Die "4" retten Emil - Arno Meier - E-Book

Die "4" retten Emil E-Book

Arno Meier

4,8

Beschreibung

Wie jedes Jahr besucht Phillip in den großen Ferien seine Freunde auf dem Bauernhof. Und wie jedes Jahr, stecken die vier Freunde kurz danach schon wieder in einem Abenteuer. Ein Zirkus, ein Bankraub und eine Entführung halten die Polizei, die Eltern und die vier Freunde auf Trab.

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Endlich ertönte der Gong am Ende der letzten Stunde. Ferien! Und Ferien bedeutete, dass Philipps Eltern irgendwohin fliegen würden und er zu seinen Verwandten auf den Bauernhof durfte. Philipp strahlte. Natürlich hatte er versprechen müssen, dass er diese Mal keinen Unsinn machen und es keinen Ärger mit der Polizei oder irgendwelchen Verbrechern geben würde, aber schließlich konnte er ja nichts dafür, wenn er Dinge sah, die Erwachsene nicht sahen und Robbie, Emil und Bernadette musste er nicht erst dazu überreden, solchen Dingen auf den Grund zu gehen. Er würde morgen noch seinen 13.

Geburtstag feiern und dann endlich in den Zug steigen können, der ihn von der Stadt in das kleine, nur aus wenigen Häusern bestehende Dorf bringen würde.

„Also ich versteh dich nicht“, erklärte Pepe, der sein engster Freund war, mit einem Seitenblick.

Ihre Klassenkameraden begannen schon fröhlich lärmend aus dem Zimmer zu strömen. „Du hast selbst gesagt, dass du den ganzen Urlaub über arbeiten musst und freust dich trotzdem?“

„Und ob“, erklärte Philipp und sah seinen Freund, mit den stachelig nach oben gebürsteten und gegelten, blonden Haaren gut gelaunt an. „Ich sehe Susie meine Colliehündin wieder, ernte mit den anderen Getreide, streune im Wald und den Wiesen herum und bin die ganze Zeit mit Robbie, Bernadette und Emil zusammen!“

„Ah Bernadette“, grinste Pepe, daher weht also der Wind?“

Philipp spürte, wie er ein wenig rot zu werden begann. „Unsinn“, sagte er „und außerdem haben wir das letzte Mal einen Kriminalfall aufgeklärt!“

„Ja, ja“, winkte Pepe ab, der verhindern wollte, dass ihm sein Freund diese Geschichte noch einmal erzählte und wenn er ehrlich war, dann auch ein bisschen deshalb, weil er neidisch war, auch wenn er das nie zugegeben hätte.

„Ich bring morgen die Xbox mit, dann können wir deinen Geburtstag gebührend feiern!“

„Alles klar!“

Zwei Tage später schleppte Philipp seinen schweren Koffer den staubigen Weg entlang. Er bereute es jetzt ein wenig, dass er Bernhards Angebot ihn abzuholen ausgeschlagen hatte. Die Sonne brannte heiß von einem wolkenlosen, blauen Himmel und die Koffer, sowie der Rucksack waren auf die Dauer schwerer, als er gedacht hatte. Der Weg zum Bauernhof bestand nur aus zwei Fahrspuren und in3 der Mitte wuchs Gras sowie links und rechts des Weges Kornblumen himmelblau. Der Wald rechts neben ihm duftete nach Frische und faulenden Blättern. Birken, Buchen, Ahorn, Eschen und Haselsträucher sowie Brombeeren, die den Zugang in das Innere dieser Hallen versperrten. Links des Weges ein steiler Abhang zur Straße hinab, auf dem sich Großvater beim Mähen mit dem Traktor schon mehrfach überschlagen hatte. Der Doktor, der die Quetschungen und Schürfwunden behandelte meinte, dass es ein Wunder sei das er noch lebe.

Aber Großvater lebte. Er ging jetzt ein wenig gebückt und steif. So als würde sein Kopf die Richtung vorgeben und seinem Körper bliebe nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Aber er ging. Jeden Morgen.

Zuerst in den Stall, um die Kühe mit einem Blecheimer einzeln zu tränken. Dann nahm er die Mistgabel und räumte die Fladen weg. Wischen, neues Stroh. Niemals hätte er es zugelassen dass ein anderer diese Arbeit für ihn übernahm. Großvater war um die 90. Wenn sie zusammen am Tisch saßen um zu essen, blitzten seine blauen, wachen Augen oft von einem zum anderen und dann lächelte er. Es war das zufriedene Lächeln eines Mannes, der stets das Ergebnis seiner Arbeit auf den Feldern bewundern konnte, der immer für andere (auch für die Städter) da war und der seine Familie (auch die Städter) während des Krieges versorgt und der nie auch nur ein Wort darüber verloren hatte. Großvater hatte gelbweiße dichte Haare und einen ebensolchen riesigen, fast keltisch wirkenden Schnurrbart und Großvater war ein kluger Mann.

Philipp freute sich darauf ihn zu sehen, so wie er sich auf seine Tante, seinen Onkel und auf den Chef freute. Der Chef war Tante Hedels Mann und seine Füße waren wegen eines Hüftleidens gekreuzt. Er benutzte zwei Krücken um zu gehen, was ihn aber nicht daran hinderte, seine Arbeit, wie alle anderen zu versehen. Zwei Tage auf dem Hof und Philipp hatte es regelmäßig vergessen, dass er behindert war. Auch der Chef hatte diese blauen Augen, ein raubvogelartig geschnittenes Gesicht und stets hing eine Pfeife zwischen seinen Lippen. Auch er war ein zufriedener Mann, der den riesigen Hof seit Jahrzehnten führte. Und Tante Hedel, mit ihrer drallen Figur und dem runden, immer etwas geröteten Gesicht mit den großen, dunklen Augen.

Ein Ausbund an Herzensgüte, mit der man sich aber am besten auf keinen Streit einließ, denn wenn sie explodierte, sah man die Insassen des Hofes nach allen Seiten in die Felder flüchten. Erst nach Stunden später trauten sie sich wieder zurück. Dann war es allerdings so, als sei nichts gewesen.

Philipp war jeden Sommer hier und seine Zeit in der Stadt kam ihm dann unwirklich und falsch vor. Hier lebte alles. Er roch den Geruch von frischem Gras und Staub. Ja auch Staub hatte einen Geruch. Der Boden war nicht hart sondern weich und federnd.

Bienen und Wespen summten unter den Zwetschgen-bäumen. Jetzt sah er das große Haupthaus und daneben das Gesindehaus in dem jetzt Hühner und Schweine lebten. Direkt an das Haupthaus angeschlossen der Kuhstall, hinter den Schlafräumen, so dass es auch im Winter warm blieb. Dann die große Scheune – vollgepackt mit Stroh - in der noch Dreschflegel von früher standen.

Hundegebell. Die Dackel hatten ihn endlich bemerkt.

Sie kamen aus der Küche gestürzte, angriffslustig, wütend, stürzten sie auf ihn zu, stutzten, jaulten, verrenkten sich wie wild und sprangen freudig bellend immer wieder an ihm hoch als sie ihn erkannten.

"Ja, ja, ist ja schon gut, ist ja schon gut!"

Aber Philipp wusste, dass das Beste erst noch kam.

Er hatte sie nicht gehört, doch plötzlich stieß ihn von hinten eine kalte Hundeschnauze in die Kniekehle.

Lächelnd drehte er sich um und da stand sie! Susie, seine Collie-Schäferhündin mit bernsteinfarbenem Fell und ebensolchen Augen. Sie wedelte wie wild mit dem Schwanz und verbarg selig ihren Kopf in seiner Armbeuge als er in die Hocke ging, um sie zu streicheln. Während sich die Dackel wieder trollten, blieb die Hündin bei ihm und das würde die ganzen Ferien über so sein. Susie und Philipp waren unzertrennlich.

Tante Hedel kam aus dem Haus, winkte, ging wieder zurück, so als sei er eben nur kurz im Dorf gewesen.

In der Ferne sah er einen roten Punkt an einem weit entfernten Hügel. Bernhard, der mit seinem Porschetraktor das Futter für die Kühe schnitt. Lila Klee. Philipp ging ins Haus in dem seine Tante bereits den Kaffee und Milch aufgesetzt hatte.

"Hallo", sagte sie und Philipp war wieder daheim. Die Küche war groß, modern eingerichtet und grau gefliest. Die Türe vor ihm ging in den Flur, der nach rechts zu den Ställen führte. Davor der Vorratsraum, das Jagdzimmer mit den Trophäen und Geweihen, das Wohn- und auf der anderen Seite das Esszimmer.

Philipp stellte den Koffer ab. Tante Hedels große, braune Augen strahlten, während sie eine Tasse mit Kaffee und die andere mit Schokolade füllte. „Hier", sagte sie und gab ihm die Schokolade. „Wie war es in der Stadt?"

„Na ja", sagte Philipp.

„Schon eine Freundin?"

Philipp wurde verlegen. Tante Hedel lehnte sich an den steinernen Schüttstein (das einzige Relikt aus der alten Küche) und zwinkerte ihm gutmütig zu.

„Nein.“

Tante Hedel nickte. „Wie geht es in der Schule?“

„In Deutsch, Sport und Religion bin ich sehr gut und in Mathe und Physik miserabel!"

Tante Hedels seufzte. Sie trug wadenhohe, olivgrüne Gummistiefel und ein grünes, gepunktetes Kleid mit weißer Schürze. „Auch wenn dein Vater jetzt ein hohes Tier ist, rechnen konnte der auch nicht. Also macht dir nichts draus!"

„Bernadette hat garantiert wieder überall Einsen?", fragte Philipp. Er trank die Schokolade und es schmeckte ihm wieder einmal besser als alles, was er in der Stadt zu trinken bekam.

Tante Hedel nickte.

„Irgend eine Zwei?"

„Nur im Betragen." Sie fuhr sich mit dem Ellbogen über das Gesicht. „Sie langweilt sich halt.“

„Und Robbi?"

Die Tante seufzte. „Hat alles Mögliche im Kopf. Alles außer Lernen, er will unbedingt Bauer werden!"

„Das ist doch gut", sagte Philipp. „Wo sind sie denn alle?"

„Unten im Dorf, sie werden bald hier sein!"

Das Dorf war etwa 5 km vom Hof entfernt und Bernhard und er würden jeden Morgen mit dem Traktor dorthin fahren, um die Milch abzuliefern, zu frühstücken und sich den Gemeindeklatsch anzuhören. Bernhard war Bernadetts und Robbis großer Bruder.

„Ist Emil schon da?"

Tante Hedel prustete. „Jeden Tag“, lachte sie „und sein Vater darf es noch immer nicht mitbekommen!"

Emil war der älteste der Vier und hatte rote Haare und jede Menge Sommersprossen in einem Gesicht, das von strahlend blauen Augen beherrscht wurde.

Sein Vater besaß ein Schloss das man erreichte, wenn man durch den großen Wald ging, in dem Großvater noch bis vor 20 Jahren gejagt hatte. Jetzt hatte er die Jagd verpachtet, aber nicht etwa an Sir McGreggor der ein Schotte war, sondern an die Jäger aus der Umgebung. McGreggor empfand das als Beleidigung, zumal der Wald bis wenige Meter vor die Schlossmauer ging und dort erst vor einem kleinen Fluss Halt machte, hinter dem der Park der McGreggors begann. Emil erzählte oft wie sein Vater schimpfte, wenn er wieder einmal Rehe auf der Lichtung, oder Wildschweine sah, die er, obwohl direkt vor seiner Nase, nicht jagen durfte. Deshalb verbot er Emil auch sich mit “diesen Bauern“ zu treffen, was Emil jedoch nicht im Mindesten kümmerte. Schützenhilfe bekam er dabei von seiner Mutter, die zwar eine Gräfin, aber eben auch hier geboren war und die zu all ihren Nachbarn eine gute, wenn auch heimliche Freundschaft pflegte. Und so waren alle, außer Sir McGreggor beständig zu irgendwelchen “nie stattfindenden Treffs“ unterwegs.

„Dieser Emil“, sagte Tante Hedel, „hat es wirklich nicht leicht, aber da hinten kommt er ja schon!"

Philipp stellte die Tasse hin und flog förmlich nach draußen. Die Hunde sprangen freudig bellend durch das kniehohe Gras und die Farbenpracht einer Sommerwiese hinterher, aus der plötzlich wie aus dem Nichts auch Bernadette und Robbi auftauchten, die sich flach auf den Boden gedrückt hatten, damit er sie nicht sah.

„Der Städter“, spottete Robbi und zwinkerte gutmütig. Er fuhr sich durch seine dichten, blonden Locken. „Es war einfach nicht das Gleiche als du weg warst!"

Philipp schaut Robbi an, der braune Augen unter ebenfalls dicken, blonden Wimpern hatte.

„Na dünner bist du nicht geworden!", lachte er.

„Alles Muskeln und Sehnen“, erklärte Robbi und warf sich in eine Bodybuilderpose. Robbi war nicht dick, aber dadurch, dass er einen Kopf kleiner als die anderen und doppelt so breit war, wirkte er irgendwie rund.

„Du bist auf jeden Fall gewachsen", erklärte Bernadette und sah ihn an.

„Nicht so viel wie du“, antwortete Philipp und das stimmte. Bernadette mit ihren langen, braunen Haaren, den dunkelbraunen Augen, der kleinen Nase und ihren etwas schiefen Zähnen, die eine Zahnspange zu bändigen versuchte, war mindestens um einen Kopf größer geworden und überragte sie alle.

„Ich merke das nicht so“, sagte Bernadette.

„Höchstes daran das die anderen kleiner werden.“

„Nur unser Emil ist gleich geblieben", stichelte Robbi gutmütig. „Der kann essen was er will. Glaub mir Philipp der isst das Doppelte von dir…“

„Nun übertreibe mal nicht", widersprach Emil.

„Nein?", fragt Robbi. „Wer hat denn die ganze Zeit Hunger und wird unerträglich wenn er nicht alle 3 Stunden was zu essen kriegt?"

„Alles Quatsch", winkte Emil ab und setzte sich ins Gras.

„Sag mal“, fragte er, „ist heute nicht Backtag bei euch?" Alle lachten.

„Morgen ist das Schützenfest im Dorf“, erzählte Robbi und seine braunen Augen lachten vergnügt.

Da grinste auch Emil. „Das einzige Fest auf das ich auch offiziell darf, weil es mein Vater genießt, diesen “blöden Bauern" noch mal zu zeigen wie man richtig schießt!"

„Au ja“, sagte Bernadette. „Ich freue mich auf den Jahrmarkt und die ganzen Stände und Buden, die sie da aufstellen!"

„Ich versuche mal den Überschlag auf der Schiffschaukel!", erklärte Robbi und alle lachten, weil er diesen Überschlag schon seit drei Jahren versuchte, ihn aber noch nie hinbekommen hatte.

„Dieses Jahr klappt es, ihr werdet schon sehen!" sagte Robbi trotzig.

Das entfernte Knattern des Traktors kam näher.

Schon tauchte der rote Porsche Diesel mit seinem Anhänger zwischen den Gebäuden auf.

„Komm“, sagte Robbi, „lass uns Bernhard helfen den Klee abzuladen.“

Sie standen auf und stürmten auf den Hof und Bernhard lachte als er sie sah. Er sprang vom Traktor und umarmte Philipp. „Na“, sagte er, „da ist die ganze Bande ja wieder zusammen!"

Am Abend saßen sie alle am reich gedeckten Tisch.

Tante Hedel, Großvater, der Chef, Bernhard und Bernadette.

„Groß bist du geworden", sagte Großvater und zwirbelte seinen Keltenbart.

„Das stimmt“, sagte Philipp, „ich muss ständig neue Hosen kaufen oder neue Schuhe!“ Großvater trank seinen Most und nickte. „Sieh dir nur Bernadette an“, schmunzelte er, „sie wird größer als wir alle!“

„Und auch klüger", ergänzte Tante Hedel, wobei Bernadette schlagartig rot anlief.

„Mama!", brauste sie auf.

„Was denn, was denn, stimmt es etwa nicht?“

„Du kannst die nächsten sechs Wochen meinen Stall haben“, sagte Großvater und sah Philipp an. Am Tisch wurde es schlagartig still.

„Das soll mich doch gleich…“, murmelte der Chef überrascht und musterte Großvater misstrauisch.

„Schau mich nicht so an“, lachte der alte Mann.