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Eine Kleinstadt wie aus dem Bilderbuch: Der bewegende Roman »Der Patchwork-Club – Rückkehr nach St. Elwine« von Britta Orlowski als eBook bei dotbooks. Ein emotionales Wiedersehen ... Die junge Liz Crane kehrt als Ärztin zurück in ihre Heimat, das beschauliche St. Elwine, mit dem sie so viele liebevolle und schmerzliche Erinnerungen verbindet. Hier nimmt ihre Freundin Rachel sie sogleich auf in den örtlichen Patchworktreff, dessen herzliche Mitglieder ihr immer mit Rat und Tat zur Seite stehen – auch als sie ihrer Jugendliebe wieder begegnet, Joshua Tanner, der genau wie sie schon oft von der Liebe enttäuscht wurde. Nie hätte Liz gedacht, dass die Gefühle von damals erneut aufflammen könnten ... gibt es etwa noch eine Chance für die beiden? »Gefühlvoll, mitreißend und voller liebevoll erdachter Details – eine wunderschöne Liebesgeschichte.« Kerstin Gier Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der gefühlvolle Liebesroman »Der Patchwork-Club – Rückkehr nach St. Elwine« von Britta Orlowski ist der erste Band ihrer Patchwork-Club-Reihe, so romantisch wie die Romane von Susan Elizabeth Phillips, so dramatisch wie die Bestseller von Nicholas Sparks. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 517
Über dieses Buch:
Ein emotionales Wiedersehen ... Die junge Liz Crane kehrt als Ärztin zurück in ihre Heimat, das beschauliche St. Elwine, mit dem sie so viele liebevolle und schmerzliche Erinnerungen verbindet. Hier nimmt ihre Freundin Rachel sie sogleich auf in den örtlichen Patchworktreff, dessen herzliche Mitglieder ihr immer mit Rat und Tat zur Seite stehen – auch als sie ihrer Jugendliebe wieder begegnet, Joshua Tanner, der genau wie sie schon oft von der Liebe enttäuscht wurde. Nie hätte Liz gedacht, dass die Gefühle von damals erneut aufflammen könnten ... gibt es etwa noch eine Chance für die beiden?
»Gefühlvoll, mitreißend und voller liebevoll erdachter Details – eine wunderschöne Liebesgeschichte.« Kerstin Gier
Über die Autorin:
Britta Orlowski, Jahrgang 1966, wohnt im Havelland und ist Mutter zweier Söhne. Sie arbeitete 20 Jahre als zahnmedizinische Fachangestellte, aber da sie in einer Zahnarztpraxis leider keine Geschichten erfinden durfte, widmete sie sich schließlich ihrem Traumjob, wurde Buchautorin und jobbte nebenbei in Buchhandlungen. Inzwischen arbeitet sie in einer Arztpraxis und lebt ihre Liebe zu Büchern trotzdem aus. Ihr Lebensmotto: Tu, was du liebst. Wenn sie nicht gerade Quilts näht, tummelt sie sich in ihrem geliebten Garten und/oder schreibt am nächsten Buch. Sie ist Mitglied im Schriftstellerverband des Landes Brandenburg, sowie bei DELIA und Organisatorin der DELIA Liebesromantage 2011 in Rathenow.
Britta Orlowski veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Reihe »Der Patchworkclub« mit den Einzelbänden »Rückkehr nach St. Elwine«, »Eine Liebe in St. Elwine«, »Sommertage in St. Elwine«, »Der Himmel über St. Elwine«, »Ein Kuss in St. Elwine« und »Herzklopfen in St. Elwine«.
Die Website der Autorin: britta-orlowski.de
Die Autorin bei Facebook: facebook.com/Britta-Orlowski
Die Autorin auf Instagram: instagram.com/brittaorlowski/
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Überarbeitete eBook-Neuausgabe Juni 2024
Dieses Buch erschien bereits 2013 unter dem Titel »Rückkehr nach St. Elwine« bei Bookshouse.
Copyright © der Originalausgabe 2013 at Bookshouse Ltd., Villa Niki, 8722 Pano Akourdaleia, Cyprus
Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)
ISBN 978-3-98952-228-2
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Britta Orlowski
Der Patchwork-Club: Rückkehr nach St. Elwine
Roman
dotbooks.
Für meine Eltern,
Danke für Eure Liebe
Man muss manchmal von einem Menschen fortgehen, um ihn zu finden.
Elias Canetti
Küsse sind das, was von der Sprache des Paradieses übrig geblieben ist.
Joseph Conrad
Familie Tanner:
Peter Tanner
Olivia Tanner geb. Conroy – Peters Ehefrau
deren Kinder:
Angelina Rickman geb. Tanner
Victoria de Bourrillon geb. Tanner Olivia
Joshua Tanner
Alexander Rickman – Angelinas Ehemann
deren Kind:
Leah Rickman
Jaques de Bourrillon – Victorias Ehemann
Familie Crane:
Frederick Crane – verstorben
dessen Tochter:
Elizabeth Crane
Familie Cumberland:
George Cumberland
Megan Cumberland – Georges Exfrau
deren Kind:
Marc Cumberland
Jennifer Brighton – Georges Freundin
Amy – Freundin von Marc
Nora: Besitzerin Patchworkladen
Doris Ross: frühere Haushälterin bei Frederick und Elizabeth Crane
Cybill Barlow: Angestellte bei einer Versicherung
Allison Webber: arbeitet im Autohaus
Kate: Haushälterin der Ganderton
Rachel Ganderton: Besitzerin der Boutique Schatztruhe
Dr. Elizabeth Crane: Chirurgin – Oberärztin im St. Elwine Hospital
Irene Reinhold: Kosmetikerin – Schwester des Sheriffs
Leslie Burg: Krankenschwester in der Notaufnahme
Dr. Charlotte Svenson: Zahnärztin
Floriane Usher: alleinerziehende Mutter – stammt aus der DDR
Bonny Sue Parker: Besitzerin des Schönheitssalons
Tanner & Cumberland Construction: Joshua Tanner, Marc Cumberland, Carry, Jenny
Schönheitssalon: Bonny Sue Parker, Irene Reinhold, Floriane Usher
Rickman Immobilien: Angelina Tanner-Rickman, Alexander Rickman
Zahnarztpraxis Svenson: Dr. Charlotte Svenson, Janet Carter, Anna Foley, (früher auch Bertha Chappell)
St. Elwine Hospital: Dr. Theodor Jefferson, Dr. Elizabeth, Dr. Curtis Zimmerman, Schw. Leslie Burg
Elizabeth schob die Sonnenbrille hoch. Sie war endlich wieder hier. Während ihre Freundin Rachel am Steuer saß, das Tempo drosselte und sie das Ortsschild passierten, ließ Liz die Scheibe ihrer Beifahrertür weiter hinunter und atmete tief ein. Dieser unverwechselbare Geruch, eine Mischung aus Salzwasser, Seeluft, Fischbuden und Touristen hatte sich unwiderruflich in ihr Gedächtnis eingegraben. Sie verband ihn mit einem einzigen Ort auf der Welt, St. Elwine, ihrem Zuhause.
Trotz des Motorengeräusches hörte sie die Möwen kreischen und musste lächeln. Wie hatte sie nur so lange fortbleiben können? Vor zehn Jahren jedoch wollte sie nur alles hinter sich lassen – die erdrückende Enge der Kleinstadt, die mitleidigen Blicke der Leute, wenn ihr Vater wieder betrunken durch die Straßen torkelte – sie mit zerrissenen Schnürsenkeln herumlief oder im Laden um die Ecke anschreiben lassen musste. Vor ihrem geistigen Auge tauchte das kleine Haus mit der abblätternden senfgelben Farbe auf, in dem sie und ihr Vater gewohnt hatten. Nebenan hing die Gartenpforte schief, in nur einer Angel, sodass der Wind leichtes Spiel hatte und sie herumschlug. Das kleine Tor wehrte sich quietschend. Dahinter schlummerte der verwilderte Garten, in dem die wenigen Büsche, Sträucher und Blumen, aufs Geratewohl wuchsen. Nicht einmal Elizabeth störte ihren Frieden, weil neben der Schule, dem Haushalt und ihren zahlreichen Jobs, um wenigstens das Notwendigste bezahlen zu können, keine Zeit dafür blieb.
Stattdessen hatte sie sich mit Intelligenz und Fleiß darauf gestürzt, zur Jahrgangsspitze an der Highschool zu gehören. Als sie dieses Ziel erreichte, wurde sie mit der Annahme an der NY-University über ein Sonderstipendium belohnt. Liz’ Traum von einem Medizinstudium ging in Erfüllung.
Als Chirurgin hatte sie nun die Stelle als Oberärztin im St. Elwine Hospital angeboten bekommen. Was auf wenig Verständnis bei ihren Kollegen gestoßen war.
»Warum willst du unbedingt in dieses kleine Kaff?«, hatte Tom sie zu guter Letzt gefragt. Ihre flüchtige Affäre war längst vorbei und die Zeit reif für Veränderungen.
Vielleicht erwartete Liz zu viel von einer Beziehung. Jemandem nahe sein, das war es, wonach sie sich in Wahrheit sehnte. Gut möglich, dass sie für diese Art von Lebensgemeinschaft nicht geschaffen war. Sie hatte nie eine richtige Familie gehabt, nach dem Tod ihrer Mutter, als Liz noch ein kleines Mädchen gewesen war.
In ihrem Beruf hatte sie ohnehin kaum Zeit für Privates, also war es unsinnig, an einer oberflächlichen Bindung festzuhalten. Für sie war ihre Arbeit das Wichtigste. Mit einer neuen Herausforderung würde sich bestimmt auch ihre innere Zufriedenheit wieder einstellen.
Deshalb war sie zurückgekehrt und auch um den Menschen in St. Elwine zu zeigen, dass sie, Elizabeth Crane, es geschafft hatte. Sie legte ihren Kopf an die Lehne, zupfte erneut die Sonnenbrille zurecht und begann, vor sich hinzudösen.
Sofort schwebten die Erinnerungen an die Highschool zurück, als wäre es erst gestern gewesen.
Drüben im Pub bei Martha gab es wie jedes Jahr eine Halloweenparty. Um diese Jahreszeit war in der kleinen Küstenstadt in der Chesapeake Bay nicht mehr viel los. Die meisten Touristen kamen in den warmen Sommermonaten nach St. Elwine und so waren die Gästezimmer über dem Pub nicht vermietet.
Liz kämpfte mit einem hartnäckigen Schluckauf. Außerdem war sie angeschickert von dem Zeug, das ihre Freundin Rachel heimlich in den Punsch gekippt hatte. Sie hätte wissen müssen, dass sie keinen Alkohol vertrug. Wenigstens fühlte sie sich großartig, frei von ihren täglichen Sorgen.
Die Stimmung im Gastraum war auf dem Höhepunkt und als Josh ihr ein Zeichen gab, folgte sie ihm fröhlich nach oben in den zweiten Stock zu einer Privatparty, wie sie glaubte. »Wo sind die anderen?«, fragte sie im Flur, als er einen Schlüssel hervorzauberte und die Tür zu einem der Gästezimmer aufschloss.
Statt zu antworten, wedelte er mit der Hand. »Hereinspaziert.«
Liz schwankte hinterher und plumpste auf das Bett.
Als erstes zog Josh die Vorhänge zu, knipste die Nachttischlampe an und ließ sich neben sie fallen. Langsam begann er an den Knöpfen ihrer Bluse zu spielen. »Was dagegen?«
»Nein.« Sie half ihm und öffnete selbst die obersten Knöpfe, dabei fiel ihr Blick auf den weißen, praktischen Baumwoll-BH, der in dieser Situation wenig hermachte.
Josh schien das nicht zu kümmern. Wie zufällig streiften seine Finger sachte ihre Brüste. Wieso fühlte sich das so gut an?
»Lizzy, alles klar bei dir? Gefällt dir das?« Er zerrte an seinem T-Shirt mit dem künstlichen Zombieblut und zog es sich über den Kopf.
Als er sie ansah, tanzten völlig fremde Schmetterlinge in ihrem Bauch. Wer hatte die denn zur Party eingeladen? Liz hickste erneut – blöder Schluckauf.
Josh grinste und senkte seinen Mund auf ihren. Nur flüchtig und schon vergaß sie fast ihren Namen. Wie machte er das?
»Du willst also einen richtigen Mann, Lizzy?«, fragte er heiser und zupfte am Saum ihres sexy Krankenschwester-Kostüms.
Sie nickte und wusste, er spielte darauf an, dass sie ihn immer wieder damit provoziert hatte.
Als sich sein Blick plötzlich in ihren bohrte, fühlte sie sich vollkommen nackt. »Weißt du, dass in deinen Augen unzählige, kleine Goldsprenkel tanzen?«
»Was?«
»Besonders, wenn du nach richtigen Männern verlangst«, sagte er leise.
Wollte Josh sie auf den Arm nehmen? Als er den Reißverschluss seiner Jeans öffnete, wurde ihr die Sache doch zu heiß.
Eigentlich hatte sie nur ein bisschen rumknutschen wollen, aber es sah ganz danach aus, dass er mehr im Sinn hatte. Mit einem Mal waren seine überraschend sanften Hände überall. Auf ihren Brüsten, in ihrem Haar und strichen schließlich sogar zärtlich über ihren Rücken. Wie unglaublich zärtlich Josh mit ihr umging. Seine Nähe verwirrte sie beinahe mehr, als seine streichelnden Hände es taten. Längst lagen sie nebeneinander auf dem Bett und Josh schob ein Bein über sie.
»Warte kurz«, nuschelte Liz.
Seine dunklen Augen verschlangen sie, standen nun dicht über ihrem Gesicht, schienen nachtschwarz und gefährlich in dieser Sekunde.
»Was ist?«, flüsterte er, während er die Träger des BHs bereits über ihre Schultern schob und sie noch einmal küsste. Elizabeth vergaß, was sie hatte sagen wollen. Er legte seinen Arm um sie und berührte mit den Fingern der anderen Hand vorsichtig ihre Brustwarze, die sich daraufhin sofort aufrichtete. Ihre Gefühle erschreckten sie, nie zuvor hatte sie so tief empfunden. Das hier war ein Fehler, es ging einfach nicht. »Stopp!«
Josh fuhr zurück, als hätte sie ihn geschlagen. »Verdammt. Was zum Teufel soll das? Du wolltest doch …«
»Ich habe meine Meinung geändert«, flüsterte sie.
Er ließ sie los und rollte ein Stück von ihr fort. Plötzlich fror sie. Ein zartes Schluchzen drückte in ihrer Kehle und sie fragte sich, woher es kam. Ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können, schwammen ihre Augen bereits in Tränen und Josh sah es. Großartig, jetzt mutierte sie noch zur Heulsuse. Scheiß Alkohol, der machte auch ihren Dad hin und wieder weinerlich.
Irritiert starrte Josh sie an und setzte sich abrupt auf. »Habe ich dir wehgetan?«
Nie zuvor hatte seine Stimme so unsicher geklungen. Anstatt irgendetwas cooles zu antworten, liefen ihr Tränen über das Gesicht.
»Okay, okay – ganz ruhig. Keine Angst!« Er versuchte die Träger ihres BHs wieder zu richten. »Was auch immer es ist, es tut mir leid.«
Josh sprang auf die Füße, zog sein T-Shirt an und stopfte es nachlässig in die Jeans. »Ehm … ich geh jetzt besser. Kommst du klar? Es tut mir leid.«
Als sie allein war, schloss sie die Augen. Morgen würde es die ganze Schule wissen. Großartig.
Aber das war nicht passiert, wie sich Liz jetzt erinnerte. Joshua hatte dichtgehalten. Er hatte es niemandem erzählt und sie sowieso nicht. Nicht einmal Rachel.
Damals war sie ihm aus tiefstem Herzen dankbar gewesen. Heute konnte Liz über solchen Kinderkram nur lachen.
Es war herrlich, wieder zu Hause zu sein. Zuhause – sie lächelte. Wie sehr hatte sie St. Elwine vermisst.
»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Rachel.
»Mhm mhm.« Liz brummte und lächelte immer noch.
»Es ist also okay, dass du vorläufig in unserem Gästeapartment wohnst und dir später selbst was anderes suchst?« Rachel knuffte sie in die Seite.
»Natürlich. Ich hatte nur fast vergessen, wie wunderschön es hier ist.« Liz blickte zu den farbenfrohen Holzhäusern mit ihren Veranden, die sich links und rechts der Straße wie Perlen an einer Schnur reihten und konnte nicht anders, als sich an allem satt zu sehen.
Sie lauschte weiter Rachels unbeschwerter Plauderei.
»Robert ist sehr neugierig, dich kennenzulernen. Ich habe ihm schon viel von dir erzählt. Wie ich mich freue, Liz, dass du wieder da bist. Es wird hier nicht so hektisch sein wie in der Notaufnahme in Houston. Das liegt mit Sicherheit an unserer guten Seeluft, glaub mir. Hat schon meine Großmutter immer behauptet und die musste es wissen.«
»Sie hat diesen Ort nämlich nie verlassen und wurde – lass mich überlegen, 98 Jahre alt«, fügte Elizabeth lachend hinzu.
Rachel linste in den Rückspiegel. »Sechsundneunzig – und sie hatte völlig recht.«
Sie fuhren noch ein Stück die Mainstreet entlang, vorbei an Belles Tanzstudio und Marthas Pub. Von weitem sah Liz die bunten Quilts auf der Veranda vor Noras Quiltladen aufblitzen, bis Rachel um die Ecke und kurz darauf in eine gepflasterte Einfahrt bog und anhielt. »Wir sind da.«
Liz stieg aus dem Jeep, streckte sich, hörte Möwen kreischen und besah sich das hellgrau gestrichene zweistöckige Haus mit dem Erker und den dunklen Fensterläden.
Drinnen war es sehr geräumig, mit ausreichend Platz für eine große Familie. Immerhin war ihre Freundin längst Mutter von drei kleinen Mädchen. Die riesigen Fenster im Wohnzimmer ließen viel Licht herein, das gerade auf den Quiltständer in der Ecke neben dem Kamin traf und die eingespannte Arbeit aus Batikstoffen zum Leuchten brachte. Erstaunlich, dass Rachel trotz Job und Kindern noch die Zeit für ihr Hobby fand. Sie führten ihren Rundgang durch das Haus weiter. Überall hingen oder lagen Quilts.
»Kann irgendjemand tatsächlich damit aufhören? Du musst unbedingt zum monatlichen Treffen unserer Quiltgruppe mitkommen.« Rachel besaß also noch immer die Fähigkeit in Elizabeths Gedanken zu lesen.
»Ich fürchte, es ist viel zu lange her. Wahrscheinlich weiß ich nicht mal mehr, wie es geht.« Liz berührte den Lonestarquilt an der Wand in der Diele.
»Unsinn.« Rachel schüttelte entschieden den Kopf. »Solche Dinge verlernt man nicht, ist wie Sex oder Fahrrad fahren.«
»Sag das doch gleich.«
»Einmal mit dem Patchworkvirus infiziert, wirst du es auch bleiben. Früher hast du sehr schöne Quilts genäht. Du flickst doch auch Menschen zusammen, so anders wird das nicht sein.« Rachel deutete auf die offene Küche, wo eine Flasche Wein, Gläser und Knabberzeug auf der Anrichte standen. »Robert meinte, er würde heute Abend nur stören und wir hätten sicher eine Menge zu erzählen.«
»Kluger Mann.« Liz freute sich bereits auf den Mädels Abend.
»Jetzt zeige ich dir deine Räume, pack aus oder mach, was du willst. Ich rufe dich zum Abendessen.« Rachel schnappte sich einen von Liz Koffern, stieg bereits die Treppe hoch und deutete mit dem Kinn ihr zu folgen.
Die komplette zweite Etage im Südflügel des Hauses der Gandertons, zwei Zimmer, Bad und Küche gehörten vorübergehend Elizabeth. Auf dem Doppelbett in ihrem Schlafzimmer lag ein Quilt aus karierten Stoffen, auch hier waren die Fenster großzügig dimensioniert. Als Liz hinaussah, konnte sie von ihrem Wohnzimmer aus hinter einer Reihe von Zedern das Meer erahnen. Lächelnd packte sie ihre zwei Koffer aus, inspizierte sämtliche Schränke und beschloss einen kurzen Spaziergang zu machen. Es drängte sie plötzlich alte Bekannte zu treffen.
Auf den ersten Blick hatte sich der Ort kaum verändert. Doch als sie genauer hinsah, entdeckte sie Neues. Jede Menge Bänke fielen ihr auf und Geschäfte, mit hübschen Schaufenstern, die Urlauber anzogen. Neue Häuser, wie das ihrer Freundin, waren zahlreich gebaut worden. Liz kaufte sich unten an der Promenade ein Eis und setzte sich auf eine der zahlreichen Bänke. Von dort aus ließ sie St. Elwine auf sich wirken. Der übliche Kleinstadtfeierabendverkehr mischte sich mit dem Lachen von Kindern, dem Kreischen der allgegenwärtigen Möwen und dem Knattern von Schiffsmotoren. Überall wehten bunte Fähnchen im Wind, schienen die Fassaden freundlicher als vor zehn Jahren.
»Erzähl, wie geht es eigentlich Doris Ross?«, wollte Liz nach dem Abendessen als Erstes wissen.
»Oh, gut. Sie arbeitet jetzt noch für ein paar Stunden im Blumengeschäft von Mabel Cooper.«
Doris Ross hatte seit dem Tod von Elizabeths Mutter den Haushalt bei den Crane’s geführt. Irgendwann jedoch, als Liz Vater nicht mehr nüchtern wurde, blieb sie fort – allerdings erst, nachdem sie monatelang vergeblich auf ihren Lohn gewartet hatte. Zum Glück war Liz zu diesem Zeitpunkt bereits alt genug und hatte von da an die Führung des Haushalts übernommen. Mit dem ersten selbst verdienten Geld hatte sie Doris den lange geschuldeten Lohn ausgezahlt.
Rachel stemmte sich vom Sofa hoch. »Warte, ich hole rasch die alten Fotoalben.«
Als erstes blätterte Liz das Album mit der Beschriftung Highschool durch, das Rachel ihr reichte.
Auf der zweiten Seite entdeckte sie sein Foto. Schwarzhaariger Teenager mit unglaublich langen Wimpern – unverkennbar Joshua Tanner. Das arrogante, leicht anzügliche Grinsen hing zwischen seinen Mundwinkeln.
Liz sah auf. »Josh, wie er leibt und lebt.«
»Ja, er hat lange Zeit in Europa verbracht und dann Daddys Firma übernommen.« Rachel zog die Büchse mit den Erdnüssen näher heran.
»Ich habe nichts anderes erwartet. Mit einem goldenen Löffel im Mund geboren werden, zahlt sich für den Rest des Lebens aus.« Liz nahm ihr Glas zur Hand. »Cheers.«
Rachel drohte spielerisch mit erhobenem Zeigefinger. »Nicht wieder so zynisch, Lizzy. Was hat Josh nur verbrochen, dass er bei dir in Ungnade fiel?«
»Nichts. Ich mochte ihn einfach nicht.« Sie wich dem Blick ihrer Freundin aus und blätterte auf die nächste Seite.
»Dabei sieht er doch so verdammt gut aus.« Rachel seufzte übertrieben, nur um Liz aufzuziehen.
»Das weiß er auch. Er ist eingebildet, arrogant und bekam, was er wollte, schon immer. Die Mädchen haben ihn angehimmelt. Er hat doch jede genommen, die nicht bei drei auf dem Baum war.« Liz angelte sich ein paar Chips.
»Tja.« Rachel prostete ihr zu. »Auf die Erinnerungen.«
»Cheers.« Liz nahm einen Schluck Wein.
»Sogar Doris und Martha haben ihn immer verteidigt, den lieben Jungen, weißt du noch?«, fragte Rachel.
»Natürlich.«
»So schlimm, wie du glaubst, ist Josh nicht. Jedenfalls wirbelt er nicht mehr so viel Staub auf wie damals. Er arbeitet viel und trainiert Baseball mit seinen Jungs«, erklärte ihre Freundin.
Liz zog die Füße hoch. »Sag mir nicht, dass er ’ne ganze Baseballmannschaft gezeugt hat.«
Rachel lachte auf und fuhr mit dem Finger den Rand des Weinglases nach. »Unsinn, er hat keine Kinder. Josh ist ehrenamtlicher Trainer für die Middleschool.« Sie nahm wieder einen Schluck. »Damals in der Halloweennacht bei Martha im Pub, was war da eigentlich los?«
Elizabeth ging absichtlich nicht auf diese Frage ein, stopfte sich Chips in den Mund und wies auf ein anderes Foto im Album.
Später lag sie zusammengekuschelt in ihrem Bett und die Erinnerungen an Joshua Tanner überfielen sie. Da er nie etwas ernst meinte, hatte sie ihn auf eine sehr uncharmante Art immer wieder abblitzen lassen. »Zieh ab, Tanner – ich bevorzuge richtige Männer und keine Jungs«, hatte sie zuckersüß gesäuselt und gehofft, halbwegs überzeugend zu klingen.
Liz konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal so ausgeschlafen gefühlt hatte. Diese Nacht hatte sie es auf acht Stunden Schlaf am Stück gebracht – ein Luxus, für den jeder Assistenzarzt fast einen Mord begehen würde.
Lachend sprang sie aus dem Bett und verschwand im Bad. Nach dem Frühstück wollte sie sich im Krankenhaus vorstellen und anschließend durch die Straßen der Stadt bummeln.
»Guten Morgen, Schlafmütze.« Rachel kam aus der Küche. »Deinetwegen gehe ich heute später zur Schatztruhe, um mit dir frühstücken zu können. Komm nach draußen. Kate, unsere Perle, hat den Tisch auf der Veranda gedeckt.«
Liz schätzte Rachels Haushälterin auf Mitte fünfzig. Sie trug ihr glattes, aschblondes Haar zu einem lockeren Knoten geschlungen und lächelte freundlich, als sie Elizabeth begrüßte. »Kaffee oder Tee?«
Nickend deutete Liz auf die Teekanne und erfuhr während sie aßen, dass Kate vor fünf Jahren hergezogen und ein Jahr später ihren Mann verloren hatte.
»Herein!«, brüllte Dr. Jefferson eine Stunde später laut, als Elizabeth an die Tür ihres Chefs klopfte.
»Guten Tag Sir, ich bin Elizabeth Crane.« Sie war entschlossen, sich von ihrer besten Seite zu präsentieren und lächelte.
»Ich freue mich.« Dr. Jefferson erhob sich aus seinem Sessel. Der zarte Griff seiner Hand stand in krassem Widerspruch zu seiner unglaublichen Pranke. Liz blinzelte verblüfft.
Er schien ihre Gedanken zu erraten und lachte wieder laut und dröhnend. »Ich weiß, ich weiß, die meisten Menschen haben den gleichen erstaunten Ausdruck in den Augen, wenn ich ihnen die Hand drücke.«
Liz räusperte sich verlegen.
»Ihre Referenzen sind hervorragend. Wie kommt es, dass Sie mit Ihrem Talent in St. Elwine arbeiten wollen? An so einem unbedeutenden Krankenhaus?«, fragte er rundheraus.
Ihre Beweggründe gingen ihn nichts an. Andererseits wollte sie keineswegs unhöflich erscheinen. »Ich bin hier aufgewachsen.«
»Verstehe. Als Chefarzt der Chirurgie habe ich leider zu viel Papierkram am Hals, deshalb muss ich mich auf Sie verlassen können. Die Oberärzte wechseln hier bedauerlicherweise viel zu oft. Ich stelle mich ungern ständig auf neue Gesichter ein.«
»Ich habe vor, zu bleiben.« Liz war erstaunt, wie überzeugt ihre Stimme klang.
»Hervorragend«, rief er erfreut aus. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Wir sehen uns morgen.«
Der Mann war ein Riese, neben ihm fühlte sie sich noch kleiner als sie in Wirklichkeit war. Fast, wie bei Josh … Lieber Himmel, was spielten ihre Gedanken ihr denn da für einen dummen Streich?
Wieder draußen auf der Straße blickte sie sich um. Jemand hatte St. Elwine seinen Stempel aufgedrückt, ohne den Charme und den Charakter der kleinen Küstenstadt zu zerstören. Die grünen Poller, die vielen Bänke, die ihr bereits gestern aufgefallen waren, die Straßencafés, all das wirkte einladend. Nachdem sie ein Stück gelaufen war, betrat Liz einen herrlichen Blumenladen. Der musste auch neu sein.
Kaum drinnen hörte sie einen freudigen Aufschrei. »Lizzy, Kleines. Ich habe bereits gehört, dass du wieder da bist.«
Sie wurde von Doris Ross kräftigen Armen an die große Brust gedrückt und sofort atmete sie den vertrauten Duft nach Pfefferminzdrops ein.
Die Frau war sogar noch ein bisschen kleiner, als Liz sie in Erinnerung hatte. Ihr Haar war mittlerweile grau, doch ihre fröhlichen Augen schienen keinen einzigen Tag älter geworden zu sein. Sie musste längst über sechzig sein.
»Mein kleines Mädchen und Oberärztin in unserem Krankenhaus. Hast du dich schon umgesehen? Es gibt vieles im Städtchen, was du noch nicht kennst.«
»Ich habe es bereits bemerkt.« Liz blies sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht.
»Deine braunen Locken sind immer noch nicht zu bändigen.« Doris lachte und ließ jetzt erst Elizabeths Schultern los.
»Wer ist für all die Neuerungen verantwortlich?«, wollte Liz wissen und besah sich die Blumensträuße, um Rachel eine Freude zu machen.
»Die ansässigen Unternehmen. Allen voran die Tanners.«
»Natürlich.« Vor einem Eimer voller Rosen ging Liz in die Hocke.
»Höre ich da etwa einen gewissen Unterton heraus?«
Doris kannte sie einfach zu gut.
»Die Tanners haben viel für diese Stadt getan«, erklärte Doris. »Andere Firmen siedelten sich an, gemeinsam gründeten sie ein Netzwerk. Peter Tanner kann sehr überzeugend sein. Die Stadt ist aufgeblüht.«
Genau das traf es. Liz richtete sich wieder auf und ging zu den Hortensientöpfen.
»Jetzt führt Joshua die Geschäfte, und er stellt sich ebenfalls mehr als geschickt an.« Doris sammelte ein paar Blätter vom Fußboden.
»Ja, Rachel erwähnte so etwas. Mich wundert, dass er von Beruf nicht Sohn geblieben ist.« Liz erinnerte sich, wie Josh an sonnigen Tagen mit seinem blauen Cabriolet durch die Gegend gerast war, während sie aufräumen, Wäsche waschen oder bügeln musste. Ganz zu schweigen von den schweren Einkaufstüten, die sie häufig geschleppt hatte. Manchmal stoppte er seinen Wagen neben ihr.
»Steig ein. Ich fahr dich nach Hause.« Er hatte immer dieses Lächeln im Gesicht, mit dem er jede rumkriegte. Seine unerhört langen Wimpern überschatteten dabei die dunklen Augen.
Liz konnte unmöglich abschätzen, was er in Wirklichkeit dachte. »Verschwinde und geh zu deinen Blondchen, Tanner. Hast du kein Date? Lass sie nicht allzu lange warten.« Besser, sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen, den Angeber. »Mädchen mögen das nicht. Was hat deine Mom dir nur beigebracht? Sie gehört doch nicht etwa zu diesen antiautoritären Hippiemüttern? Falls doch, wird mir so einiges klar, armer Junge.«
Er schüttelte den Kopf und setzte in einer coolen Geste seine verspiegelte Sonnenbrille auf. »Wie du willst.«
Winkend und hupend raste er davon. Warum musste der Blödmann so wahnsinnig gut aussehen?
Inzwischen hatte Liz eine volle Arbeitswoche hinter sich gebracht, mehrere Wunden genäht, Gallenblasen und Nierensteine entfernt und ein ramponiertes Nasenbein gerichtet. Neu und angenehm war die Erfahrung, dass hier am St. Elwine Hospital der Zeitdruck ein anderer war.
Ihre chirurgische Abteilung war eher klein, weshalb die Notaufnahme angegliedert worden war. Vier Ärzte und zehn Schwestern gehörten zu ihrem Team. Alle respektierten Elizabeths Autorität, obwohl sie gerade erst dreißig war. Möglich, dass Dr. Jefferson sie vorab eingeschworen hatte. Er ließ Liz freie Hand, obgleich er oft lautlos aus dem Nichts aufzutauchen schien. Nicht selten stand er plötzlich hinter ihr und sah ihr über die Schulter. Aber das war schließlich sein gutes Recht. Liz ignorierte ihn dann, so gut es ging, und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Ihre Handgriffe waren sicher und ihre Vorgehensweise routiniert.
Sie brauchte nicht lange, um festzustellen, dass das Krankenhaus erstaunlich gut ausgerüstet war. Von der Stationsschwester erfuhr sie den Grund. Regelmäßige, großzügige Spenden besserten den lächerlich kleinen Etat auf. Die Namen der edlen Spender: Tanner und Co.
Halleluja, sie hätte es sich denken können.
»Auf Leitung eins Ihre Mutter, Mr. Tanner«, säuselte seine Sekretärin aus dem Vorzimmer.
Josh spurtete zurück an den Apparat. »Ich bin nicht mehr da«, rief er in den Hörer und lachte.
»Wie schön, dich zu hören.«
Er verdrehte die Augen. »Mom, ich hab’s eilig. Heute trainiere ich die Kids.«
»Du bist immer in Eile. Ich wollte nur wissen, ob ich am Wochenende mit deinem Besuch rechnen kann?«
Es war ein altes Spiel zwischen ihnen, dass sie stets so tat, als wäre sie eine vereinsamte Lady. Er sah sie im Geiste vor sich und grinste. »Mom, wenn ich mich nicht irre, hast du am Sonntag Geburtstag. Ich werde natürlich kommen. Das weißt du doch.«
»Schon gut, dann will ich dich nicht länger stören.« Sie legte rasch auf.
Typisch seine Mutter. Hauptsache, sie hatte einmal am Tag seine Stimme gehört, auch wenn sie dann nur Albernheiten austauschten. Ihr wäre es lieber, wenn er wieder in Tanner House einziehen würde, statt in seinem eigenen kleinen Heim am Strand zu leben. Natürlich war mehr als genug Platz auf Tanner House. Das Anwesen lag etwas außerhalb der Stadt, umgeben von einem schönen Garten. Doch Joshua liebte den direkten Blick auf das Meer mit seinen Wellenbrechern aus Baumstämmen oder Steinen, die das Wasser im Uferbereich in Abschnitte teilte.
Er schnappte sich seinen Aktenkoffer, blinzelte auf die Uhr und verließ im Laufschritt sein Büro. Rannte fast durch das Vorzimmer, vorbei an seiner Sekretärin und lockerte bereits die Krawatte. »Verdammt, schon so spät. Bis morgen, Carry.«
Zuhause stürzte er ins Schlafzimmer, warf Krawatte und Jackett auf das Bett, zerrte sich die Hose und sein Hemd aus, ließ beides fallen und kramte im Schrank nach frischen Klamotten. Bewaffnet mit einem Sweatshirt sowie langen Sporthosen lief er ins Bad, wo er letztens das Basecap am Bord hatte hängen lassen. Josh zog sich an und joggte zum Sportplatz in der Nähe des neuen Hafens, wo Segeljachten an langen Stegen vertäut lagen und Touristen sich mit der Fähre im Stil eines Mississippi- Raddampfers durch die Bucht schippern lassen konnten.
»Hey, Josh – du bist zu spät.« Die Kids sahen ihn vorwurfsvoll an.
»Tut mir leid, Billy. Es kann losgehen.« Josh zählte die Jungen durch. »Wo ist Zach?«
Die Kinder lachten. »Hat sich angesteckt bei seiner Zwillingsschwester – Windpocken.« Sie kicherten.
»Armer Kerl. Ihr solltet Zach lieber bedauern, statt euch über ihn lustig zu machen. Wisst ihr, wie ätzend es juckt?«
»Schon klar, Josh, nur – Windpocken ist eine Babykrankheit.« Der zehnjährige Billy gluckste noch immer schadenfroh.
Gegen Ende der Trainingszeit fuhr pünktlich auf die Minute Billys Mutter mit ihrem klapprigen Kombi vor. Sie zuckelte einmal um den gesamten Sportplatz, ehe sie stoppte und ausstieg. »Hallo, Mr. Tanner.«
Josh grüßte zurück. Das Gefühl, sie käme seinetwegen immer überpünktlich, um Billy abzuholen, ließ sich nicht abschütteln.
Billy funkte dazwischen. »Hey, Josh, du warst zehn Minuten zu spät. Das musst du nachholen. Alles andere wäre unfair.«
»Billy!«, ermahnte ihn seine Mutter.
Leider hatte der kleine Klugscheißer recht. »Genau genommen waren es nur sieben Minuten.« Josh wandte sich den anderen zu. »Wollt ihr, dass wir die Zeit jetzt dranhängen?«
Die Jungen nickten.
»Aber …«, Josh machte eine bedeutungsvolle Pause, »… ihr müsst genau zuhören. Ansonsten geht’s in die Hose. Stuart, du schlägst so fest zu, wie du kannst. Billy, nimm den Handschuh. Alle auf ihre Positionen. Hat noch jemand Fragen?«
»Nö, alles klar.«
»Los geht’s«, kommandierte Josh.
Stuart holte weit aus, führte den Schläger in einer eleganten Seitwärtsbewegung aus und – Volltreffer.
Josh blieb die Luft weg. Da war nichts mehr außer einem Nebel aus Schmerzen. Er krümmte sich, suchte nach Halt und sackte auf die Knie bis gnädige Schwärze ihn umgab.
Liz bekam den Funkspruch des Rettungswagens, während ihrer Kaffeepause. Als der Sanitäter die Verbindung abbrach, war sie bereits über die Fakten des Unfalls informiert. Schnell ließ sie einen prüfenden Blick durch eines der Untersuchungszimmer gleiten. Sie hatte erst vor einer Stunde angeordnet die Fächer auf Vollständigkeit zu kontrollieren, weil sie es hasste, nach einem Instrument greifen zu wollen und das Gewünschte nicht in Reichweite zu finden.
»In die Eins«, rief sie den Sanitätern zu, die aufgrund der kurzen Entfernungen in einer Kleinstadt wie dieser schnell vor Ort waren. Sie betteten den Patienten um, der wieder zu sich gekommen war und leise stöhnte.
Liz sah vom PC auf und verschüttete fast den Rest ihres Kaffees. Shit! Der ungekrönte König von St. Elwine. Sie hatte Joshua Tanner sofort erkannt, obwohl die weichen Züge eines Highschool Jungen aus seinem Gesicht verschwunden waren, was seiner Attraktivität allerdings keinen Abbruch tat – im Gegenteil.
Er hielt die Augen geschlossen. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. War das echt? Oder spielte er ein bisschen Theater? Wollte er sie auf die Probe stellen, wie so oft in der Vergangenheit? Sicher hatte er längst erfahren, dass sie im Hospital ihren Dienst angetreten hatte.
Das konnte er haben. Bisher war sie ihm noch jedes Mal gewachsen gewesen. Manche Dinge änderten sich wohl nie. Sie seufzte und ging hinüber ins Untersuchungszimmer. »Guten Tag«, grüßte sie freundlich.
Er sah auf und verzog den Mund zu seinem berühmten arroganten Lächeln. Also doch, wie sie vermutet hatte. Im selben Moment fiel ihr auf, dass sein Lächeln die nachtschwarzen Augen nicht erreichte. Das war neu. Anscheinend war ihm sein schauspielerisches Talent abhandengekommen. Mit seiner Größe von mindestens einem Meter neunzig, füllte er die Länge des Untersuchungstisches aus.
»Elizabeth, sieh einer an. Nun, Schwester Crane, hol deinen Chef, sodass ich heute irgendwann noch nach Hause komme.« Er klang genervt und sein Ton war überheblich wie eh und je.
»Ich bin die Oberärztin der Chirurgie im St. Elwine Hospital.« Liz betonte jedes Wort und zog sich die Untersuchungshandschuhe über, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Sie merkte genau, in welcher Sekunde ihre Worte zu ihm durchdrangen. Er sah so ehrlich erschrocken aus, dass Liz beinahe aufgelacht hätte. Ein leiser Zweifel meldete sich wegen ihrer anfänglichen Vermutung, doch sie schob ihn vorerst beiseite.
»Mr. Tanner, was ist passiert auf dem Sportplatz?« Sie wählte bewusst die förmliche Anrede.
»Ich habe den Baseballschläger abbekommen. In eh …«
»Dann werde ich mir das jetzt mal ansehen«, sagte Liz in ihrem professionellsten Ton, nachdem er den Satz nicht zu Ende gesprochen hatte.
Erschreckt fuhr er mit dem Kopf hoch.
Nicht schlecht, Tanner, fast würde ich dir die Nummer abnehmen.
»Moment! Gibt … gibt …«, stammelte er. »Gibt es noch jemanden, der heute hier Dienst hat?«
»Sicher, nur kein anderer Arzt, Mr. Tanner«, stellte Liz mit einem Funken Genugtuung klar. »Das meinten Sie doch?«
Er ignorierte ihre Frage.
»Ich möchte jetzt gern feststellen, wie schwer Sie verletzt sind. Wenn Sie damit ein Problem haben, dürfen Sie selbstverständlich nach Hause gehen. Es bleibt Ihre Entscheidung, Mr. Tanner. Bitte bedenken Sie, dass eine Nichtbehandlung Folgen haben kann.« Liz fragte sich, wann er das Spiel aufgab.
»Ist Theo, Dr. Jefferson da?«, erkundigte er sich leise.
Natürlich den Chefarzt persönlich. »Nein, soviel ich weiß, hatte er noch einen wichtigen Termin.« Das war nicht mal gelogen, überlegte Liz.
Ein kurzes Flackern huschte über seine Lider. Diese albernen, weiblichen Wimpern überschatteten seine Augen. Trotz seines dunklen bronzeschimmernden Teints, den er indianischen Vorfahren verdankte, sah er ungewöhnlich blass aus.
Das konnte man nicht spielen, oder? Liz war sich nicht sicher. Hatte er tatsächlich starke Schmerzen? Falls ja, mussten die heftig sein, was ihr leidtat.
»Also?«, fragte sie deshalb wesentlich sanfter. »Vertrauen Sie mir?« Sie beobachtete ihn. Er focht offensichtlich einen inneren Kampf aus.
»Helfen Sie mir. Bitte.« Er sagte es so leise, dass Liz ihn kaum verstand.
»Haben Sie Schmerzen?«
Er nickte, sah sie jedoch nicht an.
»Wo?«
Josh legte eine Hand auf seinen Unterleib.
Nein, er markierte keinesfalls. »Ich gebe Ihnen jetzt ein Medikament gegen die Schmerzen. Dann können Sie sich etwas entspannen.« Liz ging zum Schrank und zog eine Injektionsspritze auf.
»Ich mag keine Nadeln.« Er hörte sich an wie ein kleiner, verängstigter Junge.
War das der Joshua Tanner, den sie in Erinnerung hatte? Warum um alles in der Welt, berührten seine rau geflüsterten Worte sie so?
Langsam drehte er sich zur Seite. Liz desinfizierte die Haut oberhalb seines Gesäßes und stieß die Nadel in den Muskel.
Er zuckte zusammen. »O Gott.«
»Schon geschafft.« Sie lächelte aufmunternd, wie sie es meistens bei Kindern tat. »Machen Sie sich bitte frei.«
Unter der Jogginghose trug er helle mit Blut befleckte Seidenboxershorts. Er hatte nicht geblufft.
Mist! Jetzt war keine Zeit, um dumme Spielchen aus der Vergangenheit zu verfolgen.
Er zog die Shorts über seine schmalen Hüften. Ein großes Hämatom hatte sich ausgebreitet.
Liz zog den kleinen Rolltisch mit Instrumenten und Tupfern näher heran und richtete die Lampe aus. »Bitte entspannen Sie sich und legen Sie sich ganz locker hin, okay?«
Er warf ihr einen langen Blick zu, als überlege er, ob sie ernsthaft davon ausging, er könne sich hier entspannen.
Als sie bemerkte, dass Josh noch immer aus seinem Penis blutete, schlug ihr das Herz bis zum Hals.
Das alles hier konnte nicht wahr sein. Josh betete, er möge sofort aus diesem Albtraum erwachen. Doch nichts dergleichen geschah. Unfassbar, dass sie ihm weismachte ein anderer Arzt wäre nicht greifbar in diesem verfluchten Krankenhaus. Josh war so übel von den Schmerzen, dass er keinen Nerv für eine Szene hatte. Er fügte sich, obwohl er davon ausging, dass Liz ihren kleinen Rachefeldzug genoss. Sollte sie doch, es war ihm egal, er konnte nicht mehr. Es gab keinen verdammten Ausweg aus dieser Situation.
Die Schmerzen waren die Hölle. Er wünschte, er könnte sich irgendwohin verkriechen, wo ihn keiner sah und sich einfach nur zusammenrollen. Doch die kleinste Bewegung brachte ihn fast um den Verstand. Josh versuchte sich zusammenzunehmen und nicht zu stöhnen. Vor Lizzy würde er sich nicht die Blöße geben. Nur wie lange konnte er das noch ertragen? Und wie, Herrgott nochmal, sollte er sich entspannen?
Warum muss ausgerechnet mir das passieren? Und zu allem Unglück auch noch im Beisein von Lizzy! Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie sie weiter vorging, und starrte an die Decke. Weil die Lampe ihn blendete, schloss er die Augen.
Sie redete mit ihm, doch Josh hörte nur mit halbem Ohr hin. Der Schmerz nahm ihn in die Zange, kniff in seinen Unterbauch, machte ihm das Atmen schwer. Es gelang ihm kaum einen klaren Gedanken zu fassen. Wie durch Watte hörte er Sanftmut in Lizzys Stimme. Das passte nicht zusammen, doch Josh versuchte sich nur darauf zu konzentrieren. Plötzlich spürte er das vorsichtige Tasten ihrer Hände an seinen Hoden. Trotz all ihrer Vorsicht schrie er beinahe auf. Stattdessen stöhnte er leise, weil die Schmerzen immer größere Wellen aussandten.
»Ich benutze jetzt ein Ultraschallgerät«, erklärte Liz.
Er wollte nichts davon hören. Ein pulsierendes Ziehen hatte gerade alles erfasst, was sich unterhalb seines Bauchnabels befand.
Sie räusperte sich. »Ich werde spiegeln, um Genaueres sehen zu können.«
Er nickte unter geschlossenen Lidern. Josh verstand ohnehin nichts davon, das war Lizzys Fachgebiet und sie konnte sich ihre Erklärungen sonst wo hinstecken. Ihn interessierten sie nicht. Er wollte nur, dass es vorbei war.
Bis er das Wort »einführen«, aufschnappte. Er riss die Augen auf und stemmte sich auf die Ellenbogen.
»Ganz ruhig«, murmelte Liz. »Ich werde sanft sein.«
Und bevor er es verhindern konnte, tupfte sie sein Blut ab, drückte ein kaltes Gel in seine Harnröhre und schob ein »Endoskop«, wie sie es nannte, sofort hinterher.
In Josh zog sich alles zusammen. Der Schmerz kreischte durch seinen Unterleib, er konnte nur noch zischend den Atem ausstoßen. »Hör auf! Du tust mir weh. Bitte!« Wenn das sanft sein sollte, Baby. Hasste sie ihn so sehr, um sich auf diese Weise an ihm zu rächen? Das war doch bestimmt gesetzwidrig. Er hätte nie geglaubt, dass sie zu so etwas fähig war. Hastig richtete er sich auf und zog sich bis an den äußersten Rand des Kopfendes hoch.
»Vorsichtig! Du musst ruhig liegen bleiben.« Liz klappte an jeder Seite des Untersuchungstisches eine schalenförmige Halterung hoch, legte je eines seiner Beine ein und zog einen Gurt oberhalb der Knie fest.
»Ist das wirklich notwendig?« Josh erkannte kaum seine eigene Stimme, die heiser und kraftlos klang. Nichts ging mehr.
»Ich denke, es ist vor allem sicherer. Ich möchte dich nicht zusätzlich noch verletzen«, erklärte sie ruhig.
Er zog scharf die Luft ein, als Liz von Neuem begann und versuchte sich gegen den Schmerz zu stemmen. Mit den Händen krallte er sich an den Rand der Liege fest und schloss die Augen. Doch es half nicht. Nichts schien zu helfen. »Ich glaub, mir wird schlecht.«
Liz griff nach einer Schale und stellte sie neben seinem Kopf auf die Liege. »Ich weiß, dass ich dir wehtue. Es geht nicht anders, tut mir leid«, sagte sie leise. »Nur noch ein kleines Stückchen tiefer und dann bin ich da, wo ich hinmuss. Ich mache so vorsichtig wie ich kann, versprochen.«
Er schlug die Augen auf und sofort verhakte sich ihr Blick in seinen. Josh wünschte, sie würde nicht in sein Gesicht sehen, nicht so tief in seine Augen, während sie dieses verdammte Ding weiter in ihn schob.
»Herrgott.« Gegen seinen Willen stöhnte er auf.
Liz legte ihre linke Hand flach auf seinen Bauch. »Deine Muskeln sind bretthart, du zitterst, Josh.« Behutsam vollführte sie kleine, kreisende Bewegungen, um die Anspannung in seinem Unterleib zu lösen.
Panik stieg in ihm auf, die Übelkeit drückte sich durch seinen Magen nach oben. Er zwang den gallebitteren Geschmack zurück.
»Versuch, dich zu beruhigen, Josh. Atme tief in meine Hand hinein, die auf deinem Bauch liegt. Du hast es gleich geschafft. Schön weiteratmen. So ist’s gut.«
Noch einmal kämpfte er gegen das Erbrechen an. »Lizzy, warum tust du mir das an?« Seine Stimme war nur mehr ein Flüstern. Sicherheitshalber schnappte er sich die Schale. Er begann zu schlucken, schluckte so heftig, dass es nicht mehr zu stoppen war, hielt sich die Schale vor das Gesicht, spuckte und übergab sich.
Erschöpft und schweißgebadet ließ er sich zurücksinken. »Es tut mir leid«, krächzte er. »Das wollte ich nicht.«
»Ist schon okay, so was passiert. Ich höre jetzt auf. Ich bin bereits auf dem Rückweg. Ganz langsam – so.«
Ihr angeblich ganz langsamer Rückzug war fast so schlimm wie das drängende Vorwärtsschieben. Am liebsten hätte er geschrien. Stattdessen entfuhr ihm ein Wimmern. Zu seinem Entsetzen klang es wie das Winseln eines Welpen.
»Überstanden, Josh.« Sie versuchte ihn aufzumuntern.
»Mhm.«
Liz löste die Gurte und half ihm, die Beine wieder aus der Halterung zu nehmen. Nachdem sie ihn diskret mit einem Laken zugedeckt hatte, sah sie ihn direkt an. »Ich muss operieren.«
»Was?«
Ihr war schleierhaft, wie jemand mit diesem Bronzeteint so dermaßen blass werden konnte. »Ich sagte, ich muss dich operieren.«
»Gütiger Gott, du willst mir doch nichts abschneiden, oder?«
Sie schüttelte den Kopf und tastete nach dem Kugelschreiber in ihrer Kitteltasche. »Im Gegenteil. Ich will retten, was zu retten ist.« Die Frauen von St. Elwine werden es mir danken. »Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«
»Zum Mittag. Wieso?« Sie merkte, dass er unter dem Laken versuchte seine Boxershorts hochzuziehen.
»Wegen der Narkose.« Liz zog sich den Rollhocker heran und setzte sich.
»Wann … wann wirst du operieren?« Er fuhr mit der Zunge über seine Zähne.
»Du kannst gleich deinen Mund ausspülen.« Liz holte ihm ein Glas Wasser, reichte es ihm und setzte sich wieder. »Ich möchte nicht mehr viel Zeit vergehen lassen. Deswegen jetzt, der OP ist frei. Du verstehst …«
Josh nickte zwar, doch Liz hatte das Gefühl, dass er sie voller Angst anstarrte.
Er sah unglaublich müde aus. Flüchtig strich sie über seine Hand. Niemals zuvor hatte sie ihn so hilflos gesehen. Sie stand rasch auf und holte zwei Patienteninformationsblätter. Am besten überspielte sie die Situation mit Geschäftigkeit und tippte mit dem Kugelschreiber auf die abgebildeten Skizzen.
»Erspar mir lieber die Einzelheiten. Ich unterschreibe alles, was du willst«, sagte er.
Interessant. Er schien ihr blind zu vertrauen. »Na gut, deine Entscheidung. Soll ich jemanden anrufen?«
Josh sah sie fragend an.
»Deine Frau zum Beispiel?« Sie steckte den Kugelschreiber ein, nachdem er die Einwilligung signiert hatte.
Ein bitterer Ausdruck flackerte in seinen Augen auf, der aber so rasch wieder verschwand, dass sie glaubte, ihn sich nur eingebildet zu haben.
»Nein … ich … wir sind geschieden«, sagte er.
»Tja, dann.« Sie nahm aus einem Schubfach einen Wegwerfrasierer. »Es wird nicht lange dauern, gehört einfach zu den Vorbereitungen.«
Josh schloss die Augen, das Gesicht eine einzige Resignation. Er sagte keinen Ton mehr.
Sie fühlte mit ihm und begriff erst jetzt, dass sie ihn während der Untersuchung wieder geduzt hatte.
Nach der Operation schenkte sich Elizabeth eine Tasse Kaffee ein und trat an das Fenster des Dienstzimmers. Draußen hatte sich wohl ein kleines Unwetter entladen. Pfützen schimmerten im Licht der Straßenlaternen. Sie öffnete das Fenster und ließ frische Luft herein. Möwen kreischten und stritten sich über einem Abfallkorb um die Beute. Ihre Gedanken glitten zurück zu einer vergangenen Sturmnacht vor vielen Jahren.
Sie lümmelte schlafend im Sessel, eingehüllt in einen verblichenen Quilt, während draußen der Wind an den Fensterläden zerrte. Das Schrillen des Telefons riss sie aus dem Schlaf. Einen Moment brauchte sie, um sich zu orientieren und nahm den Hörer ab.
»Liz, ich glaube, du solltest deinen Daddy abholen.« Martha rief aus dem Pub an.
Sofort war sie hellwach. »Ich komme.« Rasch zog sie eine Jeans über, stopfte das Nachthemd hinein, schnappte sich den Regenmantel und warf ihn über. Vor der Haustür begann sie durch den dichten Regen zu rennen, hielt die Kapuze fest, bis sie atemlos am Pub ankam.
Tanners Clique war hier, sie erkannte ihre Autos auf dem Parkstreifen. Mist! Sie hasste es, wenn jemand ihren Vater so sah. Er saß sturzbetrunken da drin und grölte unflätige Lieder. Sie hatte es mehr als einmal erlebt.
Einen Moment zögerte sie, fragte sich, warum sie sich das immer wieder antat, straffte die Schultern und drückte die Klinke hinunter.
Die Jukebox spuckte einen Countrysong aus, Tanners Jungs blickten kurz auf. Sie spielten im hinteren Raum Billard und ließen sich nicht weiter stören. Ein Glück. Rasch ging sie zu Martha an die Theke. Die Kapuze rutschte ihr von den Locken. »Was habe ich zu bezahlen?« Sie zog ihre Geldbörse aus der Hosentasche. Es waren nur noch zwei einzelne Dollarscheine darin, die für den Rest der Woche gedacht waren.
Martha bemerkte ihren resignierten Blick. »Ich schreib’s an, Mädchen. Du kannst ein anderes Mal kommen.«
Blicke brannten sich in ihren Rücken. Langsam drehte sie den Kopf.
Joshua Tanner stand hinter ihr. »Hi Liz. Martha, die Runde ging an mich.« Er setzte sein gewinnendes Lächeln auf und schloss kurz die Lider, sodass die langen Wimpern kleine, halbmondförmige Schatten auf seine Wangen warfen. Wahrscheinlich bildete er sich auch noch etwas auf diese Geste ein.
Sie ignorierte ihn.
Josh wedelte mit einem Geldschein. »War ’ne Wette, ehrlich. Ich zahle.« Er schob den Schein auf den Tresen.
»Zeche plus Trinkgeld?«, murmelte Martha und nickte anerkennend.
»War ich je geizig?«, fragte Josh grinsend.
Liz verdrehte die Augen und ließ die beiden stehen. Sie ging zum Tisch, an dem ihr Vater saß. »Komm Daddy, es ist schon spät.«
»L… Lizzy«, nuschelte er. »Was machst’n hier? Musst doch längst im Bett liegen.«
»Ich will dich abholen, Daddy.«
Ihr Vater lachte vergnügt. »So wie früher, als du noch ein kleines Mädchen warst. Wenn ich mit dem Boot raus war – Austern fangen. Da standest du fast jeden Tag am Kai.«
»Ja, Daddy. Genauso. Komm jetzt!« Sie zog an seinem Arm.
Schwerfällig stand er auf und ließ sich von ihr mitziehen.
»Seht mal, meine kleine Lizzy«, brüllte er zu ihrem Entsetzen in Richtung Billardtisch. »Ist extra hergekommen, um ihren alten Vater abzuholen. Hoppla …« Er stolperte und Liz unterdrückte den Drang, ihm eins überzuziehen.
»Mistwetter«, schimpfte er draußen, sichtlich um eine deutliche Aussprache bemüht. »Da sollte man keinen vor die Tür schicken.«
Seine Versuche aufrecht und geradlinig zu gehen, scheiterten ebenso wie zuvor die lallende Zunge im Zaum zu halten. Sie hatte es so satt! Mehr als tausend Mal hatte er ihr hoch und heilig versprochen, mit dem Trinken aufzuhören. Wie oft hatte sie schon gehört, dass dies der letzte Tropfen gewesen war, den er je angerührt hatte? Liz glaubte längst nicht mehr daran.
Sie hatte Mühe, ihn festzuhalten, damit er nicht aufs Pflaster schlug. Abrupt blieb er stehen.
»Komm, Daddy!«
»Nee«, nörgelte er. »Keinen Schritt mach ich mehr bei dem Sauwetter, Lizzy.«
Lieber Gott, warum? Liz hakte sich bei ihm unter und blinzelte die Tränen fort. »Komm schon, mir zuliebe.«
»Warte, ich helfe dir.« Die bekannte Stimme in ihrem Rücken ließ sie zusammenfahren. Wann hatte Josh seinen Wagen neben sie gefahren? »Versuchen wir, ihn ins Auto zu schieben.«
»Danke, Tanner, das schaffe ich schon allein. Wir haben es ja nicht so weit.«
»Weit genug. Vergiss mal deinen Stolz. Ich denke, es geht um ihn.« Er deutete auf ihren Vater, der sich inzwischen vornübergebeugt hatte.
Verschwinde!, wollte sie Josh anfahren, Geh weg!, doch stattdessen schluckte sie die Worte hinunter. Er hatte recht, verdammt. Ihr blieb nichts anderes übrig als die Schultern zu straffen. »Dann los!«
Mit vereinten Kräften bugsierten sie Dad in das Cabrio und Josh fuhr sie nach Hause.
Da sie jeden Moment mit einer blöden Bemerkung von Josh rechnete, vermied sie den Blickkontakt mit ihm. Nichts dergleichen geschah. Er half ihr sogar, ihren Vater auf sein Bett zu legen.
Aus den Augenwinkeln bekam sie mit, dass Josh sich flüchtig umsah und die Armut in dem winzigen Haus schweigend registrierte. Er biss sich auf die Lippen und zog ein möglichst unbeteiligtes Gesicht. Die Küchentür stand offen und sein Blick blieb an dem kleinen Wäscheständer hängen. Am Nachmittag hatte Liz ihre Unterwäsche gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Das Blut schoss ihr in die Wangen.
Josh grinste breit. »Nimm’s leicht, Lizzy. Ich weiß, was Frauen drunter tragen.« Er klopfte ihr auf die Schulter und ließ sie stehen. Keine zwei Sekunden später, stand er wieder auf der Matte. »Und nein, du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken.«
Die Tür fiel ins Schloss, noch bevor der Schuh, den Elizabeth wütend nach ihm warf, ihn treffen konnte.
Liz schüttelte die Erinnerung ab, stellte die Kaffeetasse in den Spüler und blickte auf die Uhr.
Es war kurz nach Mitternacht. Wenn sie Glück hatte, würde sie bis zum Morgen durchschlafen können, aber vorher wollte sie noch einen Kontrollgang auf der Station machen. Obwohl sie müde war, siegte ihr Pflichtbewusstsein.
Josh schlief tief und fest. Sie zog die Decke zurecht, kontrollierte Herzschlag und Blutdruck und befühlte seine
Stirn. Er hatte keine erhöhte Temperatur. Auch die Wunde stellte sie zufrieden.
Er seufzte leise im Schlaf. Sein blauschwarzes Haar bildete einen Kontrast zum weißen Kissenbezug. Es machte ihr mächtig zu schaffen, dass sie ihm so hatte wehtun müssen. Das war ihr noch bei keinem ihrer Patienten passiert, außer bei Kindern. Liz hielt sich für eine mitfühlende Ärztin, aber sie konnte keine falsche Rücksicht nehmen. Das war normal in ihrem Beruf, doch im Fall Joshua Tanner hatte sich sein Schmerz fast körperlich auf sie übertragen. Nie würde sie seinen anklagenden Aufschrei vergessen. Selbst jetzt, Stunden später, krampfte sich ihr Magen zu einem kalten Knoten zusammen.
Sie konnte nicht anders und strich sachte durch sein Haar. »Alles ist gut«, flüsterte sie. Warum drängte es sie so sehr, ihn zu trösten? Es ging hier um Joshua Tanner, nicht um irgendeinen netten Typen! Der Kerl hatte sie zu oft auf die Palme gebracht. Und doch … »Du wirst bald wieder okay sein.«
Ein Flackern huschte über seine Lider. Er schlug die Augen auf. »Lizzy?«
»Ich bin da. Es ist alles vorbei.«
Noch halb im Schlaf drückte er ihre Hand, wie um sich zu bedanken, und döste wieder ein. Sekundenlang blieb sie wie erstarrt stehen. Joshua Tanner hatte sie mal wieder völlig durcheinandergebracht. Seit wann war sie so sentimental? Als er erneut seufzte, floh sie fast aus dem Zimmer. Es war nun wirklich an der Zeit, schlafen zu gehen.
»Guten Morgen, Frau Kollegin«, grüßte Dr. Jefferson, als sie nach der kurzen Nacht aus dem Dienstzimmer in den Klinikflur trat.
Liz grüßte zurück und blieb stehen.
»Ich habe schon von ihrem Notfall gestern gehört. Das haben Sie sauber hinbekommen. Alle Achtung! Mich wundert, dass Joshua Tanner nicht nach mir verlangt hat. In diesem Fall wäre ich selbstverständlich gekommen. Er gehört zum Spenderausschuss unseres Krankenhauses. Außerdem sind sein Vater und ich seit Langem gut bekannt. Man könnte fast sagen, unsere Familien sind befreundet.«
Missfiel ihrem Chef ihr Alleingang? »Ich verstehe. Aber es gab wirklich keinen Grund, Sie an diesem Abend noch zu stören, Dr. Jefferson. Ich hatte alles im Griff« Elizabeth lächelte.
»Das bezweifle ich nicht, Dr. Crane. Wir sehen uns dann später zur Visite.« Jefferson hob die Hand und betrat sein Büro.
Liz ging weiter. Sie hätte Dr. Jefferson gestern benachrichtigen sollen, doch zunächst hatte sie leider an einen von Joshs berühmt berüchtigten Gags geglaubt. Ein Irrtum, wie sich herausgestellt hatte. Jefferson hätte ihn genauso untersuchen müssen. Sie hatte sich keinen Fehler vorzuwerfen. In Anbetracht der Verletzung hatte Liz schnell handeln müssen. Und so ausdrücklich hatte Joshua nicht nach dem Chefarzt verlangt, jedenfalls kein zweites Mal. Das hätte er doch tun können. Joshua Tanner und Bescheidenheit? Wie bitte passte das zusammen? Andererseits war er am gestrigen Abend so neben der Spur gewesen und nicht er selbst. Schuld daran trug der starke Dauerschmerz. Sie selbst konnte nichts für seinen Unfall.
Am Morgen nach einer Operation war es Elizabeths Pflicht, nach ihrem Patienten zu sehen. Genau das hatte sie jetzt vor.
Als Josh erwachte und es draußen bereits hell war, sah er sich im Raum um. Dabei fiel ihm der gestrige Tag wieder ein.
Der Crash auf dem Sportplatz und Liz, die hier im St. Elwine Hospital Ärztin war. Sie hatte ihn … gütiger Gott. Noch im Nachhinein brannte sich Scham durch sein Innerstes. Als er gestern eingeliefert worden war, schien Liz wie üblich auf Krawall gebürstet zu sein, doch ab einem unbestimmten Zeitpunkt hatte sich das gegeben. Unter all seinen Schmerzen hatte er gespürt, dass er sich auf ihr ärztliches Können verlassen konnte.
Er stellte sich wieder ihre bernsteinfarbenen Augen mit den goldenen Sprenkeln vor. Lächerlich, auf solche Details zu achten, doch es waren immerhin jene Augen, die ihn seit Jahren verfolgten. Gestern Abend, während der Anästhesist ihm die Vollnarkose verpasste, hatte er so lange in Elizabeths Iriden geblickt, bis alles verschwamm und sich hinter zähem Nebel auflöste.
Elizabeth Crane, wer hätte gedacht, dass sich die kleine Kratzbürste zu einer Oberärztin der Chirurgie mausern würde? Und nun hatte sie ihn unter ihren geschickten Fingern gehabt. Was er sich als Teenager oft ausgemalt hatte, natürlich ganz anders. Josh erinnerte sich vage, dass sie letzte Nacht an seinem Bett gestanden hatte. Ihm war, als hätte er ihr sanftes Flüstern gehört und ihre Hand in seiner gespürt.
Als hätte er sie durch die Kraft seiner Gedanken herbeigerufen, betrat Elizabeth mit einem Lächeln sein Krankenzimmer. »Guten Morgen.«
Es hörte sich an wie ein Trällern. Warum hatte sie so gute Laune? So kannte er sie nicht.
Josh fühlte sich krank, sein Unterleib brannte – er litt und wollte nichts als seine Ruhe. Außerdem musste er pinkeln. Da störte Liz nur. Bereits in der Nacht hatte die diensthabende Schwester ständig an ihm rumgefummelt. Blutdruck messen, Infusionsflaschen auswechseln, Temperatur überprüfen und immer wieder dieses peinliche Hemdchen lüften und die Hoden anfassen. Es nervte gewaltig. Er hatte einfach brav im Bett gelegen und so getan, als würde er schlafen, um sich weitere Peinlichkeiten zu ersparen. In dieser Stadt war er immerhin bekannt wie ein bunter Hund. Kein Wunder, dass seine Stimmung gen Null tendierte.
»Hallo.« Liz trat näher an sein Bett. »Die Operation ist sehr gut verlaufen. Es ist mir gelungen den Hoden zu retten.«
Führte er dieses Gespräch wirklich mit Lizzy? »Ich schätze, ich muss mich bei dir bedanken.« Er blickte zum Fenster, bloß nicht in ihr Gesicht.
»Kein Ding, das gehört zu meinem Job«, stellte sie klar.
»Mag sein. Trotzdem – danke.« Jetzt sah er sie doch an. »Wann darf ich aufstehen?«, fügte er nach einem kurzen Zögern hinzu.
»Später und nur in Begleitung. Was macht dein Kreislauf? Ich will nicht, dass dir wieder schlecht wird«, entgegnete sie ruhig.
Sie erinnerte ihn ausgerechnet daran, dass er ihr fast auf die Schuhspitzen gekotzt hatte? Himmel. Er musste jetzt dringend pinkeln.
Offenbar erriet Liz was ihn quälte. Sie griff seitlich unter das Bett und zog eine Kunststoffflasche hervor. »Hier, nimm die.«
»Oh.« Was Geistreicheres fiel ihm nicht ein? Na danke.
»Wie geht es dir heute Morgen? Tut’s noch sehr weh?«, fragte sie plötzlich sanft.
Er nickte.
»Hör mal, du musst das nicht aushalten. Wir geben dir jederzeit was gegen die Schmerzen.« Sie griff nach dem Stethoskop, das sie um den Nacken geschlungen hatte.
Er umklammerte eisern die Flasche, die sie ihm in die Hand gedrückt hatte und konnte an nichts anderes mehr denken als seine Blase zu erleichtern. »Liz, ich muss echt dringend.«
»Schon klar.« Sie lachte. »Ich nehme an, du kommst allein zurecht?«
Diese Frage hatte sie sich wohl nicht verkneifen können. Er bemerkte ein verräterisches Zucken um ihre Mundwinkel. »Jahaa! Und jetzt lass mich endlich allein.«
Sofort tat sie ihm den Gefallen, kehrte allerdings nach wenigen Minuten mit einer Injektionsspritze zurück. Da hatte er sich noch nicht mal vom Brennen beim Pinkeln erholt. Sein Bauch zog sich zusammen. »O Gott, keine Nadeln.«
»Du wiederholst dich, Tanner. Das Medikament wird dir helfen.« Sie schlug bereits die Decke etwas zurück.
»Bist du sicher?« Selbst in seinen Ohren hörte er sich kleinlaut an und linste zu Lizzy, die offenbar Mühe hatte nicht zu lachen. Was war daran so witzig?
»Absolut.« Sie nickte und deutete mit der Hand, er möge sich zur Seite drehen.
Josh zögerte. »Möglicherweise setzt du zu viel Vertrauen in die Pharmaindustrie.«
»Willst du deine Schmerzen behalten?«, fragte sie ungerührt und griff nach der Sprühflasche mit dem Desinfektionsspray.
»Du hattest schon immer die besseren Argumente.« Er spielte am Zipfel seines Kissens herum und dachte ernsthaft über Flucht nach.
»Tatsächlich? War das so?« Sie suchte seinen Blick. »Leg dich auf die Seite.«
Was blieb ihm anderes übrig? Zögernd kam er ihrer Aufforderung nach. Liz schob das Nachthemd zurück und sprühte das Desinfektionsmittel auf seine Haut. Ihm brach der kalte Schweiß aus, augenblicklich verkrampften sich seine Muskeln wie von selbst.
»Hör mal, Tanner, du hast doch nicht wirklich Angst vor einer lächerlichen Spritze, oder?«
Er hob den Kopf und sah hinter sich. »Doch … verdammt noch mal! Bist du jetzt zufrieden? Ich hasse diese Dinger und …« Als Elizabeth die Spritze vom Tablett nahm, riss er die Augen auf. »Gütiger Himmel! Die ist riesig.«
Liz tätschelte bereits seine Pobacke. Merkte sie das nicht?
»Du bist nahezu zwei Meter groß, was erwartest du da für eine Dosis?«
»Keine Ahnung … weniger … und mit einer klitzekleinen Nadel? Meinst du nicht?« Josh stammelte und das ärgerte ihn maßlos.
»Als wenn es dir je um meine Meinung gegangen ist.« Elizabeth biss sich kurz auf die Unterlippe. »Na los, dreh dich wieder um. Du solltest nicht unbedingt hinsehen.«
Josh starrte angestrengt die gegenüberliegende Wand an. »Darf ich dir vorher noch eine Frage stellen?« Er wollte es so weit wie möglich hinauszögern, obwohl ihm klar war, dass er mit nacktem Hintern vor ihr lag.
»Klar doch, schieß los.«
»Seit wann bist du wieder da?« Idiot, schalt er sich. Doch nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen.
»Och, ich war die ganze Nacht im Haus«, antwortete sie prompt.
Bitch! Sie wusste genau, dass er das nicht gemeint hatte. Früher hatten sie oft diese Art von Unterhaltung geführt. Zwei ebenbürtige Gegner in Bezug auf versteckte Andeutungen, Zweideutigkeiten oder absichtlichen Irreführungen. Er war aus der Übung.
»Ich wollte wissen … Au! Verdammt!«, fluchte er, als Liz mit einer raschen Bewegung die Kanüle einstach. Sofort nahm er sich zusammen und zog lediglich scharf die Luft ein. Liz drückte die brennende Flüssigkeit in seinen Muskel und er krallte sich an seinem Kissen fest.
»Tanner, du bist kein leichter Patient. Ich injiziere das Medikament extra langsam, um dir unnötige Schmerzen zu ersparen. Das Mittel brennt ein wenig.«
Definiere ein wenig! »Ach was«, schnappte er. »Warum klingst du, als würdest du dich über mich lustig machen?«
»Das tue ich nicht«, behauptete sie und zog die Nadel aus seinem Po.
Sofort deckte er sich zu bis zum Hals zu und drehte sich um. »Wer es glaubt.« Jetzt erst begriff er, wie geschickt sie ihn mit ihrem Gerede abzulenken versucht hatte und kam auf seine Frage zurück. »Also?«
»Also, was?« Sie stellte sich absichtlich dumm.
»Komm schon, Lizzy. Seit wann bist du wieder hier, in St. Elwine?« Josh musterte sie.
Liz stülpte eine kleine Hülle über die Kanüle. »Noch nicht lange. Warum interessiert dich das so brennend? Nicht genug andere Frauen in deinem Jagdrevier?«
Er blickte sie schweigend an, was sie zu verunsichern schien.
»Lüften wir lieber dein Hemdchen. Lass sehen, Josh. Ich möchte nur einen kurzen Blick werfen. Rein dienstlich natürlich.« Sie zog sich einen Handschuh über und er machte sich widerwillig frei. Behutsam tastete sie die Wunde ab, er zuckte trotzdem zusammen und starrte an die Decke.
»Sieht gut aus«, murmelte sie leise.
Josh war nicht klar, ob sie es zu ihm oder eher sich selbst sagte. »Ebenfalls rein dienstlich, nehme ich an.«
Sie lachte. »Darauf kannst du wetten, Tanner.«
»Gute Arbeit, Lizzy.«
»Hast du etwas anderes erwartet?« Sie nahm das Tablett vom Nachtschrank.
Er ging auf ihren leichten Plauderton ein. »Ähm … nein, eigentlich nicht. Nicht bei dir.«
Sie winkte ihm zu und ließ ihn allein.
Josh nahm das Telefon zur Hand. »Hallo Marc, ich bin’s …«
»Wo zum Teufel steckst du? Carry telefoniert sich die Finger wund. Weder bei dir zu Hause noch an dein Handy gehst du dran. Inzwischen kann ich die Ansage auf deinem Anrufbeantworter auswendig.«
Marc Cumberland, sein Geschäftspartner und langjähriger Freund, war also tatsächlich mehr als beunruhigt, wenn er persönlich versucht hatte, ihn zu erreichen.
»Kenne ich sie? Sie muss umwerfend sein, wenn du darüber sogar deine Arbeit vergessen hast«, witzelte sein Freund.
»Im Krankenhaus«, unterbrach Josh ihn.
»Was?« Und nach einer Pause: »Was ist passiert?«