Schlacht um das Schattenreich - Arno Meier - E-Book

Schlacht um das Schattenreich E-Book

Arno Meier

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Beschreibung

Ein großes Erdbeben weckt den Geist eines uralten Hexers auf, der vor 500 Jahren von Magiern, Menschen und Elfen besiegt und auf eine unzugängliche Insel verbannt worden war. Er entkommt aus seiner Gruft und ruft seine dämonischen Verbündeten zur Hilfe, um seine Widersacher endgültig zu vernichten. Nichts scheint ihn aufhalten zu können. Allerdings hat er die Rechnung ohne eine versprengte Horde furchtloser Wikinger gemacht.

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Danke

Vielen Dank an Dieter Eckert für sein tolles Cover und vielen Dank auch an Marina Bausch für ihre schönen Illustrationen.

Bedanken will ich mich auch bei Tanja Winterhalter für das sorgfältige Überarbeiten des Textes.

Widmung

Dieses Buch widme ich meinen Kindern

Angela und Florian

Und meinen Enkeln

Kathleen

Elisabeth

Matteo

Konstantin und

Henry

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Widmung

Der Sturm

Der Hexer

Land

Die Dämonen des Generals

Hindernisse

Naturgewalten

Der Fall der Stadt

Verbündete

Plünderung

Die Befreiung

Erwachen

In der Festung

Kriegsrat

Die Hexe und der Abt

Paperra

Die Prüfung

Der Auftrag

Die Verschwörung

Im Lager

Ein böses Erwachen

Aufbruch

Gestörte Nachtruhe

Vincentes Erzählung

Die Beratung

Das Täuschungsmanöver

Der Abt und die Hexe

Umkehr

Vincentes Bericht

Ankunft

Der Magier und der Kommandant

Schattenwanderung

Der Kapitän und die Insel

Die Zauberin Teil 1

Zauberin Teil 2

Tarnows Verschwörung. Der nächste Schritt

Der Ballonflug

Vor der Insel

Am anderen Morgen

Im Bergwerk

Rexoten

Berufsehre und Loyalität

Vorbereitungen

Die Welt der Geister

Warten

Vor der Insel

Auf dem Weg

Der Rat der Drei

Banges Verhör

Kopflos

Unbekannte Pfade

Banges Kontrakt

Die Hütte

Vater und Sohn

Der letzte Zeuge

Dorf ohne Gewissen

Auf der Jagd

Vor der Schlucht

Consulata

Eroberung

Consulata. Der Auftrag

Die Fährte

Der letzte Weg

Ruinen

Im Dorf

Monsterschlacht

Die Hexe

Die Vier

Rattenleben.

Banges Flucht

Pater Slowan

Im Gebirge

Verfolgung

Pater Slowan 2

Ägirs Warnung

Banges Spionin

Bange in Pointo

Maltes Informant

Dilavas Erzählungen

Schnee

Die Herberge

Tarnows Verrat

Nächtlicher Überfall

Wolfsjagd

Das Rudel

Die Kaschemme

Ausweglos

Gefahr

Der Wald

Pater Slowan 3

Mörderspiele

Zurück von der Jagd

Mordnacht

Verwandlungen

Auf der Jagd in Pointo

Nächtliche Jagd 2

Banges Niederlage

Flucht aus Pointo

Tarnows Abzug

In der Schlucht

Die Knochige

Tarnow verschwindet

Bange im Dorf

Verfolgungsjagd

Die erste Hälfte des Kontraktes

Kampf in den Bergen

Auf Abwegen

Auf dem Weg zum Kloster

Im Lager der Wikinger

Tarnows Truppen im Tal

Das Verhör

Drei Freunde

Banges Geständnis

Hochverrat

Das Dorf vor dem Kloster

Verbündete

Vor der Schlucht. Banges Zusage

Riveras Plan

Der Aufstieg

Der Aufstieg 2

Der Aufstieg 3

Schattenwolf

Como Riveras Vorbereitungen

Siegesfeier

Das Attentat

Angriff der Trolle

Glossar

Der Sturm

Es waren fünf Schiffe gewesen, mit denen wir aufgebrochen waren und als die Sonne ihre goldenen Strahlen in den Morgennebel schoss, der sich wie ein verwundetes Tier rot zu färben begann, sah ich nur noch das Langboot von Gunnar Finelson wie ein Schemen in unserer unmittelbaren Nähe kreuzen. Der Rest der Flotte schien weit über das Meer verstreut oder vielleicht sogar gesunken zu sein, wir wussten es nicht. Ein gewaltiger Sturm hatte unsere Drachenboote vier Tage lang in riesige Wellentäler gejagt, nur um sie danach in wilder Fahrt auf die Spitzen der gischtenden Wogen zu tragen, wovon es dann senkrecht wieder hinab in diesen heulenden, aufgepeitschten Höllenschlund ging. Die Männer hatten geschrien, ihre Hammeramulette oder Kreuze umklammert und versucht, sich in die Masten und Ruderbänken zu krallen, an denen sie angeseilt waren. Aber das Meer war unbarmherzig und die Nornen hatten auf meinem Schiff über der Hälfte der Nordmänner die Lebensfäden abgeschnitten.

Irgendwann heute Morgen in der Dämmerung war es dann plötzlich vorbei gewesen. Das Wasser beruhigte sich, der Sturm flachte ab und in dem diffusen Licht einer weit hinter dem Horizont aufsteigenden Sonne waren sogar einzelne Sterne in einer aufgerissenen Wolkendecke zu sehen.

Nebel stieg auf und wallte als dicke, weiße Wand auf uns zu und aus diesem Nebel war wie ein Gespenst Gunnars Lang-Boot aufgetaucht. Das zerrissene Segel war gerefft und auch der Mast, den sie gerade wieder aufrichteten, schien einiges abbekommen zu haben. Mit nacktem Oberkörper stand Finelson am Bug seines Schiffes und ließ sich von der Sonne bescheinen, damit wir sehen konnten, dass er kein Geist oder Dämon aus der Zwischenwelt war. Sein zu Zöpfen geflochtenes Haar und der brustlange schwarze Bart hingen nass und zerzaust von seinem breiten Schädel herab. „Ho Karl Gustavsson!“, rief er herüber. „Ein ganz nettes Lüftchen war das die letzten Tage! Können wir uns unterhalten?“

„Ho Finelson!“, rief ich zurück. „Komm längsseits!“

Geschickt manövrierte der Häuptling aus dem Nachbargau sein etwa 30 Meter langes Boot an unsere Reling. Dann stiegen er und sein Navigator zu uns herüber. Auch er hatte viele Krieger verloren, das sah ich auf einen Blick. Nicht einmal die Hälfte der Ruder war noch besetzt.

Wir setzten uns auf eilig herbeigebrachte Kisten und Olaf, mein Bursche schenkte uns Met ein. Ohne ein weiteres Wort schütteten wir den Inhalt unserer Becher ins Meer. Keiner von uns wollte den Zorn von Ägir und seinen Töchtern noch einmal auf sich ziehen.

„Was ist mit den anderen?“

Gunnar Finelson sah mich mit seinen meergrauen Augen ruhig an und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, sagte er.

„Ein verdammtes Wunder, dass wir das überlebt haben!“

Ich nickte. Tore kam aus dem Laderaum herauf und setzte sich zu uns. „Zwei Fässer Trinkwasser“ bedeutete er mir mit den Fingern, denn dieser blonde, urgewaltige Riese war von Geburt an stumm. „Und ein Fass Met, alles andere ist verdorben!“, zeigte er mir mit Gesten an, die nur ich zu deuten wusste.

„Keine Lebensmittel?“, fragte ich meinen Stellvertreter.

„Keine Lebensmittel!“ Er schüttelte den Kopf.

„Zwei Fässer Trinkwasser!“ übersetzte ich Tores Gesten dann für Finelson. „Ein Fass Met, aber keine Lebensmittel!“

„Bei uns sieht es auch nicht besser aus!", erklärte Finelson.

„Zwei Fässer Fische, aber kein Wasser!“

In der Zwischenzeit standen die meisten meiner verbliebenen Männer um uns herum.

„Wir teilen“, sagte ich. „Ihr bekommt ein Fass Wasser und wir eines mit euren Fischen.

Finelson nickte.

„Weißt du, wo wir sind?“, fragte ich ihn.

Finelson fuhr sich nachdenklich durch seinen pechschwarzen Bart.

„Was meinst du Gundolf?“, wandte er sich an seinen Unterführer und Navigator, der ebenfalls mit an Bord gekommen war. Der alte Mann, der mich an ein Stück wettergegerbtes Leder erinnerte, wog nachdenklich den Kopf.

„Was meint denn Erik dazu?“

Kurz tauchte in meinem Innern das Bild der saugenden, gewaltigen Woge auf, die Erik unseren Navigator, obwohl er angeleint war, über Bord gespült hatte.

„Erik ist in Walhalla“, sagte ich. „Jedenfalls hoffe ich das!“, fügte ich hinzu.

„Verstehe“, nickte der Alte. „Nun“ fuhr er dann fort, „ich denke, der Sturm hat uns sehr nahe an eine der Küsten der südlichen Länder getrieben.“

„So weit?“, fragte Bjornstadt, der hager, missmutig und ständig gereizt der Anführer meiner Schwertkämpfer war. „Du weißt schon, dass das eine Riesenentfernung wäre, die wir da zurückgelegt hätten!“

„Vier Tage“ sagte der Alte. „Bei einem solchen Sturm - da legst du Strecken zurück, von denen du nicht einmal zu träumen wagst!“

Einer meiner Krieger nach dem anderen setzten sich zu uns.

Nach dieser übermenschlichen Anstrengung, die uns dieser Überlebenskampf gekostet hatte, konnten sie sich kaum mehr auf den Beinen halten. Wir brauchten dringend Schlaf, etwas zu trinken und etwas zu essen, aber genau davon hatten wir nicht genug! Ich ließ meinen Blick über unser Langschiff gleiten und Finelson tat das Gleiche.

„Zwei Tage“ meinte er dann. „Wir brauchen etwa zwei Tage, um unsere Schiffe wieder einigermaßen seetüchtig zu machen!“

„Zwei Tage, die wir nicht haben!", warf der Alte ein.

„Also was tun wir?“, fragte ich Finelson.

Der schwieg einen Moment. Wir waren jetzt zwei Wochen auf See und die letzten vier Tage hatten uns beinahe alles gekostet, was wir hatten. Jarl Borison, der mit uns gesegelt war und dem unsere Mannschaften und unser Boot gehörten, lag vermutlich mit den restlichen Schiffen auf dem Grund des Meeres.

Finelson war ein Herse genau wie ich und auch sein Jarl war verschollen.

„Ich denke, wir essen und trinken etwas und dann setzt sich eine Hälfte der Männer an die Ruder, während die anderen versuchen, die Boote notdürftig zu reparieren!“

Ich nickte. „Und in welcher Richtung rudern wir?“, fragte ich weiter und trat damit vor meinen Männern den Führungsanspruch über beide Schiffe an Gunnar Finelson ab.

Tore und auch meinen anderen Kriegern schmeckte das nicht, das konnte ich sehen.

Schwarzbart Finelson war klug genug, sich seinen Triumph nicht anmerken zu lassen.

„Süden“, erklärte er dann. „Ich denke, wir fahren nach Süden oder was meinst du?“

Damit erwies er mir vor meinen Kriegern den nötigen Respekt und alles war in Ordnung. Die nächsten Stunden verbrachten wir damit, unsere Vorräte gerecht zu verteilen und dann ruderten wir los.

Eine leichte Brise kam gegen Mittag auf, sodass wir die Segel hissen konnten. Tore ließ alles, was lose im oder auf dem Schiff herum lag, zusammentragen und durchsuchte es mit Beo dem Zimmermann sorgfältig nach allem, was in irgendeiner Weise noch zu gebrauchen war. Obwohl er stumm war, hatte er keine Schwierigkeiten, sich mit der Mannschaft zu verständigen. Er zeigte einfach mit seinen Riesenpranken auf das, was zu tun war und wer ihn nicht verstand oder nicht verstehen wollte, bereute das bitter!

Gegen Mittag erfüllten die Geräusche von Hammerschlägen und die reißenden Töne von Sägen die Luft. Gegen Abend sah unsere „Dröfn“, die wir nach einer der Töchter Ägirs benannt hatten, schon wieder ganz ordentlich aus. Die Sonne versank langsam und blutrot und färbte den Himmel und das Meer mit der gleichen intensiven Farbe.

„Rot wie Blut!", dachte ich und dahinter kam tiefblau, fast violett die Nacht mit all ihren funkelnden Sternen. Schließlich fiel die Sonne ganz über den Rand der Welt und es wurde bitterkalt. Schnaufend kam Tore zu mir ans Ruder und stellte unser Fass mit Trinkwasser vor mich hin. „Schlaf du zuerst“, zeigte er mir mit den Händen an. „Ich pass auf das Wasser auf!“

Ohne ein weiteres Wort nickte ich, sah kurz zu Ubba unserem Steuermann hinüber und wickelte mich in meine Felle. Ich war schon eingeschlafen, als mein Kopf noch dabei war, sich auf meinen angewinkelten Arm zu betten.

Der Hexer

Das Licht, das wie ein Hauch über Felder strich. Zärtliche Strahlenhände, die alles, was wuchs nach oben zogen. Vögel, die sangen und die Geschöpfe der Dunkelheit, die sich bei Tage, geblendet, ärgerlich in ihren Höhlen versteckten. Das alles hatte er über 500 Jahre lang nicht mehr gehört oder gesehen. 500 Jahre Nacht und 500 Jahre unbewusstes Dämmern in dieser kleinen Gruft in der versiegelten Urne, in die er eingesperrt war! Doch jetzt war er wach. Er, der zuvor in einem anderen Leben in einer anderen Zeit Ewigkeiten mit all den Dämonen und Schatten in Naströnd verbracht hatte, schlief nicht mehr! Ein Seebeben hatte die Insel erschüttert, in deren Tiefen sie ihn eingemauert hatten. Dabei war ein Teil der magischen Steine, die ihn in vollkommener Bewusstlosigkeit hielten, zerstört worden und die Betäubung wich langsam, aber stetig von ihm. Allerdings war er noch immer in dieser steinernen Urne gefangen und konnte sich nicht ohne fremde Hilfe befreien. Aber hinaus musste er! Die Seelen der Toten in Naströnd warteten schon zu lange auf ihn. Sie alle hatten ihm geholfen, Garm den Höllenhund zu täuschen, den Todesfluss über die goldene Brücke zu überqueren und die riesige Modgud mit Blindheit zu schlagen, damit er ins Reich der Lebenden zurückkehren konnte. Etwas, was bisher noch keinem gelungen war! Und jetzt erwarteten sie natürlich, dass er sie endlich aus ihrem Schattendasein befreite, wie er es ihnen damals versprochen hatte. Dazu musste er ein Heer aufstellte, um die Göttin Hel zu besiegen. Erst wenn das gelang, konnten sie alle ins Licht ins Leben zurückkehren. Das hatte er ihnen für ihre Hilfe zugesagt und ihnen als Pfand seine Seele überlassen. Vor 500 Jahren war es ihm fast gelungen! Damals sah es lange so aus, als ob er, den alle nur den „Hexer“ nannten, die Armeen der Menschen und Zauberer schlagen könnte, die sich ihm entgegengestellt hatten. Doch dann war er ungeduldig geworden und Ungeduld ist im Krieg fast immer tödlich! Statt seine Zermürbungstaktik fortzusetzen, wollte er alles mit einem großen, glorreichen Schlag beenden und das tat er schließlich auch. Allerdings verlief nichts so, wie er es geplant hatte. Der „Alte vom Berg“ hatte ihn überlistet und gefangen genommen. Ihn, der über ein Heer von Dämonen, Meuchelmördern, Untoten und 100.000 Soldaten der Königreiche gebot, wurde ausgerechnet von einem alten Magier vernichtet, gedemütigt, entleibt! Dieser alte Mann hatte ihm alle Kraft genommen und ihn weit, sehr weit unter die Erde verbannt, wo er den ewigen Schlaf schlafen sollte. Nun gut der "Alte vom Berg" war es nicht allein gewesen, viele unglückliche Umstände hatten bei seiner Niederlage eine Rolle gespielt, aber das Ergebnis blieb sich gleich. Die Magiers und Menschen und die Elfen, vor allem die hatten ihn vernichtet! Warum sie ihn nicht gänzlich ausgelöscht hatten, war ihm ein Rätsel geblieben, aber sie hatten ihn tief, sehr tief vergraben, damit er nie mehr ans Tageslicht zurückkam. Zu tief!

Das Beben hatte kleine Teile der Turmaline, die ihn bannten, beschädigt und so erwachte er! Vorerst zwar nur sein Geist eingesperrt in dieser massiven steinernen Urne, die obendrein auch noch magisch versiegelt war und aus der er sich aus eigener Kraft nicht befreien konnte, aber er war jetzt wieder in der Lage zu denken und Gedanken sind in diesem Universum die stärkste Kraft, die es gibt! Nichts in Midgard entsteht, ohne dass es vorher gedacht oder geträumt wurde. Alles entsprang dieser Welt der Ideen und luftigen, flüchtigen Bilder, der Träume und Albträume, der Wünsche, Begierden und Hoffnungen. Sie waren die Pforten, durch die das Gute wie auch das Böse in die reale Welt kamen! Also war er auch jetzt schon mächtig und gewaltig genug um die Welt so wie sie jetzt existierte, mit seinen Helfern auf dem Festland zu zerstören!

Ein denkender Geist war völlig ausreichend, um das Dunkel und das Unheil zurück in die Welt der Menschen zu bringen.

Und genau das tat er:

Zuerst rief er die Geister seiner vier Generäle zu sich, die er damals aufgelöst und über die ganze Welt verstreut hatte, sodass der „Abt" und „Der Alte vom Berg“ sie nicht finden konnten. Er zeigte ihnen den Ort, wo die Dämonenstäbe lagen, die es ihnen ermöglichten, zuerst Schatten zu werden, um dann etwas später wieder eine beinahe menschliche Gestalt anzunehmen. Er befahl ihnen, wie vor 500 Jahren erneut Königreiche und Heere auf seine Seite zu ziehen, die Dämonen aus ihren Sümpfen und Höhlen zu treiben und gleichzeitig befahl er ihnen, ihn aus diesem Gefäß und von dieser verfluchten Insel zu befreien. Und da fingen seine Schwierigkeiten an: Er konnte sich zwar selbst irgendwann aus dieser steinernen Vase herausholen, nachdem er nun erwacht war, aber von dieser Insel zu fliehen war etwas ganz anderes! Der "Alte vom Berg", der ihn entleibt hatte, wusste, was er tat. Niemand konnte dieses unwirtliche Eiland betreten, geschweige denn es verlassen! Nur Magiers der siebten Stufe waren in der Lage, mit ihren Luftgefährten hierher zu kommen, was sie alle 100 Jahre taten, um die Unversehrtheit seines Gefängnisses zu überprüfen. Allerdings waren die Magiers nicht so dumm, auf diesem unwirtlichen Eiland zu landen, denn sonst hätte er sie überwältigen und ihre Gestalt annehmen können. Sie konnten auch aus der Höhe herab beurteilen, ob alles in Ordnung war oder ob der Welt Gefahr drohte. Also musste er verhindern, dass sie der Insel zu nahekamen!

Gut, dass er Karin, den Halbgott des Windes, auf seine Seite hatte ziehen können. Der würde die Ballons aufs offene Meer hinaustreiben und alle Magie half den Zauberern nicht, gegen die Stürme dieses Halbgottes anzukommen. Natürlich würden seine Kontrolleure vermuten, dass etwas nicht stimmte, aber sie konnten es nicht sicher wissen und so konnte er vorerst zwar nicht von dieser Insel herunter, aber sie konnten genauso wenig auf sie herauf. Das würde ihm hoffentlich genügend Zeit verschaffen, um von hier zu verschwinden. Das hätte so einfach sein können, aber Ägir, der Gott des Meeres, weigerte sich seine Donnerfaust, mit der er die Felsen im steten Auf und Ab der Wogen zertrümmerte und zermalmte, auch nur einen Augenblick lang ruhen zu lassen. Brüllende Brecher, heimtückische Riffe und Seeungeheuer verhinderten, dass hier je ein Schiff gelandet wäre oder landen würde. „Ein Schritt nach dem anderen“, versuchte sich der Hexer zu beruhigen.

Noch steckte er in diesem unterirdischen Gefängnis in dieser Urne fest, aber nicht mehr lange und auch in der Zwischenzeit konnte ihn niemand daran hindern, seine Pläne zu verwirklichen!

Er befahl seinen vier Generälen, wie schon vor 500 Jahren, die Novizen der weißen Magie in der Loinschule, in der sie ausgebildet wurden, für das Dunkel zu gewinnen und Macht, Geld und Sex schienen dafür genügend starke Verbündete zu sein, aber seine Gehilfen scheiterten. Die Schule wurde seit einiger Zeit von Bera bewacht, dem mächtigsten dunklen Wesen, das der Hexer kannte und vor dem sich alle Kreaturen, egal ob hell oder dunkel fürchteten. Auch seine Generäle hatten sich nicht in ihre Nähe gewagt. Das war sehr bedauerlich, denn er hatte gehofft, dass er durch einen der Novizen an ein Luftschiff gelangen konnte. Außerdem hätte ein Aufstand, wie damals, die Zauberer in ihrer Schule gewaltig geschwächt. Auch das war erst einmal fehlgeschlagen!

Verzweiflung packte ihn, wenn er daran dachte. Er musste von dieser verfluchten Insel herunter! Er musste einen erfahrenen Seemann zu finden, der das schier Unmögliche - die Landung an diesen Gestaden - schaffte und ihn aus der Verbannung holte. Dann endlich konnte das Schicksal seinen Lauf nehmen und er würde die Welt beherrschen und alle Kreaturen aus Helheim befreien, so wie er es den Dämonen und den Toten dort versprochen hatte!

Land

Kaum war ich im Land der Träume, da wurde ich auch schon wieder wachgerüttelt. Jedenfalls kam es mir so vor. Als mir aber die prickelnd nasse Kälte in die Nase stieg und es hell war, noch bevor ich die Augen richtig öffnete, wusste ich, dass mich Tore die ganze Nacht über hatte schlafen lassen.

„Das wäre nicht nötig gewesen", sagte ich und sah zu dem blonden, muskelbepackten, stummen Riesen hinüber, der mein Unterführer und mein Freund war. Tore zuckte mit den Schultern.

Ich kann mich nur an wenige Augenblicke in all unseren gemeinsamen Jahren erinnern, in denen er kein Kettenhemd angehabt hätte. Und auch jetzt saß er voll gerüstet auf einem Haufen Felle und starrte über den Bug nach vorne.

„Was ist?“, fragten seine Hände mich, nachdem er meinen Blick bemerkte hatte.

„Ist dir das nicht zu schwer?“

„Was?“ fragten seine Augen und seine Schulter.

„Das Kettenhemd!“, sagte ich.

„Land“, bedeutete er mir achselzuckend und zeigte mit der Kinnspitze nach rechts.

Erst jetzt fiel mir auf, dass wir und auch drüben Finelson den Mast umgelegt hatten, wohl um nicht frühzeitig entdeckt zu werden. Die Ruder waren eingezogen und wir dümpelten in einer leichten Strömung dahin. Die Männer standen oder saßen in Gruppen herum, überprüften ihre Waffen, aßen oder tranken eine Kleinigkeit und unterhielten sich leise. Ich stand auf und kniff die Augen zusammen. Es waren schroff hochaufragende Felsen, die im Licht der aufgehenden Sonne sehr klein, aber immer deutlicher hervortraten.

„Das sieht nach Northumbria aus", sagte ich zu Tore, der neben mich getreten war.

„Das kannst du nicht wissen“, zeigte er mir an.

Das stimmte. Wir waren noch nie in den Südlanden gewesen, also konnten diese Felsen ebenso gut Südlandfelsen sein, auch wenn sie denen aus Northumbria verblüffend ähnlich sahen.

„Stimmt“, nickte ich.

Der hagere Bjornstadt und Benglar Thorwaldson, der nur aus Bart zu bestehen schien und die Bogenschützen befehligte, stellten sich neben uns.

„Türme?“ Ich zeigte auf zwei schmale Striche, die links und rechts über einer Ausbuchtung standen. Benglar, der die besten Augen von uns allen hatte, nickte. „Geschosstürme“, erklärte er dann. „Und dahinter liegt vermutlich ein Hafen!"

„Also gibt es da auch eine Stadt?“, fragte Tore.

Ich übersetzte seine Gebärden für ihn.

Benglar nickte.

„Die holen wir uns!“, erklärte Bjornstadt. Wie immer, wenn es um Raub und Plünderung ging, verflog seine schlechte Laune auf einen Schlag und die ansonsten fahle, blasse Haut des Schwertkämpfers bekam so etwas wie eine gesunde Farbe.

„Ho Karl Gustavsson!“ rief da Finelson von seinem Seeadler herüber. „Reiche Beute!“

„Sieht ganz danach aus Gunnar!“, rief ich zurück. „Außerdem Essen und Trinkwasser!“

„Ich würde sagen, du landest links, arbeitest dich an den Turm heran und setzt ihn außer Gefecht! Ich mache das Gleiche rechts und dann treffen wir uns morgen Mittag in der Mitte!“,

schlug Finelson vor. Noch immer vermied er es mir Befehle zu geben, was sehr klug von ihm war.

„Wir rudern am besten, bis wir außer Sichtweite sind. In der Nacht landen wir und greifen im Morgengrauen die Türme an!“ bestätigte ich.

„Und dann die Stadt!“, rief Finelson herüber.

„Falls da eine Stadt ist“, gab ich zurück.

„Es gibt eine Stadt! Das kannst du mir glauben!"

Wir hatten noch den ganzen Tag vor uns und Tore verteilte den restlichen Fisch und je einen Becher frischen Wassers an unsere Krieger. Während sich die eine Hälfte der Männer an die Ruder setzten und uns ins offene Meer hinausbrachten, machten sich Beo der Zimmermann und Tore mit dem Rest wieder daran, das Schiff weiter auszubessern. Später überprüften wir dann noch einmal unsere Ausrüstung, schärften Schwerter, Äxte, Lanzen und Pfeilspitzen und legten uns dann unter die große Plane, die wir Mitschiffs aufgezogen hatten, um noch ein wenig zu schlafen.

Die Dämonen des Generals

General Tarnow hörte halb im Schlaf, wie der Trompeter zum Morgenappell blies. Mit geschlossenen Augen lauschte er den festen Tritten der Soldaten, versuchte zu erkennen, welcher seiner Offiziere die kurzen, knappen Kommandos gab und griff auf seine rechte Seite auf der Consulata, die kleine, glutäugige Schönheit von gestern Abend lag. Sie war nicht da! General Tarnow seufzte. Er versuchte sich an die Einzelheiten der letzten Nacht zu erinnern und hielt die Augen geschlossen.

Wenn er sie aufmachte, würden selbst diese unzusammenhängenden Bilder verblassen, die jetzt durch seinen Kopf geisterten und dann war alles vorbei, als hätte es nie stattgefunden. So war das immer, wenn er zu viel trank und er hatte die letzten Jahre nichts anderes mehr getan. Gott hätte ihm seine Frau nicht nehmen sollen, jedenfalls nicht auf diese Art! Er hatte viele Menschen verloren und in einer Schlacht konnten das schon einmal ein paar Tausend sein und manche hatten Glück und die, welche Glück hatten, sahen meist irgendwie erstaunt aus, weil sie den Tod nicht hatten kommen sehen. Der Gesichtsausdruck seiner Frau war nicht erstaunt gewesen und der Tod hatte sich verdammt viel Zeit gelassen. Seither trank er und hörte damit nur noch einmal auf, als er die Möglichkeit bekam, Kommandant der Südlandtruppen und damit nach dem König der zweitmächtigste Mann des Reiches zu werden. Aber dann hatte er die Wahl verloren und etwas in seinem Innern war endgültig zerbrochen.

Was war nur los gewesen letzte Nacht? Sie waren im „Stör“ gewesen, daran erinnerte er sich und dass da plötzlich ein gut riechendes, junges Ding auf seinem Schoß gesessen hatte und dass ihre Augen wie glühende Kohlen waren, die zwei Riesenlöcher in seinen undurchdringlichen Panzer von Schmerz, Alkohol und Selbstmitleid gebrannt hatten. In den anschließenden, verschwitzten, brennenden und hemmungslosen Stunden empfand er plötzlich wieder so etwas wie Freiheit und das Gefühl, zu den Sternen zu fliegen!

Ein gutes Gefühl, das er heute Morgen gerne noch einmal erlebt hätte, aber sie war weg! Der General ließ erneut alles in seinem Geist an sich vorüberziehen, nur um sicherzugehen, dass es nicht nur ein verdammter Traum gewesen war und er wälzte sich zur Seite und er roch ihren Geruch und bildete sich ein, dass die Stelle neben ihm noch warm war. Aber dann roch er etwas anderes und das hatte nichts mit Begehren und Leidenschaft zu tun und er riss die Augen auf. Beinahe hätte er geschrien, aber das Entsetzen schnürte ihm die Kehle zu.

Vier riesenhaft schwarze Kerle standen am Fußende seines Bettes und starrten ihn an. Zumindest vermutete er das, denn dort, wo normalerweise Gesichter waren, blickten ihm die schwärzesten aller schwarzen Löcher entgegen, die er je gesehen hatte. Alle vier hielten sie silberne Stäbe in den Händen, um die sich giftgrüne, zischende Schlangen mit rubinroten Augen wanden, die nur darauf zu warten schienen, endlich losgelassen zu werden! Unfähig sich zu rühren, saß der General in einer erstarrten Welt ohne Zeit und Bewegung da. „Was ...“. Tarnow versuchte seine Stimme freizubekommen. "Was zur Hölle ist hier los?"

Er bekam keine Antwort. Stattdessen hob der Mittlere von ihnen die Hand und das Reptil fiel auf sein Lager und verschwand unter der Decke. Der General wollte aufspringen.

Nur weg von hier, nur weg, aber er wagte es nicht, sich zu rühren. Er fühlte, wie dieses Biest die Innenseite seiner Beine hinaufglitt und namenloses Entsetzen packte ihn. "Nehmt das weg!", krächze er und versuchte keinen Krampf in seinem verspannten Rücken zu bekommen. „Ruhig“, sagte sich der General, während er fühlte, wie das Biest über sein Gemächt nach oben kroch. Gleich würde es diesen ekelhaft grünen Kopf unter dem dicken Rand der Decke herausstrecken. Dann erwischte er es! Er fühlte, wie er ruhig zu werden begann. Der General war immer ruhig, wenn es sich in einer Schlacht befand. Vorher, ja vorher hatte er Angst, bis es anfing und dann hatte er keine mehr. Das hier war eine Art Schlacht und die Gedanken des Generals wurden ruhig und kühl. „Was wollt ihr von mir?“, fragte er die vier Gestalten. „Macht es kurz, denn ich werde euch töten!“

In dem Moment biss die Schlange zu. Der General fühlte einen brennenden Schmerz in seiner linken Hüfte, wo sie ihn erwischt hatte. Er schlug die Decke zurück, packte das Reptil hinter dem Kopf, brach ihm das Genick und schleuderte den noch zuckenden Körper in die Kapuzenhöhle des links von ihm sitzenden Burschen, wo er spurlos verschwand.

Gleichzeitig sprang er auf oder besser gesagt, er wollte aufspringen, aber er konnte es nicht mehr. Er spürte, wie sich das Gift mit jedem Herzschlag in ihm ausbreitete und er bereits in einen Dämmerzustand zu versinken begann. „So ist das also“, dachte er noch und dann sah er seinen Körper unter sich liegen und fühlte, wie etwas an ihm zog und zerrte. Es wurde hell und der General saß plötzlich auf einer grünen Wiese und eine schwarze Wolke, jedenfalls sah dieser Dämon wie eine Wolke aus, kroch auf ihn zu. Wäre das nicht gewesen, hätte er geschworen, dass hier das Paradies war, von dem diese Mönche immer wieder sprachen und es fühlte sich gut an. Er hörte Vögel singen das Summen von Bienen und der Wind strich sanft über die Gräser, zupfte weißen Samen von den Blüten und ließ sie über die Wiese segeln.

Wenn da nur nicht diese schwarze, ekelhaft schmierige Wolke diese Kreatur gewesen wäre! Die kam weiter auf ihn zu und sie wallte und drehte sich, wie es Gewitterwolken am Himmel tun.

„Du gehörst jetzt mir!“, sagte das Gewölk, das immer wieder die hässliche Fratze einer Spukgestalt annahm und blieb auf der Höhe seines Gesichtes hängen. Der General nickte. Er wusste, dass dieses Gebilde die Wahrheit sprach. „Du wirst dem Befehlshaber eurer Bergfestung befehlen, die Siedlung der Lusitaner anzugreifen!“

Der General sah die Dunkelheit an. Er bezweifelte, dass Wolken etwas vom Krieg verstanden. „Die Stadt der Lusitaner kann nicht eingenommen werden!", erklärte er.

„Wenn nicht genug Männer da sind, um sie zu verteidigen, dann schon“, widersprach die Kreatur, die immer mehr so etwas wie ein Gesicht bekam.

„Aber es sind immer mindestens 2.000 Mann auf den Mauern und die können problemlos eine fünf- bis zehnmal so große Armee abwehren!“

„Das stimmt“, sagte die Wolke. "Deshalb sorgen wir dafür, dass es höchstens hundert Krieger sein werden, die sich euch entgegenstellen.“

„Hundert Krieger“, überlegte der General. „Gegen hundert war das zu schaffen! Und wie …“ „Das kannst du mir überlassen General. Von heute an gerechnet, in einem Jahr, müssen deine Männer im Tal sein und die Mauern stürmen. Du hast also genug Zeit, um alles vorzubereiten.“

„Und warum sollte ich das tun?“

Die Gestalt zerfloss und lachte und der General spürte, dass dieses Lachen schlimmer war als alles, was er bisher gehört hatte und er hatte schon viele schlimme Dinge in seinem Leben gehört.

„Weil du leben willst?", schlug die Wolke als Antwort vor. „Und weil ich dich zum mächtigsten Mann der Südlande machen kann und weil ein Krieg gegen die Lusitaner schlussendlich zu Maltes Sturz führen und dir damit den Weg zur Herrschaft über die Südlande ebnet!“

Die Gedanken des Generals rasten. Der mächtigste Mann der Südlande war Henry III. und dann der Kommandant, der noch mächtiger war als der König. Henry der III. kümmerte sich nämlich um rein gar nichts, solange man ihn in seinem Schloss mit seinen Mätressen und seinen Gelagen in Ruhe ließ. Der Kommandant Gorton Malte hingegen kümmerte sich um alles, aber der war unangreifbar!

Das schwarze Gebilde in der Höhe seines Gesichtes sagte nichts und schien geduldig darauf zu warten, dass er mit seinen Überlegungen zu einem Ende kam.

„Malte hat drei Armeen. Er ist ein gewiefter Taktiker und es ist unmöglich, ihn zu besiegen!“, sagte der General schließlich.

„Nicht, wenn du die Lusitanerfestung eroberst! ", erklärte das Gespenst.

"Ich sehe nicht, was das für Vorteile haben sollte", erklärte Tarnow.

Die Wolke schien Schwierigkeiten zu haben, nicht die Geduld zu verlieren und zeigte dem General mit einem gewaltigen Brennen in der Hüfte, was sie von seinen Einwänden hielt.

"Hör auf!", stöhnte der General. "Ich tue alles, was du willst, nur mach, dass es aufhört!"

Der Schmerz verebbte.

„Die Lusitaner werden sich euren Angriff nicht gefallen lassen und Krejk anschließend vernichten, dafür sorge ich … ", fuhr der nunmehr schmierige, schwarze Nebel fort.

„Das sind 5.000 meiner Männer!", protestierte der General.

„Dann bin ich noch schwächer als vorher!"

„5.000 Mann, die dir der Kommandant ersetzen muss, damit dir wieder eine komplette Armee zur Verfügung steht!" Der schwarze Rauch der sich in einen düsteren Nebel zu verwandeln begann, machte eine Pause. „Die Lusitaner werden in eure Ländereien einfallen, um sich zu rächen“, fuhr sie dann fort. „Damit muss der Kommandant noch einmal eine Armee losschicken, um sie zu vertreiben …“.

Endlich begriff der General: Drei Maltearmeen minus einer halben ergaben nur noch zweieinhalb Maltearmeen. Minus einer weiteren Armee waren eineinhalb! Das hieß, dass der Kommandant dann nur noch über die Hälfte seiner Streitkräfte verfügte. Damit war er durchaus angreifbar! „Ich bin dann immer noch in der Unterzahl“, erklärte er dem Gewölk, das noch immer in der Nähe seines Kopfes wallte. "Und Malte wird dafür sorgen, dass die Offiziere seiner Ersatztruppen, die er mir übergibt, auf seiner Seite stehen!"

„Soldaten kämpfen für Gold", erklärte der Geist. „Und, ich sorge dafür, dass du genügend davon hast. Die Offiziere werden ein wenig mehr kosten, aber bis die begriffen haben, dass du den Kommandanten angreifen willst, sind sie längst von dir abhängig! Und dann suchst du dir noch einen Verbündeten", sagte der Dämon, der als Gewölk, in der Zwischenzeit die ganze Wiese hinter Tarnow bedeckte.

„Ja, das scheint rein rechnerisch eine Lösung zu sein", gab der General nach. "Aber wenn ich den Falschen frage, hängen sie mich auf!"

„Das tun sie“ gab ihm die Wolke recht, die ihn jetzt, nachdem sie die Wiese vor ihm verschluckt hatte, einzuhüllen begann.

Es wurde dunkel und Tarnow fürchtete sich. Das Paradies war kein Paradies mehr und es roch nicht mehr nach Sommer und kein Vogel sang und keine Biene summte. Es wurde kalt.

„Frag General Carlson“, kam es aus dem schwarzen Dunst.

„Verspricht ihm eine von Rastows Inseln und er ist auf deiner Seite!"

„Aber ich bin doch tot!“, sagte Tarnow, der sich daran erinnerte, dass ihn die Schlange gebissen hatte.

„Nur, wenn ich es will“, sagte das Gewölk. „Willst du leben?“

„Ja.“

„Willst du der mächtigste Mann der Südlande werden?“

„Ja!“

„Dann tue, was ich dir sage!“

Tarnow spürte, wie er den Boden unter den Füssen verlor. Er sauste nach unten und schlug die Augen auf. Da war niemand mehr. Neben ihm lag Consulata und der General begann gerade an einen bösen Traum zu glauben, als er den brennenden Schmerz in seiner Hüfte spürte!

Hindernisse

Als es langsam dunkel wurde, ruderten wir unseren Drachen außerhalb der Sichtweite der Türme in eine kleine geschützte Bucht, die Ubba unser Steuermann gefunden hatte. Wir manövrierten unser Langschiff bis fast an die felsige Küste heran, sprangen die Reling herunter und wateten an den Strand. Es war kein Problem, den sanft ansteigenden Hügel im fahlen Mondlicht hinaufzuklettern. Grillen zirpten und irgendwo quakte ein Frosch. Die Landschaft hatte all ihre Farben verloren und die Nacht war ein schwarzes, samtenes Tuch, das uns einhüllte. Wir machten uns auf den Weg in Richtung des Turms, um die Lage auszukundschaften, als Benglar, der die besten Augen von uns hatte, irgendwann die Hand hob. „Stopp!“ rief er und wir standen still.

„Was ist?“

„Eine Schlucht oder eine Felsspalte“, sagte der Anführer der Bogenschützen halblaut. „Direkt vor uns.“

Da sich gerade einige Wolken vor den Mond zu schieben begannen, konnte ich in der Dunkelheit nichts erkennen. Also ging ich auf die Knie und tastete mich vorwärts. Plötzlich griff ich ins Leere. Der Schweiß brach mir aus. Ohne Benglar wären wir vermutlich in diesen Abgrund gefallen! Ich nahm einen Stein vom Boden auf und warf ihn in die gähnende Schwärze. Wir hielten den Atem an und lauschten. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir einen Aufprall hörten.

"Das hätte keiner von uns überlebt. Du hast Augen wie eine Eule", sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter.

Mein Unterführer brummte etwas, das sich wie "blind und Maulwürfe" anhörte in seinen Bart.

„Wir versuchen es außen herum“, schlug ich vor. "Du gehst vor Benglar!"

Und wir liefen alle im Gänsemarsch hinter dem Bogenschützen her, der uns vorsichtig führte.

„Da kommen wir nicht weiter!“, sagte Bjornstadt nach einer ganzen Weile ärgerlich. "Das ist doch völlig sinnlos. Dieser Graben scheint die gesamte Insel zu durchziehen und wir sind natürlich genau auf der falschen Seite gelandet!"

Ich wusste, wem er dafür die Schuld gab, aber ich hatte keine Lust, etwas darauf zu erwidern.

"Wir kehren um", sagte ich und das taten wir dann auch.

Es war nach Mitternacht, als wir schließlich das Drachenboot und unsere Männer wieder erreichten.

"Und?", fragte Ubba. "Können wir los?"

Ich schüttelte den Kopf, war mir aber nicht sicher, ob der Steuermann das in der Dunkelheit überhaupt sehen konnte.

"Nein", sagte ich deshalb. "Eine Felsspalte zieht sich quer über die ganze Insel …".

"Und er ist natürlich genau auf der falschen Seite dieses Abgrundes gelandet!", schimpfte Bjornstadt.

"Irgendwo anders konnten wir nicht anlegen", sagte Ubba.

"Und nachts schon gar nicht! Wir würden auf das nächstbeste Riff auflaufen und absaufen", ergänze er.

„Und es ist zu steil, um es an einer anderen Stelle zu versuchen und unten zerschmettern uns die Wellen!“, sagte ein anderer meiner Männer.

„Stimmt“, nickte ich. „Trotzdem müssen wir eine Möglichkeit finden, am Strand entlang den Graben zu umgehen“, sagte ich. „Weiter vorne können wir dann die Klippen hochzusteigen.“

„Mit der „Dröfn“ kommen wir da nicht hin?“, fragte Bjornstadt, dem die Aussicht, auf dem schmalen Küstenstreifen zu versuchen, den mächtigen Brechern zu entkommen, nicht besonders behagte.

„Nein!“, erklärte Ubba bestimmt.

„Das überlebt keiner von uns!“ Bjornstadt sah mich ungläubig an.

„Hast du einen anderen Vorschlag?“, gab ich ärgerlich zurück.

„Wir haben kein Wasser mehr und kein Essen. Das halten wir vielleicht noch einen, allerhöchstens zwei Tage aus, dann sind wir erledigt!“

Der Schwertkämpfer schüttelte den Kopf. „Trotzdem“ sagte er und natürlich hatte er recht! Wir wussten es alle: Es gab unten an den Felsen nur einen ganz schmalen, von Riffen durchzogenen Streifen, der ständig von schweren Brechern überflutet wurde. Wenn wir dort zu Fuß entlang gingen, riskierten wir, außer zu erfrieren, auch noch von einer Woge erfasst und gegen die Klippen geschleudert zu werden oder das Meer zog uns einfach mit sich hinaus, wenn es wieder zurückströmte. Normalerweise hätte ich die Sache abgeblasen, aber die Umstände waren alles andere als normal! Wir brauchten dringend etwas zu essen und zu trinken, sonst würden wir nicht überleben!

Naturgewalten

Wir brauchten viel zu lange und unsere Glieder wurden steif und mein Lederwams und der Schild auf meinem Rücken schienen sich in Steine zu verwandeln. Die Sonne im Osten tauchte die Klippen in ein kaltes Dämmerlicht und malte eine Straße auf die unruhige See. Trotz der Kälte, der Nässe und der glitschigen Felsen, über die wir steigen mussten, hatten wir bisher Glück gehabt, da wir uns zumeist noch in der Bucht bewegten, die von der Wucht der herandonnernden und gischtenden Wellen relativ geschützt war. Jetzt mussten wir diesem Bereich jedoch verlassen und uns der zermalmenden und saugenden Gewalt der Brecher aussetzen, die seit Jahrtausenden Stück für Stück dieser Küste zu feinem Sand zerrieben und ins Meer trugen.

"Wir hätten längst da sein müssen!", bedeutete mir Tore und selbst er klapperte dabei mit den Zähnen.

Ich nickte.

„Was ist, wenn Finelson ohne uns anfängt?“, kam die zitterige Stimme von Thorwaldson von hinten.

Wir sind Wikinger, wir sind die Kälte gewöhnt. Aber die Zeit im hüft-, manchmal schulterhohen, eisigen Wasser forderten ihren Tribut.

„Das wird er nicht!“, beruhigte ich meinen Unterführer.

„Weiter!“ Wir verließen den Schutz des Kessels und rannten los, als das Wasser zurückflutete und das Meer Luft holte. Die Beine schmerzten und Muskeln und Sehnen protestierten, aber sie funktionierten! Wir waren zu zehnt losgerannt und zehn von uns kamen auch hinter der mächtigen Felsformation an, die wie scharfe Zähne aus dem Sand ragten. Dann spie Ägir die nächste Welle an die Küste und die Klippe erzitterte und wir waren mitten im Wasser, das uns keine Luft mehr zum Atmen ließ und an uns zerrte und zog, als es wieder zurückfloss.

„Weiter!“, schrie ich und wir rannten wieder los und wieder.

Zeit und Raum verloren an Bedeutung. Die Welt bestand nur noch aus einem wütend brüllenden und donnernden Meer, aus eisigem Wasser, das salzig in alle Körperöffnungen drang und welches gerade einmal so viel nachgab, dass wir immer wieder Luft holen und losrennen konnten. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis wir endlich völlig erschöpft und ausgelaugt und halb erfroren in der kleinen Bucht unterhalb des Turmes ankamen, der mehrere hundert Meter über uns auf den Steilklippen stand.

„Aufstehen!“ schrie ich meine mit leeren Blicken auf dem Rücken liegenden, prustenden und keuchenden Männer an.

„Bewegt euch ihr verdammten Drecksäcke oder wollt ihr alle draufgehen?“

Ich trat ihnen in die Seite oder in den Rücken und Tore unterstütze mich kräftig dabei.

Schimpfend und ächzend erhoben sie sich und begannen auf und abzustampfen und versuchten sich gegenseitig warm zu reiben.

„Gut so!“ zeigte mir Tore mit erhobenem Daumen an. Selbst er wirkte erschöpft und mitgenommen.

Jetzt kam der schwere Teil. Ich sah nach oben bis zum weit über uns aufragenden Klippenrand. Irgendeiner von uns musste da hinauf und die mitgebrachten Seile oben befestigen. Wenn wir das nicht taten, stürzte mindestens die Hälfte der Männer in die Tiefe, so tückisch, unglaublich schroff und rutschig war dieses scharfkantige Gestein!

Wenn du ein Jarl bist, kannst du solche Aufgaben immer an jemand anderen übertragen. Aber als Herse musst du ein Vorbild für die Männer sein und musst dieses verfluchte Seil selbst an irgendeinem verfluchten Stein festbinden, damit deine Krieger gefahrlos nach oben klettern können. Also war ich ein Vorbild und stieg in die Felsen. Ich tat so, als würde mir das Ganze nicht das Geringste ausmachen, während meine halb erfrorenen Finger an den eisig kalten, glitschigen Steinen Halt suchten. Immerhin kam die Sonne im Osten weiter über den Rand des Meeres und es wurde noch heller. Ich vermied es nach unten zu sehen, wo das Meer weiterhin mit regelmäßiger Wucht gewaltige Wellen donnernd an die Felsen warf und wo meine Männer hinter ein paar aus dem Wasser ragenden, scharfkantigen Klippen in Deckung gegangen waren. Dann gab es nur noch mich. Schmerzende, reißende Sehnen in meinen Handgelenken, Daumen die verkrampften und mir einen stechenden Schmerz bis in die Oberarme hineinjagten. Eisige Kälte, tückisches Moos oder was auch immer es sein mochte und meine Nase, die sich gegen kalten Stein presste, als wollte sie sich daran festsaugen. Ich hatte kein Gefühl mehr für die Zeit, ich glaube, ich verlor sogar irgendwann das Verständnis für das, was ich tat, aber ich tat es immer und immer wieder. Vorwärts, nur vorwärts. Und dann hatte ich es tatsächlich geschafft. Irgendwie war ich oben angekommen!

Zitternd, mit klappernden Zähnen, völlig erschöpft, suchte ich nach etwas, an dem ich die mitgebrachten Seile festmachen konnte. Ich entschied mich für einen steil aufragenden Felsvorsprung, der zumindest unten keine scharfen Kanten hatte, mit denen er die Taue hätte durchscheuern können. Ich sah auf das Meer hinaus, auf dem nun von der aufgehenden Sonne Glitzerfunken auf den Wellen tanzten. Unter mir meine Männer, die von hier oben aus nicht mehr als daumengroße Figuren waren.

Ich brauchte dreimal so lange wie normal, um die Knoten, die wir von Kindesbeinen an beigebracht bekommen hatten, in die Seile zu schlingen. Dann sah ich nach unten und winkte.

Nachdem ich die festgemachten Stricke abgelassen hatte, setzte ich mich auf einen kleinen Vorsprung noch unterhalb des Klippenrandes und versuchte wieder etwas zu Kräften zu kommen. Zuerst kamen Tore, dann Bjornstadt und dahinter gleich Thorwaldson. Es dauerte über eine Stunde, bis alle zehn Krieger oben waren. Ich ließ meinen Blick über die Wikinger gleiten und bezweifelte, dass mit ihnen noch etwas anzufangen war.

„Beute!“, schrie ich gegen das donnernde Gebrüll der Klippen an. „Frauen, Gold, Silber, Fressen und Saufen!“ Und so kriegte ich sie! Allmählich kam dieses gemeine, gierige Funkeln in ihre Augen, das ich immer wieder zu sehen bekam, wenn wir ein Kloster oder ein wehrloses Dorf überfielen.

Ich deutete über den Felsenrand auf eine Kuhle, zu der wir robben konnten, ohne dass die Gefahr bestand, gesehen zu werden. Dort warteten wir, bis alle da waren. Die Sonne stand jetzt etwa zwei Fingerbreit über dem Horizont und beleuchtete die Mauern des vor uns aufragenden Turmes.

„Bereit?“

Ich sah meine Männer an. Sie wirkten grimmig und entschlossen.

„Brecheisen?“

Beo der Zimmermann klopfte auf die Tasche, die er sich über die Schulter geworfen hatte. Tore, Bjornstadt, Beo und ich erhoben uns und rannten geduckt zur Eingangstür. Benglar Thorwaldson gab uns mit seinen Bogenschützen Rückendeckung. Der Zimmermann setzte die Eisen an und wir hebelten die Tür mit einem lauten Krach aus den Angeln.

Polternd fiel sie nach innen auf den Steinboden. Ich rannte die Wendeltreppe hinauf und erreichte einen kleinen Wachraum, der vier Holzpritschen und einen grob behauenen Tisch mit vier Stühlen enthielt. Vier Soldaten empfingen uns mit gezückten Waffen. Der Lärm der fallenden Tür hätte einen Bären aus seinem Winterschlaf gerissen! Dem Ersten, der sich mir in den Weg stellte, rammte ich das Schwert in die Brust und riss es mit einer leichten Drehung wieder heraus. Blut sprühte mit Luft vermischt aus der klaffenden Wunde. Noch während er stürzte, nahm ich mir den Nächsten vor, während Tore mit seiner mächtigen, zweischneidigen Axt den Dritten von oben bis unten fast zerteilte. Der letzte Überlebende war ein erfahrener Kämpe und wich meinem Schlag mit Leichtigkeit aus. Er machte ohne Pause eine Finte nach links und schlug rechts zu. Ich hatte gerade noch Zeit, meine Waffe nach oben zu reißen, um den Schlag zu parieren.

Währenddessen eilte Bjornstadt die Treppe nach oben zur Plattform und Tore folgte ihm. Jetzt kam alles darauf an, dass die Wachen oben auf der Plattform keinen Alarm schlugen und kein Signalfeuer anzünden konnten. Daher hatte ich die beiden Poison-Zwillinge an die Außenmauer geschickt, wo sie Haken zwischen die Steine treiben und sich dann nach oben emporarbeiten sollten. Ich selbst hatte aber jetzt ein ganz anderes Problem! Der alte Mann setzte mir gewaltig zu! Im Gegensatz zu mir hatte er den Morgen noch unter einer warmen Decke und nicht im eiskalten Wasser des Meeres verbracht. Er wirkte flink und beweglich, während ich mir wie ein steifer Holzklotz vorkam. Ich geriet immer mehr in die Defensive und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er mich hatte! Zu allem Überfluss spürte ich, wie meine Wadenmuskulatur zu verkrampfen begann! Da zischte etwas an meinem Ohr vorbei und der Soldat starrte erstaunt auf den Pfeil, der plötzlich aus seiner Stirn ragte, bevor er polternd nach hinten umfiel. Benglar senkte den Bogen, nickte mir kurz zu und eilte an mir vorbei die Treppe hinauf. Ich folgte ihm.

Wie erwartet war die Luke, die auf die Plattform führte, verschlossen. Jedenfalls war der wachhabende Offizier kein Dummkopf gewesen! Jetzt kam es darauf an, den oder die Soldaten über uns so zu beschäftigen, dass sie die beiden Poison-Zwillinge nicht bemerkten, die sich Stück für Stück an der Außenmauer nach oben quälten.

„Hol Beo!“ sagte ich zu Bjornstadt, während Tore mit dem Stil seiner schweren Axt immer wieder gegen die Falltür schlug.

Doch der Zimmermann kam schon von selbst mit seiner Tasche die Wendeltreppe herauf. Er packte die Brecheisen aus und es knirschte und knackte, als wir die Hebel ansetzten und uns mit aller Kraft dagegenstemmten. Die anderen Krieger kamen nach oben, während wir es gerade einmal schafften, eine Bohle der Luke leicht zu beschädigen. Aber darauf kam es nicht an! Wichtig war nur, dass die Burschen über uns sich genau auf diese Stelle konzentrierten. Ich sah in all die bärtigen, fiebrigen Gesichter um mich herum und es waren die Gesichter von Bauern oder von Fischern, deren Eltern ihnen kein Land und keine Fischgründe mehr geben konnten, weil sie schon unter den älteren Söhnen aufgeteilt waren. Also bauten sie Schiffe, fuhren zur See, trieben Handel oder versuchten durch Raub und Plünderungen reich zu werden.

Plötzlich wurde es hell über mir. Die Falltür schwang auf und Njal sah zu mir hinunter. „Was ist, wollt ihr ewig dort unten stehen bleiben?“, fragte er grinsend. Gleichzeitig roch ich verbranntes Holz und Rauch. Ich hastete die Leiter nach oben auf die Plattform, wo Talamin damit beschäftigt war, das Signalfeuer mit dem Umhang eines der drei toten Wachen zu ersticken.

„Nicht gut!“, sagte Benglar und er hatte recht. Zwar wehte hier oben eine steife Brise, die den Rauch mit Sicherheit sehr schnell verblasen hatte, aber vermutlich war er in der Stadt, die etwa einen Kilometer entfernt in der Ebene unter uns lag, trotzdem lange genug zu sehen gewesen. Die weiß getünchten Häuser, die massiv gebauten Hafenanlage mit den unzähligen Lagerhallen, den breit angelegten Straßen der Kirche, vor der ein großer gepflasterter Platz war, war so gut versteckt, dass man sie erst von hier oben aus sehen konnte.

Es war eine schöne, kleine Stadt und leider war es auch eine gut befestigte, schöne Stadt! Rings um all die Häuser verlief eine etwa zehn Meter hohe, sehr stabile Mauer, in die Geschossplattformen verbaut waren.

„Meinst du die haben was bemerkt?“, fragte Tore.

„Keine Ahnung“, antwortete ich. „Wir gehen jetzt dort den Hügel entlang, verstecken uns im Gebüsch und stürmen das Tor, sobald es sich öffnet!“

„Falls es sich öffnet!“

„Ja, falls es sich öffnet!“, bestätigte ich. Ich zeigte auf die breite Straße, die aus dem Landesinnern in die Stadt führte. „Du nimmst fünf Männer Bjornstadt und fängst außer Sichtweite der Wachen die Bauern und Händler ab, die sicher bald kommen werden! Und Bjornstadt, dann zieht ihr deren Kleider an, benutzt deren Fuhrwerke und fahrt vor das Tor. Wenn sie es öffnen, macht ihr die Wachen kalt und haltet es mit dem Karren offen. Wir kommen sofort nach!“

Der Schwertkämpfer nickte, suchte sich die Männer aus und zog los.

„Runter!“, sagte ich und wir stiegen vom Turm hinunter und machten uns auf den Weg, um den restlichen Wikingern in der „Dröfn“ zu signalisieren, dass sie jetzt hier anlegen konnten.

Etwa zwei Stunden später lag die gesamte Mannschaft im dichten Unterholz vor der Stadt.

Der Fall der Stadt

Ich halte nichts davon, die Einwohner einer Stadt abzuschlachten. Ganz einfach schon deshalb nicht, weil nur lebende Bewohner eine Stadt wieder aufbauen können und dann konnten wir wiederkommen und sie erneut ausplündern.

Ich sagte das meinen Männern noch einmal, als wir hinter dem Gebüsch in der Senke lagen und darauf warteten, dass die Torflügeln nach innen schwangen. Ich sagte ihnen auch, dass sie die Frauen und Kinder verschonen sollten, wenn wir erst einmal drinnen waren und dass es zuallererst um die Soldaten und dann erst um das Plündern ging und dass wir auch von den Männern ein paar brauchten, weil wir die fehlenden Ruderer ersetzen mussten, aber ich wusste, dass sie mir nicht mehr zuhörten. Ein Fieber hatte sie ergriffen und brachte ihr Blut zum Kochen und wenn sie erst einmal loslegten, konnte ich froh sein, wenn ihnen die Strapazen der letzten Tage so stark zugesetzt hatten, dass sie alle schnell müde wurden und das Töten, das Vergewaltigen und das Brandschatzen früher einstellten als sonst.

Ich sah Tore an, der neben mir im Gras lag und wusste, dass er an etwas ganz Ähnliches dachte.

Etwa eine Stunde später wurde zuerst ein Flügel des eisenbeschlagenen Stadttores und danach das andere geöffnet. Wenn wir jetzt losrannten, hatten sie es wieder zu, noch bevor wir dort waren.

„Verdammt, wo bleibt Bjornstadt?“ Benglar zauste sich seinen mächtigen Bart. „Der müsste längst hier sein!“

„Vielleicht hat er noch keinen Bauern erwischt“, sagte Beo, der Zimmermann.

"So langsam müssten aber die Händler und Kaufleute oder doch zumindest ein paar Reisende auftauchen!", meinte nun auch Njal, der Rote.

„Zuerst die Soldaten!“, mahnte ich noch einmal. „Zuerst werden die Soldaten ausgeschaltet. Sollte einer von euch vorher Beute machen, werde ich ihn eigenhändig umbringen!

Ist das klar?“ Ich sagte das schon zum zehnten Mal und die Wikinger nickten wieder wie zuvor auch. So unvernünftig sie normalerweise waren, es waren Krieger und sie wussten, worauf es bei einer Schlacht ankam! Jedenfalls hoffte ich das.

Endlich kam ein zweirädriger, schwerfälliger Ochsenkarren in Sicht, der mühselig die Straße entlangholperte. Die zwei Bauern, die den Ochsen an der Kandare hielten, stellten sich reichlich ungeschickt an. Sonst war weit und breit keine Menschenseele zu sehen.

Tore stieß mich mit dem Ellbogen an.

„Ich sehe es“, flüsterte ich nickend zurück.

Quälend langsam stapfte der Ochse an uns vorbei und der Fuhrmann sah sich so „unauffällig“ um, dass es jedem, der darauf achtete, merken musste.

Endlich hielt der Karren vor dem Tor.

Zwei Soldaten traten ins Freie. Einer unterhielt sich mit den Bauern und der andere umrundete den Wagen, wobei er mit der Pike in der Ladung herumstocherte. Das hätte er besser nicht getan, denn plötzlich sprangen aus dem Karren drei Männer heraus und stürzten sich auf die Wache, während die Ochsenführer den anderen Soldaten erledigten.

„Los!“ rief ich. Und wir rannten, ohne zu schreien los.

Normalerweise schreien und brüllen wir Nordmänner, was das Zeug hält, wenn wir uns in einen Kampf stürzen, aber dieses Mal taten wir das nicht, weil uns das ein paar zusätzliche Meter gab, ein paar Meter, die wir unbedingt brauchten, um nahe genug heranzukommen. Aber natürlich entdeckten sie uns doch und ein Horn wurde geblasen und die Tore verharrten einen Moment, um sich dann schwerfällig wieder in die andere Richtung in Bewegung zu setzen. Aber da hatten Bjornstadt und seine Männer den zweirädrigen Wagen schon zwischen die mächtigen Flügel gefahren, sodass sie sich nicht schließen konnten. Gleichzeitig klang Kampflärm zu uns und da wussten wir, dass wir uns beeilen mussten!

„Schneller!“

Jetzt rächte es sich für die Bewohner, dass die Stadträte fast jeder Stadt einfach geizig sind. Sie geben nie genügend Geld für die Verteidigung aus und so hatten sie auch dieses Mal einfach zu wenig Soldaten, um den Zugang zu halten!

Natürlich hatten wir auch schon Ansiedlungen überfallen, bei denen das anders war und da hatten wir uns die Köpfe an den Mauern eingerannt oder hatten beim Erstürmen viele Verluste, aber hier war das nicht so, hier schliefen diese Pfeffersäcke wohl alle auf ihren Reichtümern!

Wir waren drinnen, bevor die eisenbeschlagenen Flügel auch nur halb geschlossen waren. Ein paar von den Kerlen, die sich eben noch gegen das Tor gestemmt hatten, gaben jetzt auf, rissen ebenfalls ihre Schwerter heraus oder griffen zu ihren Piken, aber da waren nicht mehr als zehn von ihnen und wir schlachteten sie ab. Jetzt strömten wir in die Gassen und jetzt brüllten und schrien wir und vermutlich hörten wir deshalb das Lachen der Nornen nicht, die sich über unser vermeintliches Glück lustig machten!

Verbündete

„Das war nicht gerecht“, sagte General Tarnow und sah den Mann vor sich an, der ebenfalls ein General war. Sie saßen auf der Veranda des riesigen Weingutes, das Roman Carlsson hier gebaut hatte und auf dem einige der begehrtesten Tropfen der bekannten Welt wuchsen. Während Tarnow aus einem alten Soldatengeschlecht Paperras stammte und ihm nie etwas anderes in den Sinn gekommen wäre, als Soldat zu sein, war Carlssons ganze Leidenschaft die Landwirtschaft.

Carlsson war glücklich, wenn er mit seinen Arbeitern und seiner zahlreichen Nachkommenschaft in den Weinbergen herumlaufen, an den Rebstöcke herumschneiden, sie immer wieder aufs Neue kreuzen und dann im Spätsommer und Herbst abernten konnte. Dabei war er einer der fähigsten Heerführer, die Tarnow kannte, aber das war eine Fertigkeit, die Carlsson nicht im Geringsten interessierte. „Blut kann man nicht trinken“, hatte er einmal gesagt, nachdem er gerade einen ihm dreifach überlegenen Gegner geschlagen hatte. „Ich hoffe das wir hier fertig sind“, fügte er dann noch mit einem Blick auf das Schlachtfeld hinzu. „Damit ich etwas Sinnvolles tun kann und nicht weiter meine Zeit vergeuden muss!“

Carlsson schüttelte betrübt seinen breiten Bauernschädel und schaute unwillkürlich in die Richtung, in der eine der beiden Rastowinseln lag. Wenn man in den dritten Stock seines riesigen Wohngebäudes ging, konnte man das benachbarte Eiland sehen und Carlsson hatte zu Beginn seiner Regentschaft sehr oft hinübergeschaut. „Nein“, sagte er und sah Tarnow an. „Das war nicht gerecht. Getreide“, Carlsons seufzte. „Der baut dort drüben Getreide an und hat die beste Lage für guten, was sage ich hervorragenden Wein, die man sich vorstellen kann!"

„Eine Verschwendung von gutem Boden!" legte Tarnow nach.

„Die Insel hätte dir gehören sollen!“

„Und ob“, bestätigte der breitschultrige bereits etwas vom Wein gezeichnete Carlsson. „Der wohnt ja nicht einmal dort, der kommt lediglich ein bis zweimal im Jahr her, um nach dem Rechten zu schauen und die Steuern abzuholen! Trotzdem“, der General, der viel lieber ein Bauer gewesen wäre, schaute auf. „Das, was du vorschlägst, ist Hochverrat!“

Tarnow spürte, wie dieses Wort in seinen Eingeweiden zu wühlen begann. Gleichzeitig brannten aber auch die stecknadelkopfgroßen Schlangenbisse in seiner Hüfte. Er wusste, dass er keine Wahl hatte und dass ihn das Gift endgültig erledigen würde, falls er nicht alles tat, was die Wolke von ihm verlangte. Tarnow trank noch einen Schluck des hervorragenden Weines. Selbst in den guten Tavernen der Großstadt konnte man den nicht bekommen oder man bezahlte ein Vermögen dafür. Sie saßen auf der Veranda dieses riesigen Haupthauses und hatten von hier aus einen herrlichen Blick auf das Meer. Hier ließ es sich aushalten, musste Tarnow zugeben. Dazu noch einen Krug dieses Weines … „Das mag schon sein“, sagte der General nach einer kleinen Weile. „Aber ohne Hochverrat behält Rastow zwei Inseln und du wirst keine neuen Sorten züchten können.“

„Jedenfalls nicht in der Menge, wie ich es gerne täte“, seufzte Carlsson.

„Bist du dabei?“

Der General, der lieber ein Bauer sein wollte, nickte nachdenklich. „Ich könnte übersetzen und seine Armee in alle Winde zerstreuen, das wäre kein Problem!“, schlug er vor.

„Ich weiß, dass du das könntest“, sagte Tarnow und das wusste er wirklich! Dieser verdammte Säufer war tatsächlich dazu in der Lage, obwohl – jetzt grinste Tarnow still in sich hinein, – was das Saufen anging, stand er Carlsson seit dem Tode von Roweina in nichts nach. Zwei Trinker würden also den großen Gorton Malte vernichten und die Südlande beherrschen!

„Wir müssen da schon etwas vorsichtiger sein“, sagte Tarnow.

Zufrieden sah er, wie Carlsson ihm nachschenkte. Heute würde keiner von ihnen nüchtern bleiben und morgen würde er zurücksegeln, um Altan Krejk in der Bergfestung am Gorlock-Pass in die Mangel zu nehmen.

Plünderung

Ich erinnerte mich an den Untergang von Herse Afelsons Boot.

Das war vor ein paar Jahren gewesen. Wir waren in einem Verband von sechs Schiffen an der Küste einer Insel entlang gesegelt und hatte nach Klöstern oder kleineren Dörfern Ausschau gehalten, als sein Drache auf ein Riff auflief. Wie von einer Riesenfaust getroffen, stoppte er in voller Fahrt, bäumte sich mit hässlichem Knirschen wie ein Kampfhengst auf und versank über den Bug so schnell, wie ich noch nie zuvor ein Schiff hatte versinken sehen. Plötzlich war das Wasser voll von Planken, Fässern, schreienden Männern und Treibgut gewesen und dann waren sie da: Wie aus dem Nichts brachen die dreieckigen Flossen durch die Wasseroberfläche und steuerten auf die im Atlantik schwimmenden Männer zu.

Wenig später war das Meer rot, aufgepeitscht von sich rasend schnell bewegenden Leibern. Die Haie verfielen in einen Blutrausch und verbissen sich dabei sogar in Holz und Teile der Ruder oder Masten. An diese Szene dachte ich, als meine Krieger in die Stadt fluteten. Innerhalb kürzester Zeit erfüllten Schmerzens- und Todesschreie das Geläut von Kirchenglocken und der Geruch von Blut und Verderben die Luft. Wikinger, die Männer auf die Straße zerrten und sie erschlugen. Gruppen von Nordmännern, die vergewaltigend und plündernd durch die Stadt zogen. Grölende Triumphschreie, wenn sie Silber, Gold, Met oder Wein fanden und sich die Taschen vollstopften oder sich sinnlos betranken.

Immerhin hatten sich alle bis auf Rune Mendelsson so lange zurückgehalten, bis wir auch den letzten Soldaten in der kleinen Garnison getötet hatten. Dazu hatte beigetragen, dass Tore den davonlaufenden Rune Mendelsson, der gegen meinen Befehl sofort plündern wollte, an den Haaren packte und ihm, nachdem er ihm das Schwert aus der Hand geschlagen hatte, ohne viel Federlesens die Kehle durchschnitt. Keine Beute, kein Schwert, kein Walhalla. Das genügte, um dem Rest meiner Krieger noch einmal klarzumachen, was wir von ihnen erwarteten! Ich ließ sie so lange wüten, bis die Sonne tief am Himmel stand. Längst hatte ich den Feuerschein weiter hinten im Westen bemerkt und wusste, dass Gunnars Männern dort die Stadt verwüsteten und dass er es nicht geschafft hatte, den Wachturm zu erobern. Die Rauchsignale der dort eingeschlossenen Soldaten waren meilenweit zu sehen. Trotzdem war Finelson irgendwie in die Stadt gekommen! Ich befahl Roland, dem Trompeter zum Sammeln zu blasen. Es dauerte eine Weile, aber dann kamen sie aus allen Ecken und Winkeln auf den Marktplatz getrottet. Manche von ihnen hatten große Säcke auf dem Rücken, aus denen ab und zu ein silbernes Gefäß oder irgendein anderer Gegenstand herausfiel. Die Poison Zwillinge hatten mit ein paar anderen auf Geheiß Tores drei Ochsenkarren organisiert, die bis oben hin mit Fässern und Lebensmitteln beladen waren. Ich sah Tore an und der nickte.

Wieder einmal bewunderte ich die Umsicht, mit der mein Unterführer selbst ein solches Chaos noch organisierte.

„Haben wir alles?“, fragte ich ihn.

Er sah sich noch einmal um und nickte. „Ein paar fehlen noch“, signalisierte er.

„Wir verschwinden trotzdem“, erklärte ich und sah, wie Gunnar Finelson und sein Navigator aus einer Gasse auf den Marktplatz gelaufen kamen. Er sah auf meine abziehenden Männer und dann auf mich.

„Ho Karl Gustavsson!“, rief er mir entgegen. „Wozu diese Eile?“

„Es reicht“, antwortete ich. „Wir haben genug! Außerdem lockt der Qualm dort oben sicher bald eine halbe Armee an!“ Ich deutete auf den Wachturm mit seinem Signalfeuer.

Der breitschultrige, schwarzbärtige Finelson musterte mich ruhig. Sein nackter Oberkörper war mit Blut bespritzt und dreien seiner Unterführer sah ich an, dass sie am liebsten weggelaufen wären und weiter geplündert hätten, statt hier zu stehen und zu reden.

„Es gibt hier noch viel mehr!“, sagte Finelson und machte eine weit ausholende Geste und er schwankte ein wenig dabei. Er war nicht sehr betrunken, aber seine Augen waren schon ein wenig trübe und seine Bewegungen nicht mehr ganz sicher.

„Ich weiß“, sagte ich.

„Also, wozu die Eile?“, fragte Finelson.

„Wir haben genug!“, erklärte ich geduldig. „Außerdem die Signale", erinnerte ich ihn noch einmal.

„Es ist nie genug!“, sagte Finelson.

„Das ist es nicht“, bestätigte ich.

„Wozu…“ „Hör zu Gunnar“, unterbrach ich ihn. „Rein und raus, so schnell es geht. So mach ich das und jetzt verschwinden wir!“