Das seelische Wesen - Sri Aurobindo - E-Book

Das seelische Wesen E-Book

Sri Aurobindo

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Beschreibung

Die Einführung des Begriffs das psychische Wesen durch Sri Aurobindo stellt einen der besonderen Beiträge im Lexikon des Integralen Yogas dar. Still und unbeweglich hinter dem gewöhnlichen mentalen, vitalen und physischen Bewusstsein im Menschen stehend, ist das psychische oder seelische Wesen der individuelle Ausdruck der göttlichen Essenz eines jeden Wesens. Durch die Ansammlung höherer, zu Gott hin gerichteter Erfahrungen, entwickelt sich während seiner Evolution im Laufe verschiedener Geburten eine psychische Persönlichkeit, die in Kraft und Einfluss wächst, bis sie vollständig „nach vorne kommen kann und durch den mentalen, vitalen und physischen Vorhang durchbrechen, die Instinkte beherrschen und die Natur transformieren kann.“

Da ein richtiges Verständnis des Konzeptes des psychischen oder seelischen Wesens für die Praxis des Integralen Yogas elementar ist, ist dieser Band mit Auszügen aus den Werken von Sri Aurobindo und der Mutter für die ersten Schritte des spirituell Suchenden auf dem Weg der Selbstvervollkommnung richtunggebend. Klar, präzis, einfühlsam und mit yogischer Einsicht geschrieben, definiert die Auswahl die Natur des psychischen Wesens; sie schildert wie man dessen Gegenwart hinter der hartnäckigen Selbstbehauptung der äußeren Natur erkennen kann.

Weiter wird erklärt, wie die seelische Kraft, wenn sie nach vorne kommt, um die Sadhana zu führen, die restliche Natur zum supramentalen Licht und zu Ananda hin öffnen kann.

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DAS SEELISCHE WESEN

DIE SEELE: IHRE NATUR, AUFGABE UND EVOLUTION

AUSZÜGE AUS DEN WERKEN VON SRI AUROBINDO UND DER MUTTER

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Vorwort

I. BEDEUTUNG UND NATUR DES SEELISCHEN WESENS

Was ist mit dem seelischen Wesen gemeint?

Atman, Jivatman und die Seele

Das seelische Mental, das seelische Vital, das seelische Physische

Die doppelte Seele

Die Natur des seelischen Wesens

Die Seele und das Spirituelle

Gefühl und Liebe – vital und seelisch

Wissen – mental und seelisch

II. ROLLE, AUFGABE UND TÄTIGKEIT DER SEELE

Die Aufgabe der Seele

Einfluss und Tätigkeit der Seele

Unterweisung durch die Organisation des Lebens

Das seelische Wesen – Zentrum der Selbst-Einung

III. WACHSTUM UND ENTWICKLUNG DER SEELE

Evolution und Seele

Seelisches Wachsen und seelische Entwicklung

IV. DAS SEELISCHE WESEN UND DIE SADHANA

Drei Schritte der Selbstverwirklichung und die dreifache Umwandlung

Sich des seelischen Wesens bewusst werden: das Erfordernis der Sadhana

Das seelische Wesen und die Wende

Die seelische Wende: das erste Erfordernis

Das Auftauchen der Seele

Der sonnenhelle Weg der Seele

V. DAS LEBEN NACH DEM TOD UND DIE WIEDERGEBURT

Der Vorgang der Wiedergeburt

Überleben nach dem Tode und Reinkarnation

Die Wahl der Seele und die Bedingungen der Wiedergeburt

Die Erinnerung an vergangene Leben

VI. MEHR ÜBER DAS SEELISCHE WESEN

Glossar

Quellennachweis

Verlagstitel

Impressum

Deutsche Buchausgabe:

Erste Ausgabe 1996 Neuauflage 2005

© 1996 Sri Aurobindo Ashram Trust, Pondicherry

Titel der englischen Ausgabe: „The Psychic Being“ Autorisierte deutsche Übersetzung: Elisabeth Beck

ISBN 978-81-7058-487-2

Herausgeber: Sri Aurobindo Ashram Publication Department Pondicherry 605002

***

Deutsche E-Book Ausgabe:

2. überarbeitete Ausgabe Juni 2015

ISBN 978-3-937701-20-2

© 2013 Verlag Wilfried Schuh

Vorwort

Die vorliegende Auswahl ist ein Versuch, die verschiedenen Lehren über das seelische Wesen in den Werken von Sri Aurobindo und der Mutter in einem Band zusammenzustellen. Die Auszüge behandeln die Natur des seelischen Wesens und lenken die Erkenntnisse Sri Aurobindos und der Mutter auf die innere Beschaffenheit des menschlichen Wesens, sowie auf verschiedene diesbezügliche Fragen, wie den Vorgang inneren Wachsens, das Leben nach dem Tode, die Wiedergeburt, die Sadhana usw. Obwohl die Auswahl umfassend ist, und alle grundlegenden Aspekte des Stoffes behandelt, will sie nicht erschöpfend sein. Sie ist in der Hauptsache für den allgemeinen Leser bestimmt, und lässt einen großen Teil dessen aus, was nur für diejenigen von Interesse wäre, die Sri Aurobindos Yoga ausüben, oder aber für diejenigen, die Philosophie oder philosophische Psychologie studieren.

Um das Verstehen zu erleichtern, wurden alle Auszüge, außer denen im letzten Teil des Buches, in Abschnitte und Unterabschnitte eingeteilt, deren jeder einen spezifischen Aspekt des jeweiligen Themas behandelt. Da jedoch das Buch eine Zusammenstellung aus verschiedenen Quellen ist, war sowohl ein Überschneiden als auch eine Wiederholung des Inhaltes nicht zu vermeiden. Um die Ganzheit und Integrität der Auszüge zu bewahren, wurde auf die Herausgabe von auszugsweisen Äußerungen innerhalb eines Abschnittes verzichtet; ebenso wurde das Aufteilen eines Abschnittes in verschiedene Teile, um der Gliederung zu genügen, vermieden. Auch eingeschaltete Bemerkungen und Äußerungen, die sich auf ein bestimmtes Thema beziehen, das vom Hauptthema eines Abschnitts abweicht – was in den Briefen Sri Aurobindos und den Antworten der Mutter auf Fragen häufig vorkommt – wurden im allgemeinen beibehalten.

Der Grund, warum Sri Aurobindo den Ausdruck „seelisches Wesen“ geprägt hat, wurde von ihm wie folgt dargelegt:

Das Wort „Seele“ wird im Englischen sehr unbestimmt gebraucht, da es sich oft auf das ganze nicht-physische Bewusstsein bezieht, einschließlich des Vitals mit seinen Begierden und Leidenschaften. Daher musste der Ausdruck „seelisches Wesen“ geprägt werden, um diesen göttlichen Teil von den instrumentalen Teilen der menschlichen Natur zu unterscheiden.“ (22:290)

Einer der wichtigsten Punkte, die klar verstanden werden sollten, ist die vitale Unterscheidung zwischen der Seele in ihrer Essenz – von Sri Aurobindo verschiedentlich als die Seele bezeichnet, die seelische Essenz, die seelische Wesenheit, die seelische Existenz, der Seelenfunke oder das Seelenelement – und die Seele in ihrer entwickelten, individualisierten Form, das „seelische Wesen“ genannt, die seelische Personalität, die Seelenform oder Seelenpersonalität, welche in Sri Aurobindos Worten „der Funke ist, der mit dem Wachsen des Bewusstseins in ein Feuer wächst.“ (22:278) Es muss ebenfalls betont werden, dass die Ausdrücke „Seele“ und „seelisch“, wenn sie ohne Attribut gebraucht werden, sich manchmal auf den Seelenfunken oder die seelische Essenz beziehen und manchmal auf die Seelenpersonalität oder das seelische Wesen.

Die Natur und Funktion des seelischen Wesens kann nicht gut ohne Bezugnahme auf andere Teile des menschlichen Wesens erklärt werden. In dieser Zusammenstellung wird der Leser daher häufig die verschiedenen Teile des menschlichen Wesens erwähnt finden, von denen einige in Sri Aurobindos Yoga mit bestimmten Ausdrücken bezeichnet werden. Das Glossar am Ende des Buches enthält diese Schlüsselausdrücke, zusätzlich zu den Sanskritausdrücken; es enthält ferner gewöhnliche englische Ausdrücke, die in einem speziellen Sinn im Integralen Yoga gebraucht werden. Es sei bemerkt, dass einige der Sanskritausdrücke einen umfassenderen Inhalt haben können, als den im Glossar angeführten, und auch in einem anderen Zusammenhang eine andere Bedeutung haben können.

Abschließend sei erwähnt, dass die in diesem Buch zusammengestellten Abschnitte zum überwiegenden Teil aus den Briefen Sri Aurobindos und den Gesprächen der Mutter mit den Kindern des Ashrams stammen. Das erklärt ihren oft zwanglosen Stil, die Auslassungen, Pausen, Wiederholungen usw. in vielen der Auszüge.

A. S. DALAL

Doch da sie des Geistes und des Lebens Mühsal kennt,

Einer Mutter gleich, die ihrer Kinder Leben fühlt und teilt,

Sendet sie ein kleines Etwas ihrer selbst hinaus,

Ein Wesen, nicht größer als eines Menschen Daumen,

In den verborgenen Herzensbereich,

Um der Pein zu begegnen und die Wonne zu vergessen,

Das Leid zu teilen und der Erde Weh zu tragen,

Zu werken inmitten des Wirkens der Sterne.

Dies lacht in uns und weint und duldet den Hieb,

Frohlockt im Siege und ringt um die Krone;

Ist eins mit Geist und Leib und Leben,

Nimmt auf sich deren Angst und Unvermögen,

Blutet von des Schicksals Hieben, hängt am Kreuz,

Und ist dennoch das unversehrte, unsterbliche Selbst,

Den Spieler stützend in der Menschheit Spiel.

Durch dies schickt sie uns ihre Herrlichkeit und Macht,

Drängt uns zu Weisheitshöhn durch Abgründe des Leids;

Sie gibt uns Kraft für unser Tagewerk

Und Mitgefühl für anderer Leid,

Und die geringe Stärke, die unser ist, um unserer Art zu helfen,

Wir, die wir die Rolle des Universums übernommen haben,

Das Komödie spielt in schmächtiger Menschengestalt,

Wir, die wir die ringende Welt auf unseren Schultern tragen.

Das ist der Gott in uns, klein und entstellt;

In diesen menschlichen Teil des höchsten Wesens

Setzt sie die Größe der Seele in der Zeit,

Um sie von Licht zu Licht, von Macht zu Macht zu heben,

Bis sie auf himmlischem Gipfel steht, ein König,

Gebrechlichen Leibs, zuinnerst eine unbesiegbare Macht,

Klimmt stolpernd sie an ungesehner Hand,

Ein sich mühender Spirit in sterblicher Gestalt.

SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH VII CANTO 5

I.Bedeutung und Natur

Diese leibliche Erscheinung ist nicht alles;

Irreführend ist die Form, Maske die Person;

Im Menschen tief verborgen wohnen Himmelsmächte.

Durch das Meer der Jahre trägt sein brüchiges Schiff

Ein Inkognito des Unvergänglichen.

Ein Spirit, eine Flamme Gottes, weilt,

Feuriger Teil des Wundervollen,

Künstler seiner eigenen Schönheit, seiner Wonne,

Unsterblich in unserer sterblichen Armut.

Dieser Bildner der Formen des Unendlichen,

Dieser verborgene, unerkannte Einwohner,

Initiant seiner eigenen verhüllten Mysterien,

Birgt sein kosmisches Denken in stummem Kern.

In stiller Stärke der okkulten Idee

Vorherbestimmte Form und Tat entscheidend,

Wanderer von Leben zu Leben, von Stufe zu Stufe,

Sein erdachtes Selbst von Form zu Form verändernd,

Betrachtet er das Bild, das unter seinem Blicke wächst,

Und ahnt im Wurm den künftigen Gott.

SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH I CANTO 3

Was ist mit dem seelischen Wesen gemeint?

Ich meine mit der Seele das innerste Seelen-Wesen und die Seelen-Natur. In der Umgangssprache wird das Wort nicht in diesem Sinn gebraucht, oder vielmehr, wenn es so gebraucht wird, dann mit großer Unbestimmtheit und viel Verkennung der wahren Natur dieser Seele, und es wird ihm ein großes Feld von Bedeutungen eingeräumt, die den Begriff weit überschreiten. Alle Erscheinungen von abnormaler oder übernormaler psychologischer oder okkulter Art werden als seelisch ausposaunt; wenn ein Mensch eine doppelte Persönlichkeit hat, und von einer zur anderen wechselt, wenn die Erscheinung eines sterbenden Menschen, ein Teil seiner rein vitalen Hülle oder etwa eine Gedankenform von ihm erscheint, und im Zimmer seines verwunderten Freundes umgeht, wenn ein Poltergeist in einem Haus ungehörigen Krach schlägt – all das wird unter seelischen Phänomenen eingeordnet, und als Objekt für die seelische Forschung betrachtet, obgleich diese Dinge rein gar nichts mit der Seele zu tun haben. Und ebenso im Yoga selbst wird viel, was lediglich okkult ist, Erscheinungen der unsichtbaren vitalen oder mentalen oder der feinstofflichen Ebenen, Visionen, Symbole, all jener zweifelhafte, oft verworrene, oft schattenhafte, oft trügerische Erfahrungsbereich, der zum Niemandsland zwischen der Seele und ihren Instrumenten an der Oberfläche gehört, oder vielmehr seinen äußersten Randbezirken, all dieses Chaos des Zwischenbereiches wird summa summarum als seelisch bezeichnet, und als zweitrangiges und zweifelhaftes Gebiet spiritueller Entdeckung betrachtet. Dann wiederum besteht eine fortwährende Verwechslung zwischen dem Begriff der mentalisierten Begierdenseele, die eine Schöpfung des vitalen Drängens im Menschen ist, seiner Lebenskraft, die ihre Erfüllung sucht und der wahren Seele, die ein Funke des Göttlichen Feuers ist, ein Teil des Göttlichen. Weil die Seele, das seelische Wesen, Mental und Vital sowie den Körper als Instrumente für Wachstum und Erfahrung benützt, wird sie für ein Gemenge gehalten oder für eine subtile Schicht des Mentals und Lebens. Doch wenn wir im Yoga diese ganze chaotische Masse als Seelensubstanz oder Seelenregung akzeptieren, werden wir in eine Wirrnis ohne Ausweg geraten. All dies gehört allein zur äußeren Umkleidung der Seele; die Seele selbst ist eine innere Gottheit, größer als Mental oder Leben oder Körper. Sie ist etwas, das, wenn es einmal aus der Verfinsterung durch seine Instrumente entlassen ist, sofort einen direkten Kontakt mit dem Göttlichen und dem Selbst und Spirit herstellt.

SRI AUROBINDO (Archives and Research 3:202)

*

Atman, Jivatman und die Seele

Es ist notwendig, den Unterschied zwischen der sich entfaltenden Seele (dem seelischen Wesen) und dem reinen atman, dem Selbst oder Spirit klar zu verstehen. Das reine Selbst ist ungeboren, es durchläuft weder Tod noch Geburt und ist unabhängig von Geburt oder Körper, von Mental, Leben oder dieser manifestierten Natur. Es wird durch diese Dinge weder gebunden noch eingeschränkt, noch beeinträchtigt, obwohl es sie annimmt und stützt. Im Gegensatz hierzu ist die Seele etwas, das in die Geburt herabkommt und den Tod durchläuft – obwohl sie selbst nicht stirbt, da sie unsterblich ist – und von einem Zustand zum anderen, von der Erdebene zu anderen Ebenen und wieder zurück zum Erdendasein wandert. Sie schreitet von Leben zu Leben durch eine Evolution fort, die sie zum menschlichen Zustand emporführt, und entfaltet in all dem ein Wesen ihrer selbst, das wir das seelische Wesen nennen, welches die Evolution stützt; sie entwickelt ein physisches, vitales und mentales menschliches Bewusstsein als ihre Instrumente der Welterfahrung und eines verhüllten, unvollständigen, doch wachsenden Selbstausdrucks. All dies tut sie hinter dem Schleier und offenbart von ihrem göttlichen Selbst nur soviel, wie es die Unzulänglichkeit des instrumentalen Wesens zulässt. Es kommt jedoch eine Zeit, in der sie sich darauf vorbereiten kann, hinter dem Schleier hervorzutreten, die Führung zu übernehmen und die gesamte instrumentale Natur einer göttlichen Erfüllung zuzuwenden. Dies ist der Beginn des wahren spirituellen Lebens. Die Seele ist nunmehr fähig, sich für eine höhere Evolution des verkörperten Bewusstseins als die des mentalen menschlichen bereit zu machen – sie kann vom mentalen zum spirituellen und über Abstufungen des spirituellen zum supramentalen Zustand fortschreiten. Bis dahin aber gibt es keinen Grund, warum sie sich vom Geborenwerden abkehren sollte, und tatsächlich ist sie hierzu gar nicht in der Lage. Erst nach Erreichung des spirituellen Zustandes kann sie die Erdmanifestation verlassen; es ist aber auch eine höhere Manifestation möglich – im Wissen und nicht in der Unwissenheit.

SRI AUROBINDO (22:438)

*

Das seelische Mental, das seelische Vital, das seelische Physische

Es gibt immer einen Teil des Vitals, des Mentals, des Körpers, der durch die Seele beeinflusst wird oder werden kann; sie können der seelisch-mentale, der seelisch-vitale, der seelisch-physische Teil genannt werden. Entsprechend der Persönlichkeit oder dem Grad der Entwicklung jedes Menschen, kann dieser Teil klein oder groß sein, schwach oder stark, verdeckt und untätig, oder hervortretend und in Tätigkeit. Ist er tätig, dann werden die seelischen Motive oder Ziele durch die Bewegungen des Mentals, Vitals oder des Physischen akzeptiert, sie nehmen am Wesen der Seele teil oder folgen ihren Zielen, jedoch mit einer Modifikation in der Art, wie sie für das Mental, Vital oder Physische typisch ist. Das seelische Vital sucht das Göttliche, doch ist in seinem Selbstgeben Forderung, Begehren und vitale Spannung enthalten. Die Seele hat das nicht, denn der Seele ist stattdessen reines Selbstgeben, Streben und die Intensität des seelischen Feuers eigen. Das seelische Vital ist dem Schmerz und Leid unterworfen, was es in der Seele nicht gibt.

SRI AUROBINDO (24:1111)

*

Die doppelte Seele

Es gibt eine doppelte Seele oder ein doppeltes seelisches Prinzip in uns, so wie jedes andere kosmische Prinzip in uns ebenfalls doppelt ist. Denn wir haben zwei Mentale, ein Oberflächenmental unseres manifestierten evolutionären Egos, die oberflächliche Mentalität, die durch uns in unserem Auftauchen aus der Materie geschaffen wurde; und ein anderes, ein inneres Mental, das durch unser eigentliches mentales Leben und seine starren Begrenzungen nicht behindert wird, das etwas Großes, Mächtiges und Leuchtendes ist, das wahre mentale Wesen hinter jener oberflächlichen Form der mentalen Personalität, die wir fälschlicherweise für uns selbst halten. In gleicher Weise haben wir zwei Leben, ein äußeres, das durch seine vergangene Evolution im physischen Körper eingeschlossen ist, das lebt und geboren wurde und sterben wird; während das andere eine subliminale Lebenskraft ist, nicht eingepfercht zwischen den engen Grenzen unserer physischen Geburt und unseres physischen Todes, sondern unser wahres vitales Wesen hinter jener Lebensform, die wir unwissentlich für unser wirkliches Dasein halten. Selbst im Stoff unseres Seins besteht diese Dualität: denn hinter unserem Körper haben wir ein feineres, stoffliches Dasein, das die Substanz, nicht nur für unsere physischen, sondern auch unsere vitalen und mentalen Hüllen liefert, und daher unsere wirkliche Substanz ist, die diese physische Form stützt, die wir irrtümlicherweise für den ganzen Körper unseres Spirits halten. In gleicher Weise haben wir eine doppelte seelische Wesenheit in uns, die oberflächliche Begierdenseele, die in unserem vitalen Streben wirkt, in unseren Gefühlen, in unserem ästhetischen Talent und mentalen Suchen nach Macht, Wissen und Glück, sowie eine subliminale Wesenheit, eine reine Macht des Lichts, der Liebe, Freude und verfeinerten Essenz des Wesens, die unsere wahre Seele hinter der äußeren Form des seelischen Daseins ist, das wir so oft mit dem Namen Seele auszeichnen. Wenn ein Widerschein dieser größeren und reineren seelischen Wesenheit an die Oberfläche tritt, sagen wir von einem Menschen, er habe eine Seele, und wenn sie in seinem äußeren, seelischen Leben fehlt, sagen wir von ihm, er habe keine Seele.

Die äußeren Formen unseres Wesens sind die unserer kleinen, egoistischen Existenz; die subliminalen sind die Formierungen unserer größeren, wahren Individualität. Diese sind daher jener verborgene Teil unseres Wesens, in welchem unsere Individualität unserer Universalität nahe ist, diese berührt, und in fortwährender Beziehung und fortwährendem Austausch mit ihr steht. Das subliminale Mental in uns ist offen für das universale Wissen des kosmischen Mentals, das subliminale Leben in uns ist offen für die universalen Kräfte des kosmischen Lebens, das subliminale Physische in uns ist offen für die universalen Kraftformierungen der kosmischen Mächte; die dichten Wände, durch die unser Oberflächen-Mental, -Leben und -Körper von diesen Dingen getrennt sind, und welche die Natur mit soviel Mühe, so unvollkommen und mit Hilfe so vieler geschickt schwerfälliger, physischer Methoden durchstoßen muss, sind dort im Subliminalen ein verdünntes Medium von Trennung und Kommunikation zugleich. In gleicher Weise ist auch die subliminale Seele in uns dem universalen Entzücken offen, das die kosmische Seele in ihr eigenes Dasein aufnimmt, und in das Dasein der Myriaden Seelen, das sie verkörpert, und in die Tätigkeiten von Mental, Leben und Materie, durch welche die Natur sich zu deren Spiel und Entwicklung hergibt; doch von diesem kosmischen Entzücken ist die Oberflächenseele durch die egoistischen Wände von großer Dichte ausgeschlossen, die zwar Pforten des Durchlasses besitzen, doch die Anflüge göttlich-kosmischen Entzückens verblassen bei ihrem Durchgang, werden entstellt oder müssen sich als ihr eigenes Gegenteil maskieren.

SRI AUROBINDO (18:220)

*

Die Natur des seelischen Wesens

Es ist die eigentliche Natur der Seele oder des seelischen Wesens, sich zu der Göttlichen Wahrheit hinzuwenden, wie die Sonnenblume zu der Sonne; sie akzeptiert alles und klammert sich an alles an, das göttlich ist, oder sich auf die Gottheit hinentwickelt, und sie zieht sich von allem zurück, was diese entstellt oder leugnet, von allem, was falsch und ungöttlich ist. Dennoch ist die Seele zunächst nur ein Funke und dann eine kleine Flamme der Gottheit, die inmitten großer Finsternis brennt; meist ist sie in ihrem inneren Heiligtum verhüllt, und zu ihrer Enthüllung bedarf sie des Mentals, der Lebenskraft und des physischen Bewusstseins, und sie muss diese dazu bewegen, ihr [der Seele] so gut es geht, Ausdruck zu verleihen; im allgemeinen hat sie damit bestenfalls insoweit Erfolg, dass sie deren Äußerlichkeit mit ihrem inneren Licht durchdringt und mit ihrer läuternden Feinheit deren dunkle Verborgenheiten oder grobes Gemisch modifiziert. Selbst wenn ein geformtes seelisches Wesen vorhanden ist, das sich mit einiger Direktheit im Leben auszudrücken vermag, ist es dennoch in allen, ausgenommen in einigen wenigen, nur ein kleiner Teil des [menschlichen] Wesens – „nicht größer an Körpermasse als der Daumen eines Menschen“, welches das Gleichnis war, das von den alten Sehern gebraucht wurde –, und es ist nicht in der Lage, sich gegen die Dunkelheit und unwissende Kleinheit des physischen Bewusstseins durchzusetzen, gegen die falsche Sicherheit des Mentals oder die Arroganz und Heftigkeit der vitalen Natur. Diese Seele muss das menschlich-mentale, gefühlsbetonte und sinnliche Leben akzeptieren, so wie es ist, seine Voraussetzungen und Aktivitäten, seine bewahrten Formen und Erscheinungen; sie muss sich hart mühen, das göttliche Element in all dieser relativen Wahrheit, die mit fortwährendem, verfälschendem Irren vermischt ist, zu befreien und zu mehren, diese Liebe, preisgegeben der Benutzung durch den Tierkörper oder der Befriedigung durch das vitale Ego, dieses Leben eines durchschnittlichen Menschentums, das mit der seltenen und fahlen Erkenntnis einer Gottheit durchwirkt ist, aber auch den dunklen Scheußlichkeiten des Dämons und Untiers. Obgleich unbeirrt in ihrem eigentlichen Willen, muss sie oft unter dem Druck ihrer Instrumente (dem Mental, Vital und dem Physischen) fehlerhaftem Tun nachgeben, falscher Anwendung der Gefühle, falscher Wahl der Person, dem Irren in der genauen Formulierung ihres Willens, in der Art, ihr unfehlbares, inneres Ideal auszudrücken. Dennoch besteht eine Ahnung im Inneren, dass sie ein verlässlicherer Führer als der Verstand ist, oder auch als das höchste Verlangen, und selbst durch offensichtliches Irren und Fehlen vermag ihre Stimme immer noch besser zu leiten, als der präzise Intellekt und das erwägende, mentale Urteil. Diese Stimme der Seele ist nicht das, was wir Bewusstsein nennen –, denn das ist nur ein mentaler und oft konventioneller, irrender Ersatz; es ist ein tieferer und seltener gehörter Ruf; dennoch, wenn er gehört wird, ist es das weiseste, ihm zu folgen; es ist sogar besser, dem Ruf seiner Seele folgend umherzuirren, als mit dem Verstand und dem äußeren moralischen Ratgeber scheinbar geradeaus zu gehen. Doch erst, wenn sich das Leben dem Göttlichen zuwendet, kann die Seele wahrhaft hervortreten und ihre Macht den äußeren Gliedern auferlegen; denn da sie selbst ein Funke des Göttlichen ist, besteht ihr wahres Leben und eigentlicher Daseinsgrund darin, dass ihre Flamme dem Göttlichen entgegen wächst.

SRI AUROBINDO (21:144)

*

Die Seele und das Spirituelle

Besteht ein Unterschied zwischen dem „Spirituellen“ und der „Seele“? Sind es verschiedene Ebenen?

Ja, die seelische Ebene gehört zur persönlichen Manifestation; die Seele ist das, was göttlich in dir ist, herausgestellt, um dynamisch im Spiel [der Natur] zu sein. Doch wenn wir vom Spirituellen sprechen, denken wir an etwas, das eher im Göttlichen als in der äußeren Manifestation konzentriert ist. Die spirituelle Ebene ist etwas Statisches hinter und über dem äußeren Spiel [der Natur]; sie stützt die Instrumente der Natur, ist aber nicht selbst in der äußeren Manifestation mit einbezogen oder in sie verstrickt. Doch wenn wir von diesen Dingen sprechen, müssen wir uns vorsehen, nicht von den Worten, die wir gebrauchen, eingeschlossen zu werden. Wenn ich von der Seele oder dem Spirituellen spreche, meine ich Dinge, die hinter der flachen Oberfläche der Worte sehr tief und wirklich sind, und selbst in ihrer Verschiedenheit innerlich miteinander verbunden sind. Intellektuelle Definitionen und Unterscheidungen sind zu äußerlich und starr, um die Wahrheit der Dinge zu erfassen.

DIE MUTTER (3:63)

*

Worin besteht der Unterschied zwischen „spirituell“ und „seelisch“?

Es ist nicht die gleiche Sache. Die Seele ist das Wesen, das durch die göttliche Gegenwart ins Leben gerufen wurde, und sie gehört zur Erde – ich meine nicht das Universum, nur die Erde; nur auf Erden gibt es das seelische Wesen. Das übrige Universum ist auf ganz andere Weise gestaltet.

Das Universum enthält alle Bereiche, die höher als das Physische sind: es gibt ein globales Physisches, welches das Mental, das Vital usw. umfasst, und alle Bereiche über dem Mental sind solche einer spirituellen Ordnung, Bereiche, die für uns Bereiche des Spirits sind; und dieser „Spirit“ ist es, der sich nach und nach fortschreitend materialisiert, um bei der Materie, wie wir sie sehen, anzulangen. Die Wesen des Obermental-Bereiches zum Beispiel, und all die Wesen der höheren Regionen besitzen kein seelisches Wesen – die „Engel“ haben kein seelisches Wesen. Erst auf Erden beginnt das seelische Leben, und durch genau diesen Prozess hat das Göttliche das stoffliche Leben zu der Notwendigkeit erweckt, seinen göttlichen Ursprung wiederzufinden. Ohne die Seele wäre die Materie nie aus ihrer Unbewusstheit erwacht, sie hätte nie nach dem Leben ihres Ursprungs, dem spirituellen Leben, gestrebt. Man kann daher sagen, dass das seelische Wesen im Menschen die Offenbarung spiritueller Aspiration ist; doch spirituelles Leben als solches ist unabhängig von der Seele.

DIE MUTTER (4:164)

*

Gefühl und Liebe – vital und seelisch

Ist ein Gefühl immer eine vitale Regung?

Es hängt von dem Gefühl ab, und es hängt auch davon ab, was du ein Gefühl nennst. Es gibt zum Beispiel einen Zustand, in dem du dir einer sehr präzisen, sehr klaren seelischen Bewegung gewärtig bist – dies geschieht ziemlich oft – das Gefühl ist so mächtig, dass dir Tränen in die Augen kommen. Nicht, dass du traurig oder glücklich wärst, weder das eine noch das andere; es entspricht keinem bestimmten Gefühl, es ist vielmehr eine Gefühlsintensität, die von etwas herrührt, das klar und deutlich seelisch ist. Es mag in dir selbst sein, doch noch öfter ist es in jemand anderem. Wenn du mit einer Tat in Berührung kommst, einer Regung, einer Manifestation, die der Seele angehört, dann füllen sich plötzlich die Augen mit Tränen. Wenn du das ein Gefühl nennst ... offensichtlich ist es ein Gefühl. Doch im allgemeinen kommt es daher: das physische Wesen hat eine nicht sehr bewusste, doch intensive Sehnsucht nach einem Kontakt mit dem seelischen Wesen. Es fühlt sich armselig, entblößt, abgesondert und verlassen, wenn es nicht in Kontakt mit dem seelischen Wesen ist. Nicht ein physisches Wesen in einer Million ist sich dessen bewusst. Doch dieser Eindruck, verloren zu sein, schutzlos in der Luft zu hängen ohne Hilfe, etwas zu missen und nicht zu wissen, was es ist, etwas, das du nicht verstehst, doch das dir fehlt, eine Leere irgendwo: nun, das kommt häufiger vor als man denkt – doch wissen die Menschen nicht, was es ist. Dann aber, wenn aus dem einen oder anderen Grund dieses Bewusstsein plötzlich in Kontakt mit einem deutlich seelischen Phänomen kommt, mit seelischen Kräften, seelischen Schwingungen, ist das Gefühl so stark, dass es der Körper meist nicht halten kann. Es ist wie eine Freude, die zu groß ist, die nach allen Seiten überfließt, für die du keinen Raum in dir hast, die du nicht in dir bewahren kannst. So ist es. Und plötzlich hast du eine Art Offenbarung, nicht sehr bewusst, nicht deutlich ausgedrückt, die Offenbarung von ... dies ist es, dies ist es, was ich haben muss. Und es ist so machtvoll, so mächtig, dass es dir ein Gefühl verleiht, das sich aus so vielen Dingen zusammensetzt, dass du kaum sagen kannst, was es ist. Solche Gefühle sind nicht vital.

Vitale Gefühle sind von ganz anderer Natur, sie sind sehr klar, sehr präzis, du kannst sie sehr deutlich ausdrücken; sie sind heftig, sie erfüllen dich meist mit Intensität und Rastlosigkeit und manches Mal mit einer großen Befriedigung. Und dann kommt das Gegenteil mit der gleichen Kraft. Daher denken die Leute, viele Leute denken – wir haben das bereits mehrere Male erwähnt –, dass sie nur dann die Erfahrung der Liebe haben, wenn sie so ist, wenn sie im Vital ist, wenn sie mit all den Regungen des Vitals kommt, all dieser Intensität, diesem Ungestüm, dieser Präzision, diesem Zauber. Und wenn das fehlt, sagen sie: „Oh, das ist nicht Liebe“.

Und dennoch ist es genau das, was die Liebe entstellt: es ist schon nicht mehr Liebe, es ist der Beginn der Leidenschaft. Und das ist ein beinahe universaler Trugschluss der Menschen.

Manche Menschen sind voll einer sehr reinen, sehr hohen, sehr selbstlosen seelischen Liebe, und wissen dennoch nichts darüber und glauben, sie seien kalt, trocken und ohne Liebe, da dieses Gemisch der vitalen Vibration fehlt. Für sie beginnt und endet Liebe mit dieser Vibration.

Und da das, was aus Bewegungen und Reaktionen und Heftigkeiten aller Art besteht, sowohl in Niedergeschlagenheit als in Befriedigung, etwas sehr Unstetes ist, ist für diese Leute auch die Liebe etwas sehr Flüchtiges: in ihrem Leben dauert die Liebe Minuten. Sie mag einige Stunden dauern und wird dann wieder dumpf und flach, und sie meinen, sie seien von der Liebe verlassen worden.

Wie ich sagte, einige Menschen sind durchaus darüber hinausgelangt, sie sind in der Lage gewesen, es [das Gefühl] derart zu kontrollieren, dass es mit nichts anderem vermischt wurde; sie haben in sich diese seelische Liebe, die voller Selbstvergessen ist, voller Selbstgeben und Mitleid und Großzügigkeit, voll der Würde des Lebens, und die eine große Macht der Selbsterkenntnis ist. Daher glauben viele dieser Menschen, sie seien kalt und gleichgültig – es sind sehr nette Menschen, weißt du, aber sie lieben nicht, – und manchmal wissen sie es selbst nicht. Ich kannte Menschen, die dachten, sie seien ohne Liebe, da sie diese Vibration nicht empfanden. Meistens, wenn die Menschen von Gefühlen sprechen, sprechen sie von vitalen Gefühlen. Es gibt aber eine andere Art von Gefühlen, die von ungleich höherer Ordnung ist und sich nicht auf die gleiche Weise ausdrückt, die genausoviel Intensität besitzt, aber eine kontrollierte Intensität, verhalten, verdichtet, konzentriert, und die eine außergewöhnliche dynamische Macht ist.

Wahre Liebe kann außergewöhnliche Dinge erreichen, sie ist aber selten. Alle Arten von Wunder können aus Liebe für die Person getan werden, die man liebt – nicht für jeden, aber für die Menschen oder die Person, die man liebt. Es muss aber eine Liebe sein, die frei ist von allem vitalen Gemisch, eine absolut reine und selbstlose Liebe, die nichts zurückfordert und nichts zurückerwartet.

DIE MUTTER (15:343)

*

Wissen – mental und seelisch

Das innere mentale Wesen bewacht, beobachtet und beurteilt alles, was in dir geschieht. Die Seele bewacht und beobachtet nicht auf diese Weise, so wie ein Zeuge, sondern fühlt und erkennt spontan auf eine viel direktere und lichtvollere Art, eben durch die Reinheit ihrer Natur und des ihr innewohnenden göttlichen Instinktes; daher enthüllt sie sofort, wann immer sie hervortritt, die rechten und falschen Regungen in deiner Natur.

SRI AUROBINDO (22:301)

*

II.Rolle, Aufgabe und Tätigkeit

Dies Keimselbst ins Unbestimmte gesät

Verwirkt die Glorie seiner Göttlichkeit,

Verbirgt die Allmacht seiner Kraft,

Verbirgt die Allweisheit seiner Seele;

Mittler des eigenen transzendenten Willens,

Verschmilzt es Wissen mit der unbewussten Tiefe;

Erduldet Irrtum, Sorge, Tod und Schmerz,

Bezahlt das Lösegeld der unwissenden Nacht,

Erlöst mit seiner Substanz die gefallene Natur.

SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH III CANTO 3

*

In dieser Belehnung mit fleischlichem Leben

Überlebt eine Seele, ein Funke Gottes,

Manchmal den trüben Schirm durchbrechend,

Ein Feuer entzündend, das uns fast göttlich macht.

SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH II CANTO 5

*

Unsere Seele wirkt von geheimer Kammer;

Ihr drängender Einfluss auf Herz und Geist

Lässt diese ihr sterbliches Selbst überschreiten;

Sie sucht das Gute und Schöne und Gott;

Jenseits des Selbstes Mauer sehn wir unser grenzenloses Selbst,

Erspähn durch das Glas unserer Welt halb-sichtbare Weiten,

Und jagen nach Wahrheit hinter dem Schein der Dinge.

SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH VII CANTO 2

Die Aufgabe der Seele

Das ist die Aufgabe der Seele – sie muss auf jeder Ebene wirken, um jeder dazu zu verhelfen zur wahren Wahrheit und Göttlichen Wirklichkeit zu erwachen.

SRI AUROBINDO (22:297)

*

Ist es der seelische Wille, der die Identifizierung des Wesens mit dem Göttlichen will?

Ja, sicher. Es ist der Wille der Seele. Es ist auch der eigentliche Grund ihres Daseins. Zu diesem Zweck ist sie hier. Zum Beispiel öffnen sich im Mental gewisse Aktivitäten (zeitweilig sogar im Physischen und im Vital) ... dem Einfluss der Seele, ohne es überhaupt zu wissen. Diese Teile bleiben dann dabei und beginnen nach göttlichem Wissen zu streben, der göttlichen Einung, der Beziehung mit dem Göttlichen.

DIE MUTTER (5:395)

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Einfluss und Tätigkeit der Seele

Zu Beginn ist die Seele in der [menschlichen] Natur – die seelische Wesenheit, deren Entfaltung der erste Schritt auf eine spirituelle Wandlung hin ist – ein gänzlich verhüllter Teil von uns, obwohl sie es ist, durch die wir existieren und als individuelle Wesen in der Natur ausharren. Die anderen Teile unseres natürlichen Aufbaus sind nicht nur veränderlich, sondern vergänglich; doch die seelische Wesenheit in uns dauert fort, und ist grundlegend immer die gleiche: sie enthält alle wesentlichen Möglichkeiten unserer Manifestation, wird aber durch sie nicht geformt; sie ist durch das, was sie manifestiert, weder begrenzt noch durch die unvollkommenen Formen der Verkörperung eingedämmt, sie wird auch nicht befleckt durch die Mängel und Unreinheiten, die Fehler und Verderbtheiten des Oberflächen-Wesens. Sie ist eine immerdar reine Flamme der Gottheit in den Dingen, und nichts, das an sie herantritt, kann ihre Reinheit besudeln oder die Flamme löschen. Diese spirituelle Substanz ist makellos und leuchtend und, da sie in vollendeter Weise leuchtend ist, ist sie sich unmittelbar, engstens und direkt der Wahrheit des Wesens und der Wahrheit der Natur bewusst; sie ist sich des Wahren und des Guten und des Schönen zutiefst bewusst, da das Wahre und Gute und Schöne ihrem eigenen ursprünglichen Charakter verwandt sind, Formen von etwas, das ihrer eigenen Substanz innewohnt. Sie nimmt auch alles wahr, was diesen Dingen widerspricht, alles was von ihrem eigenen eingeborenen Wesen abweicht: die Falschheit und das Übel und das Hässliche und das Unziemliche; doch weder wird sie zu diesen Dingen, noch wird sie von diesen Gegensätzen ihrer selbst, die so machtvoll ihre äußere Instrumentation von Mental, Leben und Körper beeinträchtigen, berührt oder verändert. Denn die Seele, das bleibende Wesen in uns, stellt Mental, Leben und Körper als ihre Instrumente in den Vordergrund, sie benützend und die Umhüllung ihrer Beschaffenheit duldend; sie selbst jedoch ist anders und größer als ihre Teile.

Wäre die seelische Wesenheit von Anfang an unverhüllt gewesen, von ihren Dienern erkannt, kein einsamer König in abgeschirmtem Gemach, dann hätte die menschliche Evolution aus einem raschen Erblühen der Seele bestanden, und nicht aus der schwierigen, wechselvollen und entstellten Entwicklung, die sie jetzt ist; doch ist die Umhüllung dicht, und wir kennen das geheime Licht in uns nicht, das Licht der verborgenen Krypta in des Herzens innerstem Heiligtum. Hinweise steigen von der Seele zu unserer Oberfläche empor, doch unser Mental entdeckt ihren Ursprung nicht; es sieht sie als seine eigenen Aktivitäten an, da sie, bevor sie zur Oberfläche gelangen, in mentale Substanz gekleidet sind; daher, ihre Herkunft nicht kennend, folgt es ihnen oder folgt ihnen nicht, seiner augenblicklichen Neigung oder Denkweise entsprechend. Wenn das Mental dem Drängen des vitalen Egos folgt, hat die Seele nur geringe Chance die Natur zu kontrollieren oder etwas in uns von ihrer geheimen spirituellen Substanz oder eingeborenen Bewegung zu manifestieren; oder, wenn das Mental übermäßig davon überzeugt ist, gemäß seinem eigenen kleineren Licht zu handeln, verhaftet dem eigenen Urteil, Willen und Wissen, auch dann wird die Seele verhüllt und still bleiben und auf die weitere Evolution des Mentals warten. Denn der seelische Teil im Inneren hat die Aufgabe, die natürliche Evolution zu stützen, und die erste natürliche Evolution muss die Entwicklung von Körper, Leben und Mental sein, in dieser Reihenfolge, und jedes von ihnen muss auf seine Weise handeln, oder alle zusammen in ihrer schlecht gemischten Partnerschaft, damit sie wachsen und Erfahrungen sammeln und sich entwickeln. Die Seele häuft die Essenz all unserer mentalen, vitalen und körperlichen Erfahrung an und assimiliert sie zur weiteren Evolution unseres Daseins in der Natur; doch ist diese Tätigkeit verborgen, und nicht der Oberfläche aufgenötigt: Tatsächlich gibt es in den frühen, stofflichen und vitalen Stadien der Evolution des Wesens kein Seelenbewusstsein; es gibt seelische Aktivitäten, doch die Instrumentation, die Form dieser Aktivitäten ist vital und physisch – oder mental, wenn das Mental bereits aktiv ist. Denn selbst das Mental, solange es primitiv ist, oder selbst wenn es entwickelt ist, doch noch zu äußerlich, erkennt ihren tieferen Charakter nicht. Es ist einfach, sich als physisches Wesen zu betrachten, oder als ein Wesen der Lebenssphäre oder als mentales Wesen, welches das Leben und den Körper benützt, und dabei das Dasein der Seele insgesamt zu ignorieren: denn die einzige bestimmte Vorstellung, die wir von der Seele haben, besteht darin, dass etwas den Tod unseres Körpers überlebt; doch was das ist, wissen wir nicht, denn selbst wenn wir uns manchmal ihrer Gegenwart bewusst sind, wissen wir normalerweise weder etwas von ihrer deutlichen Realität, noch fühlen wir klar ihre unmittelbare Tätigkeit in unserer Natur.

In dem Maße wie die Evolution fortschreitet, beginnt die Natur langsam und tastend unsere geheimen Teile zu manifestieren; sie führt uns dahin, mehr und mehr nach Innen zu sehen, oder beginnt deutlicher erkennbare Hinweise und ihre Formungen an der Oberfläche einzuführen. Die Seele in uns, das seelische Prinzip, hat bereits begonnen, geheime Form anzunehmen; sie stellt eine Seelenpersonalität, ein deutliches seelisches Wesen in den Vordergrund, um sie zu repräsentieren. Dieses seelische Wesen bleibt noch hinter dem Schleier in unserem subliminalen Teil, dem wahren Mental, dem wahren Vital oder dem wahren oder feinstofflichen Wesen in uns: doch wie diese, wirkt es auf das Oberflächenleben durch Einflüsse und Mitteilungen, die es zur Oberfläche sendet; diese bilden einen Teil des Oberflächenaggregates, bestehend aus der angehäuften Wirkung der inneren Einflüsse und Aufwallungen, und aus der sichtbaren Form und dem Überbau, den wir im allgemeinen als uns selbst erfahren und betrachten. An dieser unwissenden Oberfläche nehmen wir undeutlich etwas wahr, das eine Seele genannt werden kann, deutlich verschieden von Mental, Leben oder Körper; wir fühlen sie nicht nur als mentale Idee oder vagen Instinkt unserer selbst, sondern als wahrnehmbaren Einfluss auf unser Leben, unseren Charakter und unsere Tätigkeit. Ein gewisses feines Gefühl für alles, das wahr und gut und schön ist, subtil und rein und edel, eine Reaktion darauf, ein Verlangen danach, ein Druck auf Mental und Leben, es in unserem Denken, Fühlen, Verhalten, Charakter zu akzeptieren und auszudrücken, ist das am meisten vorkommende, allgemeinste und typischste, obwohl nicht das einzige Zeichen dieses Einflusses der Seele. Von dem Menschen, der dieses Element nicht in sich hat oder diesem Drängen gegenüber gänzlich taub ist, wird gesagt, er habe keine Seele. Denn es ist dieser Einfluss, den wir am leichtesten als einen edleren oder sogar göttlicheren Teil in uns erkennen, der mächtigste, der uns langsam zu einem Streben nach Vollkommenheit in unserer Natur hinführt.

Doch dieser seelische Einfluss, diese seelische Tätigkeit kommt nicht ganz rein zur Oberfläche, oder bleibt nicht klar erkennbar in ihrer Reinheit; wenn es nicht so wäre, könnten wir deutlich das Seelenelement in uns unterscheiden, und bewusst und voll seinen Befehlen folgen. Eine okkult mentale, vitale und subtil physische Tätigkeit greift ein, vermischt sich damit, [mit dem Einfluss der Seele] und versucht ihn zu ihrem eigenen Nutzen zu gebrauchen und zu wenden; sie vermindert seine Göttlichkeit, entstellt und verringert seinen Selbstausdruck, bewirkt sogar seine Ablenkung und sein Straucheln oder befleckt ihn mit der Unreinheit, Kleinlichkeit und dem Irren des Mentals, Lebens und Körpers. Wenn er, [der Einfluss der Seele] derart beeinträchtigt und vermindert, die Oberfläche erreicht, wird er von der Oberflächennatur in dunklem Empfang und unwissender Formierung ergriffen, was eine weitere Ursache für Ablenkung und Vermischung ist oder sein kann. Eine Wende findet statt, eine falsche Richtung wird auferlegt, eine falsche Anwendung, eine falsche Formierung, woraus ein fehlerhaftes Ergebnis dessen resultiert, was an sich reine Substanz und Tätigkeit unseres spirituellen Wesens ist; dementsprechend entsteht eine Bewusstseinsformierung, die eine Vermischung des seelischen Einflusses und seiner Hinweise mit mentalen Ideen und Meinungen, mit vitalem Begehren und Drängen und gewohnheitsmäßigen physischen Neigungen darstellt. Mit dem verdunkelten Seeleneinfluss verschmelzen auch die unwissenden, obgleich wohlgemeinten Bemühungen dieser äußeren Teile, eine höhere Richtung einzuschlagen; eine mentale Ideenbildung von sehr vermischtem Charakter, oft dunkel, selbst in ihrem Idealismus, manchmal sogar verhängnisvoll irrend, eine Glut und Leidenschaft des emotionellen Wesens, das sein Sprühen und Schäumen der Gefühle, Empfindungen und Sentimentalitäten emporsendet, ein dynamischer Enthusiasmus der Lebensteile, heftige Reaktionen des Physischen, die Schauer und Aufregungen von Nerv und Körper – all diese Einflüsse verschmelzen in vielfältiger Form, die häufig für die Seele angesehen werden; und ihre vermischte und verworrene Tätigkeit wird für eine Seelenregung gehalten, für eine seelische Entwicklung und Tätigkeit oder einen klar erkannten inneren Einfluss. Die seelische Wesenheit selbst ist frei von Befleckung oder Vermischung, doch was aus ihr emporsteigt, wird von dieser Immunität nicht geschützt; daher ist dieses Durcheinander möglich.

Außerdem taucht das seelische Wesen, die Seelenpersonalität in uns, nicht ausgewachsen und leuchtend auf; sie entfaltet sich, durchläuft eine langsame Entwicklung und Formierung; ihre Seinsgestalt mag zunächst undeutlich, und danach auf lange Zeit hin schwach und unentwickelt bleiben, nicht unrein, doch unvollständig: denn sie stützt sich in ihrer Formung, ihrer dynamischen Selbstgestaltung auf die Macht der Seele, die tatsächlich und mehr oder weniger erfolgreich in der Evolution gegen den Widerstand von Unwissenheit und Unbewusstheit an die Oberfläche herausgestellt wurde. Ihr Erscheinen ist das Zeichen eines Auftauchens der Seele in der Natur, und wenn dieses Auftauchen noch klein und fehlerhaft ist, dann ist auch die Seelenpersonalität verkümmert oder schwach. Sie ist auch durch die Dunkelheit unseres Bewusstseins von ihrer inneren Wirklichkeit getrennt, in unvollständiger Verbindung mit ihrem eigentlichen Ursprung in den Tiefen des Wesens; denn der Pfad ist noch schlecht gebaut und wird leicht blockiert, die Drähte sind häufig durchschnitten oder mit Kommunikationen anderer Art überladen, die aus einer anderen Quelle stammen: ihre Fähigkeit, das, was sie empfängt, den äußeren Instrumenten aufzuprägen, ist ebenfalls beschränkt; in ihrer Not muss sie sich für die meisten Dinge auf diese äußeren Instrumente verlassen, und sie formt ihren Drang nach Ausdruck und Tätigkeit nach deren Daten, und nicht ausschließlich nach den untrüglichen Wahrnehmungen der seelischen Wesenheit. Unter diesen Bedingungen kann sie nicht verhindern, dass das wahre seelische Licht im Mental zu einer bloßen Idee oder Meinung vermindert und entstellt wird, das seelische Gefühl im Herzen zu einer fehlbaren Emotion oder in bloßes Sentiment, der seelische Wille nach Tätigkeit in den Lebensteilen in blinden, vitalen Enthusiasmus oder eine fieberhafte Erregung: sie akzeptiert sogar diese Fehldeutungen in Ermanglung von etwas Besserem und versucht sich durch sie zu erfüllen. Denn es gehört zur Arbeit der Seele, Mental, Herz und Vital zu beeinflussen, und ihre Ideen und Gefühle, ihre Begeisterung, ihren Dynamismus in die Richtung dessen zu wenden, was göttlich und leuchtend ist; doch muss das zunächst unvollkommen, langsam und mit einer Beimengung geschehen. In dem Maße wie die seelische Personalität an Stärke gewinnt, wird ihre Verschmelzung mit der seelischen Wesenheit dahinter größer und ihre Verbindung mit der Oberfläche besser: sie kann ihre Hinweise an Mental, Herz und Leben mit größerer Reinheit und Kraft übermitteln; denn sie vermag nun eine stärkere Kontrolle auszuüben und gegen falsche Beimengungen zu reagieren; mehr und mehr wird sie jetzt deutlich als eine Macht in der [menschlichen] Natur gefühlt. Doch selbst auf diese Weise wäre diese Evolution, bliebe sie allein der schwerfälligen, automatischen Tätigkeit der evolutionären Energie überlassen, langsam und langwierig; erst wenn der Mensch zur Erkenntnis der Seele erwacht und das Bedürfnis spürt, sie nach vorne zu bringen, und sie zum Meister seines Lebens und seiner Tätigkeit zu machen, tritt eine schnellere, bewusstere Methode der Evolution in Kraft und eine seelische Umwandlung wird möglich.

SRI AUROBINDO (19:891)

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Unterweisung durch die Organisation des Lebens

Hat die Seele irgendwelche Macht?

Macht? Meist ist es die Seele, die das Wesen leitet. Man weiß nichts darüber, denn man ist sich dessen nicht bewusst, doch im allgemeinen leitet sie das Wesen. Wenn man sehr aufmerksam ist, wird man sich dessen bewusst. Doch die Mehrheit der Menschen hat nicht die leiseste Idee davon. Wenn sie zum Beispiel in ihrer äußeren Unwissenheit beschlossen haben, etwas Bestimmtes zu tun, doch dann ordnen sich alle Umstände derart, dass sie etwas ganz anderes tun, dann beginnen sie zu schimpfen, zu toben und wütend gegen das Schicksal anzugehen und zu sagen (es hängt davon ab, woran sie glauben, von ihrer Religion), dass die Natur hinterhältig, ihr Schicksal unheilvoll oder Gott ungerecht sei oder ... ganz gleichgültig was (es hängt davon ab, woran sie glauben). Wobei während der ganzen Zeit genau jene Umstände für ihre innere Entwicklung am vorteilhaftesten waren. Und natürlich, wenn du die Seele darum bittest, dir dabei zu helfen, dir ein angenehmes Leben zu gestalten, Geld zu verdienen, Kinder zu haben, die der Stolz der Familie sind, etc., nun, dabei wird dir die Seele nicht helfen. Aber sie wird alle erforderlichen Umstände für dich schaffen, um etwas in dir wachzurufen, damit die Sehnsucht, sich mit dem Göttlichen zu vereinen in deinem Bewusstsein geboren werde. Manchmal hast du prächtige Pläne gemacht und wenn sie erfolgreich gewesen wären, wärst du immer mehr in deiner äußeren Unwissenheit erstarrt, in deinem dummen, kleinen Ehrgeiz und deiner ziellosen Tätigkeit. Doch wenn du einen kräftigen Schock empfängst, und der Posten, den du begehrtest, wird dir verweigert, der Plan, den du aufstelltest, wird vereitelt, und in allem wird dir ein Strich durch die Rechnung gemacht, dann öffnet dieser Widerstand dir manchmal eine Tür auf etwas Wahreres und Tieferes. Und wenn du ein wenig bewusst bist und zurückblickst, wenn du ein wenig aufrichtig bist, sagst du dir: „Ah, nicht ich hatte recht – es war die Natur oder die göttliche Gnade oder mein seelisches Wesen, durch die es geschah.“ Es ist das seelische Wesen, das so etwas auslöst.

DIE MUTTER (5:394)

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Das seelische Wesen – Zentrum der Selbst-Einung

Die Arbeit, das menschliche Wesen zu einen, besteht darin:

1. sich seines seelischen Wesens bewusst zu werden und

2. alle eigenen Regungen, Impulse, Gedanken und Willensakte, sobald man sich ihrer bewusst wird, vor das seelische Wesen hinzustellen, damit es jede dieser Regungen, Impulse, Gedanken oder Willensakte akzeptiere oder zurückweise. Jene, die es akzeptiert, werden bewahrt und durchgeführt; jene, die es zurückweist, werden aus dem Bewusstsein vertrieben, um niemals mehr zurückzukehren.

DIE MUTTER (16:412)

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III.Wachstum und Entwicklung

Ein Wesen, ausharrend im Vergehen der Welten,

In vielfacher Gestalt, obgleich dasselbe immerdar,

Dem äußeren Geiste nicht erkennbar,

Prägt unter fremden Namen in fremden Ländern

Im Ablauf der Zeiten der Erde abgegriffenes Blatt

Mit einem wachsenden Bild seines geheimen Selbstes,

Lernt durch Erfahrung, was der Spirit wusste,

Bis es erkennt, dass seine Wahrheit lebt und Gott.

SRI AUROBINDO

Evolution und Seele

„Dieses erdhafte evolutionäre Wirken der Natur, von der Materie zum Mental und darüber hinaus, ist durch einen doppelten Prozess gekennzeichnet: einem äußeren, sichtbaren Vorgang der physischen Evolution mit der Geburt als seinem Mechanismus –, denn jede entwickelte Körperform, die ihre eigene entwickelte Bewusstseinsmacht beherbergt, wird durch Vererbung aufrechterhalten und in ununterbrochener Folge weitergeführt; gleichzeitig besteht ein unsichtbarer Prozess der Seelenevolution, deren Mechanismus die Wiedergeburt ist, in aufsteigenden Stufen von Form und Bewusstsein. Das erste als solches würde lediglich eine kosmische Evolution bedeuten; denn der Einzelne wäre ein schnell vergängliches Instrument, und die Rasse, als ein dauerhafter kollektiver Ausdruck, wäre die eigentliche Stuft in der progressiven Manifestation des kosmischen Bewohners, des universalen Spirits: Wiedergeburt ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine lange Dauer und Evolution des individuellen Wesens im Erdendasein. Jede Stuft der kosmischen Manifestation, jede Form, die den innewohnenden Spirit beherbergen kann, wird durch die Wiedergeburt zu einem Hilfsmittel der individuellen Seele, der seelischen Wesenheit, um immer mehr ihres verborgenen Bewusstseins zu manifestieren; alles Leben wird zu einer Stuft in einem Sieg über die Materie durch ein weiteres Fortschreiten des Bewusstseins in ihr, was letzten Endes die Materie selbst zu einem Hilfsmittel für die volle Manifestation des Spirits machen wird.“ – SRI AUROBINDO (The Life Divine)

Das ist sehr schwer zu verstehen, liebe Mutter!

Ah! ...

Wenn du die Erdgeschichte betrachtest, siehst du, dass alle Lebensformen nacheinander in einem allgemeinen Plan, einem allgemeinen Programm erschienen sind, und immer unter Hinzufügung einer neuen Vollkommenheit und eines größeren Bewusstseins. Nimm nur einmal die Tierformen, denn das ist leichter zu verstehen, sie sind die letzten vor dem Menschen: jede Tiergattung, die auftrat, war mit einer zusätzlichen Vollkommenheit in ihrer allgemeinen Natur ausgestattet – ich meine nicht in allen Einzelheiten – eine größere Perfektion als die vorhergehenden, und der krönende Gipfelpunkt des Aufstiegs war die menschliche Form, welche zur Zeit die geeignetste Form ist, um Bewusstsein zu manifestieren; das heißt, die menschliche Form auf ihrem Höhepunkt, dem Höhepunkt ihrer Möglichkeiten, vermag mehr Bewusstsein zu enthalten als alle vorhergehenden Tierformen.

Das ist einer der Wege der Evolution der Natur.

Sri Aurobindo sagte uns letzte Woche, dass diese Natur einer ansteigenden Weiterentwicklung folgt, um mehr und mehr das göttliche Bewusstsein zu manifestieren, das in allen Formen enthalten ist. So, mit jeder neuen Form, die sie hervorbringt, befähigt die Natur diese Form immer vollständiger den Spirit auszudrücken, den sie enthält. Aber wenn es so wäre, würde eine Form erscheinen, sich entwickeln, ihren höchsten Punkt erreichen, und eine andere Form würde ihr nachfolgen; die vorhergehenden hören nicht auf zu existieren, doch macht die einzelne Form keinen Fortschritt mehr. Der einzelne Hund oder Affe, zum Beispiel, gehört zu einer Spezies, die ihre eigene besondere Charakteristik hat; wenn der Affe oder der Mensch auf der Höhe seiner Möglichkeiten anlangt, das heißt, wenn ein menschliches Wesen der beste Typ der Menschheit wird, ist es zu Ende; das einzelne Wesen wird nicht weiter fortschreiten können. Es gehört zur menschlichen Spezies und wird weiterhin dazu gehören. Daher besteht vom Standpunkt der Erdgeschichte aus gesehen ein Fortschritt, denn jede Spezies stellt einen Fortschritt dar, verglichen mit der vorhergehenden Spezies; doch von Standpunkt des Individuums gibt es keinen weiteren Fortschritt: es wird geboren, folgt seiner Entwicklung, stirbt, und hört auf zu bestehen. Daher war es notwendig, ein anderes Mittel zu finden, um den Fortschritt des Einzelnen sicherzustellen; dieses war nicht ausreichend. Doch innerhalb des Individuums, das in jeder Form enthalten ist, besteht eine Anordnung von Bewusstsein, die näher und direkter unter dem Einfluss der inneren göttlichen Gegenwart steht, und die Form, die unter diesem Einfluss steht, diese gewisse innere Konzentration von Energie, hat ein Leben, das unabhängig von der physischen Form ist – es ist das, was wir im allgemeinen die „Seele“ oder das „seelische Wesen“ nennen; und da es um das göttliche Zentrum angeordnet ist, hat es Anteil an der göttlichen Natur, die unsterblich, ewig ist. Der äußere Körper fällt ab, und dies bleibt in jeder Erfahrung, die es in jedem Leben hat, bestehen; und von Leben zu Leben findet ein Fortschritt statt, und es ist der Fortschritt des selben Individuums. Und diese Bewegung vervollständigt die andere, sodass statt einer Spezies, die sich im Verhältnis zu einer anderen weiterentwickelt, es das Individuum ist, das alle Stadien der Weiterentwicklung dieser Spezies durchläuft und sich weiterhin entwickeln kann, selbst wenn die Spezies die Grenze ihrer Möglichkeiten erreicht hat und dort verbleibt, oder aber aufhört zu existieren, je nachdem, aber sie kann nicht weitergehen; während das Individuum, dessen Leben von der rein stofflichen Form unabhängig ist, von einer Form zu anderen gehen und seine Weiterentwicklung unendlich fortsetzen kann. Das läuft auf eine doppelte Bewegung hinaus, die sich vervollständigt. Und daher hat jedes Individuum die Möglichkeit die höchste Verwirklichung zu erreichen, unabhängig von der Form, zu der es augenblicklich gehört.

DIE MUTTER (9:213)

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Seelisches Wachsen und seelische Entwicklung

Es ist die Seele in uns, die sich immer der Wahrheit zuwendet, dem Guten und dem Schönen, denn durch diese Dinge wächst sie selbst an Statur; das Übrige, ihre Gegensätze, sind ein notwendiger Teil der Erfahrung, aus dem man aber in der spirituellen Mehrung des Wesens herauswachsen muss. Die zugrundeliegende seelische Wesenheit in uns hat Anteil an der Freude des Lebens und aller Erfahrung, welche die fortschreitende Offenbarung des Spirits ausdrücken, doch die eigentliche Grundlage ihrer Lebensfreude besteht darin, aus allen Kontakten und Geschehnissen deren geheimen göttlichen Sinn und Kern, einen göttlichen Nutzen und Zweck zu sammeln, sodass unser Mental und Leben aus der Unbewusstheit einem höchsten Bewusstsein, aus den Trennungen der Unwissenheit einem umfassenden Bewusstsein und Wissen entgegenwachsen mögen. Hierfür existiert sie [die seelische Wesenheit] und verfolgt von Leben zu Leben ihre stets wachsende, aufwärtige Tendenz und Beharrlichkeit; das Wachstum der Seele ist ein Wachsen aus der Dunkelheit ins Licht, aus der Falschheit in die Wahrheit, aus dem Leiden in ihren eigenen höchsten und universalen Ananda.

SRI AUROBINDO (18:610)

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IV.Das seelische Wesen

Die Erde muss sich wandeln und gleich werden dem Himmel

Oder der Himmel herabkommen in der Erde sterblichen Stand.

Doch, dass solch weiter spiritueller Wandel sei,

Muss aus der mystischen Höhle im Menschenherz

Die himmlische Seele, ihres Schleiers ledig,

Die vollen Räume der Natur betreten,

Und vor ihr stehen, unverhüllt,

Ihr Denken leitend, und ihren Körper, ihr Leben füllend.

SRI AUROBINDO

Drei Schritte der Selbstverwirklichung und die dreifache Umwandlung

Das spirituellen Wissen des Selbstes wird in drei Schritten erzielt, die zur gleichen Zeit drei Teile des einen Wissens sind. Der erste ist die Entdeckung der Seele, nicht der äußeren Seele des Denkens und Fühlens und Begehrens, sondern der geheimen seelischen Wesenheit, des göttlichen Elementes in uns. Wenn diese die menschliche Natur beherrscht, wenn wir bewusst die Seele sind, und wenn Mental, Leben und Körper ihren wahren Platz als deren Instrumente einnehmen, werden wir uns eines inneren Lenkers bewusst, der die Wahrheit kennt, das Gute, das wahre Entzücken und die wahre Schönheit des Daseins, der Herz und Verstand durch sein Iichthaftes Gesetz kontrolliert, und unser Leben und Sein zu spiritueller Vollständigkeit führt. Dann haben wir selbst in dem dunklen Wirken der Unwissenheit einen Zeugen, der unterscheidet, ein lebendiges Licht, das erleuchtet, einen Willen, der es zurückweist, verleitet zu werden, und der die Wahrheit des Mentals von seinem Irren trennt, des Herzens innigen Widerhall von seinem Vibrieren, wenn ein falscher Ruf, eine falsche Forderung, an es ergeht, des Lebens wahre Glut und Fülle von der Regung vitaler Leidenschaft und den trüben Falschheiten unserer vitalen Natur mit ihrem dunklen Selbstsuchen. Dies ist der erste Schritt der Selbstverwirklichung, die Inthronisation der Seele, des göttlichen, seelischen Individuums an Stelle des Egos. Der nächste Schritt ist, sich des ewigen Selbstes in uns bewusst zu werden, ungeboren und eins mit dem Selbst aller Wesen. Diese Selbstverwirklichung befreit und macht allumfassend; auch wenn unsere Tätigkeit noch in der Dynamik der Unwissenheit weitergeht, bindet oder verleitet sie uns nicht länger, weil unser inneres Wesen im Licht der Selbsterkenntnis ruht. Der dritte Schritt ist, das Göttliche Wesen zu kennen, das gleichzeitig unser höchstes transzendentes Selbst ist, das Kosmische Wesen, die Grundlage unserer Universalität und der Gottheit im Inneren, von der unser seelisches Wesen – die wahre, sich entfaltende Individualität in unserer Natur – ein Teil ist, ein Funke, eine Flamme, die in das ewige Feuer wächst, von dem sie entzündet wurde, und deren ewig währender Zeuge sie in uns ist, das bewusste Instrument seines Lichtes, seiner Macht und Freude und Schönheit.

SRI AUROBINDO (18:630)

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Sich des seelischen Wesens bewusst zu werden: das Erfordernis der Sadhana

Im gewöhnlichen Leben gibt es nicht eine Person in einer Million, die einen bewussten Kontakt mit ihrem seelischen Wesen hat, und wäre es nur für einen Augenblick. Das seelische Wesen mag von innen wirken, doch für das äußere Wesen so unsichtbar und unbewusst, dass es den Anschein hat, als würde es nicht existieren. Und in den meisten Fällen scheint es, als würde die riesige Mehrheit, beinahe die Gesamtheit der Menschen schlafen, als wären sie überhaupt nicht aktiv, als befänden sie sich in einer Art Apathie.

Nur mit Hilfe der Sadhana und einer sehr beharrlichen Bemühung ist es möglich, einen bewussten Kontakt mit dem seelischen Wesen zu haben. Natürlich gibt es möglicherweise Ausnahmen – doch sind diese wirklich so ungewöhnlich und es sind ihrer so wenige, dass sie gezählt werden können –, wo das seelische Wesen voll geformt ist, ein befreites Wesen, Herr seiner selbst, das gewählt hat in einem menschlichen Körper zur Erde zurückzukehren, um eine Arbeit zu verrichten. Und in solch einem Fall, selbst wenn die betreffende Person keine bewusste Sadhana ausübt, in solch einem Fall ist es möglich, dass das seelische Wesen mächtig genug ist, um eine mehr oder weniger bewusste Beziehung herzustellen. Aber diese Fälle sind sozusagen einzigartig, und sie sind die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

In beinahe allen Fällen ist eine sehr, sehr anhaltende Bemühung notwendig, um sich seines seelischen Wesens bewusst zu werden. Wenn man es in dreißig Jahren fertigbringt, wird man als vom Glück sehr begünstigt angesehen – ich meine dreißig Jahre einer anhaltenden Bemühung. Es kann sein, dass es rascher geht. Doch ist das derart selten, dass man sofort sagt: „Dies ist kein gewöhnliches, menschliches Wesen.“ Das trifft auf solche Menschen zu, die als mehr oder weniger göttliche Wesen betrachtet werden, die große Yogis waren, große Initiierte.

DIE MUTTER (7:273)

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Das seelische Wesen und die Wende

Das seelische Wesen ist immer vorhanden, wird aber nicht gefühlt, da es vom Mental und Vital verdeckt ist; wenn es nicht länger verborgen ist, sagt man, es sei erwacht. Sobald es erwacht ist, beginnt es, das übrige Wesen zu ergreifen, zu beeinflussen und zu wandeln, so dass alles der wahre Ausdruck der inneren Seele werden kann. Diese Veränderung wird die innere Wandlung genannt. Es kann keine Wandlung ohne das Erwachen des seelischen Wesen geben.

SRI AUROBINDO (24:1096)

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Die seelische Wende – das erste Erfordernis

Die Seele, das seelische Wesen, steht in unmittelbarer Fühlungnahme mit der göttlichen Wahrheit, sie ist aber im Menschen durch das Mental, das vitale Wesen und die physische Natur verhüllt. Man mag den Yoga ausüben und Erleuchtungen im Mental und Verstand erlangen; man mag Macht erringen und in allen Arten von vitalen Erfahrungen schwelgen; man mag sogar erstaunliche physische siddhis erlangen; wenn sich aber die Seelenmacht im Hintergrund nicht offenbart, wenn die seelische Natur nicht in den Vordergrund tritt, ist nichts Wahres geschehen. In diesem Yoga ist es das seelische Wesen, welches die übrige Natur dem wahren, supramentalen Licht und schließlich dem höchsten Ananda öffnet. Das Mental kann sich aus eigener Kraft gegenüber seinen höheren Bereichen öffnen; es kann sich in das Schweigen und Unpersönliche weiten; es kann sich aber auch in einer Art statischen Befreiung oder nirvana selbst spiritualisieren; das Supramental aber vermag in einem nur spiritualisierten Mental keine ausreichende Grundlage zu finden. Wenn die innerste Seele erwacht ist, wenn eine neue Geburt aus dem rein mentalen, vitalen und physischen in das seelischen Bewusstsein stattfindet – dann kann dieser Yoga getan werden; andernfalls (durch die reine Macht des Mentals oder irgendeines anderen Teils) ist es unmöglich.

SRI AUROBINDO (24:1095)

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Das Auftauchen der Seele

Das wahre zentrale Wesen ist die Seele, doch steht dieses Wesen im Hintergrund und ist in den meisten menschlichen Naturen lediglich der geheime Zeuge oder, man könnte es auch so ausdrücken, ein verfassungsmäßiger Herrscher, der seinen Ministern erlaubt, für ihn zu herrschen, der ihnen die Vollmacht der Herrschaft über sein Reich gibt, schweigend ihren Entscheidungen zustimmt, und nur hie und da ein Wort einwirft, über das sie sich in jedem Augenblick hinwegsetzen können, um anders zu handeln. Das trifft jedoch nur solange zu, als die Seelen-Personalität, die durch die seelische Wesenheit nach vorne gebracht wurde, noch nicht hinreichend entwickelt ist; wenn sie so stark ist, dass die innere Wesenheit sich durch sie durchsetzen kann, dann vermag die Seele hervorzutreten und die menschliche Natur zu lenken. Durch das Hervortreten dieses wahren Monarchen und seiner Übernahme der Zügel der Herrschaft, kann eine wahre Harmonisierung unseres Wesens und unseres Lebens stattfinden.

Eine erste Voraussetzung des vollen Auftauchens der Seele ist ein direkter Kontakt im Oberflächenwesen mit der spirituellen Realität. Das seelische Element in uns wendet sich, da es von dorther stammt, immer dem zu, was in der äußeren Welt der Erscheinungen einer höheren Realität anzugehören scheint, und als ihr Symbol und Merkmal akzeptiert werden kann. Zunächst sucht es diese Realität durch das Gute, das Wahre, das Schöne, durch alles, was rein und fein und hoch und edel ist: doch obgleich diese Berührung durch äußere Zeichen und Merkmale die [menschliche] Natur modifizieren und vorbereiten kann, vermag sie sie nicht gänzlich oder zuinnerst oder tief zu wandeln. Denn für eine solche innerste Wandlung ist der direkte Kontakt mit der spirituellen Realität unerlässlich, da nichts sonst so tief die Grundlagen unseres Wesens berühren und es aufwühlen kann, oder die Natur durch seine Berührung in ein Ferment der Transmutation zu werfen vermag. Mentale Vorstellungen, emotionale und dynamische Darstellungen haben ihren Nutzen und Wert; die Wahrheit, das Gute und die Schönheit sind in sich primäre und potente Darstellungen der Realität, und sogar in den Formen, wie sie durch das Mental gesehen werden, wie sie durch das Herz gefühlt werden, wie sie im Leben erkannt werden, können sie Richtlinien eines Anstiegs sein: doch es ist in seiner spirituellen Substanz, seinem spirituellen Wesen, dass DAS, was sie verkörpern, in unsere Erfahrung eintreten muss.

SRI AUROBINDO (19:900)

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Der sonnenhelle Weg der Seele

Es gibt immer zwei Arten, den Yoga auszuüben – die eine, durch das Wirken eines wachsamen Mentals und Vitals zu sehen, zu beobachten, zu denken und zu entscheiden, was getan werden soll und was nicht. Natürlich geschieht das mit Hilfe der Göttlichen Kraft im Hintergrund, welche jene Kraft herabzieht oder ruft, denn im anderen Fall, könnte nicht viel getan werden. Es ist aber immer noch die persönliche Bemühung, auf welcher der Nachdruck liegt, und welcher die meiste Arbeit zufällt.

Die andere Art ist die des seelischen Wesens; das Bewusstsein öffnet sich dem Göttlichen, es öffnet nicht nur die Seele und lässt sie hervortreten, sondern auch das Mental, das Vital und das Physische, es empfängt das Licht und erkennt, was zu geschehen hat, es fühlt und sieht, wie es durch die Göttliche Kraft selbst geschieht, und trägt fortwährend durch wachsame und bewusste Zustimmung und durch seinen Ruf zum Göttlichen Wirken bei.

Meist ist nur eine Mischung dieser beiden Arten möglich, bis das Bewusstsein bereit ist, sich völlig zu öffnen, und seine gesamte Tätigkeit dem Göttlichen Ursprung unterzuordnen. Dann schwindet jede Verantwortung, und die Schultern des Sadhaks haben keine persönliche Last mehr zu tragen.

SRI AUROBINDO (23:594)

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V.Das Leben nach dem Tod

Auf des Lebens Pfad geht neben uns der Tod einher,

Ein dunkler Zuschauer bei des Körpers Beginn

Und letztes Gericht eitlen, menschlichen Tuns.

Seiner Vieldeutigkeit Rätsel aber ist das nicht:

Der Tod ist eine Treppe, eine Tür, ein stolpernder Schritt

Der Seele, die von Leben zu Leben kreuzt,

Eine graue Niederlage, trächtig mit Sieg,

Eine Geißel, die uns treibt in unser todloses Sein.

Die unbewusste Welt ist des Spirits selbstgeschaffener Raum,

Die ewige Nacht ist der Schatten des ewigen Tags.

Die Nacht ist nicht unser Beginn noch unser Ende;

Sie ist die dunkle Mutter, in deren Schoß wir uns bargen,

Sicher vor allzu jähem Erwachen zum Daseinsschmerz.

Wir kamen zu ihr aus überirdischem Licht,

Vom Lichte leben wir und kehren zurück ins Licht.

SRI AUROBINDO SAVITRI: BUCH X CANTO 1

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Alles Geschaffene und wiederum Aufgelöste

Schafft des Einen ruhige, beharrliche Schau

Unausweichlich wieder, es lebt erneut:

Kräfte und Leben und Wesen und Ideen

Nimmt eine Zeit lang die Stille auf.

Dort formen sie Zweck und Richtung aufs Neue,

Gießen und prägen erneut ihre Natur und Gestalt.

Immerfort sich wandelnd und wachsend im Wandel

Durchschreiten sie das fruchtbare Stadium des Todes

Und nehmen nach langem, erneuerndem Schlaf

Ihren Platz wieder ein im Wirken der Götter,