Der situationsorientierte Ansatz - Auf einen Blick - Armin Krenz - E-Book

Der situationsorientierte Ansatz - Auf einen Blick E-Book

Armin Krenz

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Beschreibung

Ganzheitliches Leben und Lernen, das verspricht der Situationsorientierte Ansatz. Wie sieht das in der Praxis aus? Im Mittelpunkt des Situationsorientierten Ansatzes stehen die Lebensthemen und bedeutsamen Situationen der Kinder. Sie sind Ausgangspunkt für die Projektfi ndung und -durchführung. Doch erfolgreiche Projekte fallen nicht vom Himmel. Hier erhalten Sie sehr praktische Hinweise, wie Sie anhand von Spielformen, Erzählthemen, Kinderbildern oder Bewegungen die wichtigen Themen erkennen, situationsorientiert ausarbeiten und gewinnbringend auswerten. Dazu erhalten Sie einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Ansatzes.

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Armin Krenz

Der Situationsorientierte Ansatz –Auf einen Blick

Konkrete Praxishinweises zur Umsetzung

Wenn die Gegenwart das Resultat der erlebten Vergangenheit ist,

ergibt sich die Notwendigkeit,

aus einer Rücksicht eine Weitsicht zu entwickeln

und aus einem Rückblick

die Augenblicke möglichst aller bedeutsamen Erlebnisse zu begreifen,

um einen befreiten Weitblick zu entwickeln

und einen Einblick in sich selbst zu gewinnen.

Daher gilt:

Das Leben kann nur gegenwärtig gelebt werden,

wenn es rückwärts verstanden

und vorwärts gedacht wird. (AK)

© 2014, Burckhardtshaus-Laetare, Körner Medien UG, München

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe sowie der Übernahme auf Ton-/Bildträger vorbehalten. Ausgenommen sind fotomechanische Auszüge für den eigenen wissenschaftlichen Bedarf.

Umschlaggestaltung: Patricia Fuchs, AVR, München

Umschlagfoto: Kathrin Nürge

Fotos: Kathrin Nürge,

Foto goce/Thinkstock.com

Produktion: Gernot Körner, koerner-medienservice, München

Digitale Aufbereitung: Alfons Schmid, ISM, München

Satz und Layout: Sigrun Borstelmann, Sibo-Medien, München

www.burckhardthaus-laetare.de

ISBN 978-3-944548-75-3

Vorwort

Inzwischen sind nahezu 20 Jahre ins Land gezogen, seit die erste Auflage des Buches „Der Situationsorientierte Ansatz im Kindergarten“ erschienen ist. Bisher wurden viele Auflagen des Buches gedruckt und nacheinander in unterschiedlichen Verlagen publiziert. Gleichzeitig wurde der Ansatz weiterentwickelt. Es wurden neue Aspekte berücksichtigt und aufgenommen sowie neue Erkenntnisse aus den Bereichen der Entwicklungspsychologie, der Bildungs- und Bindungsforschung sowie der Neurobiologie eingebunden. Es ist gleichzeitig erfreulich, dass sich dieser elementarpädagogische Ansatz in einer Reihe von Kindertagesstätten im In- und Ausland bewährt hat und zu einem festen Selbstverständnis im Sinne einer qualitätsorientierten Arbeit wurde. Ungezählte Fortbildungsveranstaltungen, viele Symposien, Fachdiskussionen und Veröffentlichungen haben dazu beigetragen, dass der „Situationsorientierte Ansatz“ von elementarpädagogischen Fachkräften, Fachberater/-innen, Ausbildungsschulen (Fachschulen/-akademien) und in universitären Studiengängen im In- und Ausland sowie einer Reihe von Wissenschaftler/-innen beachtet, diskutiert und wertgeschätzt wird.

Doch wie es bei jeder pädagogischen Grundlegung einer bestimmten Richtung üblich und auch notwendig ist, gibt es nicht nur Befürworter sondern auch Menschen, die dem „Situationsorientierten Ansatz“ mit (größter) Skepsis bzw. (massiver) Ablehnung entgegentreten. Die vielfältigen Auseinandersetzungen, die darüber geführt wurden, sind dabei sowohl in öffentlichen Veranstaltungen als auch über Beiträge in Zeitschriften und in einigen Büchern zum Ausdruck gebracht worden. Drei Aspekte sind an dieser Stelle hervorzuheben:

1. Der „Situationsorientierte Ansatz“ kann – wie jeder andere elementarpädagogische Ansatz auch – nur dann auf einer sachlichen Ebene diskutiert werden, wenn inhaltliche Schwerpunkte und Grundlagen einer nachhaltigen, entwicklungsförderlichen Bildung die Diskussion beherrschen. Dabei darf es nicht um „dogmatische Stellungskriege“ gehen und einer damit verbundenen Frage, welcher „pädagogische Ansatz“ besser oder schlechter sein könnte bzw. ob es einen „richtigen bzw. falschen Ansatz“ geben könnte, sondern darum, was der Situationsorientierte Ansatz an fundierten Grundlagen im Hinblick auf eine qualitäts­orientierte Elementarpädagogik zu bieten hat, inwieweit er den aktuellen grundlegenden Erkenntnissen der Bildungs- und Bindungsforschung entspricht, ob er mit den Grundaussagen eines „hirngerechten Lernens“ kompatibel ist und inwieweit entwicklungspsychologische Grundgesetze in diesem Ansatz berücksichtigt werden.

2. Der „Situationsorientierte Ansatz“ wird – wie jeder andere elementarpädagogische Ansatz auch – nur dann verstanden werden können, wenn er von den Diskussionspartnern/interessierten Leser/-innen verstanden werden will. Dies setzt ein tiefes und ernsthaftes Eintauchen in die oben genannten Wissenschaftszweige und ein hohes Maß an Anstrengungsbereitschaft voraus, um aus Erkenntnissen den mühevollen, aber zugleich auch überaus spannenden Weg eines Erkenntnisgewinns zu begehen.

3. Der „Situationsorientierte Ansatz“ darf – wie jeder andere elementar­pädagogische Ansatz auch – keinen Anspruch auf „Alleinexistenz“ besitzen, den er auch nicht verfolgt. Er ist ein elementarpädagogischer Ansatz neben anderen Ansätzen. Die Vielfalt von Arbeitsweisen ist auch ein Merkmal einer demokratischen Pädagogik in einem demokratischen Land. Allerdings – und das ist ein Kernpunkt der Betrachtung – hat sich die Elementarpädagogik mit einem gewählten Ansatz danach auszurichten, wie die soziokulturellen und psychologisch bedeutsamen Lebensbedingungen der Kinder und ihrer Eltern/-teile vor Ort gestaltet/strukturiert sind! Aus dieser Betrachtung heraus kann es durchaus sein, dass in einer Stadt bzw. Gegend der „Situationsorientierte Ansatz“ für Kinder besonders entwicklungsunterstützende Auswirkungen haben wird, wohingegen in einer anderen Stadt/Gegend vielleicht ein anderer Ansatz für Kinder und ihre Entwicklung von größerem Vorteil wäre. Daher sei schon jetzt darauf hingewiesen, dass es zu jeder professionell gestalteten Elementarpädagogik gehört, etwa alle zehn bis 15 Jahre eine „Situationsanalyse“ vorzunehmen, um dezidiert feststellen zu können, welche Pädagogik (und damit welcher pädagogische Ansatz) für die Kinder/Eltern vor Ort besonders angezeigt ist.

Das nun an dieser Stelle vorgelegte Buch ist einerseits eine Einführung in den „Situationsorientierten Ansatz“ und will denjenigen elementarpädagogischen Fachkräften einen Einblick geben, die sich vielleicht zum ersten Mal mit ihm intensiver beschäftigen. Ebenso möchte das Buch auch diejenigen Erzieher/-innen ansprechen, die sich schon längere oder lange Zeit mit dem Ansatz auseinandergesetzt und ihn (vielleicht sogar) zur Arbeitsgrundlage ihrer Tätigkeit er­klärt haben und gleichzeitig daran interessiert sind, ihr Wissen zu aktualisieren bzw. ihre Praxis zu reflektieren. Zum dritten soll das Buch aber auch für diejenigen Leser/-innen von Interesse sein, die in der pädagogischen Ausbildung stecken, damit sie – gerade im Hinblick auf einen Vergleich mit anderen pädagogischen Ansätzen – die besonderen Schwerpunkte und Merkmale des „Situationsorientierten Ansatzes“ kennenlernen können. Und schließlich gibt es auch die Möglichkeit, dieses Buch allen interessierten Eltern und Trägervertretern zur Verfügung zu stellen, um mehr über den „Ansatz ihres Kindergartens“ zu erfahren. Es wurde in dieser Publikation Wert darauf gelegt, stets das Wesentliche des Ansatzes auf den Punkt zu bringen: konkret und praxisorientiert. Dabei bleibt es nicht aus, dass durch bestimmte Inhalte Fragen entstehen oder bestimmte Inhalte aus Sicht von Leser(inne)n ausführlicher hätten behandelt werden sollen. In diesem Fall hofft der Autor, dass die Literaturhinweise zum Schluss des Buches hilfreiche Ergänzungen bieten. Darüber hinaus können sich Leser/-innen aber auch gern direkt an den Autor des Buches wenden, um offene Fragen zu klären.

E-Mail: [email protected]

1. Wie alles anfing

1.1 Kleine Geschichte zum Situationsorientierten Ansatz

Mit Beginn der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts kam Bewegung in die Landschaft der Kindergartenpädagogik. Auf der einen Seite etablierten sich immer stärker Kinderläden, Eltern-Kind-Gruppen und ­Kinderhäuser neben den klassischen Kindergärten, auf der anderen Seite erfuhr die Kindergartenpädagogik auch auf politischer und wissenschaftlicher Ebene mehr denn je eine Beachtung, wie sie bis dahin in dem Maße nie beobachtet werden konnte. Ausgehend von unterschiedlichen Forschern und Wissenschaftlern mit unterschiedlichen Forschungsansätzen und sich teilweise heftig widersprechenden Auffassungen wurden vermehrt Artikel, Buchver­öffentlichungen und Manuskripte publiziert sowie Empfehlungen und Richt­linien ausgegeben, die zusammengefasst drei Hauptrichtungen aufwiesen:

1. Eine Gruppe glaubte, in der kindlichen Entwicklung – gerade im Alter zwischen drei und sechs Jahren – ein überaus großes Potenzial an Entwicklungsmöglichkeiten zu entdecken, das im Rahmen einer leistungsorientierten Gesellschaft sehr zielgerichtet genutzt werden sollte. Alles sei bzw. war dabei ausgerichtet auf ein „frühes Lesenlernen“, eine „zweisprachige Erziehung“ (auch ohne einen gegebenen Anlass, beispielsweise ein zweisprachiges Elternhaus), eine „grundsätzlich frühzeitige intellektuelle Förderung aller Kinder“ oder ein „direktes Einüben mathematischer Grundlagen“. Dabei wurde der Kindergarten als ein Ort „vorgezogener schulischer Förderung“ verstanden, der sich der Aufgabe stellen sollte, vor allem alle kognitiven Potenziale der Kinder zu aktivieren und gezielt zu nutzen. Daraus entstand der „wissenschaftlich-funktionsorientierte Ansatz“.

2. Eine zweite Gruppe legte besonders auf die „Anerkennung eines eigenen Entwicklungszeitraums KINDHEIT“ Wert. Hier sollten Kinder fröhlich ihre Kinderzeit verleben, viel miteinander spielen und singen, basteln und die Tage im Kindergarten weitestgehend unbelastet erleben bei gleichzeitig festen Angeboten, um Kinder auch vorschulisch zu fördern. Der Tagesablauf war dabei klassisch strukturiert (möglichst feste Bringzeit, Freispiel, Morgenkreis, gemeinsames Frühstück, angeleitete Tätigkeit, Freispiel, Abschlusskreis und Abholzeit) und in den Jahresrhythmus fest eingebettet (Frühling, Sommer, Herbst und Winter). In diesem Fall sprechen wir von dem „funktionsorientierten Vorschulansatz“.

3. Schließlich gab es eine dritte Gruppe, die davon ausging, dass Kinder grundsätzlich ihre eigenen Bedürfnisse selbst regeln können bzw. diese wiederentdecken müssen, was aus Sicht der Vertreter dieser pädagogischen Richtung am besten in einer Atmosphäre zu erreichen sei, wenn sie repressionsfrei und gewaltlos, kaum strukturiert und nicht vorge­geben gestaltet ist. Dies war der Ausgangspunkt für die sogenannte Kinderladenbewegung, in der eine Laisser-faire-orientierte, basis­demokratische Kindergartenarbeit umgesetzt werden sollte.

Viele Mitarbeiter/-innen in den unterschiedlichen Kindergärten, Tagesstätten, Horten und Kinderläden waren dabei nicht selten von der Intensität der Forderungen und der Schnelligkeit des Tempos, mit dem die „neuen Ansprüche“ (siehe Hauptrichtung 1 und 3) proklamiert wurden, überrascht. Manche fühlten sich regelrecht überrollt, andere wiederum sahen darin endlich die Chance innovativer Arbeitsstrategien. Im erstgenannten Ansatz erschienen sogleich in ungeheurer Menge „Sprach-, Rechen- und Denk­trainingsmappen“, „didaktische Arbeitsmaterialien“ und eine unübersehbare Flut an „Lernprogrammen“ auf dem Markt, und viele Erzieher/-innen nutzten diese als Arbeitshilfen; teilweise als ein Begleitprogramm neben ihrer gewohnten Arbeit, teilweise als Hauptschwerpunkt und neue Aufgabe ihrer Pädagogik. Ausschlaggebend aber war die Tatsache, dass diese vorgezogenen schulischen Materialien in den meisten Fällen unreflektiert und im Vertrauen auf die Richtigkeit vorgenommener Aussagen und Versprechungen übernommen wurden. Ein paar Jahre später zeigten neue Forschungsaufgaben, dass die anfängliche Euphorie zu früh geäußert wurde. Ja, einige Forschungsarbeiten konnten eine Wirkungslosigkeit dieser isolierten Lernprogramme im Hinblick auf eine mittel- und langfristige Lernwirkung bei Kindern belegen. Es gab keine bzw. kaum Belege für eine NACHHALTIGKEIT der initiierten Lernprozesse bei Kindern. „Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln“, dieser altbekannte Spruch kommt einem hier schnell in den Sinn, und nicht wenige Erzieher/-innen drückten ihre anfängliche Begeisterung nun mit einiger Enttäuschung auf die angeblich vorschnell proklamierten, „abgesicherten Forschungsdaten“ aus. So gab es überall in Deutschland sehr kontroverse Diskussionen, ernsthafte und polemische Debatten, politische Stellungnahmen unterschiedlicher Couleur und öffentliche Dispute. Doch trotz aller Problematik und vielfältiger tragikkomischer Auswirkungen in der Praxis machten die Diskussionen und Auseinandersetzungen eines deutlich: Der Elementarbereich kam wiederum in BEWEGUNG und es entstand – dringender denn je – ein erneuter Prozess der Suche nach „dem bestmöglichen Weg einer förder­lichen Kindergartenarbeit“, ein Überdenken der bisherigen Arbeit und eine Betrachtung neuer Perspektiven. So wurde in den Jahren ab 1970 von Trägern der freien und öffentlichen Wohlfahrtspflege, von einigen Universitäten und wissenschaftlichen Instituten sowie von einigen Landesministerien unterschiedliche Modellversuche in verschiedenen Bundesländern eingerichtet und durchgeführt. Aber auch hier widersprachen sich die Arbeits- und Forschungsansätze; es wurden sowohl institutionell und öffentlich regelrechte „Glaubenskriege“ im Hinblick auf pädagogische Ansätze und Arbeitsweisen ausgetragen, und jede Institution glaubte, den „Stein der Weisen“ gefunden zu haben. Erstmals im Jahr 1970 und noch deutlicher 1973 griff der Deutsche Bildungsrat die Pluralität der unterschiedlichen Modellversuche dadurch auf, dass er allen interessierten Institutionen und verantwortlichen Kammern Vorschläge für eine curriculare „Entwicklungsarbeit in Modellkindergärten“ unterbreitete und Empfehlungen zur Errichtung eines Modellprogramms für Curriculumentwicklung im Elementarbereich vorlegte. Dies mit einer Klarheit und einer Aussagekraft, die bis dahin eher ungewohnt war. Unter anderem sprach der Deutsche Bildungsrat von einem eigenen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag der Kindertagesstätten. Dabei benutzte er den Begriff der Elementarpädagogik und sprach nicht mehr vom sogenannten Vorschulbereich! Freudige Begrüßung der Aussagen wie heftige Kritik von einigen Verbänden und politischen Gremien waren die Folge, und die Bundesländer lehnten die Umsetzung der Bildungsratsempfehlungen (leider) ab. Allerdings wurde der dort vorgestellte „Pädagogische Ansatz zum situationsbezogenen Lernen“ von vielen beachtet, grundsätzlich geschätzt und in entsprechende Überlegungen der Länder berücksichtigt. So hieß es dort unter anderem:

„Bei der Entwicklungsarbeit ist von den realen Lebenssituationen der Kinder auszugehen“ (und Kinder dahingehend zu unterstützen), „ihre Lebenssituationen zu beeinflussen und zunehmend selbstständiger zu bewältigen. Zugleich sollen die Kinder beteiligt werden, sachliche Probleme soweit als möglich gemeinsam zu lösen und soziale Konflikte zu verstehen, zu meistern oder zu ertragen.“

(Deutscher Bildungsrat 1973, S. 13f.)

Schließlich wurden die überregionalen Planungsarbeiten ab 1974 innerhalb der Bund-Länder-Kommission (BLK) unter direkter Beteiligung des Deutschen Jugendinstituts (DJI) koordiniert und neun Bundesländer einigten sich, in den Jahren 1975 bis 1977 ein Erprobungsprogramm für Curriculum-Materialien im Elementarbereich unter der finanziellen Beteiligung des Bundes durchzuführen. (Das Land Baden-Württemberg arbeitete nur in assoziierter Form mit, und Bayern beteiligte sich nicht, machte aber den übrigen Ländern das Angebot, seine Materialien zu erproben.) Insgesamt beteiligten sich bei dem Großversuch 240 Kindergärten mit 960 Erzieher/-innen und 15.000 Kindern sowie 60 Wissenschaftler/-innen und Sozialpädagog/-innen.

Ein damals entstandener und noch heute nicht ausgeräumter Widerspruch entstand vor allem durch das „Curriculum Elementare Sozialerziehung“, in dem „Didaktische Einheiten“ entwickelt und aufbereitet wurden.

So etwa zu den (immer schon bekannten) Themen:

Wir lernen uns kennen – Jeder hat ein Zuhause – Unsere Kindergartengruppe – Wir erkunden unsere Umgebung – Konflikte in unserer Umgebung – Wie wir wohnen und wie Menschen in anderen Ländern wohnen – Wie wir uns kleiden und wie sich Menschen in anderen Ländern kleiden – Was wir essen und was Menschen in anderen Ländern essen – Kinder im Krankenhaus – Kinder kommen in die Schule – Werbung – Wochenende – Verlaufen in der Stadt – Kinder als Außenseiter …

So gut und berechtigt diese „Didaktischen Einheiten“ auch aus Sicht der Entwickler/-innen (gewesen) sein mögen, so widersprüchlich stehen sie dennoch zur Zielsetzung des „Situationsorientierten Ansatzes“. Wieder einmal glaubten Erwachsene, individuelle Wünsche, Interessen und Arbeitsschwerpunkte von Kindern formulieren zu können und Themenbereiche bis in alle Kleinigkeiten und Feinheiten festlegen zu dürfen, um entsprechende Arbeitsvorhaben strukturiert anzubieten. Sicher war dies nicht so beabsichtigt, zumal sich die damals formulierten Theorieansprüche anders anhörten als in dem Curriculum ausgeführt, doch hat sich – und das ist das Entscheidende(!) – in der Praxis gezeigt, dass sich damals wie heute immer noch die Inhalte als „curriculare didaktische Einheiten“ darstellen und wie „strukturierte Themenblocks“ mit Kindern „abgearbeitet“ werden. Kritische Leser/-innen werden daher den Bezug zum funktionsorientierten Ansatzverständnis herstellen (können) – dargestellt wie in den erwähnten Hauptrichtungen 1 und 2. Es entsprach/entspricht den Tatsachen, dass die didaktischen Einheiten bedeutsame Merkmale des funktionsorientierten Ansatzes übernommen haben, auch wenn sie mit anderen Themen, anderen Vorzeichen, anderen Interessen und Absichten ihre Grundlage ableiten. Vielfach wurde in der Praxis die Formulierung „Situationsansatz auf funk­tionsorientierter Grundlage“ genutzt.

Was nun Ende der Siebzigerjahre und in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts die Praxis war, lässt sich anhand sehr umfangreicher Beobachtungen in Kürze wie folgt zusammenfassen:

Auf der einen Seite gab es Kindergärten, die sich nach wie vor der traditio­nellen Kindergartenpädagogik („Leben und Lernen im Jahresrhythmus“) verpflichtet fühlten und unbeirrt ihren einmal bekannten Weg, den die Kindergartenpädagogik schon seit Jahren eingeschlagen hatte, fortsetzten.

Dann gab es Kindergärten, die sich zum Situationsansatz stark hingezogen fühlten und ihre didaktischen Einheiten zum Ausgangspunkt ihrer pädagogischen Schwerpunktsetzung erklärten.

Es fand sich aber auch eine außergewöhnlich große Anzahl von Kindergärten, die den starken Wunsch hatten, sich von der eher funktionsorientierten Arbeitsweise zu verabschieden, gleichzeitig aber dem Situationsansatz keinen pädagogischen Gewinn abringen konnten und sich dahingehend entwickelten, „situativ“