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Mitreißend und spannend: Die sechsteilige historische Serie „Der Clan des Greifen“ von Roland Mueller jetzt als eBook bei dotbooks. Südtirol im 15. Jahrhundert: Gräfin Eleonore von Greifenberg hat alles für ihre Familie und den Erhalt des Lehens geopfert. Doch nun will sie endlich einmal an sich denken. Sie kann einfach nicht mehr länger leugnen, dass sie für Hagen, den ehemaligen Gefährten und Waffenfreund ihres verstorbenen Mannes, mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegt. Aber ihr ältester Sohn Wolf will eine Liaison zwischen den beiden um jeden Preis verhindern. Notfalls mit Gewalt … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die sechsteilige historische Serie „Der Clan des Greifen“ von Roland Mueller. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 162
Über dieses Buch:
Südtirol im 15. Jahrhundert: Gräfin Eleonore von Greifenberg ist zutiefst verwirrt. Sie muss sich eingestehen, dass sie für Hagen, den ehemaligen Gefährten und Waffenfreund ihres verstorbenen Mannes, mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegt. Auch ihrem ältesten Sohn Wolf ist nicht entgangen, dass Hagen seiner Mutter seit jeher sehr zugetan ist. Doch Wolf, dem Hagen seit langem ein Dorn im Auge ist, da er großen Einfluss auf die Gräfin hat und der Einzige ist, der sich nicht vor Wolf zu fürchten scheint, will eine Liaison zwischen den beiden um jeden Preis verhindern. Notfalls mit Gewalt …
Über den Autor:
Roland Mueller, geboren 1959 in Würzburg, lebt heute in der Nähe von München. Der studierte Sozialwissenschaftler arbeitete in der Erwachsenenbildung, als Rhetorik- und Bewerbungstrainer und unterrichtet heute an der Hochschule der Bayerischen Polizei. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Kinder- und Jugendbücher.
Bei dotbooks erschienen bereits Roland Muellers historische Kinderbücher Die abenteuerliche Reise des Marco Polo und Der Kundschafter des Königs und seine historischen Romane Der Goldschmied, Das Schwert des Goldschmieds, Das Erbe des Salzhändlers und Der Fluch des Goldes.
Die erste Staffel der historischen Serie Der Clan des Greifen umfasst folgende Bände:
Erster Roman: Die Begegnung.
Zweiter Roman: Der Pakt.
Dritter Roman: Das Vermächtnis.
Vierter Roman: Das Erbe.
Fünfter Roman: Die Rache.
Sechster Roman: Das Spiel.
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Originalausgabe Januar 2015
Copyright © 2014 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung und Titelbildabbildung: Nele Schütz unter Verwendung von shutterstock/Olga Rutko
ISBN 978-3- 95520-741-0
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Roland Mueller
Der Clan des Greifen
Die Rache
Staffel I – FünfterRoman
dotbooks.
Anfangs hatte sich Eleonore nichts dabei gedacht. Sie genoss es einfach, dass Anton Fugger sie umschwärmte, ihr Geschenke machte, sie zum Lachen brachte. Genau wie Hagen, der in seiner stillen Bewunderung für sie nicht nachließ. Was für sie beinahe schon wie selbstverständlich geworden war. Warum auch nicht? Die Ehrbekundung und Preisung einer edlen Frau galt als höchste Stufe der höfischen Sitte. Das große Ideal, dem jeder Ritter entsprechen wollte. Einer Frau zu huldigen und ihr zu dienen. Nichts weiter sah sie in Hagens Bemühungen. Er stand ihr bei, in seiner leisen unaufdringlichen Art. Was sie wirklich schätzte. Damals war ihr der Gedanke gar nicht gekommen, dass der engste Freund ihres Mannes sich ernsthaft für sie als Frau interessieren könnte. Ausgerechnet Hagen, auf den sie immer ein wenig eifersüchtig gewesen war, weil er jahrelang an Wolframs Seite stand, während sie allein vier Kinder großzog und das Lehen führte!
Sie hatte immer nur auf ihre Kinder geachtet. Ihre beiden Töchter, die zu jungen Bräuten herangewachsen waren. Jede von ihnen kurz davor, zu heiraten. Johanna war so sehr in Lorenzo Moratini verliebt gewesen. Bei diesen beiden musste sie sich als Mutter keine Gedanken machen. Dagegen hatte sie nach wie vor zweifelnd die ritterlichen Avancen verfolgt, die der edle Urs von Weil ihrer älteren Tochter machte. Wohin seine Bemühungen führen würden, konnte sie damals nicht ahnen. Im Grunde war sie davon überzeugt gewesen, dass Friederike und Urs sich arrangieren würden. Das taten viele Menschen in dieser Zeit, die als Mann und Frau in einer Ehe lebten, die nützlich und praktisch war, und Gefühle lieber in anderen Bereichen auslebten. Ihre Söhne machten ihr damals nicht immer Freude, aber sie fühlten sich der Familienehre verpflichtet. Und sie selbst? Noch keine vierzig Jahre alt, war sie voller Neugier auf das Leben gewesen. Dass sie nicht als einsame Witwe enden wollte, dessen war sie sich sicher gewesen. Und genau deshalb gefiel es ihr, dass ihr gleich drei stattliche Männer den Hof machten, was wohl jeder Frau schmeicheln würde. Denn auch der Kaufmann Herzfeld ließ in seinem Bemühen um sie nicht nach. Er hatte begonnen, ihr Briefe zu schreiben, die ein Bote aus Bozen überbrachte. Anfangs las sie die Zeilen noch. Seine schmachtenden Verse erschienen ihr aber bald schon übertrieben. Also antwortete sie ihm nicht, und zuletzt las sie seine Briefe gar nicht mehr richtig, sondern überflog sie nur kurz, um sie dann in den Kamin zu werfen und zuzusehen, wie die Flammen die Worte und Sätze für immer verschlangen.
Fugger dagegen machte auf eine ganz andere Art deutlich, dass er in ihr eine schöne, begehrenswerte Frau sah. Sein Besuch auf der Burg war nur kurz gewesen. Damals hatte sie keine Zeit gehabt, darüber allzu traurig zu sein. Das Land und die Eskapaden ihrer beiden Söhne beschäftigten sie gerade genug. Heute wusste sie, dass sie nicht damit hätte beginnen sollen, mit den Gefühlen all dieser Männer zu spielen. Und den neuerlichen Besuch bei Herzfeld hätte sie lassen sollen. Bis dahin hatte er sich die bloße Betrachtung ihrer Nacktheit ein kleines Vermögen kosten lassen, und weil es dabei geblieben war, dachte sie sich bald nichts mehr dabei. Ihre Gedanken konzentrierten sich auf die Erleichterung über die verminderte Schuldenlast. Insgeheim, musste sie zugeben, hatte sie es aber durchaus genossen, Herzfeld mit ihren Reizen beinahe um den Verstand zu bringen. Wenn er ihren nackten Körper betrachtet hatte, hatte ihr das jedes Mal ein Gefühl von Macht verliehen. Ein Gefühl, das ihr gefiel und das bei jedem Besuch bei ihm stärker geworden war. Sie hatte sich nicht gedemütigt gefühlt. Oder in ihrer Rolle gar missbraucht. Nein, sie hätte lügen müssen, wenn sie behauptet hätte, seine Blicke hätten sie nicht berührt. Konnte es ihr jemand verdenken, dass sie weiterspielte? Denn diese Frage hatte sie sich gestellt: Warum ein Spiel beenden, bei dem man nur gewann?
Spätestens nach dem Zornausbruch von Wolf und Frieder hatte sie erkennen müssen, was sie angerichtet hatte. Und heute wusste sie, die Gefühle ihrer beiden Söhne zu missachten war ein großer Fehler gewesen. Vielleicht sogar ihr größter. Denn das war der Grund, warum ihr eigen Fleisch und Blut zu Feuer und Schwert wurden. Sie, die Gräfin und Herrin der Burg, hatte keine Chance gehabt, dieses schreckliche Tun zu verhindern. Aber das war nun schon Jahre her, und was war seitdem alles geschehen?
Sie erhob sich von ihrem Platz und trat an das große Fenster. Wie eine Bühne lag der Burghof vor ihr. Fleißige Hände, wohin sie auch blickte. Dort unten sprang ihr kleiner Neffe über den Hof. Ganz geschäftig tat er dabei. In grobes Tuch gekleidet, kleine Reitstiefel an den Füßen, ging er mit ernsthaftem Eifer dem Gesinde zur Hand. Das hatte er zweifellos von seiner Mutter, musste Eleonore denken. Beide Töchter waren schon sehr früh daran gewöhnt worden, trotz ihres Standes mitzuhelfen und überall mit anzupacken, wenn es denn notwendig war. Anders als Wolf und Frieder. Beim Gedanken an ihre beiden Söhne schüttelte sie düster den Kopf. Fort ihr Gedanken! Schnell fort mit euch!
Der Junge unten im Hof stellte sich zu den Knechten, die Hände auf den Rücken gelegt, und erteilte mit seiner hellen Kinderstimme Anweisungen! Sie musste lachen. Er war gerade erst vier Jahre alt geworden, doch er redete so klug daher wie ein Erwachsener. Aber niemand außer ihr lachte über seine kindlichen Befehle. Sie sah ihm zu, wie er den kleinen Burgverwalter mimte, und dankte dem Herrgott mit jedem Tag, an dem er bei ihr war. Lorenzo und Johanna wollten ihn erst am Ende des Sommers wieder zu sich holen. Bis dahin lagen noch gut dreißig Tage vor ihr. Dreißig Tage mit diesem fröhlichen aufgeweckten Kind. Diese Tage wollte sie genießen, und zwar jeden einzelnen.
***
»Was soll das heißen?«
»Dass du ab sofort meine Vertretung in diesem Haus bist.«
Wolf blickte sich um. Er wusste im Moment mit der überraschenden Erklärung seiner Mutter nichts anzufangen. Frieder suchte sich eine bequemere Position auf seinem Platz, Hagen, nicht einmal einen Schritt von Eleonore entfernt, stand da, beide Arme vor der Brust verschränkt. Herr Oswald, der Truchsess, räusperte sich leise. Er war, neben dem ersten Mundschenk und dem Kämmerer des Hauses, einer der anwesenden Hofbediensteten. Außerdem stand der Marschall stumm dabei, und sogar Severin, sein Stellvertreter und zukünftiger Nachfolger für dieses Amt, lauschte regungslos der Ankündigung der Burgherrin.
»Ich sehe an so einem wichtigen Tag meine beiden Schwestern nicht«, unterbrach Wolf das Schweigen.
»Na und?«, entgegnete Eleonore. »Sie leben ab jetzt ihr eigenes Leben und werden bald heiraten. So wie es euer Vater gewünscht und verfügt hat. Aber heute geht es um dich, mein lieber Sohn: Du bist ab jetzt Lehnswalter pro forma. Das heißt, du führst das Haus und alle Liegenschaften der Familie, wobei ich das letzte Wort habe. Bis du das Lehen endgültig allein übernimmst, wird noch etwas Zeit vergehen. Die Gründe dafür gehen nur mich etwas an. Wenn es dann so weit ist, werden wir einen in der Jurisprudenz gelehrten Mann brauchen und einen Vertreter des Herzogtums als Zeugen. Aber wie ich gerade sagte, das hat noch Zeit. Vielleicht bis zum Sommer.«
Sie sog hörbar die Luft ein und richtete sich noch mehr auf ihrem Platz auf.
»Das bedeutet nicht, dass ich tatsächlich alles mit einem letzten Wort kommentieren werde. Aber ich will über die Entscheidungen meines Sohnes Bescheid wissen. Hat das jeder hier verstanden?«
Die Bediensteten nickten eilig zum Einverständnis.
»Meiner Entscheidung heute genügt mein Wort und Hagen als Zeuge.«
Wolf blickte sich erneut um. Sein Blick begegnete dem seines Bruders. Frieder zuckte kaum merklich mit den Schultern. Er war von Eleonores Beschluss wohl genauso überrascht. Wolf versuchte sichtlich Ruhe zu bewahren. Er lächelte.
»Das ist ein guter Moment, Mutter, um Fragen zu stellen.«
»Dann frage!«
»Wirst du heute noch weitere Ämter vergeben?«
Sie sah auf die kleine Gruppe der wartenden Dienstboten und schüttelte dann den Kopf.
»Nein, das überlasse ich dir, sobald du der alleinige Lehnsherr bist. Solange bleibt alles, wie es ist. Ich bin mit unseren Leuten zufrieden. Oh ja, sehr zufrieden!«
Die Bediensteten beugten erneut der Reihe nach die Köpfe angesichts dieses Lobs. Wolf nahm keinerlei Notiz von ihnen, sondern warf stattdessen den Blick auf Hagen.
»Ich frage nur, weil doch ein Amt nicht eindeutig besetzt ist.«
Eleonores Mundwinkel zuckten kurz, und es schien, als wolle sie einen Blick zur Seite auf Hagen werfen. Aber sie unterließ es. Mit beiden Händen umfasste sie links und rechts die reichgeschnitzten Knäufe des Sessels.
»Dieser Platz, da wo ich gerade sitze, war immer der deines Vaters. Wenn du einmal der alleinige Herr in diesem Haus bist, wirst du hier sitzen und jedermann deine Entscheidung kundtun. Aber im Augenblick bleibt alles so, wie es ist.«
Wolf nickte gehorsam, lächelte dann seine Mutter an, und er wusste genau, dass es dieses Lächeln war, das sie in Sekunden von der kühlen Burgherrin in seine Mutter verwandelt konnte. Als Eleonore tatsächlich sein Lächeln erwiderte, wusste Wolf, dass er wieder einmal gewonnen hatte. Doch nun galt es, jedes weitere Wort klug zu wählen. Denn genau dann wurde seine Mutter Wachs in seinen Händen.
»Ich meinte ja nur, alle haben ein Amt und ihren Platz in diesem Haus. Außer Hagen, meinst du nicht?«
Eleonores Lächeln verschwand. Bevor sie jedoch antworten konnte, sprach Hagen. Das war ungewöhnlich genug. Umso deutlicher klangen seine Worte.
»Herr Graf, als Euer Vater starb, starb nicht nur mein bester Freund und der Mann meiner Herrin. Es starb auch der Graf von und zu Greifenberg. Laut Gesetz des Niederadels ist damit der Herrenfall eingetreten. Ich kenne dieses Gesetz gut. Es besagt, dass dieses Lehen erblich ist. Schon zu Lebzeiten befahl unser seliger Herr, Euch zum Erben zu ernennen. Das Erbe tretet ihr erst an, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Mehr sage ich dazu nicht. Aber seitdem hat unsere edle Frau, Eure Mutter, das Haus als Treuhänderin verwaltet. Und das wird sie tun, bis Ihr allein das gesamte Lehen einmal endgültig übernehmt.«
Wolf wollte antworten, aber Hagen hob den Kopf noch ein wenig an, was besagte, dass er mit seiner Rede noch nicht fertig war.
»Bis es so weit ist, stehe ich als Ritter und Beschützer Eurer Mutter an ihrer Seite. Danach könnt Ihr mir sagen, welchen Platz ich in Zukunft in diesem Haus einnehmen soll.«
Wolfs Wangenmuskeln zuckten. Seine Kiefer mahlten, und in diesem Moment kostete es ihn seine ganze Kraft, die Beherrschung zu wahren. Eleonore erkannte die Situation.
»Ihr Herren, ihr könnt gehen«, wandte sie sich an die Dienerschar.
Die Männer verbeugten sich respektvoll und verließen dann stumm den Raum.
»Euch sei erlaubt, Euch ebenfalls zurückzuziehen«, sagte sie huldvoll zu ihren beiden Söhnen.
Eilig blickte sie auf Hagen, der jedoch keine Miene verzog.
Wolf verbeugte sich hastig vor seiner Mutter, Frieder tat es ihm gleich, und dann schritten beide Burschen hinaus. Nach einer Weile richtete sich Eleonore auf ihrem Platz ein wenig auf.
»Meinst du, er hat es verstanden?«
»Er ist Euer Sohn, edle Frau, und er ist bestimmt nicht dumm.«
»Gott gebe, dass dies jetzt ein erster Schritt in eine Zeit des Friedens ist.«
Sie seufzte tief.
»Es ihm jetzt zu sagen war von Euch geschickt gewählt, liebe Frau«, sagte Hagen.
Sie blickte ihn an, und er hielt ihrem Blick stand.
»Gebe Gott, dass du recht hast, Hagen. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich erst die Finanzen des Lehens ordnen will, bevor ich es ganz und gar in seine Hände übergebe.«
»Ihr habt für den Moment alles gesagt. Dass er Euch wirklich versteht, glaube ich nicht. Er sieht noch nicht das Ganze. Dazu ist er zu ungeduldig und zu ehrgeizig. Aber so war es richtig: ihm nur einen Happen der Macht zu überlassen.«
»Einen Happen. Ja, genau, Hagen, nur einen kleinen Happen.«
Wolf knirschte hörbar mit den Zähnen. Frieder kannte das. Er wusste, dass sein Bruder vor Wut geradezu kochte. Ein falsches Wort, und sein Jähzorn machte ihn unberechenbar.
»Was soll das? Herr des Hauses, wenn auch nur pro forma! So was sagt sie mir! Einfach so. Vor dem Gesinde. Und vor Hagen.«
»Wolf ...«
»Was bin ich jetzt, he? Nicht mehr als das, was ich schon vorher war. Immer noch nicht mehr als der Zweite in meines Vaters Haus! Wozu also diese Komödie?«
»Wolf, jetzt beruhige dich doch.«
»Nein!«
Er stampfte mit dem Fuß auf.
»Du weißt, wer ihr das eingesagt hat, ja?«
»Ich weiß nur, dass sie Vaters Willen folgt.«
Wolf ging vor Frieder wütend auf und ab. Das Geräusch des Windes war selbst hier in der Schlafkammer der beiden Brüder zu hören. Eiskalt und feucht war er, über das ferne Genua kommend, in das Tal eingefallen. Frieder hob den Kopf. Zum Geräusch des Winds, der um die Mauern pfiff und an den Fensterläden rüttelte, kam Stimmengewirr. Es drang vom Hof bis zu ihnen herauf. Frieder öffnete eine der Luken und linste hinaus. Dann schloss er den Laden wieder und wandte sich um.
»Bauern. Der Stoffler Mathias ist bei ihnen.«
Er, genauso wie Wolf, erinnerte sich an den Sprecher des kleinen Weilers, der einst zugelassen hatte, dass eine Rotte Wildschweine zwei Felder samt der Frühjahrssaat vernichtet hatte. Die damit verbundenen Erlebnisse hatten beide Burschen nicht vergessen. Auch nicht, wie die Bauern unter den wachsamen Augen der Gräfin die Felder in wenigen Tagen wieder herrichteten, neu ansäten und ab dann streng bewachten. Er schüttelte sich bei dem Gedanken, denn es war sicher kein Vergnügen, in so einer eisigen Nacht ein Feld zu bewachen.
Der Lärm schwoll an. Die Männer redeten laut und hitzig, und auf einmal stürzte Wolf hinaus. Frieder lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und schloss die Augen.
Wolf stürmte die enge Treppe hinab hinunter in die Halle, durchquerte sie und traf dort auf Hagen. Vom Lärm angelockt, ging er auf die große Eingangspforte in der Halle zu.
»Klingt ja wie Aufruhr«, zischte Wolf.
Ehe Hagen sich versah, riss der älteste Sohn seiner Herrin die schwere Eingangstür auf. Eisiger Wind pfiff herein. Der junge Mann blieb stehen, stemmte beide Hände in die Hüften und blickte auf die zehn Männer am Fuß der Eingangstreppe. Die meisten Gesichter kannte er. Als er sie nur grimmig anstarrte und dazu demonstrativ schwieg, ergriff Mathias das Wort. Der schilderte, wie ihnen der strenge Winter die letzten Reserven aufgezehrt hatte. Ihn und ihre Familien trieb der Hunger. Hagen trat während der Rede unauffällig neben Wolf. Als Mathias schließlich schwieg, beugte sich Hagen zu Wolf.
»Ihr solltet ihnen etwas geben«, raunte er.
Wolf ballte die Hände zu Fäusten. Was ihm der alte Getreue des Hauses da wieder sagte! So etwas wollte er ab jetzt allein entscheiden! Er war der Herr. Höchste Zeit, dass sich dieser Mann endlich daran gewöhnte! Als der Mundschenk, durch den Aufruhr angelockt, ebenfalls hinzukam, straffte Wolf die Schultern.
»Was jammert ihr? Wird es denn nicht in jedem Winter am Ende ein wenig knapp?«
»Das ist schon richtig, Herr, also dass der Winter noch nicht zu Ende ist und ...«, stammelte Mathias.
»Und was habe ich jetzt damit zu tun?«
»Wir bitten Euch, uns aus den Vorräten der Burg ein wenig abzugeben, Euer Gnaden.«
»Welche Vorräte meinst du? Die, die meine Mutter aus Vorsicht anlegen lässt? Was ist, wenn der Winter wirklich noch länger dauert? Soll ich den Leuten hier auf der Burg dann sagen, es gibt nichts mehr zu beißen, weil der Mathias und seine Bagage bereits alles weggefressen haben?«
»Aber Herr ...«
»Schluss jetzt. Wir haben selbst nicht viel. Aber damit ihr seht, dass ich kein Unmensch bin, sollt ihr etwas bekommen. Mundschenk!«
»Herr Graf?«
»Lass das Brot aus der großen Scheuer verteilen.«
Hagen zog Wolf unmerklich am Ärmel.
»Gott im Himmel, Herr Graf. Das Brot ist alt und steinhart. Das ist für die Schweine.«
»Was erlaubst du dir?«, zischte Wolf und zog wütend seinen Ärmel weg.
»Natürlich ist es hart, ja. Aber seit wann kann man Brot nicht einweichen?«
Die letzten Worte hatte er mit lauter Stimme an die Wartenden gerichtet.
»Aber wir haben nichts mehr, worin wir es einweichen könnten, Herr«, wandte Mathias ein.
»Was redest du da? Seht euch doch mal um!«
Er deutete vor sich auf den Boden.
»Das ist Schnee, oder etwa nicht? Und wie leicht wird Wasser daraus! In Wasser kann man Brot einweichen. So einfach ist das! Wir halten alle Vorräte, bis der Winter vorbei ist. Dafür bekommt ihr jetzt das Brot. Mundschenk, hast du gehört, was ich gesagt habe?«
»Jawohl, Herr Graf.«
Wolf nickte, wandte sich um und trat ins Haus zurück, wo er verschwand. Hagen blieb stehen, sah auf die Gruppe leise raunender Männer und nickte dann dem Mundschenk zu.
»Tu, was dir gesagt wurde.«
»Aber, Herr Hagen ...«
»Hörst du schlecht? Tu, was er sagt!«
»Jawohl, Herr Hagen.«
***