Die Antariksa-Saga II - Sturm über Manchin - Alexander Merow - E-Book

Die Antariksa-Saga II - Sturm über Manchin E-Book

Alexander Merow

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Beschreibung

Nachdem Grimzhag das Land der Khuzbaath erobert hat, macht er sich daran, sein eigenes Reich aufzubauen. Als der Orkkönig eine wichtige Handelsstraße sperren lässt, ruft das Zaydan Shargut und die anderen Kaufleute auf den Plan. Der einflussreiche Händler unternimmt im Gegenzug alles, um Grimzhag zu Fall zu bringen. Bald ist selbst der Himmelskaiser von Manchin in einem Netzwerk aus Intrigen gefangen und die Zeichen stehen auf Krieg...

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Alexander Merow

DIE ANTARIKSA-SAGA II

Sturm über Manchin

Roman

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

»Nachdem ich mich einen Monat in der Hafenstadt Ki-Chong an der Ostküste Manchins aufgehalten hatte, setzte ich mit dem Schiff über zur Halbinsel Hangko und reiste weiter bis nach Seruon, der Hauptstadt des Königreiches. In Seruon verweilte ich einige Wochen und arbeitete dort mit König Kim-Wango VII. im Auftrag des Himmelskaisers an einem neuen Handelsvertrag mit dem Imperium von Manchin. Die Verhandlungen waren zunächst zäh, doch letztendlich gelang es mir, den König des Hangko-Reiches dazu zu bewegen, sein Land wieder für manchinische Waren zu öffnen.

Anschließend, so lautete mein Auftrag als Beamter des Himmelskaisers, reiste ich weiter nach Kin-Weig, der Händlerstadt, die an der Grenze zu den unwirtlichen Steppengebieten jenseits der Großen Mauer liegt. Auch dort mussten einige alte Verträge, die das Imperium von Manchin mit den Kaufleuten geschlossen hatte, überarbeitet oder erneuert werden.

Wie ich bereits erwähnte, liegt die Stadt Kin-Weig an der Grenze zu den endlosen Steppen, die sich weiter nördlich bis an das Ende der Welt zu erstrecken scheinen. In diesem kargen, unfruchtbaren Ödland ziehen reitende Menschenstämme und auch Grünhäute umher und fristen ein trostloses Dasein. Von den Grünhäuten weiß ich nicht viel zu berichten. Mir ist lediglich bekannt, dass es dort in den Weiten und weiter westlich in den Dunklen Landen zahlreiche Stämme von ihnen gibt. Zur Art der Grünhäute gehören die großgewachsenen, schrecklich anzusehenden Orks. Weiterhin die etwas kleineren Goblins und Hobgoblins. Aber welche Unterarten es genau gibt, kann ich nicht sagen, denn das Volk der Grünhäute ist das unwichtigste und primitivste der ganzen Welt, wie man sagt. Seit Jahrhunderten beschäftigt sich kein Gelehrter mehr mit dieser seltsamen und zugleich widerwärtigen Art, denn sie spielt keine größere Rolle mehr in unserer Welt als die Tiere in den Wäldern oder den Steppen. Doch nun möchte ich Euch, lieber Leser, nicht länger mit meinen Ausführungen über die Grünhäute langweilen, denn es gibt weit wichtigere Dinge, über die es sich zu schreiben lohnt…«

Hogan Sey-Won, Beamter und Chronist des Himmelskaisers Jin-Wu II.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Der König der Orks

Gärende Zwietracht

Grashrakk Khan

Feldzug im Winter

Orkische Übereinkunft

Wir sind Orks!

Die Versammlung der Häuptlinge

Arbeiten, schweigen und gehorchen!

Der Aufmarsch der Horde

Die Schlacht von Maxcal

Talsenke des Todes

Der Weg durch fremdes Land

Strategie des Schreckens

Arasigs Fußstapfen

Umso schneller sind sie tot!

Goffrukke Tumal

Weitere Bücher

Der König der Orks

»Der große Grimzhag, der Größte der Grünhäute… öhm… er kämpfte tapfer, ist doch klar, und machte fette Beute!«, reimte der Goblin vor dem Thron des Mazaukhäuptlings und verneigte sich.

Dieser knurrte nachdenklich und rieb sich das Kinn. Sein Freund Zugrakk und Soork der Schamane sahen sich fragend an.

»Das ist ein tolles Heldengedicht, nicht wahr? Gefällt es Euch, Wütender?«, wollte der dichtende Goblin wissen.

»Hmmm!«, brummte der hünenhafte Kriegsherr. »Naja, vielleicht sollte man die Sache noch einmal überarbeiten…«

»Überarbeiten?« Die kleine Grünhaut wirkte eingeschnappt.

»Ja, das sehe ich auch so!«, meinte Zugrakk.

Skarnak, der Häuptling des Goblinstammes der Krummag, hatte Grimzhag jenen angeblich hochbegabten Dichter empfohlen und diesen damit beauftragt, für ihn ein Heldengedicht zu verfassen. Allerdings war der Häuptling vom dichterischen Talent des Goblins nicht so ganz überzeugt und erhob sich schließlich mit einem mürrischen Brummen von seinem Platz.

»Das hört sich echt dämlich an, du Snagpoet! Vielleicht sollte ich diese Aufgabe besser einem der Geistesbegabten überlassen«, bemerkte der Anführer der Mazauk und erntete einen wütenden Blick des Reimkünstlers.

»Gut!«, stieß dieser aus. »Dann gehe ich eben wieder, Eure Hoheit. Wenn Ihr meine Weisen nicht zu schätzen wisst, dann dichte ich eben nicht für Euch. Das macht mir nichts aus! Ich habe verstanden! Oh, ja! Das habe ich!«

Leise schimpfend verließ der gekränkte Dichter den Thronsaal in Grimzhags neu errichtetem Herrscherhaus und würdigte seinen Herrn keines Blickes mehr.

»Banausen! Grobiane! Geistlose Gnoggschädel!«, zischelte die kleine Grünhaut in sich hinein und knallte die Tür hinter sich zu. Grimzhag, Zugrakk, Soork und einige grinsende Orkwachen sahen ihm nach.

»Das hätte ich noch besser hinbekommen«, gab einer der Wächter zu verstehen und lachte brüllend auf.

»Aber das Bild dort ist großartig, oder? Ich sehe es mir immer wieder gerne an!«, sagte Grimzhag und deutete auf das farbenprächtige Gemälde an der gegenüberliegenden Wand. Die imposante Malerei war von einem talentierten Geistesbegabten geschaffen worden und zeigte Grimzhag als mächtigen Heerführer auf einem Haufen erschlagener Khuzbaath stehend.

Mittlerweile war der Häuptling der Mazauk zweiunddreißig Sonnenzyklen alt und herrschte bereits über ein Gebiet von beachtlicher Größe. Die Eroberung des Reiches der Kleinwüchsigen lag nun schon zwei Sonnenzyklen zurück und Grimzhag hatte die Vision einer von ihm gegründeten Orkstadt in der Steppe inzwischen zur Realität werden lassen. Allerdings bestand Karokum, wie er seine Stadt genannt hatte, bisher lediglich aus seinem Herrscherhaus und einigen halbfertigen Gebäuden – unter anderem dem Tempel des orkischen Kriegsgottes Goffrukk.

Seine Residenz war ein klobiges Gebilde, gebaut aus massiven Steinen, das von zahlreichen, runden Säulen umgeben war und zwei Etagen hatte. Hunderte von Orks und Goblins hatten den Palast – auch wenn diese Bezeichnung sicherlich etwas hochtrabend war – in ununterbrochener Schwerstarbeit aus dem Boden gestampft. Nun stand er mitten in der weiten Steppe, umgeben von einer riesigen Baustelle, die mit zahlreichen Arbeitern und gewaltigen Mengen von Baumaterial übersät war. Den Eingang zu Grimzhags Herrscherhaus bildete ein großes Portal, über dem einige feuerrote Orkglyphen die steinerne Wand verzierten.

»Der Palast des großen Grimzhag – König der Orks«, lautete die Inschrift über der Tür.

Auch die Bezeichnung »König der Orks« war stark übertrieben, denn der aufstrebende Häuptling herrschte zwar über ein ausgedehntes Stück Steppe und das Gebiet des ehemaligen Khuzbaathreiches, doch das gesamte Orkvolk war keineswegs unter seiner Führung vereint. Dennoch hatte Grimzhag auf diesen recht anmaßenden Schriftzug bestanden, denn er hielt nach wie vor an seinem Plan fest, eines Tages sämtliche Grünhautstämme zusammenzuführen. Jetzt hatte er zumindest schon einmal einen Palast, auch wenn dieser auf einen Menschenkaiser wohl mehr als lächerlich gewirkt hätte. Doch den jungen Brüller störte das nicht, denn er hatte vor, noch viel mehr zu erreichen.

Zaydan Shargut, der in der manchinischen Handelsstadt Kin-Weig wohnende Kaufmann aus Berbia, sah seinen Diener Weng völlig entgeistert an. Soeben war der schlitzäugige Manchine mit seiner Karawane aus dem Westen zurückgekehrt.

Die Planwagen waren allerdings noch immer voller Waren und Wengs Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes vermuten.

»Sag doch endlich was, Weng! Habt ihr die Stadt Al-Haikk etwa nicht erreicht?«, fragte Zaydan aufgeregt.

Sein gedrungener Diener mit der gelbbraunen Haut und den kräftigen Wangenknochen schüttelte den Kopf und sagte nichts.

»Was war denn los? Rede endlich!«, herrschte ihn der Großhändler an.

»Wir sind nur bis zu den Dunklen Landen gekommen…«, stammelte Weng.

»Was soll das heißen?«, bohrte Zaydan nach.

»Orks haben uns südlich der Ebene von Ruuth, wo die große Karawanenstraße das Eisgebirge verlässt, angehalten und wieder zurückgeschickt.«

»Was?«

»Ja, das ist die Wahrheit. Diese verfluchten Grünhäute haben uns die Weiterfahrt verweigert«, schnaufte der Manchine.

Sein Herr riss die Augen auf. »Die Weiterfahrt verweigert?«

»Es war so, wie ich es sage. Die Ebene von Ruuth ist jetzt in der Hand eines Orkkönigs und das Reich der Khuzbaath existiert nicht mehr. Das haben uns die Grünhäute erklärt. Und dieser neue König duldet es nicht, dass wir durch sein Herrschaftsgebiet reisen. Mit anderen Worten: Wir kommen nicht mehr nach Westen durch! Weder nach Berbia noch nach Aurania«, antwortete Weng.

»Was für ein neuer Orkkönig? Bei allen Wucherern der Wüste, wovon redest du überhaupt?«, schrie Zaydan.

»Grimzhag der Große! So wird er genannt. Er herrscht über das Reich der Khuzbaath und kontrolliert auch die Gebiete westlich des Eisgebirges«, erläuterte der Diener mit betretener Miene.

»Das…das kann ich nicht glauben! Orks? Und sie haben euch die Waren nicht einmal weggenommen oder euch erschlagen?« Der Händler hielt sich verstört den Kopf.

»Nein! Sonst wäre ich ja nicht hier, oder?«

»Was…?«

»Diese Orks haben uns außerdem erklärt, dass sie unsere Waren nicht bräuchten und es ihnen ihr König untersagt hat, irgendwelche Händler anzugreifen oder auszuplündern. Wir dürfen nur nicht mehr durch ihr Reich reisen. Das sollten wir besser akzeptieren, meinten sie.« Weng senkte den Blick.

»Und sie haben sich nicht einmal bestechen lassen?«

»Nein, Zaydan! Wir haben ihnen zwar etwas Gold angeboten, aber das hat nicht viel genützt. Sie haben uns einfach wieder nach Osten zurückgeschickt.«

Zaydan Shargut wirkte wie vom Blitz getroffen. Eine derartige Nachricht war zu viel für seinen Verstand. Er ließ sich laut stöhnend auf einem Stuhl nieder und starrte seinen Diener für einen Augenblick sprachlos an.

»Wir sollten in Zukunft doch mit dem Schiff nach Berbia segeln, sagten diese Grünhäute…«, fügte der Manchine hinzu.

Der Händler aus Kin-Weig winkte ab und schloss die Augen. »Das darf doch alles nicht wahr sein! Ich fasse es einfach nicht!«

»Ich erzähle keine Lügen. Du kannst gerne die anderen fragen«, gab Weng kleinlaut zurück.

»Ein neuer Orkkönig, der das Reich der Khuzbaath erobert hat. Unglaublich! Wie war sein Name noch?«, murmelte Zaydan nachdenklich.

»Grimzhag – oder so ähnlich!«, erwiderte der Angestellte des Kaufmanns.

»Grimzhag?«

»Ja! Ich glaube, sie haben Grimzhag gesagt!«

»Dieser Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Vom Stamm der Mazauk? Sag jetzt nicht, dass das dieser Grimzhag ist, Weng!«

Der schlitzäugige Manchine zuckte mit den Achseln und antwortete: »Klingt wie dieser seltsame Banditenkönig, mit dem wir es vor einigen Jahren zu tun gehabt haben. Aber der ist damals ja von den kaiserlichen Soldaten getötet worden, nicht wahr? Wer weiß schon, wie viele Grimzhags es unter diesen dreckigen Orks noch gibt.«

Zaydan ballte die Faust. »Nein! Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser König mit dem Sohn des toten Mazaukhäuptlings identisch ist. Oder doch? Der Name »Mazauk« ist aber nicht gefallen, wie?«

Es folgte ein Kopfschütteln. »Ich kann mich daran jedenfalls nicht mehr erinnern. Ich verstehe die Sprache der Orks zwar ganz gut, aber teilweise haben diese Krieger sehr undeutlich geknurrt. Aber die Sache ist ernst genug. Jetzt wird unseren Karawanen der Weg nach Westen schon von einer Horde Grünhäute verwehrt. Doch es ist wahr – das Reich der Khuzbaath wurde vor einer Weile tatsächlich von einem Orkhäuptling erobert.«

Zaydan warf die Arme in die Höhe, stürmte aus der Lagerhalle hinaus und lief laut fluchend auf die mit Waren beladenen Planwagen seiner Karawane zu. »Das ist eine Katastrophe! Wenn es sich bei den anderen Händlern herumspricht, dass in den Dunklen Landen solche Verhältnisse herrschen, wird die Hölle losbrechen. Ich will alles über dieses neue Orkreich wissen, Weng. Du wirst das in die Hand nehmen, verstanden? Finde alles über diesen König Grimzhag heraus. Ich werde morgen sofort mit Mandarin Qin-Wang sprechen. Das können wir uns nicht gefallen lassen!«

Der lange, wuchtige Umhang aus weinrotem Samt, der Grimzhags Rücken bedeckte, flatterte seinem Träger hinterher, als dieser stolz über die breite Hauptstraße vor der Tempelpyramide des Madrok schritt. Zugrakk lief neben ihm her und gab ab und zu einen hämischen Kommentar ab. Für ihn sah sein Freund zu sehr wie ein Menschlingskaiser aus, in seinem unorkischen und aufgetakelten Aufzug. Der junge Brüller jedoch ignorierte Zugrakks engstirnige Vorstellungen, die orkische Tracht und Mode betreffend. Er sah mit Beigeisterung seinen Artgenossen zu, die ganz Chaar-Ziggrath überschwemmten und die leeren Häuser der Khuzbaath bezogen.

»In einigen Sonnenzyklen werden wieder sämtliche Straßen dieser riesigen Stadt mit Leben erfüllt sein. Sieh doch, Zugrakk, wie viele tausend Orks, Krieger, Cramogg und Junge, schon gekommen sind. Großartig, nicht wahr?«

»Ja, aber Goblins würde ich nicht innerhalb der Stadtmauern siedeln lassen«, gab Zugrakk zu bedenken. Auch in diesem Punkt dachte der Ork sehr konservativ.

»Natürlich nicht!«, antwortete Grimzhag. »Snags dürfen nur außerhalb Chaar-Ziggraths wohnen. Das werden wir so halten, wie es die Stadtorks weiter im Süden auch handhaben. Und die Cramogg bekommen ihr eigenes Viertel, wo sie unter sich sind, am besten in der Nordstadt. Was meinst du?«

»Hört sich vernünftig an!«, brummte Zugrakk und betrachtete einige Grünhäute, die große Säcke auf den Rücken trugen oder Tische und Stühle umherschleppten.

Etwas weiter, dort wo die breite Hauptstraße rechts um die Tempelpyramide der Khuzbaath herumführte, zog eine große Gruppe lärmender Cramogg mit ihren Jungen in Richtung Nordstadt. Ihre schrillen Stimmen waren nicht zu überhören, genau wie das Quäken und Kreischen der kleinen Orks, die sie verschnürten Leinensäcke gleich vor ihren Brüsten trugen.

»Einige Straßenzüge werden ich den Grauaugen überlassen, wo nur sie allein wohnen dürfen, was bedeutet, dass dort gewöhnliche Orks nichts zu suchen haben. Wir müssen die einzelnen Gattungen unserer Art trennen, damit die Ordnung eingehalten werden kann«, sinnierte der Mazaukhäuptling.

»Gewöhnliche Orks wie ich, was?«, knurrte Zugrakk ein wenig verschnupft.

Grimzhag grinste breit. »Richtig! Nur von Natur aus überlegene Grauaugen wie dein lieber Freund hier haben dann das Recht, in diesen Vierteln zu wohnen. Toll, oder?«

»Arrogante Gnoggfresse!«, murmelte Zugrakk, wobei er die Fangzähne nach vorne schob und ebenfalls schmunzelte.

Von hinten kam jetzt eine große Masse laut schwätzender Orks. Vermutlich waren sie aus dem Süden der Dunklen Lande, wie Grimzhag dachte. Immerhin unterhielten sie sich in einem fremdartig klingenden Dialekt.

»Ich hole mir ein Haus mit einer schönen, roten Fassade!«, blökte eine dickliche Grünhaut den anderen zu.

»Wenn ich mir das Haus nicht vorher schnappe, Snagschnauze«, knurrte sein Nachbar und schubste die anderen Siedler zur Seite.

Als die Orks Grimzhag erblickten, brummelten sie demütig einige Begrüßungen, um dann die Straße hinunter zu gehen und sich weiter zu zanken, wer sich das schönste und größte Haus unter den Nagel reißen würde.

»Schwachköpfe!«, zischte der Orkkönig und stieß einen Würgelaut aus.

»Das sind doch ganz normale Orks«, meinte Zugrakk.

»Wenn du das sagst…«, kam zurück.

»Ich verstehe nicht, was du nun schon wieder zu meckern hast!«, sagte der Krieger verdutzt.

Der junge Brüller verdrehte die Augen und lugte zu ihm herüber. Dann hob er die Klaue und sprach: »Ich werde es nicht zulassen, dass Chaar-Ziggrath genau so verkommt und verschmutzt wie zum Beispiel Roughfort. Die Straßen der Stadt müssen in regelmäßigen Abständen von Müll und Unrat gesäubert werden. Weiterhin müssen baufällige Gebäude sofort repariert und gewartet werden. Zucht und Ordnung, das fehlt dem gemeinen Ork.«

»Mach mal halblang, Grauaugenkopp!«, murrte Zugrakk. »Man kann es auch übertreiben. Ein bisschen Schmutz hat noch keinem Ork geschadet…«

»Nein! Diese dreckigen Zustände werde ich in meiner Hauptstadt gar nicht erst einreißen lassen. Alles wird streng geregelt werden – und ich werde es zu verhindern wissen, dass hier alles im Müll versinkt. Kapiert?«, wetterte Grimzhag und rückte sich seinen Mantel zurecht.

»Langsam hast du sie nicht mehr alle auf`m Helm!«, schnaubte Zugrakk genervt und ging grummelnd davon. Für den Rest des Tages sah ihn sein Freund nicht mehr.

Auf Zaydans Befehl hin hatten sich einige seiner Angestellten auf den Weg in die Dunklen Lande gemacht, um sich dort bei den Riesenmenschen, die das Eisgebirge bevölkerten, bezüglich des neuen Orkkönigs in der Ebene von Ruuth umzuhören. Mittlerweile waren zahlreiche Karawanen anderer Kaufleute ebenfalls unverrichteter Dinge wieder aus dem Westen zurückgekehrt und die reichen Händler Manchins waren außer sich vor Zorn. Keine einzige Karawane hatten Grimzhags Orkkrieger noch über die alte Handelsstraße weiterfahren lassen – eine Ungeheuerlichkeit in den Augen der handeltreibenden Menschen, die diesen Weg schon seit Jahrhunderten benutzten.

Derweil hatten Zaydans Kundschafter bei den nahe der Ebene von Ruuth lebenden Riesenmenschenstämmen bereits einige neue Informationen über den aus dem Nichts aufgetauchten Orkkönig gesammelt. Dass er zum Stamm der Mazauk gehörte, war inzwischen allgemein bekannt. Selbst bei den Ograi des Eisgebirges, die sich ihre Auskünfte von den Händlern aus Kin-Weig immer mit viel Gold und großen Haufen Dörrfleisch bezahlen ließen. Grimzhag, der Orkkönig von Chaar-Ziggrath, stammte aus der Steppe. Daran gab es inzwischen kaum noch einen Zweifel.

Schließlich kehrten die Kundschafter wieder fast vollzählig nach Kin-Weig zurück. Nur einer von ihnen hatte die kannibalistischen Riesenmenschen offenbar mit seinem Gold und dem vielen Dörrfleisch nicht ausreichend beeindrucken können und war selbst auf der Speisekarte gelandet. Doch das interessierte seinen Herrn nicht, denn für ihn zählten lediglich die Informationen über das neu entstandene Orkreich und dessen König.

Dass es sich dabei allem Anschein nach doch um den Sohn des toten Mazaukhäuptlings Morruk und den Bruder von Margukk handelte, war dem gerissenen Kaufmann mittlerweile klar. Eine Tatsache, die ihm die Zornesröte ins Gesicht trieb und ihn zugleich völlig verblüffte.

»Das gibt es doch nicht! Dieser Grimzhag ist tatsächlich der Bruder von diesem verrückten Ork Margukk! Ist das zu fassen?«, stieß Zaydan aus und grinste gequält.

»Es würde jedenfalls einiges erklären, Herr!«, meinte Weng. »Wenn er die Karawanenstraße blockiert, kann er uns damit richtig schaden. Ganz schön klug für einen dämlichen Ork.«

Zaydan zertrat eine Holzkiste in der Ecke der großen Lagerhalle und sah sich wütend um. »So dämlich scheint dieser verfluchte Ork ja nicht zu sein, sonst hätte er das Reich der Khuzbaath nicht erobern können. Bei allen Göttern, das darf einfach nicht wahr sein!«

»Und der Mandarin wird sich heraushalten und nichts für uns tun?«, erkundigte sich Weng.

»Qin-Wang? Dieser elende Hund lässt uns im Stich! Die Augen des Himmelskaisers sind derzeit auf den Süden von Manchin gerichtet, wo sich das Haus Huang zu einer gefährlichen Rivalin der Han-Dynastie gemausert hat. Wenn wir Pech haben, dann gibt es dort in absehbarer Zeit Bürgerkrieg. Wir sollen die Sache daher selbst regeln. Der Mandarin hält es nämlich für unklug, eine Armee nach Westen zu schicken, nur weil dort ein paar Grünhäute unsere Handelsstraße blockieren. Zudem würde er für eine solche Operation die Erlaubnis des Kaisers benötigen und die wird er derzeit nicht bekommen. Nein, Weng, wir sind auf uns allein gestellt. Das wird jetzt zu einer Sache der Händler und wir müssen schnellstens eine Lösung finden. Dieser verfluchte Orkkönig kostet uns eine Menge Geld, wenn er unseren Karawanen weiterhin die Durchreise verweigert. Und das wird er, wenn wir nichts tun!«, wetterte Zaydan.

»Klingt fast so, als hätte dieser Grimzhag das alles geplant…«, zischte der breitgesichtige Diener.

»Geplant? Ach, Blödsinn! Vermutlich hat er bei der Eroberung des Khuzbaathreiches lediglich Glück gehabt, du Trottel. So weit planen Orks doch nicht! Das ist völlig unmöglich!«, grollte der Kaufmann und schüttelte den Kopf.

»Trotzdem ist es ein großer Zufall, dass uns gerade der Sohn dieses Mazaukhäuptling jetzt derartig in die Suppe spuckt«, erwiderte Weng.

»Es ist Zufall! Allerdings ein verdammt unglücklicher Zufall! Wir müssen etwas unternehmen. Aber halte du dich da raus! Wir Händler werden uns demnächst zusammensetzen und darüber beraten, wie wir dieses Problem am besten lösen können«, knurrte Zaydan und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Groooh!«, stieß der Troll glücklich aus und tätschelte den Orktreiber neben sich mit seiner riesigen Klaue, wobei er ihm versehentlich fast das Genick brach. Die monströse, über drei Meter große Kreatur mit dem breiten, hässlichen Schädel und der dunkelgrauen Schuppenhaut, schnappte sich ein saftiges Stück Warnoxfleisch und schlang es knurrend herunter. Grimzhag grinste, während der Orktreiber froh war, dass ihn der hungrige Troll wieder losgelassen hatte.

»Das sind Riesenviecher, was?«, meinte der Krieger, der einen Dreizack mit langem Stil trug. Er sah den Häuptling der Mazauk erwartungsvoll an.

»Es sind über hundert dieser Kreaturen! Nicht schlecht!«, gab Grimzhag zurück und musterte die Masse aus Trollen, die seine Orks einigen Grünhautstämmen im Felssäulengebirge abgekauft hatten.

Trolle waren starke, widerstandsfähige Monster, deren Verstand kaum über dem eines Gnoggs lag. Die Orks und Goblins des Felssäulengebirges züchteten diese furchterregenden Wesen bereits seit einigen Zeitaltern und verwendeten sie als schlagkräftige Unterstützung auf dem Schlachtfeld. Grimzhag war der Ansicht, dass eine Einheit aus diesen Bestien seiner Armee ebenfalls gut tun würde.

»Groooh!«, machte der Troll neben dem Orktreiber erneut. Er sah das offenbar ähnlich.

Die hochgefährlichen Kreaturen, die in den Höhlen und Schluchten des Felssäulengebirges hausten und sich von allem ernährten, was ihnen in die Quere kam, wurden an schweren Eisenketten herumgeführt, denn es war einfach zu riskant, sie frei herumlaufen zu lassen. An die Treiber hatten sie sich inzwischen offenbar gewöhnt und machten ihnen nur wenige Probleme. Immerhin wurden sie von ihnen mit fettem Warnoxfleisch versorgt und so lange sie genug zu fressen bekamen, gab es keinen Grund, die Orks selbst zu verspeisen. Natürlich gab es gelegentlich auch Trolle, die etwas weiter vorausdenken konnten, und ihre Aufseher als zusätzlichen Nachtisch betrachteten, aber das war eben Berufsrisiko.

Heute hatten einige Dutzend Orktreiber eine große Anzahl der wilden Kreaturen etwas außerhalb von Chaar-Ziggrath zusammengetrieben, um sie Grimzhag vorzuführen. Dieser war begeistert und auch sein Freund Zugrakk starrte die Biester mit heraushängender Zunge an.

»Diese Investition hat sich gelohnt, Wütender. Hundert Trolle können eine ganze Menschenarmee in Angst und Schrecken versetzen. Diesen werden wir beibringen, wie man mit Äxten und Keulen umgeht. Das ist sehr effektiv gegen feindliche Reiter«, bemerkte der Orktreiber.

»Das kann ich mir gut vorstellen!«, grunzte Grimzhag verzückt.

»Die sehen echt gefährlich aus!«, murmelte Zugrakk und betrachtete eine Gruppe dämlich glotzender Trolle, die ihre gewaltigen, krallenbewehrten Klauen auf- und zuschnappen ließen.

»Sehr gut! Das ist eine nette Truppe, die sich auf dem Schlachtfeld sehen lassen kann«, meinte der Häuptling der Mazauk. »Wir gehen jetzt die Schmieden inspizieren, Zugrakk! Komm!«

Grimzhag verabschiedete sich von den Treibern und warf einen letzten, zufriedenen Blick auf die neue Trolleinheit seiner Horde. Dann ging er mit Zugrakk zu den Großschmieden der Khuzbaath, die sich im Süden von Chaar-Ziggrath befanden. Hier hatten die Orks bereits mit der Produktion von Waffen und Rüstungen begonnen, ganz wie es ihr König befohlen hatte. Jetzt qualmte und rauchte es überall in der Ebene von Ruuth und ununterbrochen wurden Schwertklingen, Axtblätter, Kettenhemden, Helme und sogar Gnoggharnische hergestellt. Es war eine hervorragende Idee gewesen, das Khuzbaathreich zu erobern, um anschließend dessen Infrastruktur zu nutzen. Das wurde Grimzhag in diesem Moment wieder bewusst. Es würde nicht mehr lange dauern, dann hatte er gegenüber allen anderen Orkstämmen eine Machtposition, die sich sehen lassen konnte.

Baudrogg der Zornige räkelte sich müde auf seinem Thron und gähnte gelangweilt vor sich hin. Der in die Jahre gekommene Orkhäuptling herrschte über die alte Stadt Morkfort am Fuße des Eisgebirges, südlich der Ebene von Ruuth, und war damit in gewisser Hinsicht Grimzhags Nachbar. Den aus der Steppe gekommenen Kriegsherrn, der das Reich der Khuzbaath erobert hatte, hatte Baudrogg bisher noch nicht persönlich kennengelernt, obwohl dieser ihn bereits mehrfach zu einer Audienz eingeladen hatte. Doch der Orkkönig hatte den Emporkömmling einfach ignoriert und seine Freude über das neu entstandene Reich im Norden seines Herrschaftsgebietes hielt sich nach wie vor stark in Grenzen. Genau wie viele der anderen Orkhäuptlinge, die im Süden der Dunklen Lande ihre Reiche hatten, stand auch Baudrogg dem Mazaukanführer mit einer Mischung aus Skepsis und Ablehnung gegenüber. Dass sich dieser seltsame Grimzhag offenbar tatsächlich für den Vereiniger der Orkstämme hielt, stieß nicht wenigen Häuptlingen sauer auf und die meisten von ihnen waren auf der Hut, denn man konnte nie wissen, wann der fremde Herrscher plötzlich seine Macht zu vergrößern gedachte.

Aber heute sorgte sich Baudrogg nicht um diese Dinge, denn sein Bauch war nach einem saftigen Mittagessen bis zum Anschlag gefüllt und von einigen Orkwachen am anderen Ende des schäbigen Thronsaals abgesehen, war niemand da, der ihn störte oder mit Nichtigkeiten belästigte. Brummend schloss er die Augen und war bald darauf eingeschlafen. Irgendwann hörte man nur noch sein leises Schnarchen, ansonsten war es vollkommen still in Baudroggs Thronhalle.

Das änderte sich jedoch nach einer Stunde erholsamen Schlafes, als plötzlich eine breitschultrige Grünhaut mit lautem Gepolter in den Saal hineingestürmt kam und den Häuptling aufweckte.

»Was ist denn los, Roak? Du stampfst hier rein wie ein Gnoggbulle! Wehe, es ist nicht wichtig!«, knurrte Baudrogg verärgert und hämmerte mit der Faust auf die Armlehne seines Thrones.

»Vergebung, Wütender! Ein Menschling! Draußen ist ein Menschling!«, schnaufte die Wache aufgeregt und sah ihren Herrn hilfesuchend an.

»Wie bitte? Was für ein Menschling?«, murrte der orkische Monarch.

»Er wünscht Euch zu sprechen, großer Baudrogg. Ein Menschling aus Manchin.

Da hinten aus diesem Reich da!«, erklärte der Orksoldat überfordert.

»Was hat ein Menschling hier zu suchen?«, grollte der Häuptling und stand auf.

Dann kam er auf die Wache zu und blieb knurrend vor ihr stehen.

»Rede endlich, Roak! Wer ist das und was will er?«

»Das…das will er Euch selbst sagen, mächtiger Brüller! Wir haben ihn in die Stadt gelassen und er wartet draußen vor Eurem Palast. Wir können ihn natürlich auch erschlagen, aber vielleicht ist es ja was Wichtiges.«

»Ist er allein?« Baudrogg war verwirrt.

»Ja!«

»Dann hole ihn rein! Vorwärts!«

»Zu Befehl, großer König!«

Der Häuptling, dessen Gesicht schon einige Altersrunzeln aufwies, kratzte sich nachdenklich an seinem hervorquellenden Bauch und sah dem Orkkrieger hinterher. Kurz darauf betrat ein freundlich lächelnder Mensch in einem langen Seidengewand den Thronsaal. Zwei bullige Orkwachen mit langen Speeren standen hinter dem seltsamen Gast und starrten grimmig auf ihn herab.

»Ich grüße Euch, mächtiger und gefürchteter Orkherrscher von Morkfort!«, sagte der schlitzäugige Mann und verneigte sich. »Mein Name ist Weng und ich komme im Auftrag des mächtigen Imperiums von Manchin. Dürfte ich Euch kurz sprechen, großer Baudrogg?«

Der Mensch beherrschte die Orksprache der Dunklen Lande beinahe akzentfrei, was Baudrogg und seine Orkwachen mehr als verdutzte. Mit weit aufgerissenen Augen sahen die verdutzten Grünhäute Weng an, während dieser demütig lächelte.

»Du kommst hier einfach in meine Stadt und hast keine Angst, dass wir dich gleich einen Kopf kürzer machen?« Der Orkkönig war überrascht.

Wortlos faltete der Manchine die Hände. Man konnte ihm keine Furcht ansehen.

Im Gegenteil – er schien genau zu wissen, was er wollte, und gab Baudrogg einen entschlossenen Blick zurück.

»Nein, erhabener Herrscher! Ich habe ein großartiges Angebot für Euch und ich bin sicher, dass es für den allmächtigen Baudrogg äußerst interessant sein wird.

Außerdem verkehre ich als manchinischer Diplomat mit allen Völkern Antariksas und habe keine Vorurteile gegenüber dem Orkvolk!«

»Aha!«, brummte der Häuptling mürrisch. Er wusste nicht, ob er das wirklich gut finden sollte. Immerhin gehörte es sich, dass man als Menschling zumindest ein bisschen Angst vor den Orks hatte.

»Der Kaiser von Manchin schickt mich in seinem Auftrag, um mit dem mächtigen Baudrogg zu verhandeln«, erläuterte Weng mit ernster Miene.

»Der Menschlingskaiser?«, quatschte eine der Orkwachen dazwischen.

»Schnauze, Arggrog! Ich habe dir nicht erlaubt zu sprechen!«, herrschte Baudrogg die hünenhafte Grünhaut an und diese schnaufte unterwürfig.

»Dann mach mir mal dein Angebot, Menschling! Ich bin gespannt! Wenn dich der Kaiser von Manchin schickt, dann wird es sicherlich interessant sein«, knurrte er dann.

Der Gast lächelte vielsagend und antwortete: »Das ist es ohne jeden Zweifel, großer König. Aber zunächst möchte ich Euch einen großen Sack voller Gold überreichen, den mir der göttliche Yuan-Han III. als Geschenk für Eure Hoheit mitgegeben hat…«

Die Abendsonne schickte ihre Strahlen durch die vielen kleinen Fenster unter der Decke und tauchte den Thronsaal, in welchem noch vor wenigen Sonnenzyklen der Großkönig der Khuzbaath residiert hatte, in ein orangerotes Licht. Grimzhag saß an einem breiten Tisch aus poliertem Schwarzholz, dessen Beine kunstvoll verziert waren, und betrachtete eine Karte seines Reiches. Soork, der Schamane der Mazauk, hatte sie ihm gezeichnet. Nun stand er schweigend neben dem König.

»Die Menschlinge nennen jene, die an Stelle des Königs über die Provinzen herrschen, Statthalter, nicht wahr?«, murmelte der junge Brüller und kratzte sich am Kinn.

»Dafür haben sie viele Namen. Manche nennen sie Statthalter oder Fürsten oder auch Mandarine. Jedenfalls hat jede Provinz ihren Verwalter, der zugleich den König vertritt und repräsentiert«, erläuterte Soork.

»Ich werde einige meiner Hordenführer zu Statthaltern machen. Hier! Ich habe mein Reich schon in Provinzen unterteilt!« Grimzhag deutete auf die Karte.

»Das sieht gut aus. Eine kluge Idee, Häuptling. Daran führt kein Weg vorbei, wenn man über ein größeres Gebiet herrschen will. Die alten Grauaugenkönige nannten ihre Stellvertreter in den Provinzen meines Wissens nach »Monroggs« – was so viel wie »Zweitkönige« bedeutete«, sagte der Geistesbegabte.

»Monroggs?« Der junge Herrscher sah zu seinem alten Freund auf. »Das hört sich gut an. So werde ich auch meine Fürsten nennen, in Anlehnung an die alten Zeiten.«

»Weißt du denn schon, wer die Provinzen deines Reiches verwalten soll?«, wollte Soork wissen.

Grimzhag bejahte die Frage mit einem leisen Brummen. Dann stand er auf und ging um den Tisch herum.

»Es sollen ausschließlich Grauäugige sein. Ich habe bereits einige meiner Hordenführer, die zu dieser Blutlinie gehören, ausgewählt, Schamane. Es ist mein Plan, eine neue Adelskaste aufzubauen, die mit mir über mein Reich herrschen soll.

Gewöhnliche Orks sind nicht dazu geeignet, ein Monrogg zu werden, und ich möchte es auch aus Prinzip nicht. Nur die Besten der Grünhäute sollen mich vertreten. Allerdings soll jeder meiner Fürsten eine Gruppe von Geistesbegabten wie dich als Berater haben. Somit können die beiden fähigsten Blutlinien unserer Art zusammen wirken und das Reich erblühen lassen«, sinnierte der Mazaukhäuptling.

»Ich kann dich nur noch bewundern, Grimzhag«, bemerkte Soork ehrfürchtig.

»Du bist ganz wie ein König der alten Zeiten. Was du hier erschaffen willst, hat es seit langer Zeit nicht mehr gegeben. Trotzdem mache ich mir oft große Sorgen um deine Sicherheit.«

»Warum? Hast du Angst, dass unser aller Traum vom Wiederaufstieg unserer Art mit meinem Tod enden wird?«, fragte Grimzhag und klopfte dem Schamanen mit der Klaue auf dessen dürren Oberarm.

»Du hast es erfasst! Genau das meine ich, kleiner Brüller. Du kannst Großes für uns Orks erreichen, wenn du lange genug lebst. Aber wie viele große Könige sind schon dem Neid ihrer eigenen Artgenossen zum Opfer gefallen. Wie viele mächtige Reiche sind zerfallen, weil ihre Gründer zu früh gestorben sind.«

»Ich werde mich bemühen, lange genug zu leben, um meine Mission zu erfüllen, Soork. Mehr kann ich nicht tun«, erwiderte Grimzhag.

Der in die Jahre gekommene Geistesbegabte entblößte seine Fangzähne zu einem freundlichen Lächeln. Dann kam er einen Schritt auf den Häuptling zu.

»Hüte dich vor unseren eigenen Leuten, junger Brüller. Behalte sie im Auge und sei immer wachsam. Das gilt für die Orks und die Menschlinge und auch alle anderen: Wer Erfolg hat, den verfolgt auch der Neid. Sei also niemals leichtgläubig und umgebe dich stets mit deinen Leibwächtern, Grimzhag. Vergiss das nicht!«, sagte Soork.

»Ich habe bereits einige der Grauaugen, die ich aus den Sklavenkellern der Khuzbaath befreit habe, dazu angehalten, die Augen und Ohren nach Verrat in den eigenen Reihen offen zu halten. Wer mir den Dolch in den Rücken treiben will, den werde ich ohne Gnade vernichten. Verrat an mir zu üben, bedeutet das gesamte Volk der Grünhäute zu verraten. Und niemand ist schlimmer und verachtenswürdiger als jener, der sein eigenes Volk verrät, Schamane«, knurrte Grimzhag. Wenig später verließ Soork den Raum wieder und ging in sein Gemach zurück. Sein junger Freund blieb noch eine Weile bei seiner Landkarte und versuchte, seinem Reich eine Verwaltungsstruktur zu geben.

Gärende Zwietracht

Mehrere Dutzend Planwagen kamen auf der Karawanenstraße zum Halten und Baudroggs Krieger folgten ihrem König zu den Menschen, die aus dem fernen Osten gekommen waren. Zwei Monate waren seit dem letzten Besuch der Manchinen vergangen und die Grünhäute waren gespannt, ob die Fremden ihre Versprechen auch wirklich eingehalten hatten. Weng, Zaydans rechte Hand, sprang als Erster von den Wagen herunter und setzte ein freundliches Lächeln auf. Baudrogg entblößte seine Fangzähne ebenfalls und wirkte äußerst neugierig.

»Wir haben alles dabei, großer Ork. Wie abgesprochen!«, sagte Weng und verneigte sich höflich.

»Sehr gut!«, lobte ihn Baudrogg.

»Wollt Ihr einen Blick auf die Waren werfen?«, fragte Zaydans Handlanger.

»Was ist mit dem Gold?«, unterbrach ihn der König von Morkfort.

»Drei große Kisten voller Goldmünzen. Ganz wie es der himmlische Kaiser versprochen hat – und natürlich die Waffen«, bemerkte Weng.

»Ich will die Sachen sehen!«, knurrte Baudrogg und schickte ein paar seiner Krieger los. Diese gingen zu den Planwagen und ließen sich von den anderen Händlern zuerst die Goldkisten zeigen. Dann warf auch Baudrogg einen Blick auf die vielen, strahlenden Münzen aus Manchin und grunzte zufrieden.

»Großartig!«, stieß er aus und klopfte Weng auf den Rücken.

»Auf das Imperium von Manchin kann man sich verlassen. Ihr seht also, Mächtiger, dass wir keine leeren Versprechungen gemacht haben«, meinte der schlitzäugige Mann aus dem Osten lächelnd.

»Guckt mal, Leute!« Ein bulliger Orkkrieger zog ein kunstvoll gearbeitetes Langschwert aus einem Haufen Waffen heraus und seine Augen leuchteten. Er freute sich wie ein kleiner Jungork.

»Nimm das, du Wurm!«, rief er fröhlich grunzend und fuchtelte mit der Waffe vor seinen Kameraden herum.

»Hör mit dem Quatsch auf, Gromph!«, schnauzte ihn Baudrogg an und legte ihm die Klaue in den Nacken. Weng und seine Begleiter sahen dem Treiben der Orks schweigend zu.

Nachdem die Grünhäute einige weitere Blicke auf die zahlreichen Schwerter, Hellebarde, Speere und Äxte geworfen und alles genau inspiziert hatten, ließ Baudrogg die Goldkisten in seinen Palast bringen. Die Karawane zog weiter in Richtung Morkfort.

Weng, der sich nach wie vor als Gesandter des manchinischen Kaisers ausgab, hatte sich mit Baudrogg für heute Abend verabredet, denn es gab noch einiges zu besprechen. Außerdem wollte der Manchine dem Orkkönig eine Reihe neuer Informationen über seinen Rivalen Grimzhag liefern. Dieser plante, so Weng, in naher Zukunft einen Feldzug gegen die Orkstämme der Dunklen Lande, um auch diese unter seiner Führung zu vereinigen. Das hatten einige Spione, die die Manchinen angeblich unter die Mazauk geschickt hatten, bereits herausgefunden.

»Es ist wichtig, dass Ihr ein Verteidigungsbündnis gegen König Grimzhag ins Leben ruft und euch gegen ihn verteidigen könnt. Ihr wisst, wie grausam und machthungrig dieser Ork aus der Steppe ist, Mächtiger«, betonte Weng gegenüber Baudrogg immer wieder und sicherte ihm weitere Waffenlieferungen und Goldkisten aus dem fernen Manchin zu. Und der Orkkönig von Morkfort glaubte ihm.

»Endlich normale Leute!«, lallte Zugrakk und schwankte um den langen Holztisch in der Mitte der Thronhalle herum, um sich dann auf den breiten Schultern einer angetrunkenen Orkwache abzustützen.

»Biste schon voll, hä?«, grunzte die Grünhaut und lachte so laut, dass selbst Grimzhag die spitz zulaufenden Ohren schmerzten.

»Näh! Ich kann noch was vertragen, Krumblok. Dat glaubste wohl…«, antwortete Zugrakk. Er schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Ha! Ha!«, bellte die Wache und ließ sich von einem Goblin einschenken.

Grimzhag nippte nur sporadisch an seinem Trinkhorn voller Pilzbier, bemüht nicht allzu schnell in den Zustand der Trunkenheit abzurutschen. Heute hatte er für die in seinem Palast lebenden Orkwachen und auch für die anderen Krieger des Mazaukstammes, die heute das Königshaus betreten durften, eine Menge saftiges Ruumphfleisch und natürlich Pilzbier organisiert. Er musste seine Leute bei Laune halten, nach all den Strapazen der letzten Zeit.

»Was ist, Kumpel? Du säufst ja gar nix!« Zugrakk stolperte auf seinen besten Freund zu, der am Ende des langen Tisches saß und dem fröhlichen Treiben mit der Sachlichkeit eines Grauaugenorks zusah.

»Doch, doch! Natürlich!«, erwiderte der junge Brüller und lächelte verhalten, um dann das Trinkhorn zu den Lippen zu führen. »Prost, Zugrakk!«

Der Krieger grinste so breit, dass ihm die Fangzähne fast aus dem Unterkiefer fielen. »He! He! Prost!«

Zugrakk kam schließlich noch etwas näher, stellte sich direkt neben Grimzhags Stuhl und nahm den Häuptling in den Arm, wie ein Jungork seine Cramogg.

»Du bist mein bester Freund, Snagschnauze! Ich habe dich so lieb, Grimzhag. Echt!«

»Ähem…ja…«, brummte der König und stieß Zugrakk sanft von sich weg.

»Du warst in der letzten Zeit manchmal echt komisch, Kumpel. Aber heute… heute biste wieder ganz der Alte. Mein Grimzhag, mein alter Kumpel!«, grunzte Zugrakk und tätschelte Grimzhags kahlen Orkschädel mit der Klaue.

»Ist gut jetzt…«, knurrte dieser verlegen.

Dann torkelte Zugrakk wieder davon und fing auch noch an zu singen. Er schnappte sich ein frisch gefülltes Trinkhorn und hob es in die Luft.

»Wir sind die Orks aus den Steppen! Wir hauen alle um, am liebsten Menschlingsdeppen!«, grölte er durch den Thronsaal.

Grimzhag verdrehte die Augen und würgte in kaum hörbarer Lautstärke. Soork, der Schamane, war heute nicht anwesend, denn er hielt nicht viel von derartigen Besäufnissen, die ihm viel zu primitiv waren.

»Grimzhaaag! Trink mit mir! Na, los!« Zugrakk schwankte wieder in Richtung seines nachdenklichen Freundes, während die übrigen Orks laut durcheinander schwatzten und sangen.

»Ja, sicher! Prost, mein Lieber!«, sagte der Häuptling und nippte noch einmal an seinem Trinkhorn.

»Heute wird nicht so viel gedacht und dafür mehr gesoffen, was? Heute wird gesoffen, bis die Steppe glüht. Ha! Ha!«, kicherte Zugrakk mit einem dümmlichen Leuchten in den roten Augen.

Der Mazaukhäuptling erhob sich und breitete die Arme aus. »Es gibt gleich noch eine Runde Ruumphfleisch, meine tapferen Krieger. Und natürlich noch mehr Bier!«, rief er dann.

Ein begeistertes Johlen war die Antwort. Grimzhag ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder und betrachtete schweigend seine Artgenossen. Dann öffnete sich die große Tür des Thronsaales und ein paar Goblins eilten mit weiteren Fässern voller Pilzbier herbei.

»Der Alte isser wieder! Er is wieder ein ganz normaler Ork! Endlich!«, freute sich Zugrakk, wobei er hinter der breiten Stuhllehne in Grimzhags Rücken herumtanzte. »Prost, ihr Snaghirne!«

»Prost, Zugrakk!«, sagte der Häuptling wieder einmal und hielt sich den Kopf.

Zaydan Shargut war mit der Arbeit seines Dieners zufrieden. Er streckte sich auf einer samtbezogenen Liege aus, immer wieder einen Schluck Wein schlürfend und ständig grinsend. Hier, im Zentrum von Kin-Weig, wo der Handel pulsierte und der Gewinn floss, besaß Zaydan nicht nur eine Vielzahl von Lagerhallen, sondern auch eine große, prunkvolle Villa mit Blick auf den wichtigsten Marktplatz der Stadt.

Draußen schrien und feilschten die Kaufleute und Karren rumpelten durch die Gassen, doch diese Geräuschkulisse war Musik in Zaydans Ohren. Es war der Klang emsigen Handels und der niemals ruhenden Suche nach Gewinn und Profit. Das liebte der Händler aus Berbia mehr als alles andere.

»Es war einfacher als ich gedacht habe, Herr. Dieser dämliche Orkkönig ließ sich verdammt leicht überzeugen. Die gelieferten Waffen und das viele Gold haben ihn sofort begeistert. Ich kann mir gut vorstellen, dass es uns gelingen wird, ihn eines Tages zum Krieg gegen Grimzhag zu bewegen«, erklärte Weng.

»Hervorragende Arbeit, mein Lieber. So gehört sich das!«, lobte Zaydan und strich sich über seinen schwarzen Bart.

»Du willst den Grünhäuten also noch mehr Waffen liefern, nicht wahr?« Der gedrungene Manchine kratzte sich am Kinn.

»Ja, natürlich! Ich habe noch eine weitere Ladung vorbereitet, aber das wird nicht alles sein. Es ist wichtig, dass dieser Baudrogg auch die anderen Orkhäuptlinge der Dunklen Lande zu einer Allianz gegen Grimzhag zusammenführt. Füttere ihn regelmäßig mit neuen Gerüchten über die angeblichen Kriegspläne dieses Mazaukkönigs. Wir hätten unsere Spione überall und so weiter. Wenn Baudrogg wirklich so leichtgläubig ist, dann kann er uns sehr dienlich sein«, bemerkte Zaydan.

»Unsere Karawanen lässt er ja inzwischen durch sein Reich ziehen – der Rest wird auch kein Problem sein. Diese Orks sind dumm und zugleich so kriegerisch, dass man sie schnell gegeneinander hetzen kann«, sagte Weng.

»Richtig! Und genau das habe ich vor. Wenn man mit fremden Völkern zu tun hat, muss man verstehen, wie sie denken. Das ist auch beim Handeln das Wichtigste. Fühle dich in die Seele deines Gegenübers ein und erzähle ihm, was er hören will. Dann sprudelt der Gewinn! Eine uralte Weisheit der berbischen Kaufleute«, lachte der Großhändler.

Sein Gehilfe nickte und verbeugte sich. Dann machte er Anstalten, den luxuriös ausgestatteten Raum wieder zu verlassen, doch sein Herr rief ihn zurück.

»Warte noch! Ich hätte da noch etwas, mein Lieber.«

Der gelbhäutige Manchine drehte sich um. »Aha?«

»Du wirst noch eine weitere Reise machen, Weng!«

»Noch eine?«

»Ja, in die östlichen Steppen.«

»Warum das denn?«

Zaydan grinste. »In den östlichen Steppen befindet sich das Reich des berüchtigten Grashrakk Khan, des mächtigsten Hobgoblinhäuptlings. Du hast sicherlich schon von ihm gehört, oder?«

Weng nickte mit skeptischem Blick und sein Herr fuhr mit seinen Ausführungen fort.

»Du wirst Grashrakk Khan aufsuchen und einen ersten Kontakt zu ihm herstellen. Natürlich wirst du nicht mit leeren Händen, sondern mit einigen Säcken voller Gold kommen. Da dieser Grimzhag offenbar einen großen Einfluss in den westlichen Steppen gewonnen hat, kann ich mir gut vorstellen, dass Grashrakk davon nicht übermäßig begeistert ist«, erläuterte Zaydan und winkte seinen Handlanger noch etwas näher heran. Weng folgte der Aufforderung augenblicklich und der schwarzhaarige Kaufmann hob den Zeigefinger.

»Hör gut zu, was ich dir jetzt sage…«, flüsterte er und der Manchine beugte sich zu ihm herab.

Erschrocken wich der grünhäutige Krieger zurück und fummelte nervös an seinem Brustpanzer aus gehärtetem Leder herum. Grimzhag war mit einem gewaltigen Satz aus seinem Thron gesprungen und kam nun schnellen Schrittes auf den Kundschafter zu. Knurrend starrte er umher und ballte die Faust.

»Ist das wirklich wahr?«, brüllte er zornig.

Sofort senkte der Ork den Blick zu Boden. »Ja, Wütender! Ich und einige andere Krieger haben es gesehen…«

»Baudrogg, dieser Gnoggschädel, lässt die Karawanen der Menschlinge durch sein Reich nach Westen ziehen?«, grollte Grimzhag.

»Wir sind uns ganz sicher, übellaunige Faust!«, antwortete der Orksoldat und versuchte, nicht in den sich langsam ausbreitenden Dunstkreis von Grimzhags Wut zu kommen.

»Das ist Verrat! Verrat am Volk der Orks! Dieser verfluchte Wurm!«, wetterte der junge Brüller und fletschte die Zähne wie eine angriffslustige Steppenkatze.

Das besänftigende Wippen mit dem Oberkörper und das darauffolgende Grunzen des Kriegers half nicht viel, denn jetzt war der Orkkönig richtig zornig.

»Die Menschlingshändler haben Baudrogg bestochen, so dass er es erlaubt hat…«, stammelte der Krieger.

»Goffrukks Keule! Das kann ich mir selbst zusammenreimen, Schwachkopf! Das ist ein feindseliger Akt, der unserem ganzen Volk schadet! Wer mit den Menschlingen paktiert, ist weniger wert als ein verschimmelter Haufen Fleisch!«, schrie Grimzhag.

Das wütende Gebrüll des jungen Königs hatte Soork auf den Plan gerufen, der in einem Raum direkt über dem Thronsaal ein Nickerchen gemacht hatte. Verstört kam der Schamane ins untere Stockwerk, um nach dem Rechten zu sehen. Inzwischen konnte man Grimzhags Gezeter in ganz Chaar-Ziggrath hören.

»Was ist passiert?«, rief Soork mit besorgter Miene und kam in die Halle gestürmt. Sofort traf ihn Grimzhags wütender Blick wie ein geschleuderter Speer.

»Die Karawanen der Menschlinge ziehen jetzt durch Baudroggs Reich, Schamane!«, erklärte der Anführer der Mazauk.

»Das war zu erwarten!«, war alles, was Soork dazu sagte.

»Was?«, fauchte ihm Grimzhag entgegen.

»Es war zu erwarten, dass die Menschlingshändler einen Weg finden, ihre Waren auch weiterhin nach Westen zu transportieren. Für wie dumm hast du sie denn gehalten, junger Brüller?«

Mit dieser Antwort hatte Grimzhag nicht gerechnet und für einen kurzen Moment wirkte er fast beleidigt. Derweil fuhr der Geistesbegabte fort: »Die Händler werden sich mit Baudrogg geeinigt haben. Sicherlich haben sie ihm einen großen Haufen Gold gegeben und sich damit das Recht erkauft, durch sein Gebiet reisen zu dürfen. Du kannst nichts dagegen tun, Häuptling. Wie gesagt, mich überrascht diese Nachricht nicht.«

Ein wütendes Heulen hallte durch den Thronsaal und Grimzhag stampfte in einem Anfall von Enttäuschung und Jähzorn auf.

»Baudrogg ist ein Verräter am Orkvolk! Ich sollte ihm mit meinen Kriegern zeigen, was es bedeutet…«, knurrte der Orkkönig.

Soork hob die Klaue und schrie dazwischen. »Jetzt reicht es aber! Wir brauchen ein gutes Verhältnis zu den Orks im Süden der Dunklen Lande. Du musst Baudroggs Verhalten akzeptieren und wirst auf keinen Fall einen Krieg riskieren, nur weil dieser Kerl die Menschlingshändler durch sein Reich ziehen lässt. Das wäre die größte Dummheit!«

»Aber er ist ein Verräter…«, schimpfte Grimzhag, wobei er schon wieder etwas leiser wurde.

»Von einem Grauaugenork erwarte ich vorausschauendes Denken«, mahnte der Schamane. »Du wirst Baudrogg ignorieren und dich nicht in Dinge einmischen, die außerhalb der Grenzen deines Reiches geschehen und dich deshalb auch nichts angehen.«