Der Saisonkoch - Kh Beyer - E-Book

Der Saisonkoch E-Book

Kh Beyer

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Beschreibung

Nach dem Zerfall des RGW, volkstümlich als Ostblock bezeichnet, wurden Millionen von Arbeitern über Nacht arbeitslos. Die unter sozialistischen Verhältnissen aufgewachsenen Bürger wurden von Heute auf Morgen, unter für sie neuen Gesetzgebungen, zu Tagelöhnern, Fernfahrern, Saisonarbeitern und Erntehelfern. Seit dem, leben sie fernab ihrer Familien und werden von einer unbeschreiblichen Bürokratie und von einer sie betrügenden kapitalistischen Gesellschaft maßlos ausgebeutet. Ihre gesamten beruflichen Ausbildungen und Abschlüsse werden über Nacht wertlos. Sämtliche Arbeitswege, die damit verbundenen Gefahren für Gesundheit und Leben nebst der damit verbundenen Kosten gehen zu ihren Lasten. In ihrem neuen Umfeld werden sie schikaniert, ausgegrenzt und zu einer Gruppenbildung gezwungen. Am schlimmsten jedoch ist, dass sie untereinander in Konkurrenz gesetzt werden.

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Der Erste Teil führt

uns in Hotels und

Restaurants

berühmter

Skigebiete

wie

Ischgl,

Galtür,

Paznauntal,

Kaunertal,

Pitztal,

Serfaus,

Samnaun

und Reschen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Tag eins

Tag zwei

Tag drei

Tag vier

Tag fünf

Tag sechs

Tag sieben

Tag acht

Tag neun

Tag zehn

Tag elf

Tag zwölf

Tag dreizehn

Tag vierzehn

Tag fünfzehn

Tag sechzehn

Tag siebzehn

Tag achtzehn

Tag Neunzehn

Tag zwanzig

Tag einundzwanzig

Tag zweiundzwanzig

Tag Dreiundzwanzig

Tag Vierundzwanzig

Tag fünfundzwanzig

Tag sechsundzwanzig

Tag siebenundzwanzig

Tag achtundzwanzig

Tag neunundzwanzig

Tag dreißig

Tag Einunddreißig

Nachwort

Vorwort

Nach dem Zerfall des RGW, volkstümlich als Ostblock bezeichnet, wurden Millionen von Arbeitern über Nacht, arbeitslos. Die unter sozialistischen Verhältnissen aufgewachsenen Bürger, wurden dadurch, von Heut‘ auf Morgen, unvorbereitet unter neuen Gesetzen, zu erpressbaren Tagelöhnern und Sklaven. Sie verrichten seit dem Arbeiten als Erntehelfer, Tagelöhner, Fernfahrer und Saisonarbeiter fernab ihrer Nachbarn und Familien. Sie werden von einer unbeschreiblichen Bürokratie, von einer sie betrügenden, kapitalistischen Gesellschaft, rechtlos behandelt und maßlos ausgebeutet. Ihre gesamten beruflichen als auch intellektuellen Bildungsabschlüsse und Urkunden werden nicht anerkannt und sind wertlos geworden. In keinem ihrer Gastarbeitsländer werden sie jemals ein gesellschaftliches Mitglied. Sie werden in ihrem neuen Umfeld als auch zu Hause, sozial ausgegrenzt oder sogar bewusst schikaniert. Die Fahrten von zu Hause bis zu ihren Arbeitsplätzen und zurück, sind bedroht von enormen Kosten als auch Gefahren für Gesundheit und Leben. Niemand bezahlt die Kosten für Arbeitswege, Schäden, den Verschleiß oder die Kommunikation mit den Familienangehörigen und Freunden. Das Schlimmste ist, dass sie mit ihren Kollegen unter Konkurrenz gesetzt werden, womit ihre Arbeits- und Sozialrechte noch zusätzlich bedroht oder ausgehebelt werden.

Tag eins

Sechs Uhr. Zeit, aufzustehen. Die Arbeit würde um acht Uhr beginnen. Trotzdem treffen wir uns schon etwas eher zum gemeinsamen Frühstück um sieben Uhr. Am ersten Tag der neuen Saison, ist es günstig, sich etwas eher zu treffen, um sich bekannt zu machen. Dabei bereue ich meistens, dass ich keine sechs Fremdsprachen spreche, angefangen von Serbokroatisch, über Türkisch bis hin zu Ungarisch und Slowakisch.

Wir, meine Frau und ich, haben es uns zur Gewohnheit gemacht, in einer Pension in der Nähe des zukünftigen Arbeitsplatzes zu übernachten. Auf die Art bekommen wir auch oft ein paar Hintergrundinformationen zu den Arbeitsstellen. Generell sind die Unterkünfte in den Alpenländern, außer in der Schweiz und in Deutschland, mietfrei bzw. Bestandteil des Arbeitsplatzangebotes. Sollte von mir einer Miete für den Raum verlangen, den ich benötige, um seine Gäste zu bewirten, damit er ein Geld verdient, wäre ich wohl sofort wieder vor der Tür. Veräppeln können wir uns selbst. Ansonsten, kann er sich ja eine Pension einrichten, in der er Saisonarbeiter beherbergt und beköstigt. Das ist ein Extrageschäft. Gelegentlich habe ich aber in Ländern gearbeitet, die nach diesen Regeln funktionieren sollen. Ich habe dann einfach die Mietzahlung, zu meinem Lohn gefordert.

Wir haben von unserer Pension aus, knappe zehn Minuten Arbeitsweg. Mit dem Arbeitsantritt in den jeweiligen Hotels, haben wir unseren Aufenthalt in der Pension beendet. Zur Not, dürften wir da wieder anfragen, wird uns gesagt. Eine liebe Geste von den Vermietern.

Auf unserem Arbeitsweg treffen wir schon sehr viele Leute. Der Winterdienst schiebt die Wege frei und die Arbeiter grüßen uns. Später wissen wir, warum. Sie essen bei uns zu Mittag. Wir treffen zudem noch viele Kollegen aus anderen Häusern. Ich höre polnisch, slowakisch, ungarisch und einige Sprachen, bei denen ich nicht genau weiß, woher die Kollegen kommen. Sie grüßen alle recht freundlich und meist in deutsch.

Warum höre und sehe ich keine Österreicher?

Selbstverständlich muss ich anfangs, ein einfaches Menü schreiben. Mit einfachen Arbeitsaufgaben versuche ich, herauszubekommen, was denn meine Kollegen so können. Da sag ich also am Frühstückstisch dem Kollegen Muchmat, er solle mir eine Hollandaise richten. „Hollandaise“?

„Was ist das?“ Soltan berichtigt Muchmat dann und gibt zum Besten, dass das eine warme Butteremulsion sei. Eine Grundsauce. „Ja was, Grundsauce?“ Nach einiger Diskussion stellt sich heraus, die Hollandaise war ihm bekannt als aufgeschlagene Buttersauce. Er hat sie lange nicht mehr gemacht. Die gibst fertig. Und die fertige Sauce, nutzen sie fast immer.

Tja, und schon war die Frühstückszeit zu Ende und wir begeben uns in die Küche. Mit seiner Frage hat der Muchmat dann schon mal den Salatposten gewonnen. Und der Soltan, ist der Beilagenkoch. Der wichtigste Beruf in der Küche, der Abspüler, braucht in aller Regel keine Einweisung. In Fast allen Betrieben ist der Abspüler, der treueste Mitarbeiter. Der Abspüler ist demnach mein Anlaufpunkt, um zu erfahren, welche Gepflogenheiten in dem Betrieb herrschen. Ich erfahre von ihm, ob und wann die Hoteliersfamilie isst, wie viele wir Personalessen zu stellen haben und welche Kost zu den Lieblingsspeisen unserer Kollegen zählt. Der Abspüler gibt mir mit Gesten zu verstehen, welchen finanziellen Rahmen ich dafür zur Verfügung habe und welche Spezialitäten die Gastgeberfamilie gern hat. Wenn der Abspüler abwinkt, liegst Du falsch. Schließlich haben wir auch die Ernährung unserer Herrschaften und Kollegen zu organisieren.

Im Büro des Hotels, gleich hinter der Rezeption, muss ich noch in Erfahrung bringen, wie die derzeitigen Menüs gestaltet, wie viele Gänge gekocht und welche Buffets aufgebaut werden. Bei uns sieht das dann so aus:

Salatbuffet

Suppe

Warme oder Kalte Vorspeise

Hauptgang

Dessert

Naja, denk ich mir. Das ist für Österreich schon mal ganz schön und durchaus, keine Grundnorm in den Breiten.

Allgemein erfährt der Saisonkoch die Dinge bereits beim Vorstellungsgespräch. Er besichtigt die Küche, die Räumlichkeiten und auch alte Menüs, um nahtlos an die Praxis dieses Gastbetriebes anzuschließen. Manchmal ergeben sich aber noch kleine Veränderungen, die berücksichtigt werden möchten.

Das Salatbuffet bestücken wir mit zwölf verschiedenen Salaten zur Wahl.

Wir werden zwei verschiedene Dressings bereiten. Unser Menü sieht dann so aus:

Sauer Rindfleisch

Blumenkohlcremesuppe

Steinpilzrisotto

Schopfbraten vom Schwein im eigenen Saft an Kartoffelstampf und

Butterkarotten

Heidelbeermousse auf Vanillespiegel

Auf den Menükarten unserer Gäste sähe das natürlich etwas mager aus. Es würde nicht unbedingt dazu einladen, eine Halbpension oder das Menü zu buchen. Aus dem Grund, schreiben wir dann die Menüs schön.

Sauer Rindfleisch an einem Voglerbouquet Legierte Blumenkohlcremesuppe mit einem Blätterteigcrouton Steinpilzrisotto zu Petersilienpesto Schopfbraten vom einheimischen Schwein im eigenen Saft an würzigem Kartoffelstampf und Butterkarotten Vichy Art Heidelbeermousse auf Bourbon -Vanillespiegel Jetzt muss ich noch schauen, ob mir der Chef oder die Chefsekretärin den Roman abnimmt. Er nimmt es. Gleichzeitig versuche ich natürlich, zu erfahren, wie viele Gäste wir heute erwarten. „Ich weiß nicht“, ist die erste Antwort. „Das wollte ich aber nicht wissen“, sage ich dann. „Gib mir irgendeine Zahl“, sage ich. `Die Lebensmittel, die wir dann zu viel gekocht haben, sind ja nicht meine‘ - denke ich so für mich. Und schon ernte ich Blicke der Chefsekretärin, die nichts Gutes ahnen lassen für die Zukunft.

„Am besten, Du sagst mir, wie viele Gäste gebucht haben“, „wir brauchen zumindest, einen Anhaltspunkt“. Nach dreißig Minuten, weiß ich es dann.

Die Zeit wird später sicher noch fehlen. Zum Personalmittagessen wird diese Frau, pünktlich, vor mir stehen und ein Essen verlangen.

Unser Hotel hat achtzig Betten. In der Dependenz gibt es zusätzlich, acht. Damit haben wir eine Maximalkapazität von achtundachtzig Halbpensionen. Fünfzig Gäste haben bereits eingecheckt und sechs erwarten wir noch. An Eröffnungstagen ist mit einem vollen Haus zu rechnen. Es werden noch Gäste buchen. Deshalb werden wir die gesamte Maximalgästezahl bekochen.

Zum Mittagstisch erwarten wir unsere Tagesgäste und Gäste aus dem a-lacarte-Geschäft. Wir haben rund zweihundert Sitzplätze mit unseren Außenplätzen. Wenn das Wetter so bleibt, können wir mit zwei Essen pro Platz rechnen. Das wird unserem Vier-Mann-Team reichlich Bewegung verschaffen. Einem Koch mit etwas Erfahrung, muss man allgemein nicht erklären, was als Erstes zu tun ist, wenn er eine Küche betritt und welche Speiseansätze und -vorbereitungen primär erfolgen. Der erste Weg ist damit der Ansatz der Fleischbrühe, die, praktisch, für Alles gebraucht wird.

In dem Arbeitsgang wird auch eine Jus angesetzt als Basis für Bratensaucen. Das fällt üblicherweise mit dem Portionieren von Fleisch zusammen. Sämtliche Abschnitte vom Fleisch finden damit den Platz in einem der zwei Ansätze.

Der Beilagenkoch konzentriert sich jetzt auf den Dämpfer und macht den Ansatz für seine Gemüsebrühe fertig. Im Dämpfer wird er die Kartoffeln, sämtliche Gemüse des Tages und, natürlich, Reis ansetzen bzw.

blanchieren. Gleichzeitig setzt er ein Englischwasser auf. Ein Englischwasser ist ein würziger Salzwasseransatz, der kochbereit sein muss. Mich freut, dass ich Soltan das nicht erklären muss. Er läuft wie eine Maschine, der ungarische Kollege. Unser Muchmat, ein Kosovare, kümmert sich bereits um die Salatbeilagen. Er steht in einem Gemüsehaufen, dass es einem schwerfällt, ihn zu sehen. „Muchmat, bist Du da?“ „lllpllsp“, war Alles, was wir hörten. Da müssen wir gleich mal kontrollieren, was er tut.

Alles bestens. Gut so.

Muchmat wird dann auch alle kalten Speisen fertigen und die Ansage der Bestellungen übernehmen. Das ist ein ziemlich großer Posten und sehr viel Arbeit.

Bestimmte Ausdrücke kann Muchmat nicht einwandfrei in deutsch. Das wird uns noch viel Spaß bringen und reichlich Missverständnisse erzeugen.

Weil wir so schön bei Missverständnissen im Ablauf von Bestellungen sind, erkläre ich mal, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass unsere Gäste zu lange auf ihre Bestellung warten müssen oder ihre Bestellung, ganz vergessen wird. Für gewöhnlich, werden Speisenkarten mit Hauptspeise, Sättigungsbeilage und Beilage geschrieben. In etwa so:

Wiener Schnitzel an Petersilienkartoffel und Spinat Unser Servicepersonal nimmt dann eine Bestellung auf und gibt dabei in neueren Kassensystemen eine Nummer an und die bestellte Anzahl der Gerichte.

Sobald, durch einen Gast, eine Änderung in der Bestellung erfolgt, z.B.

statt Petersilienkartoffel, Pommes, gibt der Kellner die Nummer der Beilage ein, die geändert wurde. In den meisten Systemen wird die Beilage dann, extra, namentlich, ausgedruckt. Bei der Bestellung am Tisch, geht das relativ reibungslos. Die Bestellung wird, in Form eines Bons, in der Küche ausgedruckt. Oft mit einem Signal, das bei reichlich Bestellungen, sehr lästig sein kann. Ich meine jetzt nicht lästig in der Form, „Ach, schon wieder Arbeit“, sondern mit dem sehr störenden Dauergeräusch. Dieses Geräusch erzeugt im Dauerton, eine innere Abwehr, die in etwa mit der Reaktion auf ein klapperndes Schutzblech zu vergleichen ist.

Die Bestellbons müssen nun vom Annonciere, den Kollegen, relativ laut, mitgeteilt werden. Dazu muss der Annonciere, die Bonbelege so sortieren, wie er sie bekannt gibt. Ist das Küchenkollektiv neu, gibt das ein paar Verzögerungen wegen diverser Verständigungsprobleme. Ein Kollege mit ungarischem Akzent, wird selbstverständlich anders aufgenommen als ein Kollege mit einer pakistanischen Aussprache. Zum Glück verstehen wir Muchmat recht gut, weil der als Jugoslawe, schon längere Zeit in Österreich gearbeitet hat und dort nun auch wohnt. Muchmat muss jetzt nur etwas eingerichtet werden. Bei der Ansage der Bestellungen muss beachtet werden, welche Kapazität die Köche an ihrer Technik haben. Das heißt, wie viele Speisen, auf einmal, zubereitet werden können. Hat er zum Beispiel, vier Flammen, kann er vier verschiedene Beilagen, mit einem Mal, fertigen. Muchmat hat dann noch die Aufgabe, eventuelle Gerichte, die etwas länger dauern, bekannt zu geben. Dabei wird der betreffende Posten, direkt angesprochen. Vergessen wir nicht, dass Muchmat, nach der Annonce, zu seinem Posten geht und die Salatbeilagen richtet.

Als Erstes, sind um die zwanzig Bestellungen eingetroffen. Die Gesamtpapierlänge der Bestellungen ist gut ein Meter. Vor unseren Augen liegen jetzt, rund, einhundert Essen, die noch gemacht werden wollen.

Muchmat wird jetzt die Bons, so sortieren und vorlesen, dass wir immer um die zehn Essen, mit einem Mal, auf den Pass bekommen. Das können also, je nach Tischen, acht oder zwölf Portionen sein. Rechnen wir jetzt, ganz trocken, die Fertigungszeit für ein fertig paniertes -, von uns, vormittags, vorbereitetes Schnitzel, von sechs Minuten, hoch auf die vor uns liegenden Bestellungen, dürfte der letzte Block, bei acht Blöcken a zwölf Portionen, in achtundvierzig Minuten sein frisches Essen erhalten. Selbstverständlich müssen wir noch berücksichtigen, dass der Kellner das Essen bestellt und auch zu dem Gast trägt. Die ersten aufgenommenen Gäste haben damit ihr Essen in rund zehn Minuten, während der zuletzt aufgenommene Gast, auf sein Essen, fünfzig Minuten wartet.

In dem Zusammenhang möchte ich sagen, dass ich als Koch mit der Kenntnis der Verpflegung in einer Saison, niemals in einem Restaurant mit Bedienung einkehren würde, um dort ein Mittagessen oder eine Vesper einzunehmen. Das würde ich höchstens tun, wenn ich keine Lust auf Skifahren hätte oder das Wetter ungeeignet wäre.

Die beste Methode, Ski- oder, generell, große Massen von Touristen zu beköstigen, ist die Variante der Selbstbedienung mit einem Frischfertigungsanteil. Das wird bereits in vielen Skibetrieben so gestaltet.

Die andere, sehr unwirtschaftliche, veraltete und etwas nostalgische Methode, ist die, der wir gerade nachgehen. Sie ist auch für die Köche, die ungesündeste Methode. Etwas anders sieht es bei unseren Halbpensionsmenüs aus. Da hat der Gast die Möglichkeit, seinen speziellen Wunsch, rechtzeitig zu bestellen. Zaubereien sind da leider nicht möglich.

Auch nicht, wenn sich das manche unserer Gäste einbilden.

Unser Mittagstisch ist bis vierzehn Uhr vorgesehen und wir nähern uns der Zeit. Für gewöhnlich sollen sich die Angestellten dann zur Zimmerstunde bewegen und eine Pause bis siebzehn Uhr einlegen. In vielen Betrieben bleibt eine Mannschaft für das Nachmittagsgeschäft stehen. Die Kollegen werden abends eher nach Hause geschickt. In anderen Betrieben wird eine Jause vorbereitet. Dafür werden kalte Platten gelegt, eine kleine Salatauswahl und etwas Suppe bereit gestellt. Das ist die Theorie. Am ersten Tag haben wir natürlich die Vorbereitung für das Abendmenü nicht geschafft. Das ist jetzt zu machen. In unserem Betrieb wird eine Jause vorbereitet. Die Küche ist noch zu reinigen. Aus dem Grund, werden wir jetzt unsere Mannschaft in zwei Gruppen teilen. In eine Reinigungsgruppe und in die Gruppe, welche die Jause und das Abendmenü vorbereitet. Nebenbei, sind natürlich noch die Restbestellungen zu fertigen, die, gewohnheitsmäßig, fünf Minuten vor Mittagsende, noch reichlich einlaufen. Aktuell, sind es rund dreißig Bestellungen. Nach der Formel, sechs Minuten mal Blöcke, fehlen unserem Mittagsschläfchen damit rund zwanzig Minuten. Wir nennen das Nachbereitungszeit, die eigentlich für die Jause und die Reinigung bestimmt sind.

Saisonarbeiter kennen das und würden nach dem Mittagsgeschäft, niemals mit einer Pause rechnen. Anders sieht das bei den Leuten aus, die uns die Pausenzeiten abziehen und die Lohnbescheinigungen ausfüllen. Die kennen keine Nachbereitungszeit. Das heißt, die späten Gäste werden zu Lasten der Angestellten versorgt. Wer da eine besondere Liebe erwartet, tut mir leid.

Selbstverständlich werden Küchen von Oben nach Unten geputzt und alle meine Kollegen, kennen die einfache Putzregel. Zum Saisonanfang ist die Küchenreinigung auch relativ einfach. Wir müssen nur das putzen, was wir auch beschmutzt haben. Bevor wir den ersten Schritt in eine Küche tun, reinigen wir die Küche schon mal von Grund auf. Meist geschieht das am Tag vorher. So war das auch bei uns. Bei der Gelegenheit testen wir die gesamte Technik. Das ist die letzte Möglichkeit, einen Monteur in die Küche zu bekommen, ohne dass die Reparatur einen Kollegen stört.

Wir schrubben die Küche und ich hab auch gleich die Möglichkeit, einen großen Fehler der Küchenreinigung anzusprechen. Muchmat kommt mit dem Besen um die Ecke und will den Küchenboden, vor dem Wischen und Schrubben, fegen. Auf Küchenfußböden liegt, neben heruntergefallenen Speisen von abgewischten Arbeitsflächen, auch Fett, das sich als Nebel in der Küchenluft befindet, abkühlt und nach Unten fällt. Dazu kommen verstreute Gewürze, Zucker, Salz, verschleppter Schmutz von Außen, Mehl und Stärke. Ich glaube nicht, dass ich diverse Besuche von Toiletten, unerwähnt lassen muss. Indirekte Übertragungen durch Dritte, Bedienungen, Gäste und so weiter, finden genauso statt, wie selbst eingeschleppte Verschmutzungen. Nun stellen wir uns mal vor, dass wir heruntergefallenes Mehl, das sich bereits mit den anderen Verschmutzungen vermischt hat, durch Fegen in die Regale der Teller, Tassen und Speiseablagen wedeln. Guten Appetit, sag ich da. Muchmat durfte den Besen wieder wegstellen und schon war der Hausfrieden gesichert. Nachdem wir die Küche poliert haben, schicke ich meine Kollegen zur Zimmerstunde. Ich muss jetzt die Menüs für den kommenden Tag schreiben. Gleichzeitig wird auch ein Bestellbuch oder ein Bestellbogen ausgefüllt. Wir werden in Zukunft, zwei Wahlmenüs anbieten. Unsere vegetarischen Gäste sollen die Möglichkeit haben, ein komplettes Menü vegetarischer Art zu erhalten. Dafür geben wir unseren Gästen die Möglichkeit, die vegetarische, warme Vorspeise als Hauptgericht zu ordern. Die kalten Vorspeisen geben wir zukünftig als Buffet zum Salatbuffet. Unsere Hausgäste bekommen ihr Buffet in einem Extraraum.

Kalte Vorspeise vom Buffet

Zucchinicremesuppe mit pikanten Schöberlen

oder

Hähnchenbrühe mit geröstetem Lauch

Käsespätzle Tiroler Art

oder

Lasagne klassisch Bolognese Art aus dem Backrohr

Salate vom Buffet

Zwiebelrostbraten im eigenen Saft an Röstkartoffel und Butterkarotten

oder

Kalbsrahmgeschnetzeltes zu Pilawreis und Brokkoli

Apfelstrudel

oder

Eis

Zunächst werden wir die Karte aufschlüsseln für die benötigten Rohstoffe.

Die Rezepte zu dem Menü muss der Koch natürlich im Kopf haben. Die Zucchinisuppe benötigt eine Brühe, Zucchini, Mehl, Kartoffeln, Ei und Mehl für die Schöberlen, Oregano, Salz, Zucker, Pfeffer, Muskat. Die Geflügelbrühe ist da schon etwas einfacher und benötigt außer den paar Gewürzen, lediglich Wurzelgemüse und Geflügelfleisch. In dem Fall, Hähnchen. Wurzelgemüse fassen wir zusammen aus Karotten, Sellerie, Lauch und oder Zwiebel. Zudem rechnen wir heute unter anderem, Fenchel, verschiedene Rüben, Kohlsorten, Retticharten und verschiedene Kräuterwurzeln. Sämtliche Wurzelgemüse lassen sich, außer den grünen Sorten, gut lagern. Wir müssen also darauf schauen, dass die Produkte immer vorrätig sind. Für Käsespätzle benötigen wir Ei, Mehl, mehrere Sorten, regionalen Hartkäse, Butter, Zwiebel und Milch. Ich persönlich bevorzuge zum Kochen, sowohl aus Platzgründen und der Einfachheit halber, Sahne. Verwende ich Sahne, benötige ich entsprechend weniger oder keine Butter. In einem Liter dreißigprozentiger Sahne, stecken schon mal dreihundert Gramm Butter. Mit der Sahne kann ich außerdem noch den eigenen Saft des jeweiligen Produktes verwenden. Bei vitaminreichen Produkten scheint mir das wichtig, zumal der größte Teil der Vitamine, fettlöslich ist.

Für die klassische Lasagne benötigen wir Eier, Mehl, Öl, Rindfleisch, Wurzelgemüse, Tomatenpaste, Tomaten frisch oder Pelatipolpa aus der Dose, Rotwein, Parmesankäse oder einen ähnlichen Hartkäse aus der Alpenregion. Das gleich ich jetzt mal ab mit den Beständen, die lagernd sind. Es fehlt nichts.

Salatbuffet ist eigentlich der falsche Ausdruck für das Buffet, das unsere Gäste darunter verstehen. Dieses Gemüseangebot müsste eigentlich Rohkostbuffet heißen. Warum das ausgerechnet immer Salatbuffet genannt werden soll, ist mir schon ein Rätsel. Salate sind grundsätzlich, angemachte Gemüse oder Zutaten. Frei übersetzt hieße das, Gemüse gesalzen.

Nun weiß jeder, der Gastronomie kennt, dass sich die Gäste zum Abendessen nicht gleichzeitig einfinden und das Buffet, ganze drei oder vier Stunden auf den Gast wartet. Ob das jetzt gekühlt, im Restaurant wartet oder in der jeweiligen Küchenabteilung, ist egal; es wartet so lange, bis der Gast kommt.

Der späte Gast ist sozusagen ein Gast, der grundsätzlich, mindere Qualität bekommt. Sämtliche Speisen warten auf den Gast. Gemüse und viele andere Speisen, verändern in der Wartezeit selbstverständlich ihre Zusammensetzung und auch das Geschmacksbild der Speise. Manchmal zum Positiven aber auch umgekehrt. Zu unserem Rohkostbuffet gehören natürlich auch ein paar ausgewählte Vorspeisen. Die ergänzen natürlich das Menü mit Produkten, die wir im aktuellen Tagesmenü nicht finden. Heute ist das, unter anderem, Thunfischsalat, Bohnensalat und Tomaten-Mozzarella.

Im Winter sind Tomaten zwar nicht die erste Wahl, aber die berühmten Zelttomaten aus Holland und anderswo, sind heute im Geschmack kaum von den in der Saison gehandelten Tomaten zu unterscheiden. Der Verbraucher kennt praktisch den urtypischen Tomatengeschmack gar nicht mehr. Köche in Gastronomiebetrieben kennen diesen Geschmack auch nicht. Unsere Chefs kaufen die Produkte in Großhandelseinrichtungen, die ganz sicher, keine Produkte von Kleinsterzeugern führen.

Bevor ich jetzt die Bestellungen ins Büro bringe, muss ich natürlich einen Rundgang durch Küche und Lager absolvieren. Gleichzeitig wird auch die Sauberkeit mit kontrolliert. Außerdem müssen, nach neuesten Richtlinien, auch die Temperaturen der Kühleinrichtungen notiert und unterschrieben werden. Bei uns sind das zwölf. Die Kühltische und Kühlarbeitsplätze gehören dazu.

Im Grunde hat das mit Verbraucherschutz wenig zu tun. Das ist unser Schutz. Der ist aber gesetzlich geregelt und vorgeschrieben. Ein Gast, dem es aus irgendeinem Grund schlecht geht, neigt leicht dazu, das dem Versorger seiner Wahl zu unterstellen. Und das führt bei uns zu unglaublichen Kontrollvorgängen, die jede Produktion behindern. Bei einem Negativbescheid fehlen uns leider noch die Mittel oder auch der konsequente Wille, den entsprechenden Kunden, stehenden Fußes zu verklagen. Wir wissen nicht, wo der Kunde zuletzt war. Wir wissen nicht, was er im Laufe des Tages gegessen und getrunken hat und kennen auch die persönlichen Befindlichkeiten des Kunden kaum. Für Behauptungen seitens des Kunden, scheint das zu reichen. In den meisten Fällen, ist das Erschleichen von Bonusleistungen der Reklamationsgrund. Ausgetragen wird das zu Lasten der restlichen Kunden. Das führt, in jedem Fall, mindestens, zur Verzögerung des Ablaufes.

Kaum bin ich mit dem Rundgang fertig, kommen schon meine Kollegen von der Pause zurück. Wir haben also siebzehn Uhr. Damit beginnt jetzt die zweite Schicht für meine Kollegen. Bei mir ist es noch die erste. Wir haben jetzt, zwei Stunden Zeit, das Menü fertig zu stellen und das a la carte-Geschäft vorzubereiten. Die Jungs duften alle nach Seife, sind frisch und Soltan hat sogar schon seine Kochkleidung gewechselt. Ich verspüre ein leichtes Neidgefühl. „Gut geschlafen?“, frag ich Soltan. „Zu lange“, sagt Soltan scherzend.

Praktisch, reichen fünfzehn bis zwanzig Minuten Schlaf in der Pause. Es kommt etwas darauf an, wie lange die Nacht dauerte. Der Arbeitstag eines Saisonarbeiters besteht praktisch nur aus Arbeit sowie deren Vor- und Nachbereitung. Das inkludiert auch den Arbeitsweg. Schlaf ist reiner Luxus.

Das Abendmenü für unsere Hausgäste ist leicht vorzubereiten und meist auch Chefsache. Bis auf die Salate, Vorspeisen und Desserts. In der Regel, zeigt man seinen Kollegen ein Muster und sie kopieren das. Gleiches gilt auch für das Auflegen der warmen Speisen. Das muss erst getestet werden. Dabei schauen wir, ob das Gericht, so, gut aussieht. Wenn da Etwas an der Farbe oder der Aufmachung nicht stimmt, ergänzen wir das mit einer Garnitur oder wir legen den Teller anders. In unserem Fall, passt das für den ersten Tag. Am ersten Tag muss der Ablauf flüssig gehalten werden, weil sich die Kollegen noch nicht so gut kennen.

Spitzengastronomie ist da nicht möglich.

Nachdem jetzt alles soweit steht und abgenommen ist, versuchen die Kollegen noch Etwas zu essen. Allgemein isst das Personal die Überschüsse und Reserveportionen vom Tagesgeschäft oder vom Tag vorher. Die Chefköche organisieren das und es gibt regelmäßig Streit wegen dem Personalessen. Chefköche versuchen jetzt, die Versorgung schnell an den zweiten Koch zu delegieren. 'Soll der sich mit den Kollegen ärgern', ist der Hintergedanke. Wir werden heute schnell ein paar Wiener Schnitzel in die Fritteuse legen und dazu Pommes backen. Etwas Salat macht unser Muchmat fertig. Die Kollegen vom Service bringen schon mal die verschiedenen Getränke mit und nehmen Bestellungen auf über Getränke, die sie nicht mit haben. In vielen Betrieben müssen Kaffee und Getränke, die der Service nicht mitbringt, bezahlt werden. Manchmal auch zu einem Extrapersonalpreis. In diesem Betrieb ist alles gratis zu den Mahlzeiten.

Außer Alkohol. Es gibt schon Kollegen, die ein Bier zur Mahlzeit trinken. In vielen Betrieben ist das untersagt. Ich finde das Verbot gut.

Zum Abendessen der Kollegen wird noch ganz schnell die Postenaufteilung abgesprochen. Mit wenigen Ausnahmen, sind alle Köche und auch das sonstige Personal, Raucher. Oft trinkt man dazu noch einen Kaffee oder Tee, bespricht, etwas oberflächlich, die Anreiseschwierigkeiten und die Zimmerausstattung der Personalunterkunft. Auf die Frage von mir, ob das Internet gut geht, kommt prompt die positive Antwort von allen. Mehr muss ich nicht wissen. Internetverbindungen sind für Saisonkräfte ausgesprochen wichtig. In den Anfangsjahren des Internet, waren das neben dem Auto, die teuersten Aufwendungen, die eine Saisonkraft bringen musste. Kurz, bevor wir in die Küche gehen wollen, kommt unser Chef. Er möchte die Abendausgabe mit machen. Als Annonciere. Ich muss gestehen, dass ich das begrüße. Ein Chef möchte zumindest wissen, wie sein Betrieb funktioniert und wie die neuen Kollegen arbeiten. Das geht praktisch nur, wenn man den Bereich kennt. Kaum sind wir in der Küche, liegen die ersten Bestellungen schon da. Es sind rund zwanzig.

In der klassischen Küche wird eine Speise in Posten zerlegt und jeder Posten fertigt den Bestandteil, für den er zuständig ist. Alle Bestandteile sollen fertig sein, wenn der Namensgeber des Gerichtes, meistens die Fleisch- oder Fischspeise, fertig ist. In neuen Kollektiven funktioniert das meist nicht. Das hat nicht unbedingt persönliche Ursachen. Oft liegt es an der Technik, mit der ein Kollege wenig Erfahrung hat. Die Routinen bei der Zubereitung sind dann etwas gestört, was bei dem entsprechenden Druck, zu erheblichen Verzögerungen führen kann. Köche sagen das aber schon zu Beginn der Tätigkeit, dass sie mit dieser oder jener Technik, wenig Erfahrung haben. Sobald so eine Bemerkung gefallen ist, muss sich der Chefkoch, Gedanken machen, wie er den Prozess trotzdem flüssig gestaltet. In dem Fall, hilft die Entlastung des jeweiligen Kollegen. Bei dem Salatposten ist das relativ schwierig und meist auch nicht notwendig.

Salate werden separat gefertigt und oft auch etwas entfernt von der warmen Küche. Der Annonciere muss den Salatkoch extra ansprechen und schon funktioniert das. Ähnlich funktioniert das mit dem Süßspeisekoch. In kleineren Betrieben ist der Salatkoch, auch der Süßspeisekoch. Zumindest, bei der Ausgabe und beim Anrichten der Speisen.

Muchmat betreut heute Abend, sozusagen, das Salatbuffet, die Salatbeilagen des a la carte-Geschäftes und die Desserts. Soltan ist für die warmen Vorspeisen zuständig. Bei mir liegen die Hauptspeisen inklusive der Beilagen.

Kaum stehen wir in der Küche, liegt schon ein Block mit Bestellungen vor uns. Man hat den Eindruck, die Gäste mögen die Pausen der Angestellten nicht. Oft hören wir als Entschuldigung, das wäre eine Ausnahme. Die Ausnahme haben wir täglich, mehrmals. Vergleichen wir das mit den einfachen Öffnungszeiten von Einkaufsgeschäften oder gar Ämtern, ist die Antwort der Köche wohl nachvollziehbar. Die gleiche Person, die heute mein Kunde ist, steht morgen vor der Tür eines Amtes und registriert die Öffnungszeiten der Einrichtung regungslos. Dort gibt es keine Ausnahmen.

Gerade jene, die im Raum hinter der mit Öffnungszeiten beklebten, geschlossenen Amtstür sitzen, finden Öffnungszeiten in Gastronomieobjekten, weltfremd. Und das in der Kenntnis, dass sie als Dienstleister tätig sind.

Das Abendgeschäft verläuft relativ ruhig. Unser Chef sagt die Bestellungen, zu meinem Erstaunen, recht klar an und wird von allen Kollegen gut verstanden. Es gibt keine Nachfragen. Ich fragte ihn, ob er das immer machen könnte. Er sagte, dass er das vor hat. Meine Zufriedenheit wächst. Unser Buffet, um das sich Muchmat kümmert, muss erwartungsgemäß, nachgefüllt werden. Tomate Mozzarella ist am meisten gefragt kurz vor Thunfisch. Die Platte ersetzt Muchmat bereits das dritte Mal. Oft fragt man sich bei der Gelegenheit, wo das die Gäste hin essen.

Aus den Restaurants, in denen man einen relativ hohen Preis verlangt, ist mir bekannt, dass sich die Gäste eher in diversen Diäten erproben. Da sind sie auch nicht annähernd so gesund. Neben den üblichen Krankheiten, wie Zuckerkrankheit oder Herzproblemen, bekommen wir in teuren Restaurants oft Krankheiten genannt, die wir, beim besten Willen, nicht bedienen können. Am Buffet gibt es keine Spur von Krankheit. Wir sehen da natürlich nicht, wer, was, nicht nimmt. Wir sehen nur die vollen Teller.

Für philosophische Betrachtungen hab ich natürlich jetzt wenig Zeit. Unser Chef ging mir sogar zur Hand, als ich etwas stockte bei der zwanzigsten Schnitzelbestellung. Meine vorbereiteten Schnitzel gingen zur Neige und ich musste nachschneiden, klopfen und panieren. Nebenbei, wollte ich Muchmat schicken, mir neue Pommes frites zu holen. „Ich schwimme“, hat er gesagt. Sein Salat war teilweise aufgebraucht. Er musste selbst nacharbeiten. In dem Moment, ging unser Chef das Material holen. Er hat sich ein Kompliment verdient. Er zeigt uns schon, dass wir zusammen, für seine Gäste arbeiten. Unsere Hausgäste scheinen auch zufrieden zu sein.

Jedenfalls, kommen kaum Umbestellungen oder Extrawünsche. Ich schätze, sie sind müde. Unser Abendmenü endet auch entsprechend früh.

Bis auf ein paar späte Anreisen, sind alle Gäste versorgt und die Uhr zeigt uns auch deutlich den Feierabend. Wir haben jetzt zweiundzwanzig Uhr. Bis auf mich, habe ich die Jungs verknattert, endlich mal die Küchenreinigung in Angriff zu nehmen. Soltan drängte schon. Seine Freunde würden warten.

Derweil halte ich mal die Stellung und just in dem Moment, springt die Tür auf und unsere Rezeptionistin signalisiert eine Anreise. Die spät Angereisten möchten eine kalte Platte, gibt sie zum Besten. Nichts lieber als das. Das ist ungewollter Umweltschutz und etwas Kostenersparnis für unseren Chef. Schließlich muss ich nicht zwanzig Kilowatt einschalten, um zügig, zwei Essen zu kochen. Das spart schon mal fünf Euro. Die Aufschnittmaschine, die ich schon geputzt hatte, macht das für zwanzig Cent. Ohne Reinigungsmittel. Jetzt fehlen uns noch acht Gäste. Wann kommen die nun endlich? Ich warte jetzt mal mit der Reinigung der Aufschnittmaschine. Wir werden die noch aus ständigen Gäste, alle mit einer kalten Platte bedienen. Mal sehen. Der Chef gibt das Zeichen und los geht's. Die acht Gäste schlafen auf vier Zimmern. Also, richten wir, vier kalte Platten, á zwei Personen. Muchmat macht das Brot fertig und gibt auch etwas Salat dazu. Er ist schon fertig mit seiner Putzerei. Unsere Rezeptionistinnen bringen die Platten auf das jeweilige Zimmer und schon deutet sich der endgültige Feierabend an. Es ist kurz vor 23 Uhr. Der Rückzug aus der Küche ähnelt einer Flucht. Keiner hat jetzt mehr Lust, überhaupt noch, irgendeine Arbeit anzugreifen.

Nach dem Gutenachtgruß, verabschiede ich mich vom Chef und gehe auf das Zimmer. Zuerst wird jetzt von mir kontrolliert, wie die Dusche aussieht. Geht so. Trotzdem reinige ich die Dusche jetzt noch mal gründlich durch und desinfiziere die Anlage.

Unser Beruf zwingt uns auch etwas zu besonderer Hygiene. Kein Koch möchte seine Gäste mit Krankheiten anstecken, die den Urlaubsgenuss nachhaltig verderben. Da kommt auch etwas Egoismus mit ins Spiel. Ich möchte nicht von anderen angesteckt werden. Das ist leider in der Gastronomie normal. Unsere Zimmermädchen und Kellner sind ja direkt in der Schusslinie, die sich auch leicht auf das Küchenpersonal auswirkt. Das Bett ist schon bezogen. Das machen oft die Zimmermädchen von sich aus, wenn auch nicht immer. Es kommt etwas darauf an, was die Chefität wünscht und durchsetzt. Jetzt schaue ich noch schnell, welche Fernsehsender wir angeboten bekommen. Das Schlafmittel ist schon recht wichtig.

Keiner meiner Kollegen möchte bei aufregender Propaganda einschlafen oder gar bei billigsten Fernsehserien der Marke – CSI, unterbrochen von Dauerwerbesendungen und schlimmer. Unser Angebot an Sendern ist ja schon mal akzeptabel. Die meisten Kollegen klicken auf etwas Sport, damit sie am kommenden Tag etwas zu schwätzen haben. Das war es dann.

Ich schaue auf die Uhr, ob noch eine kleine Fahrt zur Ehefrau möglich ist, die in einem anderen Hotel dient. In Saisonbetrieben ist es meistens nicht erwünscht, dass Ehepaare zusammen arbeiten. Auch nicht, wenn die Stellen vorhanden wären. Es scheint bei den Hoteliers die Meinung zu herrschen, dass, wenn sich einer der Eheleute mit der Chefität überwirft, alle beide gehen. Die Furcht ist berechtigt. Vor allem, wenn die Chefität, Kenntnis über die Wirkungsweise ihres eigenen Charakters hat.

Mittlerweile gibt es viele Betriebe, die vorzugsweise, Ehepaare als Kollegen akzeptieren. In unserem Fall, hat sich das leider noch nicht durchgesetzt. Also, rufe ich schnell mal an, ob ich denn noch kommen könnte. Meine Frau sagt, dass sie schon im Bett liegt und restlos fertig ist.

Fast, wie zu Hause. Wir schwätzen noch etwas über die jeweiligen Hotels und die Hoteliersfamilie und schon ist der Tag rum. Jetzt wollte ich eigentlich noch das Internet einrichten. Das mach' ich morgen. In der Mittagspause. Das ist der Plan. Nun kann ich endlich die Dusche probieren.

Das wird Zeit. Nach dem Duschen, schaue ich noch etwas die Nachrichten.

Für den Überblick. Und schon ist Nachtruhe angesagt.

Tag zwei

Der zweite Tag beginnt ähnlich zeitig wie der erste. Wir treffen uns um sieben Uhr beim Frühstück. Jetzt fehlt uns der Soltan. Muchmat geht schnell hinauf zum Personalzimmer und klopft. Soltan war gestern etwas lange auf und hat Alkohol getrunken. Normal würde ich jetzt sagen: „Bleib liegen bis du nüchtern bist und komme dann auf Arbeit“. Am zweiten Tag geht das aber nicht. Soltan kommt so zehn Minuten zu spät zum Frühstück, aber nicht zu spät zur Arbeit. Ich hab ihn gefragt, ob er noch etwas ruhen möchte, was er ablehnte. Er sei jetzt einmal wach und damit auch einsatzfähig. Besoffen ist er nicht. Soltan erzählt uns auch etwas von dem Treffen mit seinen Freunden und Kollegen. Kaum jemand hört zu. Dabei sind die Treffen unter Freunden, seltene Höhepunkte im Leben eines Saisonarbeiters. Fast vergleichbar mit Familientreffen. Wir treffen oft Kollegen, mit denen wir mehrere Monate oder Jahre gut zusammen gearbeitet haben. Andere, uns weniger liebe Kollegen, treffen wir natürlich auch. Echte, feste Bindungen, gibt es jedoch selten. Keiner weiß, ob er lange in dem Objekt arbeitet, in dem er gerade dient. Das kann Unsereiner, höchstens, am Saisonende erfahren, wenn der Chef fragt, ob man kommende Saison wieder kommt.

Nach dem Frühstück gehen wir in die Küche und ich muss schon feststellen, dass alle, von allein, das erledigen, was gemacht werden soll.

Die übliche Routine zieht also schon am zweiten Tag ein. Das habe ich dem Umstand zu verdanken, dass meine Kollegen erprobte Saisonkräfte sind.

Unser Chef hat die Bewerbungen der Kollegen verstanden. Das ist selten.

Soltan ruft gerade, dass sein Gasherd nicht angeht. Schon rennen alle Kollegen zu ihm, um zu schauen, was da zu machen geht. Die Herdanlagen sind, trotz der verschiedenen Erzeuger, erfreulicher Weise, recht ähnlich in ihrem Aufbau. Wir schauen also nach dem Bimetall und danach, ob der einen Zündfunken abbekommt. Es scheint alles rechtens und mit dem Blick auf die Uhr bemerken wir, dass schon wieder fünfzehn Minuten von der wichtigsten Zeit weg sind. Trotzdem zündet das Gas nicht. Was nun? Wir drücken erst mal den Starter so lange, dass die in der Gasleitung befindliche Luft entweicht. Das begleiten wir mit regelmäßigen Geruchsproben über dem Gasaustritt. Fast wie, Rauschgift schnüffeln. Ich nehme mal das Feuerzeug, um zu prüfen. Und, es brennt. Dreißig Minuten sind weg. Irgendwann, fehlen die dann, die dreißig Minuten.

Eigentlich sind wir solche Unterbrechungen kurz nach Saisonbeginn gewohnt. Meist ist das, das Resultat der Saisonabschlussreinigung. Da geraten in die Gasanlagen oft Reinigungsflüssigkeiten oder strenge Chemikalien wie Grillreiniger. Oft werden die Anlagen auch mit mechanischen Reinigungshilfen verbogen oder einfach beschädigt. Es soll Betriebe geben, die ihre Gasanlagen auch regelmäßig warten lassen, was bekanntlich, nicht billig ist. Nach den entsprechenden Wartungen müssen wir auch damit rechnen, dass sich in den Anlagen Luft befindet. Trotzdem bleibt festzustellen, dass die Anlage am Tag vorher, problemlos ging.

Der Frühstücksservice läuft bereits auf vollen Touren und bei uns werden die morgendlichen Eierspeisen, frisch gefertigt und zwar auf Wunsch der Gäste. Da geht jetzt der erste Bon ein auf dem steht ein Rührei mit Speck. Der zweite Bon folgt mit einem Spiegelei und schon sind wir beim Frühsport der Köche. Den Frühstückservice übernehme ich, weil meine Kollegen schon recht viel Vorbereitungsaufgaben haben.

Mein Posten ist neben der Verantwortung, der kleinste, muss ich gestehen. Der Chefkoch braucht immer etwas Reserve, um schnell in dem Posten eingreifen zu können, der gerade Probleme hat. Gerade kommt eine Bestellung von einem Fünf-Minutenei. Auf zweitausend Meter Höhe, wo das Wasser bei vierundachtzig Grad Celsius kocht. Ich loche das Ei an der stumpfen Seite, hänge es mit einem Korb in den Nudelkocher und schon schwimmt es. Nun gebe ich der Zeituhr fünf Minuten. Keine zwei Minuten vergehen und schon folgen die nächsten Fünfminuteneier. Das scheint ein Schlagwort zu sein. Nun muss ich die zweite Zeituhr anrücken.

Zum Glück, gibt es zwei im Betrieb. Zur Not habe ich selbst eine Zeituhr im Messerkoffer. Die wird nicht nur zum Eierkochen benötigt. Das erste Fünfminutenei ist fertig und geht jetzt zum Gast. Nach zwei Minuten kommt das Ei zurück. Es wäre kein Fünfminutenei. Das Ei ist roh. Wir bekommen jetzt den lebenden Beweis für den Bildungsgrad unserer Gäste.

Ich rede von der Grundschule, von Luftdrücken, Wetterdaten und von den Höhenunterschieden. Meine Kollegen lachen sich krumm bei dem Geschwafel, das bei der Claudius-Clapeyron-Gleichung endet. Obwohl, ich gestehen muss, dass wir das eigentlich auch nur der Praxis wegen kennen, das Höhenphänomen bei diversen Kochprozessen. Trotzdem möchten wir den Flachlandtouristen mal kurz erklären, dass in zweitausend Meter Höhe, das Fünfminutenei, rund, sechseinhalb Minuten benötigt um den gleichen Eindruck zu vermitteln, den ein Fünfminutenei im Flachland hat. Zumal sich der Begriff. Fünfminutenei, eher auf recht persönliche Empfindungen stützt denn auf irgendwelche Tatsachen. Die Fünfminutenei -Bestellerei vermittelt uns etwas von Hochmut, der sich auch in einer überheblichen, unwissenden Klugscheißerei ausdrückt. Oder, soll das nur ein Vergleich sein, dass man das Ei so haben möchte, wie das bei dem entsprechenden Gast, zu Hause aussieht? Ja, was sollen wir da nun machen? Den Gast auffordern, uns seine Höhendaten mitzuteilen oder besser, gleich zu sagen, wo er herkommt? Ich glaube, der bessere Weg ist, sich als Gast der Physik des Lebens bewusst zu sein. Es gäbe ja noch die Möglichkeit, einfach ein Foto seiner bevorzugten Eierliebe beizufügen. Für mich gehört das zur Reisevorbereitung. Mittlerweile gibt es Rechner für die Eierkochzeit im Internet. Soweit sind wir schon gekommen. Korrekt ist keiner der Rechner.

Nebenbei möchte ich auch scherzend bemerken, dass unsere Eier in den Alpen, richtige Eier sind und keine Gensojahappen mit unterdrücktem Fischgeschmack. Die Alpenbauern schlafen mit ihren Haustieren, kennen jedes Tier mit dem Namen und auch deren Gebrechen. Noch. Da werden Haustiere mit einem gebrochenem Fuß noch gesund gepflegt. Gehätschelt, ist die bessere Beschreibung. Als wäre das Huhn, der Hund oder die Kuh, ein Familienmitglied. Da nehmen sogar die Nachbarn, Anteil und es wird häufig gefragt, ob der Patient wieder voll auf ist. Das wirkt sich sowohl auf die Struktur der Eier als auch auf deren Größe aus. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Rekord gebrochen wird. Das heilige Frühstück ist bei Rekordversuchen, praktisch, das Ereignisfeld Nummer eins. Jetzt möchte ein Gast ein Fünfminuten zwanzig Sekundenei. Man testet sich wissenschaftlich, langsam, an den Höhenunterschied. Der Kunde sollte normal wissen, dass es in gastronomischen Einrichtungen keine ungekühlten Eier gibt. Das ist dort einfach untersagt. Damit wäre das Anliegen, selbst auf Meereshöhenniveau, ein unfertiges Ei. Die Kühlung in Gastronomieobjekten für Fleischprodukte, arbeitet, durchschnittlich, bei einem Grad.

Soltan hängt etwas mit seinen Vorbereitungen. Er hat vergessen, den Reis, aufzusetzen. Das englisch Wasser fehlt auch noch. Die Dämpferfüllung scheint komplett. Ich kontrolliere das noch mal schnell.

Die Beilagen und Gemüsebeilagen, werden für das a la carte – Geschäft vorgekocht. Danach wird es abgeschreckt und schnell gekühlt.

Das verkürzt bei Bedarf die Zeit der Erwärmung und sichert eine gute Optik. Nachdem ich den Rostbraten von der Kette befreit und auch die Schürze abgenommen habe, lege ich derweil mal den Zwiebelrostbraten auf die Bratplatte und auch Stücke diverser Wurzelgemüse. Mireboix, in der Fachsprache. Das Englischwasser steht und Soltan bemüht sich um den Spätzleteig für den Abend. Die Fleischabschnitte vom Roastbeef schneide ich etwas klein und schicke sie durch den Fleischwolf. Gleichzeitig natürlich auch, die geputzten Wurzelgemüse. Das wird das Ragout für die Lasagne.

Plötzlich springt die Küchentür auf und ein lauter, alkoholisierter Mann betritt die Küche und ruft: „Hallo Jungs!“. Was? Wie? Wer ist das? „ Ich geb ein Bier aus!“. „Wer will eins?“

Vormittag Bier? „Ich nehm einen Kaffee“, sag ich. Soltan schaut mich wässrig an und sagt:

„Ich auch“. Haste Glück gehabt, denke ich mir. Muchmat ist kaum zu hören.

„Ich nehme einen Tee“. Nun stellt sich der Gast vor und sagt uns, dass er hier Stammgast ist. Kaum ausgesprochen, öffnet sich die Tür und unser Chef kommt rein. Er stellt uns Manfred, den Stammgast vor. Der Chef sagt uns, dass Manfred schon zwanzig Jahre das Haus beehrt. `Der ist schon Aktionär hier`, denke ich mir. `Was will der nun?` Manfred sagt uns so nebenbei, dass er keine Leber isst. Ich frag mich, warum der das uns sagt und nicht seinem Ansprechpartner, dem Kellner. Ich weiß nicht, was er bestellt und an welchem Tisch er sitzt. Nebenbei kommt mit heraus, dass er Leber schon verzehrt. Nur, die wurde eben durch den alten Koch des Hotels, regelmäßig versaut. „Was meinen Sie mit versaut?“ „ Er hat die immer zu lange gebraten“, ist die Antwort. `Meine Zeit rinnt weg. Wie werde ich den jetzt los?`, denke ich mir. In dem Moment, schaut mich schon der Chef fragend an. Ich blicke zurück, etwas seitwärts und dann nach Unten. Darauf sagt der Chef zum Manfred: „ Komm. Wir gehen. Die haben zu tun“. „Machts gut Jungs!“. So hat sich der Chef, mal nebenbei, eine Runde Kaffee verdient. Zum normalen Preis. Nennen wir das mal, Sponsoring des für uns kostenlosen Personalkaffees. Das hat uns gerade dreißig Minuten gekostet. Mich, speziell. Machmut und Soltan konnten schon weiter kochen. Jetzt versuch ich noch schnell, die Schnitzel zu schneiden für das a la carte-Geschäft. „Soltan, wer macht den Strudel?“ „Ich hab schon die Äpfel geschnitten“, gibt er zum Besten. „Willst Du den im Blätterteig oder im Strudelteig?“ „Original“ , sag ich. Also, im Strudelteig.

„Der liegt fertig in der Gefrierzelle“, ruf ich ihm nach. Er weiß das.

Anschließend schneide ich das Kalbsgeschnetzelte und mariniere es etwas.

Das koche ich abends. Jetzt schau ich noch schnell vor die Tür, wie viele Gäste da sind. Bedeutend weniger als gestern. Naja. Das Konzert mit einem Star, bringt schon reichlich Zuschauer.

Die sind wahrscheinlich schon wieder weg. Sicher, Einheimische und Kollegen von anderen Hotels. Ich werde mal ein Drittel von gestern vorbereiten. Gerade treffe ich den Chef und der sagt: „Bereite mal nicht so viel vor“. Ich muss lachen. Eigentlich kenne ich das Geschäft in der Gegend nicht. Gerechnet habe ich mit bedeutend mehr. Das erklärt mir schon die schüchterne Personalausstattung bei uns. Das Personalessen war gestern unser Menü. Es gibt Schopfbraten. Muchmat schaut mich an und fragt mich, ob ich weiß, dass er Muslim ist. Ich frag ihn, ob er Hühnchen will. Er sagt, Kalbsfilet wäre ihm lieber.

Ich frage ihn, was das bei ihm zu Hause kostet. „Zu viel“, sagt er. „Wie bei uns“, sag ich.

„Nehm ich Huhn“, sagt er lachend. Da habe ich ihm gesagt, dass ich Zeiten kenne, in denen sich jeder Kalbsfilet leisten konnte. Es gab aber zu wenig Kälber für zu viele Anlässe. „Das ist auch traurig“, gibt mir Muchmat zum Besten und muss noch mal laut lachen. Ein bisschen Zeit ist noch zum schwätzen und ich frag den Muchmat, ob er im Krieg viel verloren hat. „Nur das Vieh“, „die Familie war, bis auf Mutter, nicht zu Hause“.

„Sie haben alle in Österreich gearbeitet“. „Fast wie bei uns“, sag ich. Das Lächeln fällt jetzt etwas bitterer aus bei Muchmat, scheint mir. Am Personalmittagstisch fällt auch die Diskussion auf den Besuch von Soltan und seinen Kollegen. Dabei wird sich rege darüber ausgetauscht, welcher Betrieb wohl der beste Betrieb ist, wo es dem Personal gut oder weniger gut geht und, um welchen Betrieb viele Kollegen einen Bogen machen. In dem Sinne, sind meine Kollegen recht gut informiert. Den Kollegen, die in den bösesten Absteigen gelandet sind, wird auch gleich mal das Beileid zu teil.

Mit frischem Schwung gehen wir an das Mittagsgeschäft und dürfen feststellen, dass wir das heute, locker meistern und dabei etwas Zeit zum Scherzen haben. Ich teilte meinen Kollegen mit, dass wir morgen etwas Schulung machen. HACCP-Schulung nennt sich das. Da geht es um Küchenreinigung, persönliche Hygiene und Lebensmittelgesetze. Mit kleinen Notizen bereite ich schon mal das Menü des kommenden Tages vor.

Das Menü muss spätestens am Abend ausliegen, wenn unsere Hausgäste zum Abendessen kommen. In vielen Betrieben wird das Menü erst Vormittags am Frühstückstisch ausgelegt. Da kommen die Bestellungen viel zu spät und die Köche verlieren Zeit bei der Vorbereitung des Menüs.

Einigen Gästen ist das offenbar nicht bewusst und sie faseln teilweise etwas von Wahlfreiheit. Dabei legen sie aber großen Wert auf frisches Essen. Die gleichen Leute warten in ihrer Autowerkstatt, geduldig, oft tagelang, auf ein Ersatzteil. Das finden sie normal. Um Wartezeiten zu verkürzen, nutzen Gastronomiebetriebe schon Erzeugnisse diverser Verarbeitungsbetriebe. Trotzdem bleibt festzustellen, dass ein gut gekochtes Fleisch, im Stück, bis zu zwölft Stunden Kochzeit benötigt.

Teilweise auch länger. Zu Hause hat kaum ein arbeitender Mensch die Zeit, sich einen Braten dieser Dimension zu kochen, geschweige, dass er ausreichend Abnehmer seiner Kochkunst findet. Um ehrlich zu sein, ich würde nicht in ein Restaurant gehen um das zu essen, was bei mir zu Hause, zehn Minuten Arbeit erfordert. Dazu zählen für mich, alle Sorten von Schnitzeln und Kurzgebratenem. Das nenne ich Imbiss.

Der Chef sagt zu mir, dass er es gern hätte, wenn wir ein ganzes vegetarisches Menü mit anbieten. Das werde ich natürlich in unsere Planung aufnehmen und zusätzlich, ein vegetarisches Menü mit schreiben.

Dazu möchte unser Chef, weil es in den Alpenländern Tradition ist, freitags, ein Fischmenü. Nun haben wir Gäste, die sich der Fischtradition, so, nicht bewusst sind. Sie verlangen in den Alpen einen frischen Meeresfisch.

Frisch! Einen vermeintlich, frischen Meeresfisch kann ich am Meer essen aber ganz sicher nicht in den Alpen oder gar in Binnenländern. Am Balaton züchtet man, traditionsgemäß, Fogas – Zander. Im Bodensee, züchtet man zum Beispiel, Felchen, Karpfen und Kretzer. In Österreich finden immer mehr seltene Fischarten den Weg zur Tafel, wie zum Beispiel, Sterlet, Huchen und Nase. Die Pflege der Fischarten ist nicht billig und stößt deshalb bei touristischen Verbrauchern auf teilweise, taube Ohren oder leere Brieftaschen. Umweltschutz und Artenvielfalt, wird eben gern mit dem Mund, akustisch gepflegt statt mit den Geschmacksnerven und dem Portemonnaie. Dazu kann ein Koch nur einwenden, dass frischer Fisch am Meer, gefangen von örtlichen Fischern, selten billiger ist als ein Zuchtfisch der Süßwasseranlagen. Billig ist für mich eh nur der entsprechende Kunde, der billig wünscht. Geistig billig. Fisch von Trawlern und anderen Fischverarbeitern auf See, wird selten so frisch sein, wie man behauptet. Zu den Verarbeitungsbedingungen, die da herrschen, verliere ich hier keinen Ton. Ich kenne die Bedingungen nicht. Viel schlimmer, als die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie, kann das auf alle Fälle mal nicht sein.

Mit dem Wunsch nach einem freitäglichen Fischmenü, musste ich mich natürlich schnell damit befassen, woher wir den Fisch bekommen. Die Sekretärin hat mir schon mal den Fischhändler des Vertrauens empfohlen und ich habe den natürlich gleich angerufen. Forelle und Zander hat er gleich bereit und die anderen Sorten müsste ich etwas eher bestellen. Also, füge ich morgen, Zander mit ins Menü ein. Ab heute, schreib ich erst mal die Menüs mit einem vegetarischen Gericht. Der Gastronom versucht mit den Menüvorschlägen eigentlich nur, die Vorbereitungsstufe zu verbessern, damit die Gästebeköstigung, flüssiger abläuft und sich die Wartezeiten verkürzen. Die Menüvorschläge dienen aber auch der Frische insgesamt. Voraussetzung ist natürlich, dass der Kunde von der Vorbestellung auch Gebrauch macht. Wir haben leider Gäste, die denken da anders darüber. Ich werde denen jetzt mal beweisen, dass sie da falsch liegen.

Ihr Essen ist jedenfalls, nicht frischer als das der Vorbesteller; im Gegenteil.

Unsere Menüs bestehen aus fünf Gängen. Zwei Wahlmenüs bestehen dann also praktisch, aus zehn verschiedenen Speisen. Drei Menüs a fünf Gänge, bestehen also aus fünfzehn verschiedenen Speisen. Alle Speisen bedürfen einer gewissen Vorbereitung und viele Speisen davon, sind nach ihrer Fertigung, das entsprechende Endprodukt. In einem Produkt der servierten Speise steckt also schon mal die Arbeit von mindestens - einem Bauern und Erzeuger, mindestens - einem Händler, mindestens - einem Transporteur und von mindestens - einem Koch und einem Kellner. Im Unterschied zu einem a la carte-Geschäft, das so vorbereitet werden muss, dass die eventuelle Nachfrage gedeckt ist, erfolgt die Erfassung der Menübestellung, konkret für diesen Wunsch. Das a la carte-Geschäft arbeitet demnach spekulativ, wobei das Menügeschäft, reine Planwirtschaft ist. Spekulativ bedeutet, dass alle vorgefertigten Produkte, fertig sind, ob sie gebraucht werden oder nicht. Folgerichtig, ist diese Küche weder frisch noch hochwertiger als das geplante Produkt.

Dabei gibt es schon Ausnahmen. Die Ausnahme wäre, wenn ich alle vorgefertigten Produkte, zum Tagesausklang, wegwerfe. Damit werfe ich aber auch die Leistung des Bauers, des Erzeugers, des Händlers, des Transporteurs und des Kochs weg. Besser kann man Menschen und ihre Leistung nicht missachten. Der damit entstandene Umweltschaden, wird an dieser Stelle nicht angesprochen. Wir werfen natürlich die vorgefertigten Speisen nicht weg. Das wäre viel zu teuer für unser Preisniveau. Und schon wäre das der Kritikpunkt hinsichtlich der Frische.

Die Frische und die Verträglichkeit der Speisen, liegt damit in den Händen des Kochs selbst. Ein Gast, der also ein Essen kritisiert, kritisiert die Kenntnis und die Arbeitsweise des Kochs. Nun bieten wir in unserem Hotel natürlich auch ein a la carte-Essen an, das mittels unserer Speisenkarte angeschlagen ist. Dem Gast steht jetzt frei, die Stufe der Qualität zu wählen, die ihm am Herzen liegt. Mit dem Wunsch, die Menüauswahl zu vergrößern, kommt der Chef damit meinem Anliegen nach, die Qualität für seine Hausgäste zu verbessern und das Vertrauen in die Köche zu steigern.

Für unser Küchenkollektiv ist das natürlich ein Mordsaufwand. Nicht so sehr beim Kochen der Speisen, sondern eher bei der Ausgabe. In der Ausgabe befinden sich nun mehr Gefäße und Werkzeuge. Bei Bestellungen von Menü und a la carte an einer Tafel, benötigt das Küchenkollektiv samt Bedienung, sämtliche Nerven, die noch zur Verfügung stehen.

Unsere Bedienungen registrieren dabei ein neues Phänomen. Die Gäste, welche erst vor rund zwanzig Minuten ihr Essen bestellten, vergessen beim Anblick der Teller und den damit verbundenen Vergleich, schnell ihre Bestellung. Als Kellner würde ich die Teller am Rand, neutral abstellen und einfach zuschauen, wie sich die Vergesslichen um ihr Essen prügeln. Es ist leider außer Mode gekommen, dass man sich an der Tafel trifft, um gemeinsam zu essen. Jeder isst heute in eine andere Richtung, glotzt nebenbei vielleicht noch auf sein Smartphone und geht bestenfalls, mit der Gabel bei seinem Nachbarn auf den Teller, um zu kosten, wie dem sein Essen schmeckt. Wir reden von einer Tischkultur, die wir oft in Dokumentarfilmen über die Serengeti bewundern dürfen - bei Tieren.

Kollegen, die das Glück haben, öfter durch das Ausgabefenster sehen zu können, reagieren bei dem Anblick oft mit einem verstörten Kopfschütteln.

Sie fragen sich, warum wir das Essen auf Tellern anrichten.

Nach rund zweihundert Essen, können wir heute schon die Reinigung der Küche beginnen. Wir werden wieder unterbrochen durch Leute, die keine Öffnungszeiten kennen. Das sollten die mal bei ihrer Bank probieren oder gar, auf dem Amt. Von dort kommen auch die meisten unserer Kunden. Wir sehen ihnen das an. Am Gang. Sie sind oft noch steif und laufen bisweilen, wie Roboter. Die Gestik der Kunden, ist ähnlich. Ihr Lächeln ähnelt einer Zwangshandlung. Selbst wenn sie zu spät kommen und der Kellner ihnen noch ein Essen verspricht, sehen sie sich gezwungen, genaue Details des Essens zu erfragen und das noch mit Vermutungen zu schmücken, die ins Phantastische gehen. Nach einem mäßig turbulenten Mittagsgeschäft, ist das schon eine Kunst seitens der Kellner, in dem Moment nicht auszurasten. Zumal sie wissen, dass wir in der Küche stehen und auf die Bestellung warten. Die letzten Gäste finden, nicht selten, Gefallen an einem Bestellpotpourri. Man glaubt als Koch, sie wollen prüfen, ob wir noch alles haben. Wehe, ein Produkt ist alle. Es gab mal Zeiten, da fragte der Gast den Kellner, ob es noch etwas zu Essen gäbe und was da noch so zu haben ist. Das ist vorbei. Heute hat der Kellner schon Glück, wenn er bei der Bestellung überhaupt noch angeschaut wird.

Wir sind jetzt fertig mit putzen und heute bleibt Soltan noch etwas da, dass ich etwas ruhiger, das Menü für morgen schreiben kann.

Die Warenbestellungen sind auch noch fällig.

In erster Linie, Molkereiprodukte, Fleisch und Gemüse. Schwein, Rind und Kalb haben wir auf unseren Menüs schon angeboten. Es wird eigentlich mal Zeit, etwas Wild und Geflügel anzubieten, was ich natürlich in dem Menü berücksichtige. Soltan kocht auch noch etwas für die Jause und legt relativ zügig, ein paar Platten. Er bietet heute etwas Gulaschsuppe, ein paar Spaghetti Carbonara und ein Würstelsortiment von österreichischen Schlachtbetrieben. Die österreichischen Metzgerbetriebe stellen die besten Würstel in ganz Europa her. Da lohnt es sich, etwas zu probieren.

Die Vielfalt und der Geschmack ist unschlagbar. Das Menü für morgen ist fertig. Wie üblich:

Kalte Vorspeisen und Salate vom Buffet

und dann:

Tomatensuppe mit Croutons

oder

Grießnocke in Fleischbrühe

Nach dem Überlesen des Menüs von gestern und bei der Zubereitung, fiel mir auf, dass ich zweimal Rind in einem Menü angeboten habe. Kritisiert hat das noch niemand. Fachlich, ist das ein totaler Fehlgriff. Soltan hat das durch die Blume angesprochen und ziemlich kindisch gekichert. Ich hab ihm gesagt, dass ich am ersten Tag bissl aufgeregt war und auch etwas müde.

Als warme Vorspeise bringen wir:

Pot au feu vom Kalbsragout im Blätterteig

oder

Spinatcannelloni in Alpenkäsesauce

Zum Hauptgang lassen wir ein Fischgericht und ein vegetarisches

erscheinen, was dann so aussehen soll:

oder

Entenbrust rosa gebraten im Portweinjus an Dauphinkartoffeln und Buttererbsenschoten

oder

Zanderfilet vom Grill auf Wurzelgemüsesugo an Petersilkartoffel und Gurkengemüse

oder

Souffle von Champignons im Weinschaum auf einem Fenchelrisotto zu gefülltem Zucchini

Zum Dessert bieten wir immer eine Eisvariation. Unser Chef meint, Eis wäre der Renner. Persönlich, kann ich das nicht unbedingt verstehen. Wir nutzen das Eisangebot eines bekannten Eisherstellers. Das Eis wird heutzutage nicht mehr mit Zucker hergestellt, sondern mit Glukose. Die Industrieglukose wird aus Genmaisstärke gewonnen und ist sicher kein guter Einfall bei der Eisproduktion. Bei uns im Lager stand auch so ein Kübel. Ich hab den weg gegossen. „Der war zu alt“, hab ich dem Chef gesagt. Die Glukose ist kein Zucker. Falls Sie mal schlechte Leberwerte haben und sich darüber wundern, obwohl Sie keinen Alkohol trinken, suchen Sie eher in dieser Sparte. Ihre Leber wird es Ihnen danken. Wir bieten heute etwas Hausmannskost als Dessert:

Topfen-/Quarkkuchen nach Tiroler Art in Kirschkonfit

oder

Eisbecher

Topfen ist der klassische österreichische Begriff für Quark. Die Sekretärin hat mich das ändern lassen bei der Vorlage. Unsere Gäste hätten sicher eine falsche Vorstellung von dem Begriff. Nur zur Klärung. Topfen ist, klassisch gesehen, ein Trockenquark bzw. die Vorstufe von Käse. Nach der Zugabe von Rahm, Molke oder Wasser, wird daraus Quark oder Magerquark. Mir wäre es am liebsten, ich bekäme Trockenquark geliefert, weil ich dann mehr Verarbeitungsmöglichkeiten habe.

Das Menü ist angenommen worden von der Sekretärin. Nun schaue ich, ob ich zufälligerweise, meine Frau telefonisch erreiche. Sie geht ran. „Seid Ihr schon fertig?“ „ Wir sind seit einer Stunde fertig“, sagt sie. Zimmermädchen ist im Winter einer der undankbarsten Berufe, den sich Menschen vorstellen können. Zimmermädchen sind fast wie Krankenschwestern. Sie kennen jedes Detail ihrer Gäste. Nicht die körperlichen Details, dafür aber den kompletten Rest.

„Da kann ich ja jetzt zu Dir kommen“. „Ja“. „Ist Euer Chef noch da?“

„musst Du mal schauen; glaub schon“. „Hast Du ihn gefragt, ob ich bei Dir schlafen kann?“

„Ja“.

„Und?“

„Ja“. „Da kann ich auch zu Dir rüberziehen?“

„Ja“. Das ist eine Begeisterung.

Ich staune. Zur Verteidigung meiner Frau, muss ich gestehen, dass sie am Dienstende, wirklich KO ist. Da kommen nur solche kurzen Dialoge.

Nun hab ich eigentlich Glück, dass ich kaum etwas ausgepackt habe bei meinem Chef. Irgendwie hatte ich schon die Ahnung. Jetzt spring ich mal schnell zu meinem Chef runter und sage ihm, dass der Chef meiner Frau ein Personalzimmer frei hat und ich keins von ihm benötige. Er freut sich. Da kann er bei sich, zwei Streithühner auseinander legen. Ich betone Streithühner, nicht -hähne. Es sind die zwei Kellnerinnen. Eine aus Ungarn und die andere aus Polen. Jeder Mensch möchte sein Intimleben.

Wintersaisonkräfte sind immerhin, fast ein halbes Jahr nicht zu Hause. Je größer die Entfernung nach Hause, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie die ganze Zeit nicht nach Hause kommen. Das ist sehr bitter. Meist leben die Kollegen und Kolleginnen, in ihren Netzwerken, untereinander, recht einvernehmlich. Wenn das nicht wäre, sähe es böse aus.

Ich pack also meinen Kram und gehe rüber zu meiner Frau. Der Kaffee steht schon. Das ist genau das, was meinen Kollegen fehlt. Etwas Glück; Wärme. Der Hotelchef meiner Frau ist recht freundlich und fragt mich auch gleich, wie es bei uns läuft. „ Der erste Tag war etwas...schwer“, sag ich. Das ist eh so eine Floskel und er pflichtet mir bei: „Wie bei uns“. „Willst Du einen Kaffee?

„Der steht schon oben“, sag ich.

„Du hast ein Glück!“

„Das brauch ich“. Ich trinke eigentlich nur Filterkaffee gern. Die anderen Kaffeearten schmecken mir nicht. Auch nicht der Verlängerte. Ein Cappuccino, der schmeckt mir. Beim Kaffeetrinken frag ich Joana, meine Frau, ob denn im Hotel ein Internet da ist. Sie zeigt mir die Steckdose und ich bin recht zufrieden. „Der Chef hat mir auch schon das Passwort gegeben“. „Die Stunde kostet einen Euro.“

„Da ist ja alles in Butter“, sag ich. „Da könn'wer heute Abend schon nach Sommersaisonanzeigen schauen.“ Jetzt könnte ich eigentlich noch ein Stündchen ruhen.

„Ich weck Dich“, sagt Joana.

„Eine Stunde, maximal“, sag ich. „musst Du heute Abend noch arbeiten?“

„Abdecken“, antwortet Joana.

Die Gäste bekommen beim Abdecken die Betten aufgeschlagen und oft ein Konfekt auf das Kopfkissen gelegt. Zur Freude der Wäscherinnen. Die dürfen dann die vergeiferten Schokoflecken aus den Kopfkissen waschen.

Gleichzeitig kontrollieren die Zimmermädchen noch die sanitären Einrichtungen, ob eventuell noch etwas gereinigt oder nachgelegt werden muss. Nach der Ruhe frage ich Joana:

„Willst Du heute noch nach Hause fahren?“

„Du?“ fragt Joana.

„Ich bräuchte eventuell noch ein-zwei Ausstecher, zwei Messer und einen Stein zum Messer schärfen“, sag ich.

„Iss gut, wenn Du zeitig genug fertig bist, könn'wer noch fahren“, sagt sie.

„Hör mal nach dem Wetterbericht, ob es Neuschnee gibt die Nacht“, sag ich zu ihr.

In der Küche angekommen, schau ich schnell mal, wie viele Gäste da sind. Wenig.

Zum Personalessen kochen wir heute Schopfbraten. Soltan hat schon alles fertig. „Was will denn Muchmat und seine Kollegen?“, frag ich Soltan.

„Muchmat mag den auch“, sagt Soltan. Ich wundere mich. „Sie essen den aber nicht“, sagt Soltan lächelnd dazu. Muchmat hat sich und seinen Kollegen einen Käsesalat mit Nudeln gemacht. Er hätte viel Käse vom Frühstück übrig. Das gefällt mir. Ich muss mich nicht kümmern. Muchmat trifft sich heute Abend mit seinen Freunden und Kollegen. „Die sind heute erst angekommen“, sagt er. „Sie bringen auch ein paar Produkte mit“.

„Produkte?“, frag ich.

„Ja, Kolbas.“ Kolbas ist Wurst. Ich schätze, Salami.

„Eselsalami?“, frag ich.

„Auch“.

„Verkauf mir eine oder, wir tauschen.“ „Ich bring Dir eine aus Italien mit“, sag ich. „Mach mer so“, antwortet Muchmat. Ihm würden die italienischen Salami auch gut schmecken.

„Ich kann Dir auch ein paar Südtiroler Würste mitbringen“.

„Die schmecken auch. Gerne“.

„Das geht aber erst, wenn ich mal einen Tag frei habe“, sage ich zu Muchmat.

„Ich kann warten.“

Den Tiroler Zwiebelrostbraten habe ich am Stück eingebraten und danach in den Holdomat, bei vierundsechzig Grad, versenkt. Dazu habe ich dem Rostbraten auch eine Riesenportion Zwiebeln mit gebraten. Im Gastronorm verteilte ich die Röstzwiebeln unter und über dem Braten.

Jetzt, nach rund neun Stunden, mach ich mal eine Schnittprobe.

Butterweich, das Teil. Und rosa. Kommt vom Menü die erste Suppenbestellung, lege ich den Braten auf die Bratplatte. Soltan kommt gerade angesaust und wollte schnell mal eine Kostprobe des Bratens.

„Saugut!“ Das liegt auch maßgeblich am Fleisch. Unser Chef kauft das Fleisch vom Bauern direkt. Von der Alm. Ende September. Besser geht’s nicht. Der Bauer ist der Bruder vom Chef. Jetzt hab ich keine Fragen mehr.

Beim Probieren verdichtet sich bei mir das Gefühl, jedes Kraut zu schmecken, das auf der Alm wächst. Der gelungene Braten hebt etwas die Stimmung in der Küche und mir scheint, die Jungs haben jetzt etwas mehr Vertrauen mir gegenüber. Das kann sich schnell ändern in Saisonbetrieben.

Genießen wir also die Ruhe.

Über den Bondrucker rieseln gerade acht...zehn...sechzehn....zweiundzwanzig Bestellungen rein. Vereinzelte Hausgäste stehen schon am Vorspeisenbuffet. Schade, dass ich jetzt kochen muss. Ich wollte den Hausgästen gerade etwas zuschauen. Einen Buffetbereich sehe ich vom Ausgabefenster aus. Einige Gäste blicken in Richtung Küche. Ich grüße kurz mit einem Nicken und das war's. Es kommen kaum Anschlussbestellungen. Die Zeit werde ich gleich mal nutzen, um bei unseren Buffet nach dem Rechten zu schauen. Meinen Vorstecker, auf dem sich die ganze Speisenkarte wieder findet, habe ich abgelegt. Kaum stehe ich vorn am Buffet, kommt mir eine Dame entgegen. dass sie mit dem Teller in der Hand stehen kann, ist für mich ein Wunder.

Sie steht auf zwanzig Zentimeter hohen Stöcken, die Schuhnachbildungen gleichen. Im Skiurlaub. Das scheint eine Balanceübung zu sein. Ich frag mich, wie das hält mit Beinen, die nicht stärker sind als mein Arm. Das Schwerste an dieser frauenähnlichen Gestalt scheint die Golduhr zu sein.

Sie fragt mich in einem verzerrten Deutsch, fast schon piepsend, was bei dem Angebot glutenfrei ist. Darauf musste ich ihr sagen, dass ich der Koch bin; kein Ernährungsberater. Ja, ihr Ernährungsberater hätte ihr gesagt, dass sie kein Gluten essen darf.

„Haben Sie das bezahlt?“, frag ich sie.

„Ja“.

„Und, Sie haben keine Liste von Lebensmitteln bekommen, die Sie nicht essen dürfen?“

„Ja schon“, sagt sie. Sie wüsste aber nicht, was alles drin ist in den einzelnen Speisen.