alltags-SG-Momente. Ach so! Was ist eigentlich mit SG gemeint? „Schlechtes Gewissen“ ist damit gemeint. Wenn man sich so viel mit der Thematik befasst, wie ich in der letzten Zeit, dann schleicht sich über kurz oder lang eine Abkürzung ein. Ein Freund hat mir nach drei Tagen Tagebuchführen eine Nachricht aufs Handy geschickt:
SG ist prima als Abkürzung, finde ich. Kurz und knackig, und es hilft dabei, das Auftauchen und Verschwinden dieses Phänomens kurz und bündig zu bezeichnen. Durch die Abkürzung SG wird das schlechte Gewissen aus einer allgemein diffusen, miesen Grundstimmung herausgelöst und als Ursache für negative Gefühlslagen klar identifiziert.
Ich frage also meine Freundin um 7.53 Uhr.
Ist das nicht ungeheuerlich? Ein Hintergrundrauschen, scheinbar ohne aktuellen Anlass, das sich geeignete Alltagssituationen kapert, die einem dann Kopfzerbrechen bereiten? Ich frage Gerhard Roth, der prompt antwortet:
Mit dem Phänomen des schlechten Gewissens habe ich mich beruflich auseinandergesetzt, als ich damit begann, Workshops zum Thema „Mañana-Kompetenz“ zu halten. Diese Kompetenz benennt die Fähigkeit, nichts zu tun und abzuschalten, um den Akku wieder aufzuladen. Mañana-Kompetenz ist – so die These – eine wichtige Fähigkeit für die Burnout-Prävention. Zusammen mit einem befreundeten Kollegen, dem Allgemeinarzt Gunter Frank, hatte ich dazu ein Buch geschrieben und Vorträge zu der Thematik gehalten. Nach jedem Vortrag gab es Gelegenheit, mir Fragen zu stellen, wie das so bei Vorträgen üblich ist. Bei diesen Runden fiel mir noch nichts Besonderes auf, die Fragen bezogen sich auf die üblichen Verständnis- und Vertiefungsthemen.
Seltsam wurde die Angelegenheit bei den Workshops zum Thema im Anschluss an den Vortrag. Und noch seltsamer gestaltete sich die Situation bei sogenannten Booster-Workshops. Unter Booster-Workshop versteht man einen Workshop nach einer Zeit von vier bis zwölf Wochen, in dem überprüft wird, wie die Vorsätze, die man sich selbst gegeben hat, auch umgesetzt werden. In einem Booster-Workshop erfolgt gewissermaßen eine Auswertung des Basis-Workshops. Außerdem wird bei der Gelegenheit Coaching für die Situationen angeboten, in denen die Umsetzung der Absichten noch nicht geklappt hat.
In diesen Booster-Workshops trat ein Phänomen auf, das ich in dieser Form als Einzelproblem noch nie so wahrgenommen hatte. Die allermeisten Personen beklagten sich darüber, dass es ihnen nicht richtig gelänge, einfach abzuschalten und nichts zu tun, weil sie beim Nichtstun ein schlechtes Gewissen hätten. Alle Anwesenden hatten die sachlichen Argumente, die für Abschalten und Nichtstun sprachen, sehr wohl begriffen. Sie hatten gegen meine Überlegungen nichts einzuwenden, im Gegenteil, sie fanden die Ideen aussichtsreich und wollten sich voller Eifer in die Arbeit an ihrer persönlichen Burnout-Prävention stürzen.
Aber es klappte nicht. Weil sie ein schlechtes Gewissen hatten, sobald sie mit dem Abschalten begannen. Es gelang nicht, in der Mittagspause ein Power Nap von 20 Minuten einzuschieben. Es gelang nicht, eine Tasse Tee zu trinken und dabei fünf Minuten aus dem Fenster ins Grüne zu schauen. Es gelang nicht, sich für eine halbe Stunde daheim in die Badewanne zu legen und der Familie mitzuteilen, dass man für dreißig Minuten nicht erreichbar sei.
Um mich deutlich auszudrücken: Vom Handlungsvollzug her gelang es natürlich schon. Der Teetrinker stand am Fenster, schaute ins Grüne und trank seinen Tee. Die Familienfrau richtete sich eine Badewanne mit duftendem Rosen-Entspannungsbalsam. Die Power-Nap-Chefin legte in der Tat über Mittag die Beine hoch und versuchte zu entspannen. Äußerlich betrachtet war die Umsetzung der Vorsätze durchaus vollzogen und damit gelungen. Diese Handlungen hatten jedoch alle miteinander einen großen Haken: Sie waren von einem schlechten Gewissen begleitet. Psychologisch ausgedrückt entstand durch die Umsetzung der Absicht innerpsychischer Stress. Die Vorsätze dienten also keineswegs der Entspannung, sondern sie erreichten das Gegenteil: Noch mehr Stress als sowieso schon.
Da war guter Rat teuer. Um ehrlich zu sein, war ich damals ziemlich ratlos, wie ich meinen Teilnehmenden helfen konnte. Und als ich damit begann, das schlechte Gewissen bei mir selber zu beobachten und mit befreundeten Menschen, die in Selbstbeobachtung geübt sind, darüber zu sprechen, stellte sich schnell heraus, dass man es hier mit einer extrem hartnäckigen psychischen Verfassung zu tun hat. Viele Menschen – mich eingeschlossen – sind schon so daran gewöhnt, mit schlechtem Gewissen zu leben, dass sie es oft gar nicht mehr bemerken. Sie kennen ein SG-freies Leben gar nicht mehr und glauben, die dauernden Funksignale dieses Störsenders seien normal. Dem ist aber nicht so!
Nach einigen Jahren der Beobachtung war mir klar geworden, dass mit dem Begriff „schlechtes Gewissen“ einige ziemlich unterschiedliche Phänomene benannt werden, die unterschiedliche Herangehensweisen erforderlich machen. Und es stellte sich außerdem heraus, dass es sich bei SG-Vorkommnissen aus psychologischer Sicht um richtig komplizierte innere Vorgänge handelt, die keineswegs mit einem Tipp von der Art „Stehe vor den Spiegel und sage dir zehnmal: Ich nehme mich selber an, und alles wird gut!“ in den Griff zu kriegen waren.
Ich hatte irgendwann den dringenden Wunsch, aus Sicht der Neurobiologie zu verstehen, welche Prozesse im menschlichen Gehirn für die Entstehung und Aktivierung des SG verantwortlich sind. Mit Gerhard Roth habe ich einen Neurobiologen gefunden, der neben seinen Kenntnissen als Hirnforscher auch ein wohlfundiertes Wissen über Psychologie und insbesondere über die Tätigkeit des Unbewussten mitbringt. Dank eines intensiven Austauschs kann ich nun einige praktische Möglichkeiten für den Umgang mit SG im Alltag aufzeigen.
Beginnen wir damit, dass wir zunächst einmal zwischen drei Optionen unterscheiden, die man im Umgang mit dem SG hat.
Erste Option: SG zum Schweigen bringen
Anhand eines Fallbeispiels will ich zunächst die erste Option erläutern. Gabriela, eine Gymnasiallehrerin, führt eine wirklich gute Ehe. Sie teilt mit ihrem Ehemann, ebenfalls Lehrer, das Interesse für Hausmusik, und so haben sie auch nach dreißig Ehejahren noch ein lebendiges und erfüllendes Miteinander, denn Musik wird ja nie langweilig. Sie haben einen gemeinsamen Sohn, der vermutlich Musik studieren wird. Der Sohn hat Musik im Blut, er wuchs ja im wahrsten Sinne des Wortes inmitten von Melodien auf. Also ein echter Prachtjunge, der auch schon Preise bei „Jugend musiziert“ gewonnen hat. Einen kleinen, pfiffigen Hund aus dem Tierheim haben sie auch adoptiert, der ihnen viel Freude macht und immer zum Spielen aufgelegt ist.
Die Familie lebt in einer schönen großen Wohnung(braucht man auch, wenn man ein Klavier, ein Schlagzeug, ein Cello und diverse andere Instrumente unterbringen will). Sie kochen gern und gut miteinander und genießen ihre Zeit als Familie. Natürlich gibt es auch in dieser Familie die üblichen Querelen, die einem das Leben schwer machen, Finanzamt, Hämorrhoiden, verbeulte Stoßstange am Auto, unliebsame Kollegen, nervige Eltern und dergleichen mehr. Aber: Im Großen und Ganzen ist diese Familie glücklich zusammen, und alle fühlen sich wohl miteinander. Weil beide Eltern einen Job haben, in dem sie viel kommunizieren müssen, sind sie am Wochenende lieber unter sich, um die Akkus aufzuladen. Das Redebedürfnis ist dann erschöpft, und sie brauchen einfach ein routiniertes, eher wortkarges Miteinander, um für die nächste Woche wieder zu Kräften zu kommen.