Die Anwältin - Schatten der Schuld: Ein Fall für Laura Di Palma 4 - Lia Matera - E-Book
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Die Anwältin - Schatten der Schuld: Ein Fall für Laura Di Palma 4 E-Book

Lia Matera

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Beschreibung

In den Fängen einer Sekte: Der fesselnde Kriminalroman »Die Anwältin – Schatten der Schuld« von Lia Matera jetzt als eBook bei dotbooks. Strafverteidigerin Laura Di Palma ist nicht bereit, ihr Gewissen für Geltungsdrang und Macht zu verkaufen – mit ihrer eigenen kleinen Kanzlei will sie sich in dem Haifischbecken von San Franciscos Top-Anwälten behaupten. Umso brisanter ist ihr neuer Fall: Margaret Lenin, eine ehemalige Kollegin von Laura, ist vor vielen Jahren in die Fänge einer Sekte geraten, bevor ihr der Ausstieg gelang – doch nun kommt plötzlich belastendes Material ans Licht, das ihre Karriere zerstören könnte. Zusammen mit dem Privatdetektiv Sandy Arkelett taucht Laura in die Abgründe einer Welt ein, die von Gier und Manipulation angetrieben wird – und die für Laura mehr und mehr eine erschreckende Ähnlichkeiten zur Justizwelt aufweist. Ein grausiger Mord lässt die Grenzen bald noch weiter verschwimmen … »Ein engmaschiges Netz aus Verbrechen, faszinierenden Charakteren und atemloser Spannung – Lia Matera darf man nicht verpassen!« Booklist Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Die Anwältin – Schatten der Schuld« von Lia Matera ist der vierte Band ihrer Krimi-Reihe um eine Frau zwischen zwei Welten: ihrer Heimat in den kalifornischen Redwood-Wäldern und den schillernden Anwaltskanzleien San Franciscos. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Strafverteidigerin Laura Di Palma ist nicht bereit, ihr Gewissen für Geltungsdrang und Macht zu verkaufen – mit ihrer eigenen kleinen Kanzlei will sie sich in dem Haifischbecken von San Franciscos Top-Anwälten behaupten. Umso brisanter ist ihr neuer Fall: Margaret Lenin, eine ehemalige Kollegin von Laura, ist vor vielen Jahren in die Fänge einer Sekte geraten, bevor ihr der Ausstieg gelang – doch nun kommt plötzlich belastendes Material ans Licht, das ihre Karriere zerstören könnte. Zusammen mit dem Privatdetektiv Sandy Arkelett taucht Laura in die Abgründe einer Welt ein, die von Gier und Manipulation angetrieben wird – und die für Laura mehr und mehr eine erschreckende Ähnlichkeiten zur Justizwelt aufweist. Ein grausiger Mord lässt die Grenzen bald noch weiter verschwimmen …

»Ein engmaschiges Netz aus Verbrechen, faszinierenden Charakteren und atemloser Spannung – Lia Matera darf man nicht verpassen!« Booklist

Über die Autorin:

Lia Matera ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die für ihre Krimireihen um die toughen Anwältinnen Laura Di Palma und Willa Jansson u. a. für den »Edgar Allan Poe«-Award nominiert und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Als Absolventin der juristischen Fakultät von San Francisco flossen viele ihrer Erfahrungen aus der Welt der Anwälte und Justizskandale in ihre Kriminalromane ein.

Bei dotbooks veröffentlichte Lia Matera ihre Reihe um Laura Di Palma mit den Kriminalromanen:

»Die Anwältin: Glanz der Lüge – Der erste Fall«

»Die Anwältin: Zeichen des Verrats – Der zweite Fall«

»Die Anwältin: Flüstern der Rache – Der dritte Fall«

»Die Anwältin: Schatten der Schuld – Der vierte Fall«

»Die Anwältin: Echo der Strafe – Der fünfte Fall«

Sowie ihre Reihe um Willa Jansson mit den Kriminalromanen:

»Tödliches Urteil – Der erste Fall«

»Kalte Strafe – Der zweite Fall«

»Perfektes Verbrechen – Der dritte Fall«

»Strafendes Schweigen – Der vierte Fall«

»Zornige Anklage – Der fünfte Fall«

»Geheime Zeugen – Der sechste Fall«

»Stiller Verrat – Der siebte Fall«

***

eBook-Neuausgabe November 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1994 unter dem Originaltitel »Face Value« bei Simon & Schuster, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1996 unter dem Titel »Blindes Vertrauen« bei Heyne.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1994 by Lia Matera

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1996 Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Senyuk Mykola / Pung / HolyCrazyLazy

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-914-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Lia Matera

Die AnwältinSchatten der Schuld

Kriminalroman – Ein Fall für Laura Di Palma

Aus dem Amerikanischen von Michael Windgassen

dotbooks.

Dank an Nina Martin und Susan Kostal

für ihre Inspirationen

Dank an Bob Irvine

für seine hilfreiche Unterstützung

Kapitel 1

Ich sah Steve Sayres hereinspazieren. Vielleicht fühlte er sich als Seniorpartner der Firma, für die ich gearbeitet hatte, verpflichtet, mir zur Eröffnung meiner eigenen Kanzlei Erfolg zu wünschen – oder zumindest so zu tun als ob. Möglicherweise war es ihm sogar ein echtes Anliegen; immerhin hatte er erreicht, was er wollte. Es war ihm gelungen, meinen Mentor Doron White so gegen mich aufzubringen, daß er mich schließlich vor die Tür setzte, kurz bevor der Partnerschaftsvertrag mit mir unterzeichnet werden sollte.

Sayres schaute sich um und schmunzelte flüchtig. Meine Kanzlei machte offenbar keinen großen Eindruck auf ihn; sie lag in einer nur zur Hälfte vermieteten Etage eines kürzlich renovierten Hauses. Ich teilte mir ein Wartezimmer und zwei Sekretärinnen mit einer Anwaltssozietät aus fünf Partnern, allesamt engagierte Linke, die sich in der Hauptsache für arme Schlucker einsetzten und finanziell damit gerade über die Runden kamen.

Mein Büro lag auf der anderen Seite des Korridors, es war groß aber häßlich, und mit billigem Teppichboden und geleastem Mobiliar aus Furnierholz ausgestattet. Das Fenster bot einen Ausblick auf den zähfließenden Verkehr zwischen Market Street und Autobahn. Die Kanzlei von White, Sayres & Speck lag etliche Straßenecken weit entfernt im vornehmen Finanzbezirk.

Auf dem Konferenztisch und Schreibtisch standen Tabletts mit Käseschnittchen, kaltem Braten und Rohkostsalaten, die ich selbst zubereitet hatte. Die Anwälte von nebenan süffelten Wein, zeigten sich gutgelaunt und schienen erfreut darüber zu sein, mich als Nachbarin zu haben.

Was sie für mich einnahm, war bestimmt mein letzter Fall. Ich hatte Dan Crosetti verteidigt, einen notorischen Radikalinski, der wegen Mordes an seinem bestem Freund vor Gericht stand. Während der Verhandlung stellte sich heraus, daß dieser Freund ein verdeckter Ermittler vom FBI gewesen war. Über diesen Fall hatte ich meinen Job verloren.

Sayres war zu Doron White, dem Gründer der Sozietät und meinem einstigen Verbündeten, gegangen und hatte sich über mein Engagement beschwert: Crosetti sei ein anrüchiger Aktivist und seine Verteidigung geschäftsschädigend, weil sie für negative Schlagzeilen sorgen und unsere Mandanten aus der Wirtschaftselite vergrätzen würde.

White war ganz seiner Meinung gewesen.

Dabei hatte ich der Firma viel Geld eingebracht und sie bekannt gemacht. Aber weil ich in dieser einen Sache nicht klein beigeben wollte, mußte ich meinen Schreibtisch räumen. Man hatte mich gezwungen zu wählen zwischen dem, was wichtig ist, und dem, was gut aussieht. Ich entschied mich gegen Steve Sayres.

Sayres durchquerte mein tristes Büro. Arrogant wie eh und je. Er war groß gewachsen, teuer gekleidet, voller Energie, obwohl er körperlich ausgemergelt schien; das Gesicht war leicht gebräunt, und die Falten an den Augen und auf der Stirn verrieten, daß er normalerweise schlecht gelaunt war und unter Streß stand. Das graumelierte Haar zeigte Kammspuren; es schien, als käme er direkt aus der Sauna. Wie immer trug er einen maßgeschneiderten, dunkelblauen Anzug und eine bunt gemusterte Krawatte.

»Hallo, Laura.« Er blieb auf Abstand, was nicht gerade höflich, mir aber doch sehr genehm war.

»Steve«, grüßte ich, nicht unfreundlich.

»Sie haben sich also selbständig gemacht. Um ganz ehrlich zu sein …«, er warf einen Blick auf meine relativ schlecht gekleideten Büronachbarn, die sich über die Käsehäppchen und den Kalten Braten hermachten, »… wenn Sie versucht hätten, bei einer der großen Firmen hier anzukommen, wär’s für mich kaum möglich gewesen, Ihnen eine Empfehlung auszustellen.«

Ich spürte, wie sich ein kühles Lächeln auf meinem Gesicht breitmachte. »Eine Empfehlung von Ihnen wäre auch reichlich überflüssig gewesen, Steve. Jeder kennt mich hier.«

»Das stimmt.« Er schob eine Hand in die Tasche seines Jacketts. »Und jeder kennt auch die Umstände von Dorons Tod.«

Doron White hatte infolge einer verschleppten Angina unter schweren Herzproblemen gelitten. Während eines nächtlichen Treffens mit einem Freund von Crosetti in meinem damaligen Büro war es schließlich zu jener Herzattacke gekommen, von der er sich nicht mehr erholen sollte.

Eine Gruppe elegant gekleideter Personen trat in den Raum – Mandanten von Sayres, Leute mit denen auch ich früher zu tun hatte, Banker und dergleichen. Darunter auch eine Frau, die als Syndikus für Graystone Federal arbeitete; sie winkte mir zu und strich dann mit der Hand über ihre Lauren-Bacall-Frisur. Die anderen sahen sich um und machten aus ihrer Verwunderung kein Hehl. Hier hingen keine teuren Gemälde an den Wänden, gab es keine baumhohen Arrangements aus exotischen Blumen.

Ich musterte Steve. Sein Hals und die schlaffe Haut am Kiefer verfärbten sich plötzlich rot aus Verlegenheit oder Wut. So war es auch Doron ergangen; ein jäher Wutanfall hatte ihn dahingerafft.

Die vornehmen Mandanten waren inzwischen herbeigekommen, gaben mir die Hand, wünschten viel Glück und schenkten Steve ein freundliches Lächeln, um anzudeuten, daß sie seinen Besuch bei mir hochanständig fanden. Natürlich wußte er, daß sie hier erscheinen würden, und darum hatte auch er kommen müssen. Falls ich es zuließe, würde er sich als ein Daddy aufspielen, der bei seinem Töchterchen nach dem rechten sieht. Er würde versuchen, mich klein zu machen, weil er es nicht geschafft hatte, mich zu sabotieren.

»Steve wollte mir gerade einreden, daß ich für Dorons Tod verantwortlich bin«, sagte ich. »Ich stand Doron sehr nahe und finde Steves Anschuldigung dermaßen daneben, daß ich ihn jetzt bitten muß zu gehen.«

Sein Gesicht wurde schlagartig bleich. Die Gespräche hinter mir verstummten. Zwei seiner Mandanten traten ein paar Schritte zurück, als fürchteten sie, daß auch sie meine Aufrichtigkeit zu spüren bekommen könnten.

»Ich arbeite nicht mehr für Sie, Steve, und hab’s deshalb auch nicht nötig, auf Ihre Spielchen einzugehen. Wenn Sie mich beleidigen wollen, nur zu – und bitte laut genug, daß es auch alle hören. Aber markieren Sie hier nicht meinen Gönner, nur, weil’s Ihnen nicht gelungen ist, mich aus dem Rennen zu werfen.«

Er blickte auf seine Mandanten, die ehemals meine Mandanten waren. Dabei kniff er die Brauen zusammen und mimte auf mitleidsvoll und zerknirscht. Vor Gericht setzte er diese Maske auf, sooft er Gelegenheit dazu hatte. Seine Mandanten kannten diesen Ausdruck, ließen sich aber dennoch beeindrucken. Und so stand ihr Urteil fest: Nicht er, sondern ich war ungehörig.

Genau aus diesem Grund hatte ich hier im wenig schicken Bezirk südlich der Market Street meine eigene Kanzlei eröffnet, der Fall von Dan Crosetti war der Anlaß dafür gewesen. Im stillen dankte ich ihm dafür und sagte: »Ich bitte Sie zu gehen. Schleimen Sie sich bei Ihren Mandanten woanders ein.«

»Tja dann …«, seufzte einer der Banker. »Ich muß jetzt auch los und würde dich gern ein paar Schritte begleiten, Steve.«

Steve zeigte immer noch ein onkelhaftes Bedauern. »Darf ich dich zum Essen einladen, Bill? Margaret, Harry, vielleicht wollt ihr auch mit?«

Ich schüttelte Harrys Hand und anschließend die von Margaret. »Vielen Dank für Ihr Kommen«, sagte ich. »Es war schön, Sie wiederzusehen.«

Margaret gaffte mich an und ließ den Mund offenstehen. Bill legte Steve die Hand auf die Schulter und meinte: »Laß uns mal das neue Lokal unten an der Ecke ausprobieren. Vielleicht ist da auch ohne Reservierung noch Platz für vier Leute.«

Nur Margaret zögerte noch. Sie zerknautschte das knochige Gesicht und war sichtlich verstört. Aber dann stimmte sie ein in den Abschiedschor aus wiederholten Glückwünschen.

Ich sah zwei wichtige Banker und einen Immobilienmakler nach draußen gehen. Kein Zweifel, ihr Getratsche würde die Runde machen: Laura Di Palma ist hysterisch und womöglich linksradikal. War fast zehn Monate verschwunden, keiner weiß, wohin; hat wahrscheinlich ihre Midlife-Krise, kann bei den großen Firmen nicht mehr landen und versucht’s jetzt auf eigene Faust, ganz bescheiden.

Ich wandte mich meinen Büronachbarn zu. Mit der Kanzlei, die ich hier aufzubauen versuchte, würde ich der von Steve Sayres gewiß nicht ins Gehege kommen. Und das war mir recht so.

»Es sieht aus, als könnten Sie ein Glas Wein vertragen. Rot oder weiß?« Dennis Hyerdahl, ein alter 68er und bekannt für seine überdrehten Verschwörungstheorien, reichte mir einen Plastikbecher.

»Weiß.«

Hyerdahl schenkte mir ein. War nun sein Schlips zu kurz, oder der Bauch zu dick? Die Hosenbeine waren jedenfalls eindeutig zu lang.

Seine Partnerin, eine kleine Blonde in einem verfusselten schwarzen Hosenanzug, grinste übers ganze Gesicht. »Es freut mich, Sie kennenzulernen. War schon richtig gespannt darauf«, zwitscherte Pat Frankel in einem Tonfall, der nach Ausbildung an einem Elite-College klang. Die braungebrannte Gesichtshaut wirkte spröde und frühzeitig gealtert, als hätte sie zuviel Sonne und Wind abbekommen. Sie sah aus wie ein verwöhntes Töchterchen, das sich von ihrem großbürgerlichen Zuhause abgesetzt hatte. »Wir haben schon gehört, daß Sie ziemlich, ehm, scharf sein können.«

Ich hatte einmal einen Mann verteidigt, dem zwei Attentate zur Last gelegt worden waren, verübt an zwei US-Senatoren. Ein spektakulärer Fall für die Medien. Ich konnte für meinen Mandanten einen Freispruch erwirken und handelte mir im Verlauf der Verhandlung den Ruf ein, besonders aggressiv zu sein. Offenbar spielte Frankel auf diese angebliche Eigenschaft von mir an.

Ich nahm einen Schluck Wein und sagte: »Nur beruflich. Wenn’s angemessen ist.«

»Scharf, das gefällt mir«, lachte Hyerdahl und kullerte mit den Augen. »So hab’ ich’s gern.«

Die Kollegin stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Benimm dich!«

»O Verzeihung.« Und an mich gewandt, sagte er: »Patricia ist ein Muster an Wohlanständigkeit. Heute morgen zum Beispiel durfte ich mitanhören, wie sie eine ihrer Mandantinnen ›Meckerziege‹ nannte.«

Frankel schnaubte. »Du weißt nicht, in welchem Zusammenhang. Außerdem ist sie nicht meine Mandantin.«

»Nicht mehr, haha.« Hyerdahl schien dem Vorfall keine weitere Bedeutung beizumessen. Hätte ich einen so umgänglichen Chef wie ihn gehabt, wäre ich heute nicht hier.

»Übrigens, Laura …« Frankels Augen leuchteten auf. »Hätten Sie vielleicht Lust, den Fall zu übernehmen. Es geht um eine Verfassungsbeschwerde. Wäre das was für Sie?«

»Warum nicht?« Ich war bereit, alles zu machen, um meine Wohnungsmiete, Anwaltsversicherung und die anfallenden Kanzleikosten bezahlen zu können. Für den Schritt in die Selbständigkeit hatte ich all mein Erspartes aufgebraucht und meinen Dispokredit bei der Bank kräftig überzogen.

»Der Fall ist durchaus interessant.« Frankel lehnte sich an den Schreibtisch und streifte mit ihren Rockschößen den Briekäse. »Allerdings geht mir die Frau auf die Nerven. Sie gehört zu einem Verein von Frauen, die seit Jahren die gleichen feministischen Sprüche klopfen und über die Männer-Haß-Phase noch nicht hinaus sind. Ich war selbst mal Mitglied, und zwar in rechtsberatender Funktion, aber das ist lange her. Wie dem auch sei, ich sollte lieber den Mund halten; die Sache hängt mir noch viel zu sehr nach. Ich schlage vor, daß Sie sich selbst ein Bild machen.«

Ich sah mich in meinen neuen vier Wänden um. Da erinnerte nichts an den Lederprotz oder die Designerstücke in meinem alten Büro. Auch hatte ich nicht jenen schönen Fensterausblick auf Blumenverkäufer, Straßenmusikanten und Häuserfronten aus blankpolierten Steinplatten. Dafür waren jetzt statt Steve Sayres diese Leute meine Büronachbarn. Und ich konnte mir meine Fälle selbst aussuchen.

An das, was ich wirklich vermißte, mochte ich lieber nicht denken: an die schöne Zeit zu Anfang meiner beruflichen Laufbahn, als Doron mich unter seine Fittiche genommen hatte, als ich noch stolz und angetan gewesen war vom Status und der Verantwortlichkeit meiner Position. Von der Begeisterung damals war nicht viel übrig geblieben. So ergeht es vielen Anwälten, was aber den meisten vor lauter Streß nicht auffällt. Mir war es aufgefallen, dank Dan Crosetti.

Kapitel 2

Fenster und Türen standen offen und sorgten für Zugluft. Ich warf schwitzende Käsescheiben in den Papierkorb und strich die Krümel vom Schreibtisch. Über den Fernsehapparat, den ich in einem Eckschrank versteckt hatte, lief eine Videoaufzeichnung, ein Zusammenschnitt von Nachrichten über jene beiden Fälle, mit denen ich groß aufgetrumpft hatte. Das Video war mir, in Geschenkpapier eingewickelt, zugestellt worden. Dazu kam eine vorgedruckte Glückwunschkarte – »Viel Erfolg für die neue Stelle« –, ohne Gruß, ohne Kommentar und einfach bloß unterschrieben von ›Tange Diana‹. Die Geschenkidee war bestimmt nicht auf ihrem Mist gewachsen. Vermutlich hatte ›Onkel‹ Henry (er und mein Vater sind Vettern zweiten Grades, aber so vertraut miteinander wie Brüder) das Band nach der Scheidung im Haus zurückgelassen.

Zwar prahlte Diana liebend gern über ihre berühmte Verwandtschaft, mich aber konnte sie nicht leiden. Offen und ehrlich mochte sie diese Abneigung aber dann doch nicht aussprechen; immerhin war auch mit mir ein bißchen anzugeben. Darum dieses Geschenk und diese unpersönliche Glückwunschkarte.

Letztere wanderte sofort zum Käse in den Papierkorb. Diana hätte mir zumindest mit einer Zeile mitteilen können, wie es ihrem Sohn geht.

Hal und ich sind unter viel Zank miteinander aufgewachsen. Unsere Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Als wir uns dann Jahrzehnte später ineinander verliebten, verzichteten wir umsichtigerweise auf jede strittige Diskussion, denn jede Kontroverse war ein potentielles Minenfeld aus alten Eifersüchteleien und Animositäten. Wir blieben vier harte Jahre zusammen. Vor drei Monaten hat er die Koffer gepackt; er ist einfach weggegangen. Merkwürdig – ich vermisse ihn und empfinde trotzdem große Erleichterung.

Ich hörte, daß er in Alaska wohnt, in einem kleinen Künstlerkaff namens Homer. Diana hätte mir nun wirklich sagen können, ob er sich wenigstens mal bei der Familie gemeldet hat.

Im Fernseher war zu sehen und zu hören, wie ich einer Gruppe von Reportern meine Verteidigungsstrategie erklärte, die aber von diesen Typen anschließend ständig fehlinterpretiert wurde.

Das Bild im Film stimmte mit dem, was ich im Spiegel sah, ganz und gar nicht überein. Im Spiegel zeigte sich eine schlanke Frau, deren italienische Herkunft unverkennbar war: ziemlich große Nase, volle Lippen, grüne Augen und Brauen à la Joan Crawford, braune Haare und ein paar graue Strähnen dazwischen. Dagegen war die Person auf dem Bildschirm deutlich schwerer, älter und von einer abstoßend frostigen Strenge. Ich hörte mich über das ›Fernseh-Syndrom‹ dozieren: Das Fernsehen erzeuge eine Realität, die durchschlagender sei als persönliche Erfahrung. Ich sah zu, beurteilte meine Argumente und staunte über die mediale Verzerrung meiner Selbsteinschätzung.

Plötzlich meldete sich eine Stimme. »Laura? Gut, daß ich dich antreffe.«

»Margaret.« Ich war überrascht, den Syndikus von Graystone Federal in der Tür stehen zu sehen. Im Grunde hatte ich sie nach der verunglückten Gratulationskur von heute morgen als Teil der Gruppe um Sayres abgeschrieben.

»Hast du einen Augenblick Zeit für mich?« Ihr hageres Gesicht wirkte ungewöhnlich angespannt. Doch wohl nicht infolge eines Face-Liftings? Sie war um die Vierzig, ungefähr in meinem Alter, also eigentlich noch viel zu jung für solche Maßnahmen. Sie klimperte hektisch mit den Augen und klemmte eine weiche Locke hinters Ohr.

»Komm doch rein.« Ich schaltete den Fernseher aus und ließ das Video weiterlaufen. Davon hatte ich genug gesehen.

Auf dem Tisch standen immer noch die runden Aluminium-Tabletts; von den Schnittchen war keins übrig geblieben. Ich räumte das Zeugs auf den Boden und bot Margaret einen Sessel an. »Gibt’s Probleme in der Bank?«

Ich dämpfte meine Hoffnungen auf ein lukratives Mandat. Margaret würde mich ohne Zustimmung ihres Chefs nicht als Co-Beraterin einspannen können, und ihr Chef war mit Sayres dick befreundet.

»Nein, ich habe ein persönliches Problem.« Sie hatte inzwischen Platz genommen. Mit dem gegürtelten Strickkleid und den glatten, halblangen Haaren sah sie aus wie eine zerbrechliche Heldin aus einem Film der Schwarzen Serie. Ihre Mattigkeit verblüffte mich, denn ich kannte sie eigentlich nur als springlebendige Frau, Aerobic-gestählt und immer auf Zack.

»Erzähl.« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und erwartete, von einem betrügerischen Leasingvertrag oder einem kleineren Autounfall zu hören.

»Der Form halber …« Sie fixierte mich mit wachem Blick. »Ich möchte deine Dienste in Anspruch nehmen, dich als meine Anwältin engagieren.«

Der Form halber. Mit anderen Worten: Was sie mir zu sagen hatte, war streng vertraulich.

»Ich berechne zehn Prozent weniger Gebühren als bei White & Sayres. Bist du einverstanden?«

»Ja.«

»Ich werde einen Vertrag aufsetzen und ihn dir zukommen lassen. Was wir jetzt besprechen, geht nicht mit auf die Rechnung.«

»Danke.« Ihre Miene irritierte mich. Ich wußte sie auf Anhieb nicht zu deuten. Was verriet sie? Angst? Scham? »Ich zerbreche mir seit Tagen den Kopf darüber, an wen ich mich in dieser heiklen Sache wenden woll. Die Kanzleien, mit denen wir für gewöhnlich zusammenarbeiten, kommen nicht in Frage. Ich kenne zu viele Kollegen.«

Mich kannte sie auch. Wieso sollte ich ihr besser helfen können?

»Du warst lange weg, in Seattle oder so. Stimmt’s?«

»In Nordkalifornien. An der Grenze zu Oregon.«

»Wenn ich richtig informiert bin, hast du während dieser Zeit nicht praktiziert, oder?«

»Mein … Cousin ist krank. Ich habe ihn gepflegt.« Das war nicht direkt gelogen, dennoch aber weit entfernt von der Wahrheit. Hal hat gesundheitliche Probleme infolge einer Verwundung aus dem Vietnamkrieg, doch es war etwas anderes, das wir da oben zu heilen versucht hatten.

»Und du bist nicht zurück zu White gegangen. Daraus schließe ich, daß du die Krise hast, wie wir alle, früher oder später.«

»Die Krise?«

»Ja. Nach einer Meinungsumfrage, durchgeführt vom California Lawyer, sind siebzig Prozent aller Anwälte so unglücklich in ihrem Job, daß sie ihn am liebsten hinschmeißen würden.«

»Dazu habe ich’s gar nicht erst kommen lassen.«

»Sei froh. Ich habe seit sieben Jahren keinen richtigen Urlaub mehr gehabt. Wenn es nach Graystone ginge, gäb’s für mich überhaupt keine Freizeit mehr. Viele Firmen bieten dem Personal mittlerweile freie Mitgliedschaft in Fitneß-Studios an, um die Leistung zu steigern und das Figürchen so herrichten zu lassen, daß der Streß nicht sichtbar wird. So ist es doch. Wer vom Fach ist, weiß Bescheid.«

»Daß Anwälte unglücklich sind?« fragte ich nach.

»Wir leben doch nur noch, um zu arbeiten, und haben alles andere drangegeben: Familienleben, politisches Engagement, Reisen, Spiritualität. Statt dessen stecken wir all unsere Energie in den Job. Und ins Fitneß-Studio, um uns für den Job wieder aufzumöbeln. Verstehst du, was ich meine?«

Ihre Stimme schraubte sich immer höher. Offenbar machte ihr ein Problem zu schaffen, das sie aus eigener Kraft nicht lösen konnte.

»Ich bin sicher, es gibt in unserem Beruf tatsächlich diesen berüchtigten Knacks nach sieben Jahren, glaubst du nicht auch, Laura? Wenn wir’s endlich schaffen, als Sozius irgendwo einzusteigen, fällt uns plötzlich auf, daß wir aus unserem Leben all das verbannt haben, was wirklich zählt. Ich kenne mindestens ein halbes Dutzend Kollegen, die es nicht länger ausgehalten haben und ausgestiegen sind, um in Nepal auf Berge zu klettern, ’ne Dachdeckerlehre anzufangen oder irgend etwas anderes.«

»Die meisten kehren an denselben Schreibtisch zurück und arbeiten für weniger Geld.«

»Ich weiß. Was mich betrifft, ich bin schon lange unzufrieden mit meinem Job. Aber diese bequeme Ausflucht à la Midlife-Krise ist für mich nicht drin. Ich will auch nicht solche Trostpreise, die man sich dann gönnt: Segelbötchen, schickes Auto und dergleichen mehr. Ich will was Echtes.«

Das Wort gefiel mir nicht. Es ist leicht, sich einzureden, daß all das ›echt‹ sei, woran es einem mangelt. Zugegeben, manches davon ist echt, vieles aber nicht. Das habe ich in meiner Beziehung zu Hal lernen müssen.

Sie fuhr fort: »Ich bin streng lutherisch erzogen worden nach dem Motto: ›arbeiten statt urteilen‹. Dahinter steckt eitle Selbstgefälligkeit, und die soll keiner in Zweifel ziehen. Eine solche Erziehung ist die perfekte Vorbereitung auf den Anwaltsberuf. Sei fleißig und anstellig; sich nicht anzupassen ist eine Sünde.«

Willkommen in der Massenkultur. Aber den Schuh brauchte ich mir nicht anzuziehen. Worauf wollte Margaret eigentlich hinaus?

»Ich habe einen Lehrer gefunden, eine Art spirituellen Vater, kurzum: meinen Meister.« Hatte sie soeben noch ziemlich matt und gestreßt dreingeschaut, so belebte sich ihre Miene jetzt. Die Wangen wurden rot.

»Einen Meister?« Ich hatte jahrelang meine Meisterin in ›Tante‹ Diana und den Tag gefeiert, da ich endlich frei von ihr war. Der Wunsch nach Unterwerfung ist mir schlichtweg unvorstellbar.

»Ich merke schon – das kommt dir komisch vor.«

»Ach was.«

»Du kannst ganz offen sein, Laura.«

Nicht in persönlichen Dingen. »Du hast also deinen Meister gefunden«, rekapitulierte ich.

»Er ist wunderbar. Ganz und gar ungewöhnlich. Eine unserer Mandantinnen hat mich auf ihn aufmerksam gemacht. Sie ist eine Anhängerin. Als ich dann selbst an den Gruppentreffs teilnahm, war mir zumute wie damals während meiner Studentenzeit. Es wurde nächtelang diskutiert über Wissenschaftstheorie und Realitätserfahrung.« Sie starrte auf ihre geballten Fäuste. »Verzeih, jetzt wird’s heikel. Ich will nicht in die Philosophie einsteigen und das ganze Drumherum. Aber glaub mir, was da verhandelt wird, ist wirklich nicht aus der Luft gegriffen, sondern wissenschaftlich fundiert. Der Meister ist Quantenphysiker und außerdem Experte für Computersimulationen und holographische Entwürfe. Aber das tut jetzt nichts zur Sache.«

Gut, daß meine Mandantin eine Kollegin war. Sie wußte, worauf es ankam.

»Um den Sinn unseres Daseins zu ergründen« – sie wurde wieder rot und wirkte zunehmend befangen – »haben wir verschiedene Aspekte unserer Person unter die Lupe genommen. Bruder Mike spricht in diesem Zusammenhang von ›Energien‹. Wichtig ist es vor allem, die negativen Energien in Erfahrung zu bringen – verstehst du? –, also all das, was uns unbewußtermaßen beeinflußt, unser Handeln bestimmt und unfrei macht.«

Ich wartete. »Sprich weiter.«

»Viele von uns hatten … Probleme mit der Sexualität.«

Ich hoffte, verschont zu bleiben von Geschichten über Massenorgien und Nötigung, über Gurus, die sich einen Stall voller Rolls-Royce-Kutschen und Liebesdienerinnen halten.

»Wie gesagt, Bruder Mike ist in erster Linie Wissenschaftler. Er glaubt, daß uns die Technik einen Zugang verschafft zum psycho-physischen Universum.« Sie zwinkerte mit den Augen und knabberte an der Unterlippe. »Es ging uns also darum, unsere sexuellen Probleme zu ergründen, und dazu haben wir uns der Videotechnik bedient. Bruder Mike hat die Filmaufnahmen dann per Computer überarbeitet.«

»Wie darf ich das verstehen?«

»Nun, er manipuliert die Aufnahmen mit Hilfe bestimmter Grafik- und Animationsprogramme. Und in der Verfremdung offenbaren sich Aspekte unserer selbst, die uns bisher verborgen geblieben sind. Die Sache ist wirklich ganz erstaunlich.«

»Wie macht er das? Tauscht er Köpfe aus oder ähnliches?«

»Nein. Viel subtiler. Er zeichnet Interaktionen nach und läßt die Ausstrahlung der einzelnen Person als Aura sichtbar werden. Es handelt sich dabei ja um elektromagnetische Felder.«

Ich musterte mein Gegenüber, diese gutgekleidete, wohlsituierte Anwältin, und konnte kaum glauben, was ich da hörte. Sexvideos mit retuschierter Aura. Und das entsprach ihrer Vorstellung von ›echt‹.

»Ich vermute, daraus hat sich jetzt für dich ein Problem ergeben.«

Sie sank tiefer in den Sessel. »Er hat sie auf den Markt gebracht.«

»Die Videos?«

»Ja. Ein Bekannter von mir hat sie in einem Verleih entdeckt. In der Erwachsenenabteilung. Sie stehen in einem Regal mit der Kennzeichnung ›Amateurvideos‹; insgesamt etwa ein Dutzend Kassetten aus unserer Gruppe. Ich habe mich selbst davon überzeugt und eine ausgeliehen. Ich bin darauf abgebildet.«

»Erkennbar oder in überarbeiteter Form?«

»Erkennbar, fürchte ich. Der Gesichtsausdruck mag überarbeitet sein …« Ihre Wangen glühten. »Ich bin nicht sicher.«

»Hat er den Gesichtsausdruck der anderen verändert?«

»Ich glaube ja. Zur Erklärung noch folgendes: Es war wirklich eine enorm intensive Erfahrung, und ich fand die ganze Sache auch insofern gerechtfertigt, als die Aufnahmen wirklich was hergaben.« Sie klammerte sich am Saum ihres Strickkleides fest. »Die Retuschen hatten für uns einen aufklärenden Wert. Was da aber jetzt in dem Laden verliehen wird, ist schiere Pornographie.«

»Bespricht er die Bänder? Schneidet er sie so zusammen, daß sich eine Handlung daraus ergibt?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nur diese eine Aufzeichnung gesehen, und die war von unserer Therapiesitzung.«

»Hast du eine Vollmacht unterschrieben?«

»Ja. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, daß er die Bänder vertreiben könnte. Ich dachte, die Unterschrift sei eine reine Formalität. In der Gruppe gibt’s noch andere Anwälte, und ich bin davon ausgegangen, daß sie ihm dazu geraten haben, sich eine solche Vollmacht einzuholen. Ich habe keinen weiteren Gedanken darüber verloren.«

Man sollte meinen, daß Anwälte besonders vorsichtig sind, wenn es um vertragliche Vereinbarungen geht. Aber das ist ein Irrtum.

»Hast du eine Kopie?«

»Nicht bei mir. Ich weiß auch nicht …«

»Ob du gegen den Bruder vorgehen und auf Schadenersatz klagen willst?«

»Vorerst brauche ich einfach bloß Rat. Ich scheue mich, mit Bruder Mike darüber zu reden. Was er sagt, hat Hand und Fuß, geht in die Tiefe, an die Substanz. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Er macht mich befangen. Deshalb suche ich Rat bei jemandem, der die ganze Sache von einer anderen Warte aus beurteilen kann. Ein Gespräch mit ihm würde nur dazu führen, daß ich ihm am Ende in jeder Hinsicht recht geben müßte und mit allem einverstanden wäre.«

»Du fühlst dich also betrogen?«

Sie verzog keine Miene. »Bruder Mike würde mich nie betrügen.«

»Aber er bringt Sexaufnahmen von dir unters Volk. Nenn mir den Namen des Videoverleihs und faxe mir bitte eine Kopie der Vollmacht durch. Später werden wir dann gemeinsam überlegen, was in dieser Angelegenheit zu tun ist. Einverstanden?«

Sie verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht so recht.«

»Ich würde außerdem vorschlagen, einen Privatdetektiv zu beauftragen. Natürlich fallen dann für dich zusätzliche Kosten an. Aber vielleicht ließen sich so ein paar nützliche Hintergrundinformationen über diesen Guru und seine Geschäfte als Vermarkter von Videos einholen. Vielleicht kommst du dann zu einer klaren Entscheidung. Information ist alles.«

»Ich will’s nicht auf einen Kampf ankommen lassen, Laura.«

»Du bist lange genug Anwältin, um zu wissen, daß Kampf vermieden werden kann durch eine Stärkung der eigenen Position.«

»Es sei denn, die eigene Stärke steigt einem zu Kopf.«

»Zugegeben. Aber die Gefahr besteht wohl nicht. Ich werde in dieser Sache nur unternehmen, was du für richtig hältst.«

Margaret sah mich an. Sie wußte um meinen Ruf als Anwältin und kannte meine Schwächen. In vielen Fällen hätte ich schneller Erfolg haben können, wenn ich weniger aggressiv vorgegangen wäre.

»Ich werde behutsam vorgehen und deine spirituelle Beziehung zu diesem Mike nicht gefährden. Es kommt, wie du selbst sagst, zunächst einmal darauf an, daß du zu einer Entscheidung findest. Wenn du den Vertrieb der Videos unterbinden willst, werde ich das Nötige veranlassen. Das wäre dann allein meine Sache, da du befangen bist und nicht in deinem besten Interesse handeln kannst.«

»Die Videos sind in einem Laden an der Twenty-fourth-Street, nahe Army. Die Vollmacht schicke ich dir per Fax. Und wenn du wirklich glaubst, daß ein Privatdetektiv nötig ist, bin ich damit einverstanden.«

»Es wäre sinnvoll.« Ich wußte auch schon, wer für diesen Job in Frage kam, und hoffte, daß er auf meinen Anruf antworten würde. Ausnahmsweise mal.

»Da ist noch etwas, das ich dir sagen sollte …« Mit der Auskunft rauszurücken fiel ihr merklich schwer. »Diejenige, die unsere Therapie … ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll … sexualisiert und Bruder Mike in diese Richtung gebracht hat, so daß es schließlich zu diesen Aufnahmen kam …« Sie sprach mit der Wand in meinem Rücken und wußte mit den Händen nicht wohin. »Nun, mit dieser Frau hatte ich eine Beziehung.«

»Eine Beziehung? Welcher Natur?«

Sie wich meinem Blick aus. »Eine romantische.«

»Na schön. Ist sie auch auf den Bändern zu sehen?«

»Ja.«

»Hast du mit ihr darüber gesprochen? Weißt du, wie sie über den Vertrieb denkt?«

»Ich glaube … ich fürchte …« Endlich sah sie mir in die Augen. »Vermutlich geht das Videogeschäft auf ihre Idee zurück.«

»Macht das die Sache für dich komplizierter? Gibt es diese Beziehung zwischen euch noch? Fürchtest du, sie verlieren zu können?«

»Arabella arbeitet im Sexgewerbe. Sie hat, ehm, eine Menge Beziehungen.«

»Ist sie eine Hure?«

»Nein, eine Tänzerin. In The Back Door.«

Ich nickte. Von diesem Sexclub hatte ich gehört. Er galt als schick und schrill im Gegensatz zu den schwülen Kaschemmen sonstwo.

»Du sagst, daß deine Beziehung zu ihr romantisch sei. Wie ist das zu verstehen? Steckt mehr als Sex dahinter?«

»Ja.« Sie räusperte sich.

»Und ihre anderen Beziehungen. Sind die auch romantisch oder nur sexuell?«

»Sowohl als auch. Sie ist sehr attraktiv, in vielerlei Hinsicht. Ja …« Sie wurde nervös, kurzatmig. »Ja, ich will sie nicht verlieren. Ich will auch Bruder Mike nicht verlieren.«

»Aber du willst auch nicht auf den Videos erkannt werden, die in der Öffentlichkeit zirkulieren. Mal sehen, was sich da machen läßt.« Ich fragte mich, ob ich ihr entweder ein Taschentuch oder ein Glas Wein anbieten sollte. Oder hätte ich ihr vielleicht tröstend auf die Schulter klopfen sollen?

Ich hatte bislang nur zwei Strafrechtssachen, und darin war mehr emotionaler Sprengstoff enthalten gewesen als in sämtlichen anderen Fällen zusammengenommen, hatte ich doch hauptsächlich Rechtsberatung gemacht für Wirtschaftsunternehmen.

Mit Emotionen umzugehen war noch nie meine Stärke gewesen, weder mit denen anderer noch mit meinen eigenen.

Ich war erleichtert, als Margaret aufstand und sich anschickte zu gehen. Doch sie zögerte noch, öffnete dann ihre Aktentasche und fischte ein Flugblatt daraus hervor.

Es war ein dreifach gefaltetes, blaues Papier. Vor dem Hintergrund einer Collage aus bekannten Gesichtern und nackten Körpern sprangen mir auf der Deckseite die Wörter GEGEN ZENSUR ins Auge.

»Arabella wird wahrscheinlich bei dieser Benefizveranstaltung auftreten.« Margaret reichte mir das Flugblatt, ohne mich anzusehen. »The Back Door stellt dafür Räumlichkeiten zur Verfügung. Da kannst du sie dann sehen, womöglich sogar mit ihr reden. Kann sein, daß auch Bruder Mike da ist. Die Party steigt morgen abend. Ich werde wahrscheinlich nicht kommen.«

»Danke.« Ich nahm das Flugblatt. »Vielleicht schaue ich mir das mal an; hängt davon ab, was auf den Bändern zu sehen ist. Jedenfalls melde ich mich vorher bei dir. Vielleicht hast du dich dann schon entschieden, was ich für dich tun soll.«

Sie wirkte zutiefst frustriert und willenlos. Ich hoffte, daß die Ursache dafür nicht allzu ernst zu nehmen war, daß der Guru ihr nicht das Selbstvertrauen genommen hatte. Sie konnte es sich nicht leisten, einem solchen Typen aus der Hand zu fressen; immerhin war sie Syndikus einer Bank.

Sie sah mich an. »Weißt du, was das bedeutet? Es wird die lesbische Szene spalten.«

»Das Geschäft deines Gurus?«

»Nein, das da«, antwortete sie und zeigte auf das Pamphlet. Sie eilte zur Tür hinaus.

Ich faltete das Flugblatt auseinander. »Für freie Sexualität! Für Erotika! Für ein freies Amerika!« stand darauf zu lesen. »Protestiert mit uns gegen die Zensur. Kommt zu unserer Sonder-Show im Back-Door-Theater.«

Eine Spaltung der lesbischen Szene? Ich verstand nicht, was sie damit meinte.

Es fiel mir auf, daß meine Hand zitterte. Doch das hatte nichts mit Margarets Problem zu tun. Grund dafür war der Anruf, den ich jetzt tätigen wollte.

Kapitel 3

»Sandy?« Meine Stimme klang eine Spur zu schrill. Während unseres letzten Gesprächs hatten wir nur miteinander gestritten. Sander Arkelett war Privatdetektiv, der unter anderem für White & Sayres arbeitete, und er war mein Liebhaber gewesen. Daß ich ihn wenig später wegen Hal verließ, hatte er noch sportlich fair weggesteckt. Doch als ich mich dann vor rund drei Monaten in einen anderen Mann verknallte, der mir klarmachte, daß meine Gefühle für Hal stark abgenommen hatten, war ausgerechnet Sandy derjenige gewesen, der mir eine Szene machte. Er konnte Ted McGuin nicht leiden; es gefiel ihm nicht, daß er jünger war als ich, weniger gebildet und Teil einer anderen Welt. Sandy war regelrecht empört über unser Verhältnis. Er spielte sich auf, als wäre er mein Vater, machte mir Vorhaltungen und warnte mich.

Nach San Francisco zurückgekehrt, hatte ich des öfteren anzurufen versucht und ihm Nachrichten zukommen lassen. Vergeblich. Er schaltete auf stur. Na schön, dann eben nicht – das war meine Reaktion darauf, bis jetzt.

»Ich bin’s, Laura.« Ich hatte zum ersten Mal seine Büronummer gewählt und richtig vermutet, daß er dort zu erreichen sein mußte.

Schweigen in der Leitung. Ich bemühte mich um eine heitere Note. »Sandy, verflixt noch mal. Sag doch was.«

Ein Schnaufen. »Alles klar?«

Immer noch dieselbe Cowboy-Masche, lässig wie Gary Cooper.

»Du wußtest, daß ich wieder in der Stadt bin.«

»Ja. Hast, wie ich höre, ein Büro in SoMa.«

»Direkt unterhalb der Market Street.«

»Na, dann bist du ja wieder im Geschäft. Gut zu hören.«

Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet, du scheinheiliges, überhebliches Miststück? »Darum rufe ich an. Ich würde dich gern engagieren.«

»In welcher Sache?«

»Da ist ein Guru in der Stadt. Den Namen kenne ich nicht, aber seine Anhänger nennen ihn Bruder Mike.«

Nach kurzer Pause: »Ist mir schon mal untergekommen.«

»Wie?«

»Bei einer Ermittlung.«

Über diese Ermittlung durfte er natürlich nichts verraten, aber vielleicht konnte er mir sagen, was er über den Bruder in Erfahrung gebracht hatte. Meiner Mandantin bliebe Geld erspart. Ich könnte meine Gebühren gering halten und gut dastehen.

»Ich habe eine Mandantin, die sich auf ihn eingelassen hat. Ich brauche Hintergrundinformationen. Vielleicht kannst du mir helfen.«

»Hängt davon ab, wer diese Mandantin ist. Wo das Problem liegt.«

»Ihr Name ist Margaret Lenin. Sie hat Sex-Therapie bei ihm gemacht und sich dabei auf Video aufzeichnen lassen. Jetzt stehen diese Bänder in einem einschlägigen Laden zum Verleih aus.«

»Prächtig. Will sie klagen?«

»Sie ist noch unschlüssig. Der schräge Bruder hat sich eine Vollmacht ausstellen lassen. Ich würde gern wissen, was er mit den Videos sonst noch alles vorhat.«

»Tja.« Ich hörte ihn ins Mundstück hauchen. »Ich könnte mich der Sache mal annehmen.«

Ich wartete eine Weile und sagte dann: »Übrigens, es geht dich zwar nichts an, aber … ich bin mit McGuin auseinander und will dir nur sagen, daß du damals ziemlich daneben lagst.« Und dann: »Du hast dich wie ein Arschloch aufgeführt.«

»Ist das dein Olivenzweig, deine Vorstellung von Versöhnung?«

»Du hättest meine Anrufe beantworten können.«

»Du hättest deinem albernen Juckreiz nicht nachgeben und statt dessen lieber zu mir kommen sollen.«

Ging das schon wieder los! Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Behandelte mich dieser engstirnige Ex-Bulle doch tatsächlich immer noch wie ein Kind; schlimmer noch – wie seine Ex-Frau!

Als das Telefon Sekunden später läutete, wußte ich, daß er es war. Ich wartete, bis eine Sekretärin von nebenan den Anruf zu mir durchstellte.

»Also gut«, sagte er, betont verbindlich. »Du willst mich, ich mach’ es.«

Kapitel 4

Ich saß mit dem Rücken zu einer Wand aus unausgepackten Kisten, ein Glas Wodka in der Hand. Das neue Apartment behagte mir nicht; es war mir fremd. Zu viel Architektur, zu wenig Grünzeug. Ich vermißte meine alte, stattliche Wohnung und den Duft der Eukalyptusbäume auf der anderen Straßenseite.

In der neuen Umgebung wirkten sogar meine Möbel schäbig. Hal hatte die dicken weißen Polster verdrecken lassen und sich um die Wasserringe auf den Holzflächen nicht weiter geschert. Ich hatte stillschweigend mitangesehen, wie er alles verhunzte, denn ich wollte nicht als pedantisch und oberflächlich gelten. Vor allem nicht vor mir selbst. Ich wollte von der Yuppie-Schiene runter, hatte meine Karriere abgebrochen und alles Ersparte aufgebraucht. Aber es hat nicht viel genützt, weder mir noch uns beiden.

Ich fragte mich, ob er wohl glücklich sei in Alaska. Er arbeitete dort auf einem Fischkutter, tat schwere Arbeit, um Arm und Bein der rechten Seite zu trainieren, die seit der Kriegsverletzung immer noch nicht zu Kräften gekommen waren. Fast zwanzig Jahre lang hatte er diese Schwäche hartnäckig zu leugnen versucht. Vermutlich habe ich meinen Teil dazu beigetragen.

Nach vier komplizierten Jahren mit ihm – Romanze wäre zuviel gesagt – blieb er trotz unserer Trennung mein heimlicher Partner. Er war’s, mit dem ich mich in Gedanken unterhielt und vor dem ich mich ständig zu rechtfertigen versuchte. Es war ganz und gar nicht angenehm, einen dermaßen strengen Kritiker im Kopf zu dulden. Aber scheinbar brauchte ich das.

Ich gönnte mir noch ein Glas Wodka und schob die erste der geliehenen Kassetten in den Videorecorder.

Der Film begann mit einer Lightshow, mit grellen Farben, die sich miteinander vermischten, ganz so, wie es in den Sechzigerjahren Mode war. Ich stellte mich also auf softpornographische Albernheiten ein.