Die Anwältin - Echo der Strafe: Ein Fall für Laura Di Palma 5 - Lia Matera - E-Book
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Die Anwältin - Echo der Strafe: Ein Fall für Laura Di Palma 5 E-Book

Lia Matera

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Beschreibung

Ein Fall, der sie alles kosten könnte: Der fesselnde Kriminalroman »Echo der Strafe« von Lia Matera jetzt als eBook bei dotbooks. Strafverteidigerin Laura Di Palma hat es endlich geschafft – doch nun setzt ihr ehemaliger Chef alles daran, ihre neugegründete Kanzlei zu vernichten. Sie ist eine zu große, zu unberechenbare Konkurrenz geworden – zumal Laura nicht wie viele ihrer Kollegen Geld und Einfluss den Vorzug vor Gerechtigkeit gibt. Als Laura sich Rat bei der Star-Anwältin Jocelyn Kinsley holen will, wird diese vor ihren Augen erschossen. Ihre letzten Worte geben Laura Rätsel auf … und schon bald muss sie sich fragen, ob die Kugel vielleicht für sie selbst bestimmt war. Einzig ihrem alten Freund, dem Privatdetektiv Sandy Arkelett, scheint Laura noch vertrauen zu können. Aber wird das genug sein, um in dem tödlichen Sumpf der Anwaltswelt von San Francisco zu überleben? »Laura Di Palma gehört in dieselbe Liga außergewöhnlicher Frauen wie Sue Graftons Kinsey Millhone und Sara Paretskys V.I. Warshawski, wenn es um Cleverness, Kampfgeist und Schneid geht.« Booklist Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Die Anwältin – Echo der Strafe« von Lia Matera ist das spannungsgeladene Finale ihrer Krimi-Reihe um eine Frau zwischen zwei Welten: ihrer Heimat in den kalifornischen Redwood-Wäldern und den schillernden Anwaltskanzleien San Franciscos. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 427

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Über dieses Buch:

Strafverteidigerin Laura Di Palma hat es endlich geschafft – doch nun setzt ihr ehemaliger Chef alles daran, ihre neugegründete Kanzlei zu vernichten. Sie ist eine zu große, zu unberechenbare Konkurrenz geworden – zumal Laura nicht wie viele ihrer Kollegen Geld und Einfluss den Vorzug vor Gerechtigkeit gibt. Als Laura sich Rat bei der Star-Anwältin Jocelyn Kinsley holen will, wird diese vor ihren Augen erschossen. Ihre letzten Worte geben Laura Rätsel auf … und schon bald muss sie sich fragen, ob die Kugel vielleicht für sie selbst bestimmt war. Einzig ihrem alten Freund, dem Privatdetektiv Sandy Arkelett, scheint Laura noch vertrauen zu können. Aber wird das genug sein, um in dem tödlichen Sumpf der Anwaltswelt von San Francisco zu überleben?

»Laura Di Palma gehört in dieselbe Liga außergewöhnlicher Frauen wie Sue Graftons Kinsey Millhone und Sara Paretskys V.I. Warshawski, wenn es um Cleverness, Kampfgeist und Schneid geht.« Booklist

Über die Autorin:

Lia Matera ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die für ihre Krimireihen um die toughen Anwältinnen Laura Di Palma und Willa Jansson u. a. für den »Edgar Allan Poe«-Award nominiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Als Absolventin der juristischen Fakultät von San Francisco flossen viele ihrer Erfahrungen aus der Welt der Anwälte und Justizskandale in ihre Kriminalromane ein.

Bei dotbooks veröffentlichte Lia Matera ihre Reihe um Laura Di Palma mit den Kriminalromanen:

»Die Anwältin: Glanz der Lüge – Der erste Fall«

»Die Anwältin: Zeichen des Verrats – Der zweite Fall«

»Die Anwältin: Flüstern der Rache – Der dritte Fall«

»Die Anwältin: Schatten der Schuld – Der vierte Fall«

Sowie ihre Reihe um Willa Jansson mit den Kriminalromanen:

»Tödliches Urteil – Der erste Fall«

»Kalte Strafe – Der zweite Fall«

»Perfektes Verbrechen – Der dritte Fall«

»Strafendes Schweigen – Der vierte Fall«

»Zornige Anklage – Der fünfte Fall«

»Geheime Zeugen – Der sechste Fall«

»Stiller Verrat – Der siebte Fall«

***

eBook-Neuausgabe November 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1995 unter dem Originaltitel »Designer Crimes« bei Simon & Schuster, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Designermorde« im Econ Ullstein List Verlag.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1995 by Lia Matera

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Senyuk Mykola / IM_photo / HolyCrazyLazy

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-915-7

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Lia Matera

Die AnwältinEcho der Strafe

Kriminalroman – Ein Fall für Laura Di Palma

Aus dem Amerikanischen von Jutta Lützeler

dotbooks.

Für Kevin Lewis und Robert Irvine,

die mir wieder einmal perfekte Vorschläge gemacht haben;

und für Jim Aschbacher und Lisa Jensen,

Fay Augustine und Tom Derr,

Tom Maderos und Vicki Bolam,

Kent Benedict und Paula Gomez:

Was für eine tolle Truppe sie doch sind.

Prolog

Er war ein beeindruckender Mann, dick gepolstert in karierter Wolle. Die Lampe auf meiner Veranda hüllte ihn in Nebel. Zwei Männer tauchten immer wieder hinter ihm auf und verschwanden dann aus meinem Blickwinkel.

»Laura Di Palma?« Er wartete nicht auf meine Antwort; er kannte mich aus dem Gerichtssaal und den Nachrichten. Ich wusste, dass er ein Cop war. Das verriet seine Stimme. »Ich habe einen Haftbefehl gegen Sie.«

Er wedelte mit einem Dokument vor meinen Augen herum und im Scheinwerferlicht meines Schocks sah das Stück Papier beinah grell aus. »Ich verhafte Sie wegen Beteiligung an einem Mordanschlag auf Constance Gold. Sie haben das Recht zu schweigen.«

Und noch ein paar andere, die er mir der Reihe nach vorlas. Hinter ihm bremste ein Wagen unter der Straßenlaterne. Eine Staatsanwältin – nicht Connie Gold, sondern eine ihrer Untergebenen – sprang hastig heraus, ohne die Scheibenwischer oder die Scheinwerfer auszuschalten. Der glatte Asphalt glänzte wie Eis.

Für einen Moment stand plötzlich das ganze Chaos vor meinem geistigen Auge: meine Rechnungen, mein Fall, mein ungespültes Geschirr. Mein Koffer, der immer noch nicht gepackt war.

Alles, was mir zu sagen einfiel, war: »Auf mich wurde auch geschossen. Zwei Mal.« Aber ich war nicht getroffen worden; vielleicht machte mich das verdächtig. »Jemand versucht, mich zu töten. In San Francisco, in Jocelyn Kinsleys Büro – Sie wissen doch davon.« Ein maskierter Mann war in das Büro geplatzt und hatte mich um Zentimeter verfehlt, als er Kinsley erschoss. Seitdem ist er hinter mir her.« Die Kugel, die Gold erwischt hatte, war garantiert für mich bestimmt gewesen. Ich musste ihnen das begreiflich machen.

»Sehen Sie denn nicht –« Ich verstummte. Es gab so viel zu erklären und vieles davon würde ihren Zorn erregen. Es würde ihnen zu verstehen geben: Ich traue weder euch Hinterwäldler-Bullen noch der Staatsanwaltschaft zu, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und offensichtlich hatte ich damit Recht.

»Ich bin nicht sehr beliebt bei der hiesigen Staatsanwältin, darum geht es doch.« Ich hatte Connie Gold den Krieg erklärt, indem ich für die Privatsphäre meines zu Unrecht angeklagten Mandanten kämpfte. Aber hier oben, knapp fünfhundert Kilometer von der nächsten großen Stadt entfernt, war es nur ein kurzer Schritt vom Holzfällerkaff zur Bananenrepublik. Ich unterdrückte den dringenden Wunsch, gegen den schrecklichen Provinzialismus der ganzen Sache zu wettern.

Die stellvertretende Staatsanwältin stand vor mir. Ihr Haar war vom Nebel überzogen, ihr Gesicht mit den breiten Augenbrauen im Licht der Scheinwerfer grimmig. Sie schüttelte den Kopf.

Mich überkam erneut ein Anflug von tiefer Furcht. Vielleicht steckte mehr dahinter, vielleicht hatten sie Beweise, von denen ich nichts wusste. Vielleicht konnten sie einen Fall daraus machen.

Einer der Zivilbeamten fing an mich abzutasten und mich nach Waffen abzusuchen. Die Staatsanwältin stand mit schmalen Lippen und steifen Schultern daneben. Ich versuchte vergeblich, mich an ihren Namen zu erinnern.

»Ich muss in San Francisco anrufen.« In San Francisco, wo sich meine Anwaltskanzlei befand; wo ich nun sein würde, wenn ich mich nicht bereit erklärt hätte, einen Schulfreund zu verteidigen. »Ich muss mit meinem Anwalt reden.«

Der Gesichtsausdruck des Cops hieß so viel wie: Ach, wirklich, Sherlock? »Sie werden Gelegenheit dazu haben.« Er führte mich ab. Ohne Handschellen. Vielleicht eine der informellen Sitten der Kleinstadt, aber wohl eher eine Verbeugung vor meinem Onkel, dem Bürgermeister.

»Sie hatten kaum Zeit für eine Ermittlung.« Ich warf einen fragenden Blick auf die Staatsanwältin. »Sie können keine Beweise haben.«

»Wir können und wir haben.« Ihre Stimme war blasiert und melodisch, voller fragender Betonungen. Eine L.-A.-Stimme. War sie eine von den vielen aus Südkalifornien, die in den Redwood-Wäldern unterhalb von Orgeon die Natur entdeckt hatten? »Wir bemühen uns, schnell zu handeln. Wir versuchen unsere Bürger zu schützen.«

Im Gegensatz zu schleimigen Strafverteidigern? Ich verkniff mir die Frage. Niemand konnte es in Sachen politisch selektiver Strafverfolgung mit der Staatsanwaltschaft von Hillsdale aufnehmen.

Draußen kühlte der Nieselregen meine vom Adrenalin erhitzte Haut. Es musste irgendeinen Vorwand für meine Verhaftung geben. Bestimmt hatte die Staatsanwältin irgendetwas angeboten, um meinen Haftbefehl zu bewirken. Was konnte das sein?

Als ich auf dem Rücksitz des Polizeiwagens saß, schloss ich die Augen. Gestern war ein maskierter Mann blitzartig aus dem Nichts aufgetaucht, um mich zu erschießen. Aber diesmal hatte ich ihn kommen sehen. Diesmal war ich nicht aus Versehen aus der Schusslinie gefallen – ich hatte mich geduckt. Connie Gold hatte neben mir gestanden. Und nun war sie wie ein verwundeter Grizzly, der Rache nehmen wollte.

Noch vor einer Woche hatte ich Sandy Arkelett gesagt, er sei verrückt, da niemand hinter mir her sei.

Noch eine Woche zuvor hatte mein größtes Problem darin bestanden, dass ich Steve Sayres hasste.

Kapitel 1

Ich hasste Steve Sayres, wie man sonst nur einen Exmann hasst. Und ich hatte beinah genauso viel Zeit mit ihm verbracht. Sechseinhalb Jahre waren wir zwei Türen auf einem Gang gewesen, zwei Sterne an dem zu kleinen Firmament von White, Sayres & Speck.

Und wenn ich der größere Stern war, nun, er hätte sich darüber freuen sollen. Schließlich war es sein Partnerschaftsanteil der Firma, den ich vergrößert hatte. Er war es, der das zusätzliche Geld mit nach Hause genommen hatte –, um sich ein Segelboot zu kaufen, einen Weinkeller zuzulegen und eine Vertäfelung aus Mahagoni anbringen zu lassen –, nicht ich. Er durfte jeden Abend um sieben nach Hause gehen, da er sich darauf verlassen konnte, dass ich, eine hungrige Mitarbeiterin, die unbedingt Partnerin werden wollte, mich bis um zehn abschuftete.

Aber sein Wohlstand hatte seinen Preis: Wenn er in den Spiegel sah, stand ich neben ihm. Und er war ein verwöhnter Arztsohn, der Star des Footballteams – ganz wie man es aus kitschigen Filmen kannte. Wenn er schon das Rampenlicht mit jemandem teilen musste, dann mit den anderen Goldjungs, die fröhlich die Abkürzungen im Leben nahmen. Nicht mit einer Frau, die weder den Cheerleader machen wollte noch den Ball abgab, wenn sie selbst damit laufen konnte.

Sogar jetzt, nachdem ich die Firma und Sayres’ (teure) Gegend verlassen hatte, sogar jetzt konnte er mir nichts gönnen.

Noch schlimmer, er konnte es nicht vergessen, konnte mich nicht in Ruhe lassen. Ich hatte versucht, ihm zu sagen: Ja, du hast den Pinkelwettbewerb gewonnen, Sayres, du kannst ihn wieder zurück in die Hose stecken.

Aber ich hatte durch ein halbes Dutzend Quellen von seinen verleumderischen Tiraden gehört. Und nun feuerte mich wegen ihm mein einziger zahlungskräftiger Mandant.

Ich versuchte, nicht aus meinem Stuhl aufzuspringen und zu rufen: »Na schön! Dann verlieren Sie eben den Fall wegen Ihrer Kumpeltour!« Ich versuchte daran zu denken, dass es vielleicht noch nicht zu spät war, diese Kastanie aus dem Feuer zu holen.

»Ich glaube, Sie machen einen Fehler, wenn Sie zu einer anderen Kanzlei wechseln, Perry. In einem Fall wie diesem muss man sich sehr gründlich einarbeiten.« Obwohl die komplizierten Einzelheiten kundenspezifischer Robotertechnik meine Anzahlung gerechtfertigt hatten, war es keine sehr spaßige Arbeit gewesen. »Warum wollen Sie jemand anderes dafür bezahlen, sich mit den Einzelheiten Ihrer Produktion vertraut zu machen? Und außerdem« – ich sprach hastig, da ich sah, dass er der peinlichen Situation ein Ende bereiten wollte – »werden Sie keinen geeigneteren Anwalt finden. Ich verfüge über jahrelange Erfahrung im Wirtschaftsrecht.«

»Nun«, sagte er und bewegte sein ausladendes Hinterteil. »Sie haben diesen strafrechtlichen Fall angenommen« – sein Ton implizierte, dass ich ihn für einen unbedeutenden Bediensteten hatte sitzen lassen –, »und wie ich schon sagte, bei all den Schwierigkeiten, die damit verbunden sind ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende, als bestünde kein Anlass, die Gründe zu wiederholen. So als hätte er bereits alles erklärt.

»Sie haben gehört, dass ich Zivilfälle zweitrangig behandele, nicht wahr? Dass ich mich auf meine Strafprozess-Mandanten konzentriere und meine Wirtschaftsfälle zu kurz kommen lasse.« Ich zwang mich, Steves Namen herunterzuschlucken. »Es ist nicht wahr.«

Perry und die Multimillionen Dollar schwere Firma, die er repräsentierte, standen auf und machten Anstalten zu gehen. »Sie wissen doch, Laura. Wenn so viel Geld auf dem Spiel steht ...« Sein Kiefer versteifte sich sichtbar. »Die Aktionäre bezahlen mich dafür, vorsichtig zu sein. Sie sind eine Einpersonenkanzlei. Und nun haben Sie diesen großen Strafprozess.«

Ich blickte in sein wohl genährtes, verdrossenes Gesicht. Er war ein vermögender Mann in den Fünfzigern, den die Aura eines verwöhnten Ehemannes umgab. Er schien nicht an Widerspruch gewöhnt zu sein.

Ich fragte mich, wie oft seine Firma schon verklagt worden war. Oft genug, um zu wissen, dass mir der Richter, da sich so ein Verfahren oft monatelang hinzog, genügend Tage einräumen würde, um einen anderen Fall zu verteidigen.

»Seien Sie ehrlich«, drängte ich ihn. »Steve Sayres ist zu Ihnen gekommen, nicht wahr? Er hat Ihnen gesagt, dass ich Sie wegen dieses anderen Falles vernachlässigen würde.«

Aber sogar während ich das sagte, wusste ich, dass es nicht ganz genau so passiert war. Steve war ein Meister der kleinen Nadelstiche, ein Stich hier, ein Stich da, bis die gewünschte Wirkung eintrat.

Er hatte wahrscheinlich während eines Drinks ein oder zwei Bemerkungen fallen lassen, eine weitere beim Mittagessen, einen freundlichen Rat, ein trauriges Kopfschütteln. Sayres war leicht zu durchschauen, aber die meisten Augen blieben an dem zerknitterten Lächeln und dem tollen Anzug hängen. Mein Mandant – inzwischen mein ehemaliger Mandant, wie ich feststellen musste – runzelte die Stirn und schürzte geringschätzig die Lippen. Manchmal glaube ich, unser stärkstes kulturelles Vorurteil besteht gegen Ankläger. Egal um welche Anklage es geht, wir halten es für geschmacklose Paranoia, eine alberne Verschwörungstheorie, fehlenden Sportsgeist. Vielleicht hassen wir es, uns mit den Problemen anderer auseinander zu setzen; es ist einfacher, schlecht von den Betroffenen zu denken.

Ich beobachtete Perry und machte eine Bestandsaufnahme. Er würde Sayres eher glauben als mir, denn Sayres hatte ihn davon überzeugt, dass sie zum selben Team gehörten – zu den Guten in der Geschäftswelt. Er würde mir nicht glauben, da ich seinem Lieblingsstereotyp entsprach: eine Emanze mit Problemen. Mir war das Ganze schon tausendmal in tausend verschiedenen Verkleidungen begegnet.

Meist akzeptiert man die vertraute Ungerechtigkeit mit der üblichen Resignation. Aber dann weiß man plötzlich, dass man genug hat.

Kapitel 2

»Ich habe genug von Steve Sayres und seinen schleimigen Andeutungen«, schloss ich. »Ich will ihn verklagen.«

Die Anwältin, die mir gegenübersaß, spielte mit einem schwarzen Tesafilm-Spender aus Metall herum. Das hatte sie schon die ganze Zeit getan, während ich mit ihr sprach. Es war ein Anzeichen für meine allgemeine Wut, dass ich sagte: »Brauchen Sie Tesafilm?«

Sie errötete und stellte den Spender zurück auf den Tisch. »Es tut mir Leid – ich habe Ihnen zugehört.« Sie schob den Spender von sich – über verstreute Aktenmappen und gelbe Notizblätter hinweg, die sie aufs Gesicht gelegt hatte, damit ich sie nicht lesen konnte.

Verdammt, sah sie jung aus. Jung, unentschlossen und nicht so ganz bei der Sache. Und dennoch hatte ich gehört, dass dies die aggressivste und cleverste Kanzlei für Arbeitsrecht in der Stadt war. Man hatte mir erzählt, dass diese Kanzlei mit harten Bandagen kämpfte. Aber angesichts der lieblichen Renaissance-Engel, die die Wände von Jocelyn Kinleys Büro zierten, und des rosafarbenen Angorapullovers unter ihrem beigefarbenen Leinenjackett wäre ich nie darauf gekommen. Sie sah aus wie eine Frau mit zwei Katzen zu Hause und einer großen Familie im Mittleren Westen. Eine Frau, die im August schon mit der Weihnachtsbastelei anfing. Nicht wie eine Anwältin für Arbeitsrecht. Nicht wie jemand, der in der oberen Liga mitspielte. Vielleicht war es ihre Partnerin in der Kanzlei, Maryanne More, an die die meisten Leute dachten, wenn sie More & Kinsley erwähnten. Aber More, so schien es, hatte sich auf Arbeitsrecht im Hightech-Bereich spezialisiert. Und Kinsley kümmerte sich, neben anderen Dingen, um arbeitsrechtliche Verleumdungsklagen.

Als hätte sie eine innere Stimme erschreckt, nahm sie einen Stift in die Hand und setzte die Spitze auf ihren gelben Block. »Steven Sayres«, sagte sie und machte sich Notizen. »Und wer sind die Leute, mit denen er Ihrer Meinung nach geredet hat?«

Ich kämpfte einen kurzen Anflug von Wut hinunter. Hatte sie nicht zugehört? Wir sprachen hier von meinem finanziellen Überleben. »Ich habe als Erstes von –«

»Was ist das?« Sie sah aus wie ein niedliches Kaninchen, mit großen Augen und unruhigem Gesichtsausdruck.

»Was?« Ich stand kurz davor, aufzustehen und zu gehen.

Sie hatte wieder den Spender in der Hand, saß aufrecht da und starrte an mir vorbei – wie ich annahm, auf ihre geschlossene Bürotür.

»Wollen Sie die Namen?« Ich versuchte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf meine Angelegenheit zu lenken. Nebenbei bekam ich mit, dass es draußen vor der Tür einen kleinen Aufruhr gab. Ich hörte jemanden schreien, ein paar laute Geräusche, wie von Partykrachern oder Champagnerkorken.

Kinsley richtete sich auf und rollte ein Stück mit ihrem hochlehnigen Stuhl zurück. Sie sah mich nicht an und schien mich auch nicht zu hören.

Mit einem Kopfschütteln, das so viel heißen sollte wie »Zum Teufel damit!«, stand ich auf. Ich würde mir einen Anwalt mit einer normalen Aufmerksamkeitsspanne suchen.

Weil alles so schnell passierte, hatte ich keine Chance, ihren Entsetzensschrei und die Tatsache, dass sie plötzlich den Tesafilm-Spender nach mir warf, zu analysieren.

Der Metallgegenstand traf mich an der Stirn. Der Aufprall, vielleicht gepaart mit meiner Überraschung, ließ mich zur Seite fallen. Ich versuchte, an dem Stuhl Halt zu finden, spürte jedoch, wie er nach hinten rutschte und die Beine über den goldfarbenen Teppich schabten. Ich schlug mit Schulter und Gesicht auf, gepackt von einer riesigen Wut.

Ich wollte Jocelyn Kinsley für ihr dummes Benehmen zusammenstauchen, meinen ganzen Zorn auf sie richten, der im Grunde Steve Sayres und all den ungerechten Hindernissen und der albernen Scheiße galt, die meine Kanzlei zu vernichten drohten. Ich war zu wütend, um Schmerzen zu empfinden, aber bereit, den nicht gespürten Schmerz als Entschuldigung zu benutzen, um in die Luft zu gehen.

Ich hätte wissen müssen, dass etwas nicht in Ordnung war. Kinsley hatte schließlich einen Tesafilm-Spender nach mir geworfen.

Ich hörte wieder ein paar Explosionen, die diesmal jedoch zu laut waren, um als Korkenknaller in der Ferne durchzugehen. Ich konnte einen kühlen Luftzug spüren; die Bürotür war offen. Die Explosionen machten mich beinah taub.

Irgendwo hinter mir auf dem Gang ertönte ein Stakkato von Schreien und panischen Stimmen. Ich atmete einen scharfen, durchdringenden Geruch ein, der mich an benutzte Feuerwerkskörper erinnerte. Ich blickte nach oben. Das Deckenlicht flackerte wie Tageslicht im Wasser.

Ich spürte eine Bewegung auf dem Boden. Auf der anderen Seite des antiken Schreibtisches mit den geschwungenen Beinen lag Jocelyn Kinsley zusammengekrümmt auf dem Boden. Ihr Gesicht war mir zugewandt und rosafarbener Schaum blubberte über ihre Lippen.

Ich schrie. Ich wusste, warum ich auf dem Boden lag – aber warum sie? Die Realität hatte plötzlich einen Purzelbaum geschlagen.

Ihre Augen waren halb geschlossen, ihr alabasterfarbenes Gesicht war mit einer Schweißschicht überzogen und aus ihrem kunstvoll geschminkten Mund lief Schaum. Ich bemerkte um mich herum einen Tumult, jemand hielt mich an den Schultern fest, als ich versuchte aufzustehen, und eine Stimme schrie: »Er hat sie erschossen!«

Ich versuchte, die Hände wegzustoßen. Ich wollte auf die Beine kommen, mich orientieren, verstehen, was passiert war, und alles wieder unter Kontrolle kriegen. Aber besorgte Hände zwangen mich, unten zu bleiben und durch den Bogen von Kinsleys Schreibtisch in ihr blasses Gesicht zu starren.

Um sie herum befanden sich ebenfalls Leute, aber für mich waren sie nur Ärmel und Torsos, die hastig Jacken auszogen, um Kinsley zuzudecken, und davon sprachen, sie warm zu halten und Druckpunkte zu finden.

Ihre Augen waren halb geöffnet; sie schien mich über den mit Teppich ausgelegten Boden hinweg anzustarren. Ihre Lippen bewegten sich, hielten dann wieder inne. Ihre Zunge kam hervor, um den blutigen Speichel beiseite zu schieben.

Ihre Augen öffneten sich weiter und hielten meinen Blick gefangen. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass sie gelbbraun waren, ein ähnlicher Farbton wie der ihrer Locken.

An mich gerichtet und sehr deutlich stieß sie mit rauer Stimme hervor: »Designerverbrechen.«

Jemand, der über sie gebeugt stand, eine Frau in weißer Seide, deren Jacke Kinsley bedeckte, sagte: »Was? Was? Jocelyn?«

Über ihr erwiderte jemand: »Einer will sich rächen. Sie hat gesagt: ›Einer will sich rächen.‹«

»O Joss, nein«, sagte die Frau mit der weißen Bluse. »Nein, das stimmt nicht. Das stimmt nicht.« Als würde es Kinsley besser gehen, wenn das Motiv nicht Rache war.

»Das hat sie nicht gesagt«, teilte ich der Person mit, die sich über mich beugte. Aber sie war zu sehr damit beschäftigt, sich über die Tischplatte zu beugen und von ihren Kolleginnen zu erfahren, ob Jocelyn Kinsley wieder in Ordnung kommen würde.

Meine Desorientierung ließ langsam nach. Ich setzte mich mühsam auf und schob die Frau unsanft weg.

Ich spürte etwas über meine Stirn laufen und griff mit einer ängstlichen Handbewegung nach oben. Es war Blut. Eine Sekunde lang starrte ich von Kälte ergriffen auf meine blutigen Fingerspitzen, bevor ich begriff, dass der Tesafilm-Spender mich an der Stirn getroffen und meine Haut aufgeritzt hatte.

Ich war nicht angeschossen worden. In dem Moment, als ich das begriff, wusste ich, dass es Jocelyn Kinsley getroffen hatte.

Und ich wusste, was die Explosionsgeräusche wirklich gewesen waren. Ich erkannte den typischen Knallfroschgeruch in der Luft.

Jemand war mit einer Waffe in der Hand in das Büro geplatzt. Kinsley, die bereits von dem Lärm vor der Tür erschrocken war – wusste sie, dass es Schüsse waren? –, hatte die Bürotür beobachtet. Als die Person eintrat, hatte sie den Gegenstand in ihrer Hand, den Tesafilm-Spender, geworfen. Aber ich war in diesem Moment ungeduldig aufgestanden, so dass ich ihn an die Stirn bekommen hatte und zu Boden gefallen war.

Die Schüsse, die Jocelyn Kinsley getroffen hatten, hätten mich getroffen, wenn ich sitzen geblieben wäre. Aber ich lag bereits am Boden, als sie vorbeisausten und sie einmal an der Schulter und ein weiteres Mal in der Brust trafen.

In dem Moment, in dem ich mich im Raum umsah und begriff, was los war, starb Jocelyn Kinsley. Die Frau, die neben ihr hockte, begann heftig zu zittern und zu schluchzen. Und mehr als einmal, während ich darauf wartete, dass die Sanitäter ankamen, hörte ich den Satz: »Einer will sich rächen.«

Aber das waren nicht Kinsleys letzte Worte gewesen.

Designerverbrechen. Ich konnte meine Augen schließen und Kinsley hören. Es kam mir vor, als hätte sie mir die Worte wie ein Tagebuch überreicht und erwartete, dass ich sie durch diese Worte verstand.

Nur weil ich mich in ihrem Blickfeld befand? Oder weil ich die einzige Fremde im Raum war?

Ich zog mich in eine Ecke zurück und schlang die Arme um meinen Körper, während ich den trauernden Frauen zusah. Sekunden später stürmte die Polizei mit gezückten Waffen in den Raum, um den Tatort zu sichern. Ihr folgten hektische Sanitäter, die Kinsleys Oberteil aufrissen und davon sprachen, sie zu »intubieren«.

Ich muss wohl mit der Polizei gesprochen haben und ihr versichert haben, dass ich mich für Befragungen zur Verfügung stellen würde. Ich muss den Sanitätern gesagt haben, dass ich nichts Schlimmeres als eine Schramme auf der Stirn erlitten hatte. Aber ich erinnere mich nur, dass ich mich alleine in die Ecke hockte, alles beobachtete und nachdachte.

Designerverbrechen, ihre letzten Worte. Sie mussten etwas zu bedeuten haben. Man sagte doch keinen Unsinn, bevor man starb. Man versuchte, so viel wie möglich von dem zu sagen, was einem als Erstes in den Sinn kam.

Designerverbrechen. Diese Phrase würde mein Mantra werden.

Kapitel 3

Was ich früher einmal für eine normale Reaktion auf Sandy Arkelett gehalten hätte, war nun mit Konnotationen überfrachtet. Wir kamen uns wieder näher.

Er wandte sich ab und fuhr sich mit der Hand über das allmählich dünner werdende, sandfarbene Haar. Von hinten sah er aus wie Gary Cooper, groß und schlaksig in einem leicht ausgebeulten Anzug.

Er ging zum anderen Ende seines Büros und drehte sich dann zu mir um.

»Es ist mir egal.« Sein Ton besagte etwas anderes. »Es ist mir egal, was du darüber sagst, was du daraus machst.«

»Ein guter Mann kümmert sich um die Seinen.«

»So ungefähr.« Seine langen Beine brachten ihn schnell zu mir zurück, wo er sich vor mir aufbaute. Hinter ihm umrahmten gemaserte Fenster graue Gebäude. Die Stadt sah schmutzig aus. Der letzte Regen war zu lange her. »Warum nicht, Laura? Wer kann es besser?«

»Diese Haltung bedeutet normalerweise, dass sich jemand ständig in Positur wirft und sich wichtig macht. Dass er laut wird und nicht richtig zuhört.« Wenn ich ehrlich bleiben konnte, dann hatte ich eine Chance. Wenn ich um sein Ego herumschleichen musste, war das nur eine Wiederholung meiner letzten Beziehung.

»Nun, das mag vielleicht allgemein zutreffen«, räumte er ein. »Aber was hat das mit dir und mir zu tun?«

Ich blickte zu ihm auf. Bevor ich es verhindern konnte, erwischte mich aus einem plötzlichen Hinterhalt mein Gefühl für ihn. Ich hatte ihn verlassen – wie sich herausstellte, eine dumme Entscheidung –, um mit meinem Cousin Hal zusammen zu sein. Wir waren wieder Freunde, nun, da Hal weg war, aber es hatte seine Zeit gebraucht. Ich war mir nicht sicher, was sonst noch zu retten war.

»Ernsthaft«, fuhr er fort. »Was hat das damit zu tun, dass auf dich geschossen wurde?«

»Ich weiß ja gar nicht, ob auf mich geschossen wurde.«

Er kniete sich hin, packte die Armlehnen seines Bürostuhls und hinderte mich daran, weiter in einer tröstenden Bewegung vor und zurück zu wippen. »Wir haben das doch schon durchgekaut. Wenn du nicht aufgestanden und zu Boden geschleudert worden wärst – wofür ich Kinsley unendlich dankbar bin –, hätten diese Kugeln deinen Rücken ungefähr hier durchbohrt.« Er berührte mein Schlüsselbein und meinen Brustkorb. »Du hättest jetzt wahrscheinlich ein Loch im Herzen.«

»Wenn ich sitzen geblieben wäre, hätte er vielleicht gar nicht aus diesem Winkel geschossen. Wenn er hinter Kinsley her war –«

»Wir sprechen von ein paar Sekunden. Die Frage ist, ob er so schnell registriert hat, dass du aus der Schusslinie gefallen warst.«

»Aber er hat erst geschossen, nachdem ich gefallen war.«

»Täusch dich nicht. Der Schall braucht eine Weile. Schüsse fallen, bevor deine Ohren sie wahrnehmen.« Als wollten sie ihm zustimmen, ertönten unten auf der Straße Hupen.

Ich hatte Stunden mit der Polizei verbracht. Man hatte mich zu einer Untersuchung, die ich nicht brauchte, ins Krankenhaus gebracht, weil eine Versicherung und die Staatsanwaltschaft darauf bestanden. Ich hatte den Vorfall seither immer wieder in Gedanken durchlebt. Allmählich war ich es leid.

»Ich werde herausfinden, wer das getan hat, Laura«, wiederholte Sandy. »Das garantiere ich dir. Es ist mir egal, ob du das für Macho-Scheiß hältst. Du sagst mir, es hatte nichts mit dir zu tun. Aber sicher sein kannst du da nicht. Wir müssen es genau wissen.« Er betrachtete mich prüfend. Er wusste wahrscheinlich, dass mein Gefühl bald eine Überdosis erreicht hatte. »Erzähl es mir noch einmal. ›Designerverbrechen‹ – bist du sicher, dass sie das gesagt hat?«

»Ja. Die Polizei hat drei andere Zeugen, die behaupten, sie hätte ›Einer will sich rächen‹ gesagt. Aber ich habe sie direkt angesehen, in Augenhöhe. Ich weiß, was ich gehört habe.«

Er nickte. »Wer hat ›Einer will sich rächen‹ vorgeschlagen?«

»Ich glaube, ihre Partnerin. Maryanne More.«

»Wahrscheinlich kann man so etwas leicht falsch verstehen.« Er ging in die Hocke. »Aber wir können nicht ausschließen, dass jemand eine falsche Fährte legen wollte. Das könnte ein Profianschlag gewesen sein. Es wurde nur eine Person getötet, der Killer trug Handschuhe und eine Skimaske, er lässt die Waffe fallen und verschwindet wie ein Profi. Vielleicht gehört es auch in die Kategorie ›101 California‹.«

101 California – diese Adresse stand für den Fall eines Verrückten, der in eine Kanzlei geplatzt war und acht Leute erschossen hatte, weil er sich von ihnen falsch beraten glaubte.

»Nun, Kinsley hat definitiv nicht ›Einer will sich rächen‹ gesagt«, beharrte ich. »Sie hat ›Designerverbrechen‹ gesagt. Was immer das heißen mag.«

»Klingt beinah wie ein Laden für gelangweilte Yuppies. ›Haben Sie Kajaktouren am Wochenende satt? Wie wäre es mit einem spaßigen Verbrechen, das auf Ihre individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnitten ist? Kommen Sie zu der Boutique ›Designerverbrechen‹«. Aus seiner Aussprache von »Buutieck« konnte man seine Kindheit in Louisiana heraushören.

»More ist auf Mandanten spezialisiert, die Computerhardware und -software entwerfen. Vielleicht hat es etwas damit zu tun?« Aber ich räumte seinem Vorschlag Punkte für Originalität ein. »Wir könnten eine Boutique für Verbrechen eröffnen, Sandy. Bei deinem Talent für Überwachungen und das Knacken von Türschlössern –«

»Und deinen Referenzen als Strafverteidigerin?« Er hatte ein spöttisches Grinsen und tiefe Grübchen im Gesicht. »Ich glaube, es ist an der Zeit, den Neuen an die Arbeit zu setzen.«

Der Neue in Sandys Privatdetektei war ein Computerspezialist – jedenfalls hieß es so auf seinen frisch gedruckten Visitenkarten. In Wirklichkeit war er ein Hacker mit einem unstillbaren Durst nach rohen, unverarbeiteten Daten.

Sandy erhob sich. »Wir werden einen Blick auf Kinsleys E-Mails werfen und eine große Runde durch die Kanzleidateien drehen.«

Ich spielte mit dem Gedanken, nach der Ethik und der Legalität dieses Unterfangens zu fragen. Aber Jocelyn Kinsley war nicht mehr in der Lage, Einwände zu erheben. Und Sandy zog es vor, die Dinge, die er zu tun hatte, auf seine Art zu erledigen. So wie ich auch, wenn es meine Angelegenheiten waren. Gewöhnlich respektierten wir das beiderseitig.

Er ging zum Telefon hinüber. »Ich hoffe nur, wir kommen rein.«

Mit »rein« meinte er, durch ein elektronisches Mauseloch zu kriechen, das die Computer bei More & Kinsley mit einem Network Service verband. Wenn sie altmodische Computer ohne Modems hatten, würde es unmöglich. Aber die meisten Kanzleien abonnierten zumindest bei den Onlinebibliotheken für Präzedenzfälle. Viele konnten sich so Zugang zu öffentlichen Akten beschaffen, zu Nachrichten und einem großen Angebot an anderen Diensten. Lexis-Nexis, ATTs Easy Link und das Internet waren Schleichwege des Cyberspace für eine neue Generationen von Informationsbanditen.

Ich trug immer noch die Zementschuhe der älteren Technologie – Telefonanrufe, Papierakten, handgeschriebene Notizen auf gelben Blöcken. Aber meine Arbeit für Perry Verhoeven hatte mich gezwungen, die Grundsätze der elektronischen Kommunikation zu erlernen.

Ich sah zu, wie Sandy den Anruf tätigte, und bewunderte seine ein wenig zu lässig gekleidete, große Gestalt.

Er murmelte etwas in den Hörer. »Du hast mich gehört, Ozzy. Egal wie.«

Sandy zügelte normalerweise seine neusten Angestellten, erinnerte sie daran, dass man Informationen auch auf legalem Wege erlangen konnte, wenn man nur geduldig genug war. Sicherlich bevorzugten seine Anwaltsklienten statthafte Beweismittel gegenüber illegal erworbenen. »Such besonders nach allem, was mit dem Ausdruck ›Designerverbrechen‹ zu tun hat. Es müssen nicht einmal die genauen Worte sein, sondern alles, was unter diesen Begriff fallen kann. Konzentriere dich auf Mandanten, die Computersysteme entwerfen oder Grafikdesign herstellen. Sieh nach, ob die Kanzlei irgendwelche Strafrechtsfälle handhabt oder ob das Wort ›Verbrechen‹ in den Dateien auftaucht.«

Nachdem er aufgelegt hatte, sagte ich: »Du suchst dir einen ziemlich schlechten Zeitpunkt aus, in ihr Computersystem einzudringen. Wenn du eine Spur hinterlässt, wird dich die Polizei an die Wand nageln.«

Er drehte sich um und sah mich an. »Es könnte jemand hinter dir her sein.« Als ob das jedes Risiko rechtfertigte.

»Nein.« Ich fing wieder an zu wippen. »Ich hätte einen Hinweis oder würde mir wegen etwas Sorgen machen. Es müsste einen Bereich in meinem Leben geben, aus dem es kommen könnte. Ich würde wissen, um was es geht, auch wenn ich nicht wüsste, wer es war.«

Ich ging im Geiste die Monate seit meiner Rückkehr nach San Francisco durch. Ich hatte natürlich ein paar Leute wütend gemacht – ich war Anwältin, also gehörte das dazu. Aber mir fiel nichts ein, was einen Anschlag auf mein Leben hätte provozieren können. Jedenfalls nicht hier unten.

»Ich habe diese Rommel-Sache oben in Hillsdale.« Ich war in meine Heimatstadt zurückgekehrt, um meinem Onkel Henry bei der traurigen Aufgabe zu helfen, das Testament meines Vaters abzuwickeln. Und schließlich hatte ich zugestimmt, meinen Freund aus der Highschoolzeit, Brad Rommel, bei einer Mordanklage zu verteidigen. »Aber an diesem Fall gibt es nichts, was einen Mordanschlag auf mich auslösen könnte.«

»Connie Gold.« Sandy warf den Namen im Scherz ein.

Die Staatsanwältin von Hillsdale hatte das Drehbuch für einen Fernsehfilm geschrieben, das auf der Anklage des einzigen Serienvergewaltigers des Bezirks basierte. Sie hatte Monate damit zugebracht, das Vertrauen der Opfer zu gewinnen und ihnen Vertraulichkeiten zu entlocken, die sonst niemand hatte wissen können. Dann hatte sie sie in den Zeugenstand gerufen und peinliche Details aus ihnen herausgequetscht, die für den Fall völlig irrelevant, aber für den Fernsehfilm nötig waren. Es gab ethische Regeln, die Strafverteidigern verboten, so etwas zu tun. Aber die Ankläger konnten mit Hilfe des öffentlichen Hasses auf Kriminelle abkassieren, auch wenn dies bedeutete, dass die Opfer erneut zu Opfern wurden.

Auch ich hatte ein paar Fälle mit hoher Medienpräsenz gehabt; soweit ich das sah, hasste mich Connie Gold dafür, dass ich so berühmt war wie sie. Ihr Zorn kannte keine Grenzen, als Rommel auf Kaution freigelassen wurde, obwohl es ein Statut gab, das dies bei Kapitalverbrechen verbot. Sogar ich war überrascht gewesen, als der Richter mein Argument akzeptierte, dass durch den Mangel einer Leiche das Statut nicht anwendbar sei. Gold war zu klug gewesen, als dass sie dem Richter Dummheit oder Günstlingswirtschaft vorgeworfen hätte. Stattdessen hatte sie mich verleumdet und mich mit alten Mandanten auf eine Stufe gestellt.

Ich war gezwungen gewesen zu kontern; Brad Rommel verdiente einen fairen Kampf. Wenn ich die Arena schon mit Dreck beworfen betreten musste, dann sollte Gold ebenfalls besudelt aussehen. Es bedeutete für mich Mehrarbeit – deprimierend zynische Arbeit –, aber ich durfte in den Augen der Geschworenen nicht weniger aufrecht wirken als die Gegenseite.

Ich war zur Landesanwaltskammer gegangen und hatte im Voraus gegen Golds Verkauf der Rechte des Rommel-Falls protestiert – obwohl sie, soweit ich wusste, gar nicht vorhatte, die Rechte zu verkaufen. Ich hatte in den Medien breitgetreten, dass die Opfer kommerziell ausgenutzt worden seien und dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet sei, für den Abschluss eines Falles zu sorgen, statt sich persönlich daran zu bereichern. Was, wenn Opfer es zukünftig unterließen, »peinliche« Details zu erzählen, weil sie sich nicht im Fernsehfilm der Woche wiederfinden wollten?

Meine öffentlichen Auftritte veranlassten zwei der Opfer des Serienvergewaltigers, Gold zu verklagen. Das war überhaupt nicht meine Absicht gewesen.

»Ich bin gar nicht so sicher, ob ich Spaß mache«, fügte Sandy hinzu.

»Nein«, wiederholte ich. »Das ist verrückt, Sandy. Die ganze Idee, dass jemand hinter mir her sein könnte, ist verrückt«, sagte ich nachdrücklich.

»Wann fährst du zurück nach Hillsdale?«

»Ich stelle morgen einen Antrag auf Nichtzulassung von Beweismitteln. Ob ich nun gewinne oder verliere, übermorgen bin ich wieder hier. Wenn ich verliere, fahre ich am Wochenende wieder hoch. Kannst du mitkommen?« Einer von Brads Vorteilen war sein Wohlstand. Er besaß ein Boot, ein Flugzeug und eine Berghütte. Er konnte sich einen Detektiv von auswärts leisten. Und Sandy war das Extrageld wert.

Sein Grinsen verriet mir, dass er mich für eine Weile nicht aus den Augen lassen würde. »Ich freue mich schon auf den Sonnenschein«, erwiderte er.

Wieder blickte ich aus dem Fenster. Manchmal ertappte ich mich dabei, wie ich Fantasien über die Kälte und Feuchtigkeit der Pazifiknordküste hegte. Es hatte etwas animalisch Sinnliches, wenn der Wind um einen herumheulte und der Regen auf einen herunterpeitschte. Vielleicht hatte ich zu viele Jahre in der launischen Stadt verbracht.

Oder vielleicht erkannte ich endlich, dass San Francisco sich veränderte. Die Gegend um die Mission Street, die vor ein paar Jahren noch eine farbenfrohe Wiedergeburt erlebt hatte, duckte sich nun aus Angst vor der Bandengewalt. Aids verlieh den Karnevalsfestivitäten auf der Castro Street die Fratze des Pestjahres. Überall zitterten erschrockene Ausgestoßene in Türbögen. An einem grauen Tag, ohne den Glitzer der Bucht oder die schöne Aussicht, war die Stadt schlicht und ergreifend hässlich.

Und irgendwie waren es die grauen Tage, die ich am meisten vermisste.

Kapitel 4

Nur ein einziges Restaurant in Hillsdale gab sich den Anschein von eleganter Stadtatmosphäre. Ich saß mit meinem Mandanten Brad Rommel an einem Tisch. Das Aroma von geröstetem Knoblauch und Olivenöl zog über uns hinweg. Er blickte sich um, als wollte er mich ermuntern, es ihm nachzutun. Aber ich war an Wände, die mit der Schwammtechnik gestrichen waren, und an große abstrakte Gemälde gewöhnt; ich konnte nicht genügend Bewunderung aufbringen. Und der Ausblick – eine Innenstadt voller mit Seifenschaum bedeckten Schaufenstern und ZU VERMIETEN-Schildern – war deprimierend.

Wie es schien, hatte mich die Abweisung des Antrags auf Nichtzulassung von Beweismitteln härter getroffen als Brad Rommel. Aber es kam vor, dass Mandanten dem Trugschluss erlagen, dass sie ihre Unschuld besser bei einem Prozess beweisen konnten und beim Nichtzustandekommen des Prozesses ihre Reputation Schaden nehmen würde. Unglücklicherweise überlebten nur wenige Reputationen die negative Publicity bei einem Prozess. Eine bloße Verhaftung jedoch würde möglicherweise schnell vergessen werden.

»Hillsdale hat sich sehr verändert, nicht wahr?« Brads Gesicht errötete unter dem weiß-goldenen Haar, was seine blauen Augen betonte. Es ging eine intensive männliche Energie von seiner Gesichtsfarbe aus, von seiner stämmigen Statur, seiner Art, wie er sich zu weit nach vorne beugte und zu laut sprach, als wollte er so meine Zustimmung erzwingen.

»Mmm.« Jeder Bekannte, den ich traf, schien von mir die Bestätigung zu erwarten, dass Hillsdale sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu seinem Vorteil verändert hatte. In Anbetracht dessen, dass die Stadt einst zur Unterhaltung nur einen tosenden Highway mit Drive-in-Burgerbuden und schlechten Cafés zu bieten hatte, waren das restaurierte Hafenviertel und die Pensionen in den viktorianischen Gebäuden eine Verbesserung. Andererseits starb die nach wie vor schäbige Innenstadt ab wie ein brandiges Bein. Und der restaurierte Altstadtbezirk sah aus wie ein leeres Bühnenbild.

»Sogar das Wetter ist besser«, fuhr er fort.

Jeder, den ich traf, machte mich darauf aufmerksam. Es schien sie zu stören, dass ich weggezogen war – oder vielleicht, dass sie geblieben waren.

Ich blickte aus dem Fenster auf den kalten, weißen Himmel. Die Wendepunkte meiner Jugend – der Verlust meiner Mutter, der Kampf mit einer matriarchalischen Verwandten, die »ihren Platz einnahm«, eine katastrophale Teenager-Heirat und eine noch katastrophalere Affäre – waren inzwischen nur noch Erinnerungen, die nicht mehr die Macht hatten, mich zu quälen. Ich war gezwungen gewesen, sie bei früheren Besuchen neu zu durchleben, und hatte zu meiner Überraschung festgestellt, dass sie nur lebensgroß waren. Nur meine Jugend hatte sie so riesig aussehen lassen; eine neue Perspektive – und körperlicher Abstand – hatten die Schatten verkürzt. Endlich konnte ich Hillsdale als das sehen, was es war, nicht als das, was es mir angetan hatte.

»Es gefällt mir hier, Brad«, versicherte ich ihm. »Es gefällt mir, wie grün und bewachsen alles ist, mir gefallen die alten, viktorianischen Häuser, mir gefallen die wilden leeren Strände und Wälder.« Aber die neuen Läden und Restaurants konnten dem Stadtleben nicht das Wasser reichen, nicht im Geringsten. Die Dinge, über die die Leute prahlten, waren die Dinge, die Hillsdale am wenigsten ausmachten. Zumindest was mich anging.

»Es wäre eine tolle Stadt, wenn das Einkaufszentrum ihr nicht das Herz herausgerissen hätte.«

Unter lautstarken Fanfaren hatte Hillsdale erst vor acht Jahren sein erstes richtiges Einkaufszentrum bekommen. Es war so unecht wie zu erwarten, mit seinen typischen Läden und dem obligatorischen Kinokomplex. Ich hatte mehrere Einladungen abgelehnt, in einer seiner Imbissbuden zu essen. Keine Chance, dass Brad dort hingehen wollte.

Seine Langzeitfreundin, die Frau, die er angeblich umgebracht hatte, war durch das Einkaufszentrum aus dem Geschäft gedrängt worden. Ein Schild mit der Aufschrift INVENTARVERKAUF war alles, was von ihrer Boutique in der Innenstadt übrig geblieben war.

»Lass uns über den nächsten Schritt reden, Brad.«

Er schien verärgert, aber ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich zu seinem Fall zurückkehren oder nicht über das Einkaufszentrum reden wollte.

»Es wird zu einem Prozess kommen – es sei denn, wir können entlastende Beweise finden.« In diesem Fall schien die Chance dazu größer als in allen anderen, die ich bis dahin vertreten hatte. »Wenn ich das nächste Mal in die Stadt komme, würde ich gerne den Detektiv mitbringen, mit dem ich normalerweise zusammenarbeite. Du brauchst wirklich jemand Gutes.«

»Was ist falsch an den Jungs hier vor Ort?«

Wenn ich den Minderwertigkeitskomplex von Hillsdale verstand, würde ich vielleicht in der Lage sein, Brad von seiner albernen Angeberei abzubringen. »Das ist keine Situation, in der man sich an die ›Kauft heimische Produkte‹-Parole halten kann, Brad. Du brauchst jemandem, dem ich vertraue und mit dem ich arbeiten kann. Ich will keine Katze im Sack kaufen.«

Er starrte grimmig vor sich hin und seine nordischen Brauen wirkten ein paar Schattierungen blasser als seine wettergegerbte Haut. »Ich verstehe nicht, was es bringen soll, den Ortsansässigen die Arbeit wegzunehmen, vor allem, wenn es der Gegend so schlecht geht. Schlimm genug, dass die Ladenketten im Einkaufszentrum die Innenstadt kaputtgemacht haben.« Tränen traten in seine Augen. »Schlimm genug, dass die Restaurants gefrorenen Fisch in Mexiko kaufen, obwohl sie gerade erst gefangenen, frischen aus ihrer eigenen Bucht bekommen könnten.«

»Ich weiß.« Und er wusste, dass das Einkaufszentrum das Lieblingsprojekt meines Onkels Henry war, Hillsdales »Eintrittskarte in die Moderne«. Aber es ging hier nicht um das Einkaufszentrum.

Brad konnte im Todestrakt landen. Sicherlich war das Grund genug, das Beste zu importieren. Oder glaubte er, seine bloße Unschuld würde ausreichen?

»Ich sage doch nur eines, Brad: Dies ist ein wirklich komplizierter Fall. Wir reden hier von einer Frau, die verschwunden ist. Sie muss doch irgendwo eine Spur hinterlassen haben. Die Polizei und der Sheriff haben ihr Bestes getan, sie zu finden« – zumindest ihre Leiche –, »und nun müssen wir das Gleiche tun.«

Sie hatten neben einem Pfad in der Nähe von Dungeness Head einen Eimer mit ihrem Blut gefunden, nicht weit von Rommels Boot entfernt. Einen Fischeimer, der immer noch Reste von Fischinnereien aufwies, einen Eimer, wie die auf seinem Boot. »Ich würde dir auch nie sagen, wie du zu fischen hast. Bitte lass mich für dich mein Möglichstes tun.«

Er rieb sich mit der rauen Hand über die Stirn, so als wollte er Kopfschmerzen wegmassieren. Er schien unwillig, mit mir zu sprechen.

Eine fröhliche Kellnerin brachte lange Brotlaiber und nannte uns dann die Spezialitäten des Tages, die fast alle Hochseefisch enthielten. Als sie den Tisch verließ, blickte sie sich über die Schulter nach Brad um.

»Wir überprüfen, wohin Cathy Piatti gegangen sein könnte«, sagte ich ihm, als wäre die Sache mit Sandy geklärt. »Ich weiß, die Polizei hat an allen Orten nach ihr gesucht, an denen sie sich üblicherweise aufhielt. Aber« – er hasste dieses Argument, wann immer ich es aufführte – »es ist möglich, dass sie gelogen und ihren Tod vorgetäuscht hat und dann verschwunden ist.«

»Warum würde sie mir das antun?«

»Vielleicht nicht dir. Wir wissen nicht, vor was sie davongerannt ist, Brad. Wenn überhaupt.«

Wir wussten nur, dass anderthalb Liter Blut, das ihre DNA hatte und teilweise schon verfault war, eingefroren in der Asservatenkammer des Sheriffs lagerte. Eine Frau, die ein Drittel ihres Blutes verloren hatte, war wahrscheinlich orientierungslos und stand sicherlich unter Schock, musste jedoch nicht unbedingt tot sein. Aber dies war nur das Blut, das von der Polizei in einem Eimer aufgefunden worden war. Sie konnte durchaus noch mehr Blut verloren haben.

Da sie seit Wochen vermisst wurde, ging man davon aus, dass Piatti Opfer eines Unfalls mit Todesfolge geworden war. Und für diesen Unfall konnte man leicht den Freund verantwortlich machen, den sie nach einer siebenjährigen Beziehung verlassen wollte.

»Wir müssen uns auch darauf konzentrieren, wie und wo sie gestorben sein könnte. Bis jetzt haben wir uns um das Motiv gekümmert, wer möglicherweise ihr Feind war. Aber es könnte uns auch sehr viel verraten, wo das Blut abgelassen wurde. Wir werden die Leichenhallen überprüfen. Sie haben die nötige Ausrüstung, das Blut aus Leichen zu pumpen; vielleicht hat einer der Angestellten Igor gespielt. Und wir werden mit den Leuten in den hiesigen Krankenhäusern sprechen. Jeder Sanitäter, jede Schwester oder jeder Arzt dürfte wissen, wie man jemanden zur Ader lässt. Wir werden uns auch eine Liste von den Orten besorgen, wo Tiere geschlachtet werden.«

Ich sah, wie Brad schauderte. Es war ekelhaft, sich vorzustellen, wie ein Mensch mit dem Kopf nach unten dahing und das Blut aus seiner Hauptschlagader in einen Eimer lief. Schlimmer, sich vorzustellen, wie er einen Katheder in den Adern hatte. Aber niemand blutete aus einer zufälligen Wunde in einen Eimer – jedenfalls keine anderthalb Liter. Wer immer den Eimer neben den Pfad gestellt hatte, hatte das Blut auf eine systematische Art und Weise gesammelt, vielleicht, um etwas auszusagen.

Brad rieb sich über das Hemd, als würde seine Brust schmerzen. Mir zuzuhören, wie ich den Antrag stellte, war schwer für ihn gewesen. Er hatte den »rein formalen« Aspekt meines Arguments gehasst – dass der Sheriff keine ausreichenden Gründe für den Durchsuchungsbefehl für das Boot und die Hütte hatte. Brad war innerlich so erregt, dass er beinah etwas gesagt hätte, als ich Aussagen machte, die seine Schuld anzuerkennen schienen.

Aber es war unerlässlich, so viele belastende Beweise wie möglich auszuklammern. Sie hatten auf Brads Boot Eimer gefunden. Sie hatten einen Rock gefunden, der sich in den Autoreifen verfangen hatte, die an dem Boot festgeschnürt waren, damit es nicht gegen das Dock knallte.

Es war bekannt, dass Cathy Piatti genug von Hillsdale hatte. Ihr Geschäft war Pleite gegangen und sie hatte, wenn man den Nachbarn glaubte, auch von Brad genug. Sie hatten sich häufig gestritten. Er war furchtbar wütend gewesen, als sie ihre Sachen packte, und hatte eine Szene gemacht, die die Nachbarn immer wieder ausschmückten. Dann überraschte Piatti jeden, indem sie, ohne sich zu verabschieden, verschwand.

Beinah drei Wochen hatte niemand von ihr gehört, bis der Sheriff überredet wurde, der Sache nachzugehen. Da Brad sich aggressiv verhalten hatte, als man ihn befragte, hatte sich der Sheriff einen Durchsuchungsbefehl für seine Hütte und sein Boot besorgt.

Auf dem Weg zum Boot hatte ein Hilfssheriff einen Eimer mit einer geronnenen, mit Insekten durchsetzten Substanz gefunden, die alter Leber ähnelte. Es hatte sich als neunzehn Tage altes Blut herausgestellt. Cathy Piattis Blut – anderthalb Liter, nachdem man es wieder verflüssigt hatte.

Heute hatte ich argumentiert, dass Brads Aggressivität – wenn man es überhaupt so nennen konnte – kein ausreichender Grund für einen Durchsuchungsbefehl gewesen sei; dass also die leeren Eimer und der Rock als Beweismittel ausgeschlossen werden müssten. Der Rock spielte keine große Rolle – er konnte jeder gehören und jederzeit angespült worden sein; noch war er nicht als einer von Piattis Röcken identifiziert worden. Jedenfalls konnte er nicht die Behauptung der Staatsanwältin stützen, dass Brad, nachdem er Piatti per Aderlass getötet hatte, aufs Meer hinausgesegelt war und ihre Leiche und ihre Sachen über Bord geworfen hatte. Ohne die Eimer hatte die Staatsanwaltschaft keinen richtigen Fall.

Aber Connie Gold hatte alles, was ihr zur Verfügung stand, für die Ablehnung meines Antrags aufgebracht. Kein einziges Beweismittel der Anklage wurde ausgeschlossen.

Nun würde ich argumentieren müssen, dass der Eimer von jedem Boot stammen könnte und zudem noch andere Leute Zugang zu Brads Boot hatten. Ich würde argumentieren müssen, dass das Treibgut von Fremden, das sich irgendwo verfangen hatte – Kleidung eingeschlossen –, nichts bewies. Oder dass der Rock, falls er Piatti gehörte, bei einer früheren Verabredung über Bord gefallen sein konnte. Das hieß, falls der Fall überhaupt vor Gericht kam.

Mit viel Glück würde es mir gelingen, Rommel lange vorher reinzuwaschen – indem ich entweder Piatti fand oder herausbekam, was mit ihr geschehen war.

Ich kannte Brad seit der Highschool. Er war ein ernsthafter, hart arbeitender Junge gewesen, der jeder Abkürzung im Leben misstraute und keiner Verantwortung aus dem Weg ging. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte er sich nicht verändert. Er war zu einem geradlinigen, hart arbeitenden Mann herangewachsen, der bereit war, den ganzen Tag zu fischen und abends seiner Freundin in deren Boutique auszuhelfen. Er war kein Mörder. Und die Beweise gegen ihn ergaben eigentlich nicht viel.

Das bedeutete jedoch nicht, dass die Staatsanwältin ihm nicht das Leben zur Hölle machen konnte. Nicht zu wissen, was mit Cathy Piatti passiert war, schien Folter genug.

»Noch eine Sache, Brad – ich glaube, dass Connie Gold sich vielleicht mit den Leuten vom Kabelfernsehen in Verbindung setzt, die letztes Jahr ihren Fernsehfilm produziert haben.«

Er schüttelte den Kopf und zuckte leicht die Schultern.

»Vor zwei Jahren hat Gold einen Serienvergewaltiger angeklagt –« Ich hielt meine Erklärung kurz, als ich an seinem kurzen Nicken sah, dass er sich an den Fall erinnerte. »Noch vor dem Prozess gegen den Vergewaltiger hatte sie mit der Produktionsfirma einen Vertrag geschlossen. Sie hat ›ihre‹ Story verkauft. Es kam vor ein paar Monaten im Fernsehen.«

»Ich wusste, dass es einen Film über unsere Staatsanwältin gab.« Sein Ton implizierte: Was hat das mit den Fischpreisen zu tun?

»Der Punkt ist, sie ist an den Prozess mit dem Hintergedanken herangegangen, einen guten Film daraus zu machen.« Zwar konnte ich es nicht beweisen, aber wie konnte man nicht auf diesen Gedanken kommen? »Das Verhör der Zeugen war bühnenreif. Zwei von ihnen verklagen sie jetzt.« Nachdem ich auf eine Untersuchung durch die Anwaltskammer bestanden hatte. »Um zu verhindern, dass sie das Gleiche mit diesem Fall tut, habe ich im Vorfeld Stunk gemacht.«

Ich hatte die Reporter von California Lawyer, dem ABA Journal und dem Recorder kontaktiert. In jedem der Magazine waren Artikel über Golds Ethik in dem Vergewaltigungsprozess erschienen. Entertainment Weekly hatte die Geschichte aufgegriffen und die Medien von Hillsdale hatten ebenfalls großes Interesse gezeigt.

Ich hatte es tun müssen. Gold hatte angedeutet – und das vor laufenden Kameras –, dass ich die Ansichten von Wallace Bean gutheiße, meinem verrücktesten Mandanten, der zwei konservative US-Senatoren ermordet hatte. Sie hatte außerdem angedeutet, ich würde keinerlei Verpflichtung gegenüber dem Rechtssystem verspüren und wollte nur meine Reputation als Befreierin von gefährlichen Kriminellen stärken. In einer Gesellschaft, die die Prominenz anbetet, egal wie jemand sie erlangt hat, schien es sinnlos, sich über die Publicity zu beschweren, die ich bekommen hatte. Es schien sinnlos, die Privatsphäre zu sanktionieren, wenn der Mann auf der Straße sich nach Aufmerksamkeit sehnte.

Aber ich konnte nicht zulassen, dass Gold meinen Ruf beschmutzte, nicht vor einem Prozess. Ich musste dafür sorgen, dass sie nicht besser dastand als ich. Ich hatte ihr gezeigt, wie es sich anfühlte, die Presse an den Fersen statt in der eigenen Ecke zu haben.

»Ich glaube, ich habe sie aufgehalten, Brad.«

»Ich weiß nicht, warum du dir die Mühe gemacht hast«, sagte er, und seine Lippen waren ganz schmal. »Für mich klingt das nach viel Ärger ohne ersichtlichen Grund.« Seine Brust hob und senkte sich, als hätte er Mühe zu atmen. »Es wird keinen aufregenden Film abgeben, wenn ich freigesprochen werde.«

»Das stimmt.« Wenn ein nicht verurteilter Mann als schuldig dargestellt wurde, konnte er klagen. »Sie werden keinen Film machen, wenn es keine Verurteilung gibt.«

»Dann sehe ich nicht, welchen Unterschied es macht.« Er brach eine Stange Brot durch. »Ich verstehe nicht, warum du dir die Mühe machst.«

»Es wird deinem Fall nicht schaden«, versicherte ich ihm. Befürchtete er, dass Gold härter mit ihm umspringen würde, wenn ich sie verärgerte? Sie würde so oder so versuchen, ihn zu verurteilen. »Es könnte sich darauf auswirken, wie die Staatsanwältin den Fall aufbaut«, beharrte ich. »Als Verteidigerin ist es mir verboten, die Story zu verkaufen. Damit ich mich darauf konzentriere, zu deinem Besten zu handeln, statt den Fall dramatischer zu machen, damit es einen besseren Film oder ein besseres Buch ergibt. Die Staatsanwaltschaft sollte nach den gleichen Regeln spielen müssen.«

»Es wird letztendlich nichts ändern«, wiederholte er.

Mit seinen kalten, blauen Augen sah er in diesem Moment beinah verrückt genug aus, Piatti doch umgebracht zu haben.

Kapitel 5