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Emil, 47, hat sich in einen wesentlich jüngeren Mann verliebt. Sven ist erst 25 und Influencer. Dafür, dass sie zusammen sein können, hat er sich von sei-nem langjährigen Partner Luis getrennt. Ein Schritt, den er für überfällig hielt, doch mit der Zeit ändert sich seine Meinung. Leider zu spät.
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Inhaltsverzeichnis
Der Spirit von Matala
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Epilog – 2 Jahre später
Der Spirit von Matala
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Copyright Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos
Fotos: shutterstock 2147853441, Blumen-Peace-Zeichen: Sissi
Cover: Lars Rogmann
Korrektur: Aschure, dankeschön!
Kontakt: http://www.bookrix.de/-sissisuchtkaiser/, https://www.sissikaipurgay.de/
Sissi Kaiserlos/Kaipurgay
c/o Autorenservice Karin Rogmann
Kohlmeisenstieg 19
22399 Hamburg
Emil, 47, hat sich in einen wesentlich jüngeren Mann verliebt. Sven ist erst 25 und Influencer. Dafür, dass sie zusammen sein können, hat er sich von seinem langjährigen Partner Luis getrennt. Ein Schritt, den er für überfällig hielt, doch mit der Zeit ändert sich seine Meinung. Leider zu spät.
„Jetzt nicht!“, wehrte Sven ihn ab und tänzelte aus seiner Reichweite. „Wir sind in einer Minute online.“
Ja und? Einen Kuss konnten sie ja wohl trotzdem noch tauschen. Emil schob die Unterlippe vor.
„Und zieh nicht so ’ne Fresse. Wie siehst du überhaupt aus?“ Sven rückte wieder näher und begann, an seinem Hemdkragen rumzufummeln.
„Das Ding erwürgt mich.“ Es handelte sich um einen extrem hohen Kragen, der – O-Ton Sven – seinen faltigen Hals kaschierte, genau wie einst bei Karl Lagerfeld.
Emil fand nicht, dass sein Hals faltig war. Er war eben nicht mehr der Jüngste und seine Haut entsprechend weniger straff ... aber faltig? Nein, auf keinen Fall!
„Lass das so, wenigstens so lange, bis wir meinen Beitrag im Kasten haben“, verlangte Sven, zückte sein Smartphone und aktivierte die Kamera. „Es geht los. Cheeese!“
Er brauchte nichts weiter, als dämlich in die Kameralinse grinsen, während Sven dummes Zeug laberte. Jeden Abend zur gleichen Zeit postete sein Lover auf Instagram ein update, auf das die Fans – laut Sven – sehnsüchtig warteten. Manchmal likten einige Leute tatsächlich sofort den neuen Beitrag. Hatten die kein eigenes Leben? Überhaupt war Emil erstaunt, wie viele Menschen sich solchen Scheiß anguckten. Eigentlich schaltete man bei Werbung doch auf einen anderen Kanal. Svens Clips waren nämlich gespickt mit Hinweisen auf Kosmetik- oder Modelabel. Die zahlten dafür und sicherten somit Svens Einkommen.
„Macht’s gut! Wir sehen uns morgen zur gleichen Zeit“, flötete Sven, beendete die Kamerafunktion und begann, auf dem Display rum zu tippen.
„Stell dir vor, du hast Dünschiss und sitzt morgen um diese Zeit auf ’m Klo. Wirst du dann von dort deinen Beitrag senden?“, erkundigte sich Emil sarkastisch.
„Sch-sch! Muss mich konzentrieren“, brummelte Sven, die Augenbrauen zusammengezogen und den Blick aufs Handy konzentriert.
Sarkasmus war eh an Sven verschwendet. Sein Lover sah gut aus, besaß aber die Intelligenz einer Scheibe Toastbrot. Warum er so lange gebraucht hatte, das zu erkennen, war ihm ein Rätsel. Na gut ... Sex hatte ihn abgelenkt. Anfangs war kaum ein halber Tag vergangen, ohne dass sie es trieben. Inzwischen hatte sich die Frequenz auf ein halbes Mal pro Tag reduziert.
Manchmal dachte er mit Wehmut an Luis, den er für Sven abserviert hatte. Ihre Beziehung war zwar zur Gewohnheit verkommen, aber passierte das nicht bei allen Paaren? Auch mit Sven würde es irgendwann so sein ... oder war es schon soweit? Wenn man ihr abflauendes Sexleben betrachtete, war das wohl der Fall.
„Können wir endlich essen? Hab Kohldampf“, erkundigte er sich honigsüß.
„Mhm, mhm.“ Sven tippte noch einmal aufs Display und schaute auf. „Hab ich dir heute schon gesagt, dass du fantastisch aussiehst?“
Gab es eine versteckte Kamera? Verstohlen blickte sich Emil danach um. Vergeblich. „Was ist jetzt mit essen?“
Sven hakte sich bei ihm ein und steuerte auf die Tür zu, durch die sie auf den Balkon gekommen waren. Der heutige Beitrag für den Blog hatte vor dem Hintergrund von Hamburgs Skyline stattgefunden. Dafür hatten sie im Restaurant des Hotel Hafen Hamburg einen Tisch reserviert. Natürlich zahlte Emil, denn Sven war chronisch pleite. Eigentlich würden die Einkünfte völlig ausreichen, um ein sorgenloses Leben zu führen, aber wenn man unter Shopping-Sucht litt, funktionierte das nicht.
Während sie speisten, führte Emil mehr oder weniger Selbstgespräche. Sven war zumeist mit dem Smartphone beschäftigt und berichtete ein ums andere Mal, wie viele Leute den neuen Post bereits gesehen hatten. Er nahm sich vor, demnächst mal bei Luis anzuklingeln. Vielleicht ließ sich ihre Beziehung ja reparieren. Ohne wollte er nicht dastehen. Lieber ertrug er weiter Svens Marotten.
Im Anschluss ans Essen ging es in den Blauen Satellit, einen Club, in dem Svens Klientel herumhing. Weder die Musik noch die Leute entsprachen Emils Geschmack. Er kam sich vor wie ein Rentner im Kindergarten.
Gegen halb eins verdrückte er sich und ließ sich von einem Taxi nach Hause chauffieren. Derzeit wohnte er in einem möblierten Appartement am Rotherbaum. Die meisten Einrichtungsgegenstände hatte er Luis überlassen, den Rest eingelagert. Er wollte sich in Ruhe einen neuen Wohnsitz suchen und war bis vor Kurzem überzeugt gewesen, das zusammen mit Sven zu tun. Mittlerweile konnte er sich das nicht mehr vorstellen. Es war nicht nur der Altersunterschied. Zwischen ihnen klaffte in nahezu jedem Bereich eine Riesenlücke.
Emil mochte es zwar auch edel, aber nicht überkandidelt, so wie das Scheißhemd, dessen hohen Kragen er bereits im Taxi geöffnet hatte; oder das Jackett, bestehend aus silberdurchwirktem Stoff. Darin fühlte er sich wie ein mit Lametta behängter Weihnachtsbaum. Ganz zu schweigen von den Lackschuhen. Warum hatte er sich zu dem beschissenen Outfit überreden lassen?
Kaum in seiner Wohnung, streifte er Jackett und Hemd ab, schlüpfte aus den Schuhen und knöpfte die Anzughose auf dem Weg ins Schlafzimmer auf. In Jogginghose und T-Shirt gekleidet schenkte er sich einen Fingerbreit Whisky ein, den er vor der Balkontür stehend schlürfte.
Es war wie verhext. Ungefähr ab dem Zeitpunkt, an dem er mit Luis die letzten Dinge geregelt hatte, war es losgegangen: Er hatte angefangen, Sven mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht, weil Luis nach langer Zeit zu treffen zu einem Vergleich animierte. Vielleicht, weil seine rosarote Brille verpufft war.
Jedenfalls war ihm einiges klargeworden, überwiegend unschöne Erkenntnisse. An dem Scheitern ihrer Beziehung trug er ein großes Maß Mitschuld, mal abgesehen davon, dass die Trennung von ihm ausgegangen war.
Als er wieder ins Büro durfte und Luis im Homeoffice blieb, waren etliche seiner Aufgaben weggefallen. Sang- und klanglos hatte Luis sie übernommen, nach dem Motto: Ich bin ja eh Zuhause, dann kann ich das schnell erledigen. Anstatt sich darüber zu freuen, mal Blumen mitzubringen, sich zu bedanken, hatte Emil das als selbstverständlich hingenommen.
Und nicht nur das. Zu allem Überfluss begann er, Luis als Hausfrau einzustufen. Er machte herablassende Bemerkungen und behauptete, sie wären nur ein Scherz, wenn sich Luis darüber beschwerte.
Das waren die beiden schlimmsten Verfehlungen. Hinzukamen etliche kleine Fehltritte. Im Großen und Ganzen hatte er sich wie ein Arschloch verhalten. War Einsicht nicht der erste Weg zur Besserung? Er würde Luis geloben, fortan mehr aufzupassen und sich richtig viel Mühe geben. Na ja, sofern Luis eine Chance anbot. Das wollte er gleich am nächsten Tag rausfinden.
Am folgenden Morgen fand er lediglich raus, dass Luis nicht zu erreichen war. Weder daheim, noch auf der Festnetz- oder Mobilnummer. Schließlich rief er, weil er keinen anderen Rat wusste, bei Helge und Marvin, Luis‘ besten Freunden, an.
„Hi, hier ist Emil. Wisst ihr, wo Luis steckt?“, fiel er mit der Tür ins Haus.
„Ähm ... warte mal“, antwortete Helge, der das Gespräch angenommen hatte.
Er hörte, wie die beiden tuschelten, leider ohne etwas zu verstehen.
„Luis wird eine ganze Weile weg sein“, meldete sich schließlich Marvin.
„Wie eine ganze Weile? Ist er in Urlaub?“
„Gewissermaßen.“
„Und wo?“
„Komm schon! Ich muss mit ihm reden.“
Wieder vernahm er Getuschel im Hintergrund, dann erwiderte Marvin: „Luis ist auf Kreta.“
„Kreta?“
„Er versucht, sich dort ein Leben aufzubauen.“
In Griechenland? Normalerweise wanderte man doch von da nach Deutschland aus, nicht umgekehrt. „Wo denn genau?“
„Ich glaube nicht, dass er einverstanden ist, wenn ich dir die Anschrift gebe.“
„Fragst du ihn bitte? Ich muss ihn echt sprechen.“ Bestimmt war diese Griechenland-Nummer eine Kurzschlusshandlung.
„Ich sage ihm, dass du angerufen hast.“
„Wie kommt er ausgerechnet auf Griechenland?“
„Wir haben da zusammen Urlaub gemacht.“
Ach ja … Marvin und Helge flogen jedes Jahr nach Kreta, immer in den gleichen Ort und das gleiche Hotel. Wie war noch der Name? „Hilf mir mal auf die Sprünge: Der Ort war irgendein Frauenname. Alessandra? Monika?“
Marvin lachte. „Fast richtig.“
„Nun sag schon.“
„Sorry, aber das fällt unter Datenschutz. Mach’s gut.“ Marvin legte auf.
„Wichser!“, murmelte Emil, tippte aufs rote Symbol und starrte das Handydisplay an. Wie war noch der verfickte Name? Irgendwas hinten mit A. Anna … Xenia … Marta … Marina! Genau! Das war es!
Er konsultierte sein Smartphone. Agia Marina war ziemlich groß und bot eine Fülle an Hotels. Er klapperte sie nacheinander ab, bis bei einem Namen etwas klingelte. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Er wollte sowieso mal wieder Urlaub machen. Da bot es sich doch an, eine Suite irgendwo in Agia Marina zu buchen. Bei der Gelegenheit konnte er auch gleich Luis kontaktieren. Dazu, allein zu verreisen, hatte er allerdings keine Lust.
Sven war sofort Feuer und Flamme, allerdings nicht für das von ihm anvisierte Ziel. „Wir müssen nach Matala. Da steppt der Bär, nicht in diesem Magarina.“
„Wir fahren erst dahin“, bestimmte Emil. „Danach sehen wir weiter.“
Sven maulte noch ein bisschen, doch die Aussicht, kostenfrei zu urlauben, schien zu verlockend, als dass sein Lover widerstehen konnte.
Als nächstes reservierte er eine Luxus-Suite in einem Gebäudekomplex, unweit des Hotels Petridis – derzeit Luis Aufenthaltsort, davon war er überzeugt. Flüge waren schnell gebucht. Nun brauchte er nur noch seinen Chef davon zu überzeugen, ihm spontan zwei Woche Urlaub zu geben.
Zwei Wochen später saß er mit Sven im Flugzeug in Richtung Kreta. Es wunderte ihn nicht, dass er für seinen Begleiter Übergepäck bezahlen musste. Sven brauchte ja ausreichend Garderobe, um sich jeden Tag den Followern in einem anderen Dress zu präsentieren. Vielleicht hätte er sich darüber aufgeregt, wenn er sich nicht gedanklich bereits getrennt hätte.
Sven blätterte in einer Broschüre mit griechischem Grundwortschatz. Einige Begriffe, wie Kalimera für Guten Morgen und Kalinychta für Gute Nacht, waren hilfreich, um höflichen Umgang zu pflegen, aber das Fräulein? Wozu brauchte man das? Emil verdrehte die Augen und schaute wieder aus dem Fenster.
„Komische Sprache“, brummelte Sven. „Wieso können die keine deutschen Buchstaben verwenden?“
„Du meinst lateinische?“
„Nein. Ich meine die, die wir benutzen.“
Er war versucht, seine Stirn gegen das Bullauge zu schlagen. „Wir benutzen das lateinische Alphabet.“
„Echt?“, staunte Sven. „Warum das denn?“
Das konnte Emil nicht erklären, ohne Google zu befragen. „Vermutlich, weil die Römer halb Europa besetzt haben.“
„Das ist doch gerade ein Grund, deren Buchstaben nicht zu verwenden.“
Da war was dran.
„Ich würde mir sowas nicht diktieren lassen“, verkündete Sven im Brustton der Überzeugung. „Haben die Römer Griechenland nicht besetzt?“
„Keine Ahnung.“
„Was? Das weißt du nicht, obwohl du immer alles besser weißt?“ Svens‘ Stimme troff vor Spott.
Stimmte das? Mit Sicherheit konnte Emil das nicht von sich weisen.
„Jedenfalls kann man die Scheiß-Buchstaben kaum lesen“, grummelte Sven.
Er schloss die Augen und versuchte, ein bisschen zu schlafen.
Nach drei Stunden und vierzig Minuten landeten sie in Chania. Entgegen dem wechselhaften Frühlingswetter, bei dem sie gestartet waren, herrschte hier schon Hochsommer. Grell schien die Sonne durch die Scheiben der Halle, in der sie auf ihr Gepäck warteten.
Ein Taxi brachte sie zu ihrem Feriendomizil. Die Anlage sah genauso luxuriös aus wie auf den Fotos im Internet. Sven strahlte, als sie zur Lobby gingen, von einem Ohr zum anderen und das trotz der zwei Riesenkoffer, die sein Lover hinter sich herschleppte.
Während Emil die Formalitäten erledigte, filmte Sven die Umgebung und erzählte dazu, wo sie sich gerade befanden. Mit zwei Schlüssel ausgestattet, traten sie den Weg zu ihrem Appartement an.
Den Mittelpunkt des Komplexes bildete eine riesige Poollandschaft. Die Becken waren gesäumt von gepolsterten Liegen und weißen Sonnenschirmen. Es gab auch überdachte Ruhemöbel, die wie Himmelbetten aussahen. Livriertes Personal lief umher, um den Gästen Drinks und Snacks zu servieren.
„Geil“, meinte Sven. „Das ist echt obergeil.“
Hoffentlich erholte sich sein Lover schnell von dem Geil-Anfall. Generell hatte Emil nichts gegen das Wort, aber im Übermaß konnte er es nicht ertragen.
Im Appartement brach Sven erneut in Geil-Rufe aus. Die luxuriöse Ausstattung rechtfertigte das. Der Hammer war das eigene Schwimmbad vor der Terrasse. Es handelte sich zwar nur um einen Minipool, aber ganz für sie allein.
„Zwei Schlafzimmer?“, wunderte sich Sven nach dem Rundgang.
„Du brauchst so viel Platz für deine Klamotten, da hab ich lieber geklotzt, anstatt zu kleckern.“
„Geil!“, freute sich Sven. „Welches willst du haben?“
„Das rechte.“ Ihm war’s eigentlich egal, aber wenn er schon die Wahl hatte ...
Flugs bugsierte Sven die beiden Riesentrolleys in das linke Zimmer. Er hatte gar nicht gewusst, dass es die Dinger auch in Schrankgröße gab.
Nachdem er seine Sachen ausgepackt hatte, tauschte er Jeans und Hemd gegen Shorts und ein Tanktop. Da Sven noch beschäftigt war, begab er sich allein auf die Suche nach etwas Essbarem. Weit brauchte er nicht laufen. Eine Snackbar befand sich am südlichen Ende der Poollandschaft.
Mit Gyros á la Cretan Dream ließ er sich auf einer der Liegen nieder. Der Imbiss mutete eher wie ein Döner an, mit dem Teigfladen, in den die Fleischschnipsel gewickelt waren. Kulinarisch packte er häufig Griechenland und Türkei in eine Schublade. Kulturell war das natürlich ein No Go.
Er hatte seinen Snack gerade vernichtet, als Sven herbeispazierte. Wie nicht anders zu erwarten, trug sein Lover auffällige Klamotten. Rosa Badeshorts, dazu ein Tanktop mit Glitzeraufdruck und Flipflops, auf deren Zehensteg eine rosa Plastikmuschel thronte.
„Oh! Bekomme ich nichts?“, maulte Sven angesichts des Tellers, auf dem noch einige Krümel lagen
„Armer Schatz.“ Emil erhob sich und bedeutete seinem Lover, ihm zur Snackbar zu folgen.