Der alte Mann in den Bergen - Band 3 - Wilfried Kriese - E-Book

Der alte Mann in den Bergen - Band 3 E-Book

Wilfried Kriese

0,0

Beschreibung

Hoch oben in den Bergen lebt ein alter Mann zurückgezogen auf einer Alpe. Dort pflegt er seine Ziegen, erntet Beeren und hackt Holz. Er lebt im Einklang mit der Natur. Doch immer wieder finden Menschen den Weg zu ihm. Menschen, die auf der Suche nach sich selbst sind. Ein Rentner-Ehepaar erkennt, dass wahres Glück in der Einfachheit liegt. Ein Landschaftsmaler schöpft neue Hoffnung, als er die Schönheit der Berge entdeckt. Ein Landstreicher, der sich von der Welt abgewandt hat, findet durch die Arbeit auf der Alpe zurück zu sich selbst. Ein verirrtes Kind erlebt in der Obhut des alten Mannes Geborgenheit. Die Geschichten zeigen einen Lebensstil, der in der modernen Welt verloren gegangen ist. Sie laden ein, die Hektik hinter sich zu lassen und das Wesentliche neu zu entdecken.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 86

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DANKSAGUNG

Ich bedanke mich herzlich bei Gustel, dem Besitzer der Geswenderalpe und bei dem Pächter der Sonnenhalde (Oberallgäu) Andrea und Jakl, für ihre freundlichen und wertvollen Ratschläge zu dieser Bücherreihe.

Inhalt

Vorwort

Einführung

Der alte Mann und das Rentner-Ehepaar

Der alte Mann und der Landschaftsmaler

Der alte Mann und der Landstreicher

Der alte Mann und das verirrte Kind

Vorwort

Im Jahr 1989 entdeckte ich das Oberallgäu – eine Region, die mein Leben nachhaltig beeinflussen sollte. Aber wie kam es eigentlich dazu? Schon seit geraumer Zeit hatten meine älteren Arbeitskollegen versucht, mich für das eigene Land zu begeistern. Immer wieder hörte ich von ihnen dieselben Sätze: „Ihr Jungen kennt das Ausland, aber euer eigenes Land habt ihr noch nie richtig erkundet!“ Diese Worte prallten zunächst an mir ab, denn ich glaubte fest daran, dass Abenteuer und Erlebnisse nur in der Ferne, in fremden Kulturen und exotischen Ländern zu finden waren.

Damals war ich überzeugt, dass vielleicht irgendwann, wenn die Abenteuerlust nachgelassen hatte, ein Urlaub in Deutschland infrage käme. Für mich war das Reisen im eigenen Land etwas, das man sich für später aufhob – wenn die großen Entdeckungen und Aufregungen des Lebens schon hinter einem lagen. Diese Aufforderungen wie „Du kennst ja nicht einmal dein eigenes Land“ wirkten auf mich fast zu nationalistisch und wenig ansprechend. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mir die heimische Natur oder die vertrauten Orte den gleichen Reiz bieten würden wie das Unbekannte im Ausland.

Doch kurz vor Pfingsten 1989 änderte sich diese Sichtweise schlagartig. Ein älterer Kollege, der sonst eher gelassen war, trat mit einer Entschlossenheit an mich heran, die mich überraschte. „Du junger Seucher, du hast ja keine Ahnung, was du verpasst!“, sagte er mit einer Energie, die mich innehalten ließ. Seine Worte hatten eine Vehemenz, die in mir widerhallte. Etwas in seiner Stimme, in dieser fast verzweifelten Dringlichkeit ließ mich nachdenklich werden. Vielleicht, so überlegte ich, hatte er Recht. Vielleicht verpasste ich tatsächlich etwas Wunderbares, weil ich mich nur auf ferne Länder und das Fremde konzentrierte.

Also fassten meine Frau und ich den Entschluss, uns an Pfingsten 1989 auf den Weg zu machen – in unserem alten, aber treuen Renault R4. Ziel war Oberstaufen im Oberallgäu, eine Gegend, von der ich bisher kaum etwas gehört hatte. Es regnete in Strömen, und der Himmel war von einer dichten, grauen Wolkendecke überzogen. Doch trotz des ungemütlichen Wetters ließen wir uns nicht entmutigen. Vielleicht war gerade das der Schlüssel zu dem, was wir suchten: Die Entdeckung der eigenen Heimat, ohne den Drang nach Perfektion oder Sonnenschein.

Als wir endlich ankamen, traf uns eine Überraschung, die all unsere Zweifel hinwegfegte. Obwohl der Regen unaufhörlich niederprasselte und der Nebel sich schwer über die Berge legte, spürten wir sofort, dass dieser Ort eine besondere Magie ausstrahlte. Die Landschaft war trotz – oder vielleicht gerade wegen – des trüben Wetters überwältigend. Der Nebel verlieh den Bergen eine mystische Atmosphäre, als würde diese Welt Geheimnisse bergen, die nur darauf warteten, entdeckt zu werden. Wir beschlossen, nach einem Zimmer auf einem abgelegenen Bauernhof in Ratholz bei Immenstadt zu fragen.

Gleich der erste Hof, auf den wir trafen, stellte sich als Volltreffer heraus. Die Bauersleute waren bodenständig und herzlich, Menschen, die ihr Leben in enger Verbundenheit zur Natur führten. Ihre Gastfreundschaft war nicht die aufgesetzte Freundlichkeit, die man oft in touristischen Gebieten erlebt, sondern echt und tief verwurzelt. Es war, als würden sie uns nicht nur als Gäste, sondern als Freunde empfangen. Die Herzlichkeit und Wärme dieser Menschen machten es leicht, sich sofort wohlzufühlen.

Unser Zimmer bot eine atemberaubende Aussicht auf das Bergpanorama und den großen Immenstädter Alpsee, der sich weit unten im Tal erstreckte. Der Anblick verschlug mir fast die Sprache, und in meiner Unwissenheit fragte ich die Bäuerin, ob es sich dabei vielleicht um den Bodensee handelte. Meine Frau brach in schallendes Gelächter aus, und die Bäuerin sah mich an, als hätte ich gerade die dümmste Frage der Welt gestellt. In diesem Moment fühlte ich mich etwas albern, doch es war genau diese Leichtigkeit, die die Reise so besonders machte. Alles war neu, alles war anders – und das direkt vor unserer Haustür.

Seit diesem ersten Besuch im Jahr 1989 zog es uns immer wieder in diese faszinierende Region. Es wurde für uns zu einer Tradition, jedes Jahr zurückzukehren, selbst als unser Sohn geboren wurde. Jedes Mal entdeckten wir neue Facetten dieser atemberaubenden Landschaft: die Berge, die im Sommer grün und im Winter schneebedeckt in den Himmel ragten, die saftig blühenden Wiesen, die majestätischen Bäume und die klaren Alpseen, die im Sonnenlicht glitzerten. Es war, als würde uns jedes Jahr ein Stück dieser Landschaft mehr in seinen Bann ziehen, bis sie zu einem Teil von uns wurde.

Es war während dieser Reisen, dass ich begann, meiner Frau die Geschichten vom „Alten Mann in den Bergen“ zu erzählen. Sie hörte mir oft zu, während wir abends in der Stille der Berge saßen und das letzte Licht des Tages über die Gipfel glitt. Es waren diese ruhigen Momente, in denen die Geschichten lebendig wurden. Eines Tages schlug sie vor, die Geschichten aufzuschreiben. „Schreib sie auf“, sagte sie, „damit auch andere sie hören können.“ Zunächst war ich überrascht: „Für wen denn?“ Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass es vielleicht wirklich an der Zeit war, diese Geschichten mit anderen zu teilen.

Dass ich mich schließlich entschloss, diese Geschichten aufzuschreiben, sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, nun anhand dieses dritten Büchleins in der Reihe „Der alte Mann in den Bergen“. Doch warum habe ich mich dazu entschieden, diese Geschichten zu veröffentlichen? Es war die Erkenntnis, wie sehr ich – trotz all meines Wissens über die Natur – in Wirklichkeit entfremdet von ihr gelebt hatte. Diese Entfremdung erlebte ich nicht nur in mir selbst, sondern auch in der modernen Gesellschaft. Und so dachte ich: „Warum nicht die Geschichten teilen, die mir halfen, die Natur wieder bewusster wahrzunehmen?“

Ich hoffe nun, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, beim Lesen dieses Büchleins die gleiche Freude empfinden, die ich beim Erzählen hatte. Doch seien Sie gewarnt: Nicht alles, was in diesen Geschichten vorkommt, wird idyllisch und harmonisch sein. Ich möchte die Natur und das Leben so zeigen, wie sie wirklich sind – mit all ihren Herausforderungen, Widersprüchen und Schönheiten.

Wilfried Kriese

Einführung

Die Städte wachsen unaufhaltsam, ihre Grenzen dehnen sich immer weiter in die umliegenden Landschaften aus. Dort, wo einst Felder, Wiesen und Wälder waren, erstrecken sich heute Betonflächen, endlose Straßennetze und gläserne Fassaden. Ihre Straßen sind überfüllt mit Autos, Lastwagen und einer schier endlosen Flut an motorisierten und nicht motorisierten Zweirädern. Der ständige Verkehr verursacht nicht nur Lärm, sondern verschmutzt auch die Luft in einem immer bedrohlicheren Ausmaß. Kinder, Jugendliche und Erwachsene atmen diesen schmutzigen Dunst täglich ein, oft ohne sich der gesundheitlichen Folgen bewusst zu sein.

Auf den Gehwegen eilen die Stadtbewohner mit gesenktem Blick, die Augen meist starr auf Uhren oder Smartphones gerichtet, aneinander vorbei. Zeit ist zur kostbarsten Ressource geworden – oft scheint sie sogar noch knapper als Geld. Die Menschen hetzen von einem Ort zum anderen, von einem Termin zum nächsten: den Kindergarten, die Schule, die Arbeit, das Fitnessstudio oder das nächste Freizeitvergnügen. Alles ist durchgetaktet, alles muss effizient und schnell erledigt werden.

Um den Lebensunterhalt und die gewohnten Annehmlichkeiten – oder gar den gewünschten Luxus – zu sichern, verkaufen die Menschen ihre Arbeitskraft in Fabriken, auf Baustellen, in Forschungseinrichtungen oder Büros. Dabei, so scheint es, verkaufen sie nicht selten auch ein Stück ihrer Seele. Die Aufgaben des Alltags häufen sich und fressen die verbleibende Zeit auf. Einkäufe wollen erledigt, Wohnungen und Autos gepflegt werden, und wer zu den Glücklichen gehört, verbringt auch noch Zeit im eigenen Garten. Doch die Stunden des Tages reichen nie aus.

Inmitten dieser hektischen Kulisse reihen sich Stadtwohnungen in Hochhäusern aneinander, umgeben von kleineren und größeren Wohnblocks, die sich in die Höhe drängen. Einfamilienhäuser schmiegen sich dicht an dicht an die Ränder der Stadt, umgeben von Zäunen und Hecken, als wollten sie den Rest der Welt ausblenden. In dieser isolierten Umgebung ist es leicht, nur den eigenen Alltag als den Mittelpunkt des Universums zu sehen. Viele verlieren dabei den Blick für das größere Ganze, für die Gemeinschaft und die Natur, die sie einst umgab.

Natürlich gibt es in den Städten auch Menschen, die sich um die Schwächeren und Bedürftigeren kümmern. Doch auch sie scheinen inmitten all der Hektik und dem ständigen Druck immer weniger zu werden. Oft wird dem Auto mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den Kindern, die in der Gesellschaft heranwachsen. Der moderne Mensch steht unter einem ständigen Druck, immer schneller und effizienter zu funktionieren. Diese Dauerbelastung, die das Nervenkostüm strapaziert, lässt den Wunsch nach Erholung wachsen. Doch auch dieser Wunsch wird oft in neuer Hektik erfüllt: Wochenenden und Urlaube, die eigentlich der Entspannung dienen sollten, werden von hektischen Freizeitplänen bestimmt. Die ersehnte Erholung bleibt aus, und stattdessen kehrt man noch erschöpfter zurück.

Viele Menschen, von Stress und Lärm zermürbt, träumen von einem Ausweg – von einer Flucht aus der Stadt. Sie sehnen sich nach Ruhe und Klarheit, nach einem Ort, an dem die Zeit langsamer vergeht und der Alltag in den Hintergrund tritt. Sie suchen die Natur, sei es in einem Wald, an einem See oder in den Bergen. Einige reisen allein, andere mit Familie oder Freunden in der Hoffnung, in der Abgeschiedenheit wieder zu sich selbst zu finden.

Nicht weit entfernt von diesem städtischen Getümmel inmitten der ruhigen Berglandschaft, findet man einen solchen Ort. Am Hang eines Berges, umgeben von saftig grünen Wiesen und einem Wald aus Fichten, Tannen, Buchen und Eichen, steht eine kleine Hütte. Diese bescheidene Berghütte mit nur einem einzigen Zimmer strahlt eine Ruhe aus, die den Lärm und die Hektik der Stadt vergessen lässt. Hier lebt ein alter Mann, der dem hektischen Treiben der Zivilisation den Rücken gekehrt hat. Sein Alltag ist einfach und naturverbunden. Er teilt sein Leben mit Hühnern, Gänsen, Stallhasen und über 20 Ziegen, die in einem kleinen Stall neben der Hütte untergebracht sind. In seinem Garten wachsen Obstbäume, die ihm reichlich Nahrung spenden – genug, um autark zu leben.