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Wann ist ein Kind schulfähig? Wenn es sechs Jahre alt ist, mit seinem rechten Arm über den Kopf zum linken Ohr greifen kann und damit gleichsam die notwendigen Fähigkeiten im kognitiven Bereich dokumentiert? Armin Krenz zeigt mit vielen Beispielen, dass erst dann von Schulfähigkeit gesprochen werden kann, wenn ein Kind über das Zusammenspiel ganz bestimmter emotionaler, sozialer, motorischer und kognitiver Fähigkeiten verfügt. Eltern und Erzieherinnen finden darüber hinaus Antworten auf ihre drängendsten Fragen zum Übergang vom Kindergarten in die Schule und darauf, wie sie die Schulfähigkeit ihrer Kinder fördern können, ohne sie dabei zu überfordern.
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Seitenzahl: 176
Dieses Buch widme ich allen Eltern, die ihren Kindern geholfen haben, Selbstbewusstsein und Selbstverantwortung, Interesse und Engagement, Risikofähigkeit und Mut, Leistungswillen und Einsatz zu entwickeln.
Darüber hinaus widme ich dieses Buch allen Erzieher/-innen, die sich nicht beirren lassen, Kindern in ihrer Kindergartenzeit eine aktive, lebendige, spannende, fantasiereiche und wertvolle Entwicklungszeit zu schenken.
Schließlich möchte ich das Buch auch all denjenigen Lehrkräften widmen, die es schaffen, die Kinder mit ihrem Unterricht zu faszinieren und die Schule für Kinder zu einem interessanten, wenn auch anstrengenden Erlebnis werden zu lassen.
Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schule. Das Curriculum bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen und Schwimmen, und alle Tiere wurden in allen Fächern unterrichtet.
Die Ente war gut im Schwimmen; besser sogar als der Lehrer. Im Fliegen war sie durchschnittlich, aber im Rennen war sie ein besonders hoffnungsloser Fall. Da sie in diesem Fach so schlechte Noten hatte, musste sie nachsitzen und den Schwimmunterricht ausfallen lassen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war. Durchschnittliche Noten waren aber akzeptabel, darum machte sich niemand Gedanken darum, außer: die Ente.
Der Adler wurde als Problemschüler angesehen und unnachsichtig und streng gemaßregelt, da er, obwohl er in der Kletterklasse alle anderen darin schlug, darauf bestand, seine eigene Methode anzuwenden.
Das Kaninchen war anfänglich im Laufen an der Spitze der Klasse, aber es bekam einen Nervenzusammenbruch und musste von der Schule abgehen wegen des vielen Nachhilfeunterrichts im Schwimmen.
Das Eichhörnchen war Klassenbester im Klettern, aber sein Fluglehrer ließ ihn seine Flugstunden am Boden beginnen anstatt vom Baumwipfel herunter. Es bekam Muskelkater durch Überanstrengung bei den Startübungen und immer mehr »Dreien« im Klettern und »Fünfen« im Rennen.
Die mit Sinn fürs Praktische begabten Präriehunde gaben ihre Jungen zum Dachs in die Lehre, als die Schulbehörde es ablehnte, Buddeln in das Curriculum aufzunehmen.
Am Ende des Jahres hielt ein anormaler Aal, der gut schwimmen und etwas rennen, klettern und fliegen konnte, als Schulbester die Schlussansprache.
Originalquelle unbekannt
»Schulfähigkeit« ist ein Begriff in der Pädagogischen Psychologie, der bei unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedliche Reaktionen auslöst:
So gibt es Eltern, die mit Sorge und Hoffnung auf genau dieses Datum blicken, zu dem ihr Kind zur »Schuleignungsuntersuchung« gebracht werden muss. Sie fragen sich, ob ihr Kind tatsächlich »schulreif« ist oder ob das »Testverfahren« vielleicht zum Ausdruck bringt, dass ihr Kind Schwierigkeiten offenbart, die gegen eine Einschulung sprechen. Dann gibt es Eltern, die freuen sich (mit ihrem Kind?!) auf den Tag der Schuleingangsuntersuchung, weil sie es gar nicht abwarten können, ihr Kind endlich in die Schule schicken zu dürfen. Vielleicht sind sie froh darüber, dass ihr Kind nun endlich etwas lernt, vielleicht erfüllt sie dieser Tag mit Stolz, weil ihr Kind seine Fähigkeiten gut unter Beweis stellen kann. Es gibt aber auch Eltern, die am liebsten diesen Tag hinausschieben würden, in der Angst, ihr Kind könne in einem so großen Sozialsystem wie der Schule »unter die Räder« kommen und darunter leiden. Andere Eltern wiederum wünschen sich für ihr Kind einfach eine Verlängerung ihrer Kindheit, im Rückblick darauf, wie wohl sich ihr Kind im Kindergarten gefühlt hat.
Bei den Erzieher(n)/-innen löst der Tag der Schuleingangsuntersuchung ebenfalls ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Die einen arbeiten sehr gut mit dem schulärztlichen Dienst und den Grundschulen zusammen und haben daher gerne ihre Berichte/Gutachten über die Schulfähigkeit der Kinder geschrieben, in der Gewissheit, dass ihre Aussagen in den Konferenzen ernst genommen werden und den entscheidenden Ausschlag geben, wie der weitere Entwicklungsweg der Kinder aussehen soll. Andere stehen diesem Termin skeptisch gegenüber. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass der schulärztliche Dienst und/oder die zuständige Grundschule keinen Wert auf ihre Einschätzungen legen. Sie fühlen sich gering geschätzt und bei dieser wichtigen Frage ausgegrenzt. Manche Erzieher /-innen würden diesen Tag der Schuleingangsuntersuchung am liebsten aus dem Kalender streichen, weil sie wissen, was da alles auf sie zukommt: Die Eltern bitten um Einzelgespräche und sind teilweise offen für den fachlichen Rat, die fachliche Einschätzung der Erzieher/-innen, andere Eltern »lassen ihren Dampf ab« und beklagen sich darüber, dass der Kindergarten ihre Kinder nicht gut auf die Schule vorbereitet habe.
Manche Lehrer/-innen aus den Grundschulen sind gespannt, welche Kinder neu in die Schule aufgenommen werden, andere Lehrer/-innen denken mit Sorge an die letzte Einschulung zurück, hat sie ihnen doch viele Kinder zugewiesen, die ein »stark erwartungswidriges« Verhalten gezeigt haben und einen geregelten Unterricht kaum zuließen. Dann gibt es Lehrer/-innen, die darauf hoffen, dass Kinder aus bestimmten Kindergärten möglichst zahlreich angemeldet und aufgenommen werden, weil sie schon »gezielt auf die Schule vorbereitet wurden«, andere Kindergärten dagegen »immer noch ganz viel mit den Kindern spielen«, sodass ihnen »jeder Ernst für die Schule fehlt«. Gerade mit Erzieher(n)/-innen aus »diesen« Kindergärten gibt es häufig Diskussionen, die nicht selten eher auf eine Beziehungsauseinandersetzung als auf eine inhaltliche Klärung von Fragen ausgerichtet sind.
Viele Rektoren von Grundschulen und Personen des schulärztlichen Dienstes wissen häufig über die jahrzehntelange Frage Bescheid, ob und wie man Schulfähigkeit »messen« sollte, suchen dabei nach neuen Ansätzen oder haben inzwischen eine Lösung gefunden, diese neuen Wege zu gehen. Dann gibt es andere Rektoren und Schulärzt(e)/-innen, die bleiben konstant bei einem Verfahren, das sich ihrer Einschätzung nach seit Jahrzehnten bewährt hat, und verstehen »die ganze Aufregung um den Begriff der Schulreife« gar nicht.
Weiterhin finden in nahezu allen Bundesländern Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen zum Thema statt, in denen sehr unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen aufeinander prallen, wo Schulfähigkeit unter ganz verschiedenen Aspekten betrachtet und auf sehr unterschiedliche Art definiert wird.
Last, not least unternehmen Bildungspolitiker/-innen immer wieder neue Versuche, diesen Begriff der Schulfähigkeit neu zu bestimmen, in der Gewissheit, dass nun endlich »der Stein des Weisen« gefunden wurde.
Kaum ein anderes Wort aus der Pädagogischen Psychologie erfährt so viel Beachtung, wird so kontrovers diskutiert und ist seit vielen Jahrzehnten so aktuell. Schon vor fast 80 Jahren schrieb Penning in seinem Werk Das Problem der Schulreife in historischer und sachlicher Darstellung, »daß eine eindeutige, für alle Kinder verbindliche zeitliche Festlegung der Schulreife gar nicht möglich ist«. (Leipzig 1926, S. 10) Lotte Schenk-Danzinger kritisiert, dass das Konstrukt Schulreife aus einer Zeit stammt, »in der die Veränderungen im Laufe der Kindheit und Jugend fast ausschließlich als Reifungsphänomene aufgefaßt wurden« (in: »Schuleintrittsalter. Schulfähigkeit und Lesereife«, in: Deutscher Bildungsrat, Band 7, Stuttgart 1969, S. 9), und Hildegard Hetzer konstatiert, dass alle Kinder, die körperlich »schulreif« sind, die Kleinkindform überschritten haben und daher auf jeden Fall stets »schulreif« sind. So verfügen sie über die Fähigkeit, »sich in Gemeinschaft Gleichaltriger durch planmäßige Arbeit traditionelle Kulturgüter anzueignen«. (In: Die seelischen Veränderungen des Kindes bei dem ersten Gestaltswandel, Leipzig 1963, S. 40.)
Augustin Kern kommt vor fast 50 Jahren zu dem Schluss: »Jedes Kind, extrem schwache Begabung einmal ausgenommen, erreicht im Laufe seiner Entwicklung einmal die Entwicklungsphase, der jenes Leistungsgefüge zugeordnet ist, das als Voraussetzung für ein erfolgreiches Durchlaufen der Schule angesetzt werden muß. Das eine Kind kommt lediglich früher, das andere später zu diesem Entwicklungspunkt. Daraus würde sich also ergeben: Wenn wir mit der Einschulung eines Kindes warteten, bis es den geforderten Entwicklungspunkt erreicht hätte, dann wäre jedem Kind ein relativ leichtes und erfolgreiches Beschreiten und Durchschreiten der Schulbahn möglich.« (In: »Schulreife und Schulleistung«, in: Westermanns Pädagogische Beiträge, 1954, Heft 2, S. 67) Der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen bringt es in seinen Empfehlungen und Gutachten 1953–1965 kürzer und anders auf den Punkt: »Die Entscheidung darüber, wann ein Kind für die Arbeit in der Schule reif ist, hängt davon ab, wie der Anfangsunterricht in der Schule erteilt wird.« (Stuttgart 1966, S. 42)
Im Jahr 1987 vertieften die beiden Autoren Ursula und Peter Lauster das Durcheinander zur Begriffsbestimmung noch, als sie ein Buch mit dem Titel Der Schulreifetest veröffentlichten und im Vorwort folgende Sätze schrieben: »Dieses Schulreifetestheft möchte Ihnen bei der Entscheidung (zur Frage der Schulfähigkeit) ein wenig behilflich sein. Mit Hilfe des Tests können Sie allerdings nur den geistigen Entwicklungsstand Ihres Kindes überprüfen, nicht aber seine ›Gesamtreife‹. Die gesamte Schulreife umfaßt den körperlichen, seelischen, sozialen und geistigen Reifegrad eines Kindes. ›Schulreif‹ ist Ihr Kind erst dann, wenn es die notwendige Gesamtreife zur Einschulung mitbringt und damit gewährleistet ist, daß es den notwendigen Anforderungen der Grundschule gewachsen ist.« (München 1987, S. 6). Um es noch einmal zu sagen: Das Buch trägt den Titel Der Schulreifetest!
Und schließlich wird das Chaos perfekt, wenn Professor Gerhard Witzlack, ein bekannter Wissenschaftler, der sich seit langer Zeit schon mit dem Thema der Schulfähigkeit auseinander setzt, sich in der Form äußert, er sei ernsthaft am Überlegen, ob er den Begriff der Schulfähigkeit für sich persönlich nicht radikal streichen solle. Der Begriff würde überhaupt nicht weiterhelfen, vor allem dem Kind nicht gerecht werden. Er verführe dazu, Schablonen anzulegen und eine viel zu frühe Auslese zu betreiben. Nach seiner Überzeugung sei jedes Kind schulfähig. Es sei an der Schule, unter Beweis zu stellen, dass sie kindfähig sei. Es gehe darum, Konzepte zu entwickeln, damit der Schule dies gelinge. Nicht in die Ausfeilung des Begriffs »Schulfähigkeit« sei geistig zu investieren, sondern in flexible, kindgerechte Formen des Schulalltags. (Vgl. Thüringer Sozialakademie Jena [Hrsg.]: Was heißt hier schulfähig? Dokumentation einer Fachtagung am 2./3. Juli 1999, Jena 1999)
Aktuelle Forderungen gleichen bestimmten Aussagen früherer Jahrzehnte, die gleichzeitig in sich widersprüchlicher nicht sein könnten. Wenn es sich dabei nicht um ein so wichtiges Thema handeln würde, könnten Vergleiche der Aussagen zum Schmunzeln, aber auch zum Kopfschütteln verleiten. Umso wichtiger erscheint daher dieses Buch!
Es kann sein, dass einige Leser/-innen sich in dem, was sie in den folgenden Kapiteln zur Kenntnis nehmen, bestätigt fühlen. Möglich ist aber auch, dass andere Leser/-innen bestimmte Aussagen als Provokation erleben und vielleicht geneigt sind, eine Gegenrede anzustimmen. Das alles bleibt bei einem solch kontrovers diskutierten Thema nicht aus.
So wünscht der Autor allen, die sich nun auf die Reise in ein »widersprüchliches Land« begeben, viele interessante Erkenntnisse und Freude, sich mit dem spannenden Thema »Schulfähigkeit« auseinander zu setzen. Sollten Fragen aufkommen, die nicht in diesem Buch beantwortet werden, können Sie sich auch persönlich an den Autor wenden:
Dr. Armin Krenz c/o Institut für angewandte Psychologie & Pädagogik Legienstr. 16 24103 Kiel
»Was tun Sie«, wurde Herr K. gefragt,wenn Sie einen Menschen lieben?«»Ich mache einen Entwurf von ihm«, sagte Herr K.,»und sorge dafür, dass er ihm ähnlich wird.«»Wer, der Entwurf?«»Nein«, sagte Herr K., »der Mensch!«
(Bertolt Brecht)
Vor einigen Jahrzehnten war es mit der Einschulung eines Kindes noch recht einfach. Es gab einen jährlich festgelegten Stichtag, an dem die Kinder, die nun schulpflichtig waren, zur Einschulung angemeldet wurden. Es folgte eine Untersuchung durch einen beauftragten (Schul-)Arzt und gleichzeitig wurde eine Überprüfung der »Schulreife« vorgenommen, meist durch den Rektor der Grundschule, in manchen Fällen auch durch bestimmte Lehrkräfte der entsprechenden Grundschule oder – seltener – durch den (Schul-)Arzt selbst. Die Kinder wurden zum anberaumten Termin gebracht, die Eltern warteten vor der Tür des Untersuchungszimmers und im Anschluss an den »Test« wurde den Eltern das Ergebnis mitgeteilt, ob das Kind nun eingeschult werden sollte/konnte oder ob eine Rückstellung angezeigt war.
Vor allem aber galt bis dahin eine unausgesprochene Regel: Die Kindergarten- oder häusliche Zeit war der Zeitraum zum Spielen und Kind-Sein. Mit dem Beginn der Einschulung begann der »Ernst des Lebens«. Diesem neuen Lebensabschnitt folgte ein weiterer (der Übertritt zur Realschule oder zum Gymnasium beziehungsweise der Besuch der Hauptschule), die Konfirmation bei den »Evangelen« läutete wiederum einen neuen Lebensabschnitt ein, es folgte der Schulabschluss, die Berufsausbildung beziehungsweise das Studium und der Beruf selbst.
War für viele Eltern die Zeit des Kindergartens vor allem eine Zeit, in der sie ihre Kinder gut aufgehoben wissen wollten, in der sie »spielen und basteln« konnten, in der kleinere und größere Ausflüge unternommen wurden, in der die Kinder Lieder lernten und kleinere Aufführungen probten, so waren die Eltern davon überzeugt, dass »die Schule noch früh genug kommt« und die Kinder ihre Kindheit möglichst unbelastet und fröhlich verbringen sollten. Kindergarten und Schule waren damit zwei völlig unterschiedliche Institutionen, die wenig miteinander zu tun hatten, und jede Einrichtung hatte ihren eigenen Schwerpunkt.
Doch mit der Zeit hat sich das gravierend verändert. So fragen inzwischen viele Eltern die Erzieher/-innen nicht nur während der Kindergartenzeit, sondern schon vor der Aufnahme, ob denn neben dem Spiel auch »was Vernünftiges« gemacht werde, ob vielleicht »das Programm zum frühen Lesenlernen« oder das »Projekt Englischlernen mit vier Jahren« ein Schwerpunkt der Kindergartenarbeit sei, ob gezielte Angebote »zum Umgang mit dem Computer« zum Schwerpunktprogramm gehören oder ob beispielsweise »Konzentrationsübungen« einmal pro Woche angeboten würden. Schließlich sei immer wieder zu lesen, dass die Lernmöglichkeiten der Kinder im Kindergartenalter besonders groß seien.
Ganz besonders im letzten Kindergartenjahr ist das Interesse der Eltern hoch zu erfahren,
wie die Kinder auf die Grundschulzeit vorbereitet werden,ob gezielte Übungen mit den Kindern gemacht werden, damit sie einen guten Schulstart haben,welche speziellen Arbeitsblätter als Schulvorbereitung berücksichtigt werden und ob diese gegebenenfalls als Kopien an die Eltern ausgehändigt werden können, um die Arbeit zu Hause fortzusetzen,ob das Freispiel nun eingeschränkt wird und stattdessen »geeignete Lernspiele« in den Vordergrund rücken,inwieweit schon Testverfahren zur Feststellung der Schulreife im Vorfeld des Kindergartens angewandt werden,wie oft ein Kontakt mit der Grundschule gesucht und hergestellt wird, damit die Kinder schon einmal einen Eindruck von der zukünftigen Institution Schule gewinnen können,ob auch schon das Stillsitzen geübt wird und beispielsweise Schulspiele üblich sind,inwieweit der Kindergarten sich der Aufgabe bewusst ist, bestimmte Schulfertigkeiten zu üben, beispielsweise das Zählen bis 20 oder das Schreiben des Vornamens,wie der Kindergarten der allgemein bekannten Bildungsmisere entgegenwirkt undwelche Handlungsstrategien die Erzieher/-innen umsetzen, um auffällige Defizite der Kinder abzubauen.Daneben fragen besorgte Eltern nach, ob
ihr Kind wohl schulreif ist,das Kind – belegt durch bestimmte Verhaltensweisen – vielleicht unterfordert ist,das Kind vielleicht schon mit fünf Jahren eingeschult werden sollte, man als Eltern vielleicht mit der Einschulung noch ein Jahr warten sollte, weil es noch so verspielt ist, oderdas Kind neben dem Besuch des Kindergartens vielleicht den einen oder anderen Kurs zur Intelligenzförderung besuchen sollte, zumal die Volkshochschule oder Familienbildungsstätte solche Trainingskurse anbietet.Aber auch außerhalb des Kindergartens kommen Kinder mit der anstehenden Schulzeit in Berührung. Geschwister schauen häufig etwas mitleidig auf ihre kleinen Geschwister herab und fragen, »ob sie denn noch lange diesen Kinderkram im Kindergarten machen wollen«. Verwandte nehmen die Sechsjährigen zur Seite und meinen, dass »sie bald groß sind und in die Schule kommen«. Selbst Eltern sind davon überzeugt, dass sich ihre Kinder in der Regel sehr auf die Schule freuen, und fragen interessiert, »ob sie es denn noch aushalten können, bis zur Einschulung zu warten, um dann endlich Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen«. Alles scheint sich in diesem Lebensjahr um die Schule zu drehen und viele sind gespannt, wie der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule gelingen wird.
Versucht man an dieser Stelle einmal, die Fragen, Erwartungen und Aussagen inhaltlich differenziert zu betrachten, so ergeben sich folgende (un)ausgesprochenen Annahmen und Meinungen:
Der Kindergarten schafft es mit seiner üblichen Arbeit bei weitem nicht, die Schulfähigkeit eines Kindes aufzubauen.Das Spiel(en) der Kinder ist zwar eine »schöne Zeit« für die Kinder selbst, geht aber an der notwendigen Realität einer ernst zu nehmenden Bildungseinrichtung vorbei.Schulfähigkeit hat immer etwas mit einer gezielten Lernförderung zu tun.Ein erfolgreicher Schulstart in der Grundschule ist abhängig von der Art und Häufigkeit einer funktionsorientierten Vorbereitung.Schulfähigkeit ist hauptsächlich von einem bestimmten Wissenspotenzial des Kindes abhängig.Wenn der Kindergarten keine gezielten schulvorbereitenden Aufgaben mit den Kindern übernimmt, dann ist es notwendig, die Hilfe anderer Bildungseinrichtungen mit entsprechenden Kursen in Anspruch zu nehmen.Ein häufiger Kontakt zwischen Kindergarten und Grundschule ist eine gute Möglichkeit, Kindergartenkinder mit der zukünftigen Bildungseinrichtung vertraut zu machen.Das ruhige Sitzen auf einem Stuhl – wie es in der Grundschule überwiegend erwartet wird – kann im Kindergarten (und vielleicht auch zu Hause) »geübt« werden.Kinder, die schon kleinere Rechenaufgaben beherrschen oder ihren Namen schreiben können, haben es in der ersten Schulklasse leichter als diejenigen Kinder, die diese Fertigkeiten noch nicht besitzen.In dem Maße, in dem der Kindergarten bestimmte Bildungsaufgaben nicht übernimmt, ist er mit schuld, dass es zu der heutigen Bildungsmisere gekommen ist.Sollte der Kindergarten bestimmte Lern-Förderprogramme (wie frühes Englischlernen etc.) nicht in die Arbeit mit aufnehmen, wird ein Lernpotenzial der Kinder in diesem Alter für immer ungenutzt gelassen.Schule ist etwas »Schönes«, das der Mensch gar nicht früh genug in Anspruch nehmen kann.Diese – und sicherlich noch andere – Annahmen und Meinungen ziehen sich wie ein roter Faden durch viele Erwachsenen- äußerungen. Auch wenn sie so nicht direkt formuliert sind: Sie finden sich in den entzifferten Inhalten der Aussagen wieder.
Es tragen sehr unterschiedliche Gründe dazu bei, dass solche Meinungen vom Kindergarten und von der Schulfähigkeit breiten Raum in der allgemeinen Vorstellung einnehmen, was Kinder können soll(t)en oder müssen, um einen erfolgreichen Schulstart zu erleben. So wird seit Jahrzehnten beispielsweise von der Kindergartenarbeit als »Vorschulpädagogik« gesprochen. Dies intendiert automatisch eine Form der Pädagogik, die vor der Schule stattfindet. Da wundert es nicht, wenn der Kindergarten als Bildungseinrichtung mit der Institution Schule ständig in Verbindung gebracht wird als »Zulieferer« für die eigentlich wesentlichere, wichtigere Einrichtung.
Es mutet schon eigenartig an, wenn man sich einmal klar macht, dass diese Begrifflichkeit, definiert quasi aus der Zukunft (Vor-Schul-Pädagogik, Vor-Schul-Kind, Vor-Schul-Zeit), in sonst keinem Wortgebrauch üblich ist: So spricht man von einem alten oder sehr kranken Menschen auch nicht von einem Vor-Toten, ein Viertklässler ist auch kein Vor-Gymnasiast und ein Abiturient auch kein Vor-Student. Ein Patient, der einen Arzt aufsucht, ist ebenso wenig ein Vor-Krankenhäusler und ein Mieter, der sich mit dem Gedanken beschäftigt, vielleicht einmal ein Haus zu kaufen, ist auch kein Vor-Hausbesitzer.
Diese Sprachspiele mögen zwar lustig erscheinen, drücken aber eine Tatsache aus, die sicherlich zum Nachdenken anregt beziehungsweise anregen sollte. Doch auch der Kindergarten selbst trägt – wenn auch sicherlich unbeabsichtigt – dazu bei, dass die Zukunft der Kinder zur Gegenwart erklärt wird. So sprechen viele Erzieher/-innen von den sechsjährigen Kindern als »Schulkinder«: Diese unüberlegte Wortwahl ist schon deshalb falsch, weil Kinder im Kindergarten bis zum letzten Kindergartentag Kindergartenkinder sind.
Neben einer Reihe von Eltern äußern sich auch die Schulen über die einzelnen Kindergärten und geben ihr Urteil über ihre Einschätzung der Arbeitsqualität ab. Beispielsweise äußern sie sich lobend über die Kindergärten, in denen Kinder schon in direkter Weise auf den Eingangsunterricht vorbereitet werden beziehungsweise wo Kinder schon mit einem bestimmten Zahlenwissen und dem Beherrschen kleinerer Schreibprozesse zur Einschulungsuntersuchung kommen, wo Kinder »gelernt haben«, ruhig an einem Tisch zu sitzen, und wo Kinder sich mit einem Arm- oder Handzeichen melden, wenn Fragen gestellt werden.
Anders sieht es dagegen bei den Kindergärten aus, in denen »nur gespielt« wurde/wird. Hier urteilen nicht selten Lehrkräfte recht negativ über diese Kindergärten, mahnen eine andere »Vorschulpädagogik« an und versuchen Aufgaben an die elementarpädagogische Institution zu delegieren, die ihnen die Eingangsarbeit mit den Kindern deutlich erleichtern soll.
Und schließlich hat die »PISA-Studie« ihren Teil dazu beigetragen, dass die Öffentlichkeit – von Seiten der Bildungsministerien der Länder über die Presse bis hin zu vielen Eltern – in helle Aufregung geraten ist und nun eine »Bildungsoffensive« – auch für die Kindergärten – fordert, getreu dem Motto:
»Spielen ist zwar schön und gut, aber es reicht eben nicht aus.« Oder:»Die Zeit von Lust und Freude ist vorbei: Der Kindergarten muss fördern, indem er Kinder fordert.« Oder:»Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wenn das direkte Lernen im Kindergarten nicht beginnt, wird die Bildungsmisere noch dramatischere Formen annehmen.«Diese Tendenz, den Kindergarten als eine systematisch strukturierte Vor-schul-pädagogik zu verstehen, liegt nicht zuletzt an der grundsätzlichen Einschätzung vieler Erwachsener, dass Erziehung stets eine Vorbereitung auf die Zukunft ist beziehungsweise zu sein hat. So wird mit diesem Begriff »Erziehung« ein ganzes Bündel von Vorstellungen gedanklich verbunden, wie beispielsweise, das Kind
sei positiv zu beeinflussen,habe sich in problematischen Bereichen zu verbessern,müsse auf die anstehende Zukunft vorbereitet werden, um Ansprüche zu erfüllen,habe sich in seinen jeweiligen Lernbereichen Stück für Stück zu qualifizieren,müsse von einem unmündigen in einen mündigen Zustand gebracht werden,