Die Aßmanns - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Die Aßmanns E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Bettina Störrensen ereilt früh ein hartes Schicksal. Nach dem Verlust ihrer Familie kommt sie als junges Mädchen zu Verwandten, den Aßmanns. Doch anstatt dort Wärme und Geborgenheit zu erfahren, wird sie schlecht behandelt. Mit der Zeit wächst Bettina zu einer hübschen jungen Frau heran, welche auch der Liebe wieder begegnen wird...-

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Hedwig Courths-Mahler

Die Aßmanns

 

Saga

Die Aßmanns

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1917, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726950175

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Aber Bettina — wirst du nie lernen, sparsam zu sein?“

Das junge Mädchen, welches vor dem Ofen kniete, im Begriff, Feuer anzuzünden, sah erschrocken empor in das zürnende Gesicht der scheltenden Frau.

„Was hab’ ich denn getan, Tante Adolfine?“ fragte es, ängstlich.

„Was du getan hast? Sie frägt auch noch, was es getan hat, unglaublich! Schau doch ins Feuerloch hinein. Ist das eine Art, Feuer anzuzünden? Meinst du, das Holz kostet nichts? Du stopfst das ganze Ofenloch voll davon. Das teure Holz! Nicht einmal die Hälfte davon ist nötig. Schnell, nimm das übrige heraus. Es ist ein Kreuz mit dir, Bettina. Du solltest doch doppelt sparsam sein. Natürlich, wenn ihr zu Hause so gewirtschaftet habt, dann ist es kein Wunder, dass ihr zu nichts gekommen seid. Bei mir gibt es solche Lotterwirtschaft nicht, das solltest du nun endlich wissen und dich danach richten.“

Bettina war sehr bleich geworden. Sie holte mit flinken Fingern von den Holzspänen einen Teil wieder aus dem Ofenloch Heraus und legte sie sorgsam in den Holzkorb zurück. Das Feuer brannte nun etwas langsamer an. Es war eine Kunst, die Kohlen so um das winzige Holzhäufchen aufzubauen, dass es nicht erdrückt wurde. Aber Bettina brachte es doch fertig.

Das Feuer brannte. Bettina erhob sich und entfernte sorgsam jedes Stäubchen vor dem Ofen. Sie sah zuweilen scheu nach der Tante hinüber, die inzwischen mit ihrem Stuhle nahe an den Ofen herangerückt war und fröstelnd zusammenschauerte.

Es war ein feuchtkalter Herbstabend. Den ganzen Tag hatte die mehr geizige als sparsame Hausfrau in dem kalten Wohnzimmer gefroren. Jetzt endlich hatte sie sich entschlossen, Feuer anzünden zu lassen, weil sie es vor Frost nicht mehr aushalten konnte. Auch kam nun bald der Hausherr, Peter Assmann, aus der Fabrik nach Hause. Und der liebte ein warmes Zimmer sehr.

Bettina trug nun den Holzkorb hinaus und kehrte dann in das Zimmer zurück. Es war, wie das ganze alte Patrizierhaus, mit vornehmer, behaglicher, etwas altväterlicher Pracht ausgestattet. Assmanns waren sehr reich und ein altes Patriziergeschlecht, das seinen soliden Reichtum schon seit Jahrhunderten vom Vater auf den Sohn vererbt hatte. Sie stellten Tuche her, die noch heute einen Weltruf hatten und allen Neuheitenʻ zum Trotz auf der Höhe blieben.

Peter Assmann war der einzige Sohn seines Vaters und alleiniger Besitzer der grossen Fabrik und des schönen alten Hauses am Fluss. Seine Gattin Adolfine war ein sehr schönes Mädchen gewesen. Noch heute, da sie schon mehr als fünfzig Jahre zählte, war sie eine schöne Frau. Ihr glattgescheiteltes dunkles Haar war noch voll und schwer und von keinem einzigen grauen Faden durchzogen. Das Gesicht zeigte keine Falten, ausser dem strengen Zug um den Mund, der wie mit einem ehernen Griffel eingegraben schien. Die grossen blauen Augen, von dunklen Brauen und Wimpern umsäumt, waren schön in Farbe und Schnitt, aber sie blickten kühl und streng und so durchdringend und nüchtern, dass warmblütige Menschen froren, wenn sie hineinsahen.

Das Leben dieser Frau musste, ihrem Aussehen nach, leidenschaftslos und ruhig verlaufen sein. Und so war es auch. Aus einer armen Beamtenfamilie stammend, hatte sie seelenruhig ihre Hand in die Peter Assmanns gelegt, der sein Herz an das schöne Mädchen verloren hatte und allem Brauch seiner Familie zum Trotz dasselbe zur Herrin seines Hauses machte.

Adolsine liebte den reichen, stattlichen Freier nicht, aber sie liebte auch keinen anderen. Ihr Herz schlug allezeit in gleich ruhigem Gang. Wenn sie etwas aus ihrem kühlen seelischen Gleichgewicht hatte bringen können, dann war es der Gedanke gewesen, dass sie als Herrin in das reiche alte Haus am Fluss einziehen konnte.

Peter Assmanns Eltern waren schon beide gestorben, als Adolfine seine Gattin wurde. In seinem Hause lebte nur noch eine Schwester seines Vaters. Sie bewohnte auch heute noch drei schöne, grosse Zimmer, nach dem Fluss hinaus gelegen, und lebte dort ein stilles, beschauliches Altfrauendasein. ‚Grosstanting’ Emma, wie sie von den beiden Assmannschen Söhnen, Ernst und Georg, genannt wurde, hatte als, junges Mädchen einen Bräutigam gehabt. Der war 1870 im deutsch-französischen Kriege gefallen und sie hatte ihm über den Tod hinaus die Treue bewahrt und war trog ihres Reichtums und ihrer Schönheit unverheiratet geblieben.

Grosstanting Emma war der Frau ihres Neffen innerlich nie nahe getreten. Adolfine war zu klug und zu gierig nach Reichtum, um nicht mit der Tante ihres Mannes Frieden zu halten. Denn da diese unverheiratet blieb, würde ihr Vermögen natürlich einst ihrem Manne und ihren Kindern zufallen. Und Grosstanting war eine stille, sanfte Natur und liebte den Frieden um seiner selbst willen. Wohl fand sie sich innerlich bald abgestossen von Adolfines kühlem, nüchternem Wesen. Sie begriff ihren Neffen nicht, dass er sich im Besitz einer solchen Frau glücklich fühlte. Aber sie war viel zu taktvoll und fein einpfindend, sich das merken zu lassen.

Gleich von Anfang an verstand es Adolfine, sich die führende Stellung im Hause zu sichern. Grosstanting, die ihrem Neffen den Haushalt geführt hatte, wurde ruhig und bestimmt in ihre drei Zimmer zurückgedrängt und fügte sich mit ihrem stillen, feinen Lächeln darein — einem Lächeln, das alles Menschliche verstand, alles verzieh.

Die beiden Frauen lebten nun ruhig nebeneinander hin. Adolfine führte ein strengeres Regiment im Hause ein und tat sich viel darauf zugute, dass sie viel sparsamer wirtschaften konnte als die Tante ihres Mannes. Diese lächelte dazu. Sie wäre ja so gar nicht nötig gewesen, diese Knauserei, aber da Adolfine Befriedigung darin fand, liess man ihr den Willen. Weder Peter noch seine Tante widersprachen und sahen sich nur zuweilen mit einem gütigen Lächeln ins Gesicht. Sie verstanden sich und verstanden Adolfine. Sie wollte wohl durch grosse Sparsamkeit den Schaden wett machen, der dem Hause Assmann durch Peters Heirat mit einem armen Mädchen erwachsen war.

So kam in das grosszügige, vornehme Patrizierhaus die ängstliche Pfennigrechnerei der Beamtentochter und machte sich breit — ganz allmählich.

Grosstanting kam meist nur zu den Mahlzeiten mit Adolfine und den anderen Familienmitgliedern zusammen. Aber mit dem ältesten Sohne Peters und Adolfines verband sie mit der Zeit ein ganz eigenartig inniges Verhältnis. Ernst Assmann war ein warmherziger, etwas wilder und unbändiger Junge, der von seiner Mutter nur Tadel und Schelte bekam, den sie nicht verstand und dessen feuriges Wesen ihr geradezu unleidlich war. Ungerechte Strafen weckten seinen Tross gegen die Mutter, wofür er wieder von seinem Vater gestraft wurde. So war er auf dem besten Wege, sich zu verhärten und zu verbittern. Da griff Grosstanting ein. Sie sah, welch ein Derbrechen die schablonenhafte Erziehung an diesem Knaben war und ganz still und sanft, aber eindringlich machte sie ihren Einfluss auf ihn geltend. Und Ernst begann ein anderes Leben zu leben. Manche Stunde, die er früher zu ungebärdigen, tollen Streichen benutzte, sass er jetzt bei Grosstanting im Zimmer und plauderte mit ihr. Das alte, einsame Fräulein begann diese Knabenseele zu studieren, sich ihr anzupassen, die Schätze zu heben, die darin verborgen waren. Und ihr Leben erhielt dadurch plötzlich einen ungeahnten Wert. Ernst aber erkannte bald trotz seiner Jugend, was er an Grosstanting hatte und diese zwei Menschen schlossen in der kalten Umwelt des Hauses ein warmes, festes Herzensbündnis.

Da Ernst verständiger und ruhiger wurde unter Grosstantings Einfluss, liess Adolfine die beiden ruhig gewähren und Peter war herzlich froh, seinen Frieden wieder zu haben und nicht immer strafen zu müssen. Im Grunde liebte er seinen Ältesten mehr als Georg. Aber er liess sich das niemals merken und glaubte, doppelt streng gegen ihn sein zu müssen.

Als Ernst älter wurde, entwickelte er sich zu einer lebensfrischen, kraftvollen Persönlichkeit. Es war ihm bekannt, dass er, gleich Georg, nach Beendigung der Schulzeit in die Fabrik eintreten sollte. Ihm fehlte aber alle Lust und Begabung zum Kaufmannsstande. Lange, ehe er das seinen Eltern eröffnete, wusste Grosstanting, dass Ernst der Überlieferung des Hauses Assmann untreu werden wollte. Manche Dämmerstunde sass er auf dem Erkerplatz zu ihren Füssen und gab seinen idealen, feurigen Zukunftsplänen Ausdruck. Welche drängende, lebensstarke Jünglingsseele enthüllte sich da den Blicken Grosstantings. Sie sass und staunte und schwärmte dann mit ihm um die Wette. Sein ganzes Sinnen und Streben richtete sich auf die Baukunst. Architekt, Baumeister wollte er werden. Und vor Grosstantings staunenden Augen entstanden unter seinen feurigen Worten herrliche Paläste, ernste schöne Kirchen, wundervolle und liebliche Landhäuser.

Die halbe Welt durchstreiften die beiden Menschen im kühnen Flug. Grosstanting wurde manchmal etwas schwindlig dabei — aber sie flog tapfer mit. Und ganze Bücherstösse liess sie sich ins Haus schicken, um sie mit Ernst durchzustudieren. Da zeigte er ihr, wohin er reisen würde, wenn er erwachsen wäre, was er alles sehen und lernen würde, und lange ehe seine Eltern etwas davon ahnten, stand es bei den beiden fest, dass Ernst Baumeister werden sollte.

Dass es nicht ohne Kämpfe dazu kommen würde, wussten sie wohl, und so schoben sie die Eröffnung so lange wie möglich hinaus. Erst als Ernst das Abiturium hinter sich hatte und nun in die Fabrik eintreten sollte, kam es zur Entscheidung.

Seine bündige Erklärung, dass er nicht Kaufmann, sondern Architekt werden wolle, machte seinen Vater fassungslos. Er konnte das vorläufig gar nicht glauben. Aber die Mutter erklärte sofort mit heroischer Willkür, dass Ernst seine ,verrückten Einfälleʻ aufzugeben und sich zu fügen habe. Der wehrte sich gegen diesen Machtspruch. Es gab unruhevolle Auftritte in dem alten Patrizierhause. Mutter und Sohn stiessen mit den harten Köpfen aneinander. Denn einen harten Kopf hatte auch Ernst, so weich und liebevoll auch sein Herz, dank Grosstantings Einfluss, geblieben war.

Und Frau Adolfine konnte Widerspruch nicht vertragen. Je mehr sich Ernst dagegen wehrte, desto fester bestand sie darauf, dass er Kaufmann würde. Ernsts Vater stand auf ihrer Seite. Alle Assmanns waren Kaufleute gewesen, hatten Wohlstand und Reichtum durch den Kaufmannsstand errungen. Er hatte eine sehr hohe Meinung von diesem Stand und wollte, dass seine Söhne ihm beide angehörten.

So kam es zum Bruch zwischen Ernst und seinen Eltern. Er weigerte sich, Kaufmann zu werden, und sie weigerten sich ihm auch nur einen Pfennig zu geben und seinen Plan auszuführen. Sie glaubten, ihn durch diese Drohung gefügig zu machen, aber gerade diese Drohung steigerte seinen Trotz. „So hungere ich mich durch — ihr sollt mich nicht knechten und zu einem Beruf zwingen, der mir zuwider ist,“ hatte er auf ihre Drohung erwidert und war aus dem Zimmer gestürmt.

Grollend und verzweifelt war er zu Grosstanting gekommen. Er hatte auch ihr versichert, dass er noch heute fortgehen wolle und sich zur Not durchhungere, nie aber darauf verzichten würde, Architekt zu werden. Grosstanting hatte lächelnd in sein flammendes Gesicht gesehen: Ernst hatte nicht, gleich seinem Bruder Georg, die Schönheit der Züge von seiner Mutter geerbt. Er war äusserlich ein echter Assmann. Gross und stattlich war er emporgewachsen, aber seine Züge waren zu gross angelegt für einen Jünglingskopf, zu kantig und zu markig. Zum Manne gereist würde er bedeutend und charaktervoll seine Stirn dem Leben darbieten, eisern und unbewegt, das sah man schon heute dem Gesicht an, jetzt wirkte es eckig, fast unschön. „Min leive Jung,“ Grosstanting nannte ihn immer so, du willst doch wohl nicht mit dem Kopf durch die Wand? Das denkst du dir wohl sehr romantisch und heldenhaft — das mit dem Durchhungern? Aber ein leerer Magen geht oft mit einem leeren Kopf einher, darauf wollen wir es lieber nicht ankommen lassen. Wozu ist dein Grosstanting da? Hier — nimm diese Brieftasche; sie lag schon für dich bereit, denn ich sah das alles kommen. Wenn du denn einmal hinaus willst, so sollst du nicht mit leeren Taschen gehen. Du sollst deinen Monatswechsel haben wie andere Söhne aus gutem Hause auch. Wozu hab’ ich so viel Geld, wenn ich damit dir, min leive Jung, nicht deinen Herzenswunsch ermöglichen soll? Nun geh mit Gott und werde ein tüchtiger Baumeister. Vergiss auch nicht, dass da oben unter deinem dichten Haardach ein ungestümer Sinn regieren will. Beherrsche dich selbst — dann kannst du auch andere Menschen beherrschen. Und in dem Beruf, den du dir wählst, da kommt es viel auf diese Herrschaft an. Soll ein Bau recht gelingen, muss der Bauherr Menschen zwingen — zum Gehorsam bis ins kleinste.“

Ernst hatte die alte Dame fest in seine jungen starken Arme genommen. „Grosstanting — ich nehme das Geld von dir. Und du sollst sehen — ich werde ein ganzer Kerl, schon dir zuliebe. Ich danke dir herzlich. Du kennst mich wie kein anderer Mensch und du weisst auch, dass ich gehen muss, soll ich mich nicht selbst verlieren.“

„Ich weiss es, min leide Jung. Und zürne deinen Eltern nicht — sie stehen auf einem anderen Standpunkt und wollen dein Bestes. Zeigst du ihnen, dass es dir Ernst ist mit deinem Wollen, dann versöhnst du sie dir schon eines Tages wieder. Und bis dahin schreibst du mir oft und ausführlich über dein Leben, du weisst, ich lebe jede Stunde mit dir. Ich sende dir auch fleissig Nachricht über unser Leben daheim. Aber weisst du — schicke mir deine Briefe lieber postlagernd, es ist besser. Ich möchte nicht in Unfrieden leben mit deinen Eltern. Und wenn du dein Ziel erreicht hast, ehe die Eltern sich dir versöhnen, so reich’ ihnen dann zuerst die Hand, fester Wille ziert den Mann, Trotz schändet ihn.“

Das waren Grosstantings Geleitsworte für ihren ,leive Jungʻ. Noch am selben Tage verliess Ernst das Vaterhaus. Der Abschied von Eltern und Bruder war kurz und kühl. Man glaubte, er würde bald reuig zurückehren, wenn ihm der Ernst seiner Lage bewusst, würde. — —

Aber er war bis heute noch nicht zurückgekehrt. Seit zehn Jahren hatte er das Vaterhaus nicht wieder betreten. Adolfine wunderte sich zuerst, dass ihr Sohn. nicht darbend zu Kreuze troch. Schliesslich nahm sie misstrauisch ihren Mann ins Derhör, ob er etwa heimlich den ungehorsamen Sohn unterstütze. Er konnte aber mit gutem Gewissen beschwören, dass Ernst keinen Pfennig von ihm erhalten hätte. Peter Assmann wäre wohl über das Schicksal seines Sohnes nicht so ruhig gewesen, wenn Grosstanting ihn nicht beauftragt hätte, ihr jeden Monat eine bestimmte Summe von ihren Zinsen flüssig zu machen. Peter verwaltete das Vermögen seiner Tante und als er sie eines Tages wie beiläufig fragte, wozu sie diese sich stetig wiederholende Summe nötig habe, da hatte sie lächelnd die Hand auf seine Schulter gelegt und gesagt:

„Ich unterstütze damit einen tüchtigen jungen Mann, der einmal einen grossen Namen haben wird. Sein Vater hat seine Hand von ihm abgezogen, weil er einen eigenen Willen hatte. Aber ich weiss, es tut dem Vater ganz heimlich im Herzen leid, denn er ist kein Unmensch. Nur will er seinem störrischen Jungen gegenüber nicht klein beigeben, so lange dieser nicht bewiesen hat, dass er einer inneren Notwendigkeit und keiner eigensinnigen Laune folgte. Ich weiss aber, dass es eine innere Notwendigkeit war, denn ich kenne den jungen Mann besser, wie ihn sein eigener Vater kennt. Und deshalb halte ich zu ihm und sorge; dass er nicht untergeht. Denn das würde den Vater trotz seines Grolles innig betrüben. Das weiss ich, denn ich kenne den Vater auch sehr genau. So, mein Peter — nun sorgst du mir pünktlich für das Geld, und frägst mich nicht mehr, wozu ich es brauche.“

Peter Assmann hatte mit grossen Augen in das alte, feine Frauengesicht geblickt. Ein Seufzer war tief aus seiner Brust emporgestiegen, es klang wie heimliche Befriedigung.

„Nein, ich frage nicht mehr, Tante Emma und ich glaube auch, dass du den Vater recht gut kennst;“ hatte er erwidert, und mit einem guten Lächeln, welches die beiden Gesichter sehr ähnlich machte, waren sie auseinander gegangen.

Adolfine hegte aber noch heute tiefen Groll gegen ihren Sohn Ernst. Viel zu Klug, um nicht zu merken, dass Ernst mit Geldmitteln unterstützt würde, fiel ihr Verdacht bald auf Grosstanting. Aber sie gab diesem Verdacht keinen Ausdruck, um es mit der alten Dame nicht zu verderben. Mochte sie Ernst immerhin Geld schicken, er wäre sonst doch schliesslich verkommen in seinem Trotz. Und so war sie wenigstens nicht gezwungen, klein beizugeben. Ernst sandte seinen Eltern jeden Monat einen geschäftsmässig gehaltenen Bericht über sein äusseres Leben. Diese knappen und klaren Berichte kamen aus aller Herren Länder, denn Ernst betrieb sein Studium, dank Grosstantings Hilfe, im grossen und sah sich die Bauten der halben Welt an. Überallhin, wo es zu lernen gab für ihn, wandte er seine Schritte.

Grosstanting bekam viel öfter und viel ausführlicher Nachricht von ihm. Es gab nichts in seinem Leben, woran er sie nicht hätte teilnehmen lassen. Sie holte sich diese Briefe in regelmässigen Zwischenräumen von der Post und es war jedesmal ein Festtag für sie, wenn sie einen seiner liebevollen Briefe erhielt.

Sie schrieb natürlich ebensooft an ihn und füllte immer mehrere Bogen mit ihrer feinen, klaren Handschrift. Dass er immer von allem unterrichtet war, was im Hause vorging, dafür sorgte sie gewissenhaft. So erfuhr er auch, dass einige Jahre nach seinem Fortgehen ein anderes junges Menschenkind Einzug in sein Vaterhaus hielt. Seine Mutter hatte eine junge Derwandte zu sich ins Haus genommen. Bettina Sörrensen war die Tochter einer Base von Frau Adolfine. Ihr Vater, Major Sörrensen, war vor Jahren gestorben und hatte seine Witwe mit zwei Kindern in sehr gedrückten Verhältnissen zurückgelassen. Bettinas Bruder Hans, der fast zehn Jahre älter war als sie, und von ihr innig geliebt wurde, war Offizier geworden. Durch des Vaters Tod musste seine ohnedies knappe Zulage noch mehr beschnitten werden. Er hatte sich dann, im Drange, seinen Verhältnissen aufzuhelfen, zum Spiel verleiten lassen und hatte eines Tages eine grössere Summe auf Ehrenwort verspielt. Es war ihm nicht gelungen, diese Summe aufzutreiben. Verzweifelt bat er in einem Schreiben Adolfine Assmann um Hilfe. Sie hatte ihm diese Hilfe versagt. Da hatte er sein junges Leben enden müssen, durch eigene Hand. Seine Mutter hatte darüber den Verstand verloren und war wenige Wochen nach ihm gestorben, ohne noch einmal zur Besinnung zu kommen. Und da hatte Adolfine, als sie zur Beerdigung ihrer Verwandten gereist war, Bettina mitgebracht, wohl in einer Anwandlung, aus Reue und Grossmut gemischt, und in der Voraussetzung, dass Bettina mit der Zeit einen Dienstboten im Hause ersetzen würde. In Grosstantings Brief an Ernst hiess es: „Dass Gott erbarm, das arme blasse Ding. Wie sie einen anschaut mit ihren grossen blauen Augen, so verängstigt, so verschüchtert und im Leid erstarrt. Min leive Jung, das Herz hat sich mir rein im Leibe umgedreht, als ich sie zuerst sah in ihrem schwarzen Kleidchen. Es gibt doch viel Elend auf der Welt. Die arme Kleine sitzt nun oben in ihrem Stübchen und starrt trübselig und versteinert in die Welt. Mir geht es bei ihrem Anblick immer eisigkalt durchs Herz. Gestern wollt’ ich sie trösten und strich ihr über das Haar. Es ist so fein und goldig, lockt sich um Stirn und Schläfen und fällt in zwei schweren Flechten über ihr schwarzes Kleidchen herab. Sie sah mich mit einem unbeschreiblichen Blick an und schauerte zusammen. Welches Leid, welche Schrecknisse mögen ihre jungen Augen schon gesehen haben!“

Dass Ernsts Mutter durch ein wenig Güte und Milde diese Schrecknisse hätte verhindern können, wenn sie Bettinas Bruder die für sie geringe Summe geliehen oder geschenkt hätte, schrieb Grosstanting nicht mit. Es war nicht nötig, dass Ernst davon erfuhr. In seinem nächsten Briefe schrieb dieser in Bezug auf Bettina:

„Über das fernere Schicksal der armen kleinen Bettina bin ich beruhigt. Ich müsste mein Grosstanting schlecht kennen, wenn sie sich die Gelegenheit entgehen liesse, ein armes junges Menschenkind aufzurichten, mit Liebe zu umgeben, mit seinem Schicksal auszusöhnen.“ Und Ernst hatte richtig vermutet.

Sobald Bettina sich etwas erholt und gekräftigt hatte, entliess Adolfine ein Stubenmädchen und beauftragte Bettina mit deren Arbeiten. Adolfine war nicht die Frau, die einen Menschen umsonst auffütterte. Bettina mochte sich nur nützlich machen und tüchtig mit zufassen im Haushalt.

Sie tat es auch ohne Murren und bestrebte sich ehrlich, die Zufriedenheit der gestrengen Tante zu erwerben. Leider gelang ihr das nie. Adolfine stellte an all ihre Dienstboten grosse Anforderungen und machte Bettina gegenüber durchaus keine Ausnahme. Seit sieben Jahren war die junge Waise nun im Hause. Still und bescheiden schaffte sie und war froh, die Dankesschuld in etwas durch ihren Fleiss vermindern zu können. Je mehr die Tante schalt, desto eifriger wurde sie. Diese hatte immer zu mäkeln und aus zusetzen. Die Dienstboten liefen ihr einfach davon, wenn sie es zu bunt trieb. Aber Bettina musste aushalten, sie konnte nicht einfach kündigen und sagen: „Hier passt es mir nicht.“

Manchmal wäre sie wohl verzagt, wenn es nicht auch für sie ein Plätzchen gegeben hätte, wo sie aufatmen konnte. Grosstanting war auch für sie, wie einst für Ernst, zum rettenden Engel geworden. Eine ganze Weile hatte die gütige alte Dame ruhig angesehen, wie Adolfine das arme Ding quälte. Dann legte sie sich aber zu Bettinas. Gunsten ins Mittel und zwar auf so feine Weise, dass Adolfine gar nichts davon merkte.

Eines Mittags bei Tisch sagte die alte Dame zu Adolfine:

„Mit meinen Augen wird es immer schlechter. Das Lesen greift mich sehr an. Und auf meine liebgewordene Gewohnheit mag ich nicht verzichten. Ich will deshalb einmal im Tagblatt eine Vorleserin suchen. Wenn sich Bewerberinnen melden, schickst du sie mir wohl in mein Zimmer, liebe Adolfine.“

Diese hatte aufgehorcht und auf ihrem Gesicht spiegelte sich eine unliebsame Überraschung. Eine Vorleserin im Haus, vielleicht eine anspruchsvolle Dame, die viel Geld kostete und allerlei Rücksichten forderte? Das passte Frau Adolfine gar nicht. Und plötzlich fiel ihr Bettina ein. Wozu war denn das Mädchen im Hause? Sie konnte sehr gut dies Amt übernehmen. Man sparte Unannehmlichkeiten und Geld. Denn wenn auch Tante Emma die Vorleserin selbst bezahlen würde, Adolfine rechnete mit deren Geld schon wie mit eigenem. Sie richtete sich entschlossen auf.

„Wozu eine fremde Person ins Haus nehmen, Tante Emma? Bettina ist ja da, sie kann dir vorlesen, so viel du willst.“

Ein leises Aufzucken in Grosstantings Mundwinkeln verriet, dass sie diesen Vorschlag erwartet hatte. Sie sah aber scheinbar überrascht auf. „Bettina? Das möchte wohl gehen — ja — das liesse sich einrichten, sie hat ein angenehmes, weiches Organ. Aber nein — du brauchst sie ja im Haushalt so nötig, ihre Zeit ist vollständig ausgefüllt. Das geht also nicht.“

Adolfine hatte keine Ahnung, dass die alte Dame ein wenig Komödie spielte. Sie ereiferte sich.

„Aber ich bitte dich, Tante Emma, das ist ja ganz einfach. Ich nehme noch eine Putzfrau, die Bettina entlastet. Dann bleibt ihr Zeit genug für dich. Und eine Putzfrau ist natürlich billiger und anspruchsloser als eine Vorleserin.“

Tante Emma sah mit gütigem Blick zu Bettina hinüber, in deren Gesicht bei dieser Verhandlung eine feine Röte gestiegen war und deren Augen mit einem bangen Ausdruck an Adolfines Gesicht hingen.

„Möchtest du das Amt einer Vorleserin bei mir übernehmen, Bettina?“ fragte sie sanft.

Bettinas Gesicht rötete sich noch mehr. „Sehr gern — o — sehr gern,“ stiess sie hastig hervor.

„Dann soll es mir recht sein, wie du bestimmst, liebe Adolfine. Bettina kann dann gleich morgen beginnen. Ich denke vormittags zwei Stunden und nachmittags von fünf Uhr an, wenn ich von meinem Spaziergang zurückkomme. Und damit auch die Geldfrage erörtert wird — wenn es dir recht ist, übernehme ich dafür die Kosten für Bettinas Kleidung, denn da ich ihre Dienste beanspruche, ist es auch recht und billig, dass ich dich dafür entschädige.“

Adolfine war sehr damit einverstanden und so hatte Grosstanting einmal Bettina auf Stunden von anstrengender Hausarbeit erlöst und zum andern sich das Recht erkauft, Bettinas stark vernachlässigtem Kleiderbestand aus eigenen Mitteln aufzuhelfen. Denn Adolfine knauserte auch in dieser Beziehung. Bettina trug noch immer das verwachsene schwarze Kleidchen, in dem sie ins Haus gekommen war.

So wurde Bettina Vorleserin bei Grosstanting und damit erhielt ihr Leben eine erfreuliche Veränderung Ach — was waren ihr diese köstlich stillen Stunden bei der gütigen, feinfühligen alten Dame! Es wurde durchaus nicht die ganze Zeit gelesen. Grosstantings Augen und ihre gute Brille taten ihre Dienste noch recht gut in der Zeit, da Bettina im Haushalt beschäftigt war. Die zum Vorlesen bestimmten Stunden wurden in der Hauptsache von der alten Dame benützt, um der armen jungen Waise erst wieder einmal etwas Lebensfreudigkeit einzuflössen, sie zu trösten und sie liebevoll und gütig von ihrem Schmerz um die verstorbene Mutter und den geliebten Bruder zu heilen. Bettina lebte auf und ihr Herz wandte sich mit inbrünstiger Dankbarkeit und seinem ganzen grossen Liebesreichtum der alten Dame zu.

So entstand zwischen Tante Emma und Bettina ein inniges Verhältnis, wie zwischen Mutter und Tochter. Die beiden vereinsamten Frauenherzen hingen fest aneinander.

Seltsamerweise machten sich bei dem sonst noch so rüstigen alten Fräulein in schneller Reihenfolge allerlei kleine Schwächen bemerkbar. Sie fühlte sich plötzlich zu schwach und unsicher, ihre Spaziergänge allein auszuführen. Man musste ihr Bettina zur Stütze mitgeben. So kam das junge Mädchen täglich zwei Stunden mit ihr ins Freie. Bei dieser Gelegenheit besorgte Grosstanting auch immer die Einkäufe für Bettinas Kleidung, und es machte ihr viel Freude, das junge Mädchen nett und geschmackvoll auszustatten. Adolfine machte zwar scheele. Augen dazu und suchte Tante Emma klar zu machen, dass es für Bettina nicht gut sei, wenn sie verwöhnt würde, da sie doch ein armes Mädchen sei. Grosstanting machte ihr undurchdringliches Gesicht.

„Sei unbesorgt, Adolfine. Bettina wird nicht zu sehr verwöhnt. Da sie mich auf meinen täglichen Spaziergängen begleiten muss, will ich, dass dies in einem anständigen Anzug geschieht. Man möchte sonst übel davon reden, wenn eine Verwandte des Hauses Assmann wie ein Dienstmädchen gekleidet neben mir geht. Auch musst du bedenken, dass Bettina mir jetzt vollständig eine teure Gesellschafterin ersetzt. Und wir wollen uns doch von einer armen Waise nichts schenken lassen.“

So war Adolfine wieder abgeführt und sie musste sich fügen.

Bettina hatte als Schlafzimmer von Adolfine eine getünchte Dachkammer angewiesen bekommen, wie sie von den Dienstboten benutzt wurde, trotzdem in dem grossen Hause eine ganze Anzahl sehr hübscher Fremdenzimmer leer standen.

Da stellte sich bei Tante Emma eine scheinbar nervöse Schlaflosigkeit ein. Sie klagte über Unruhe und Beklemmung und wünschte des Nachts jemand in ihrer Nähe zu haben. Adolfine liess von Grosstantings Bett eine elektrische Klingel nach ihrem eigenen Schlafzimmer legen, damit die alte Dame sie herbeirufen konnte, wenn diese Beklemmungen eintraten. Pünktlich klingelte Grosstanting nun Adolfine jede Nacht zwei, drei Mal aus ihrem warmen Bett. Das machte dieser nun freilich wenig Vergnügen. Da fand Grosstanting plötzlich einen Ausweg.

„Weisst du, liebe Adolfine, das geht auf die Dauer nicht. Du bist auch die Jüngste nicht mehr und ich kann nicht verlangen, dass du deine Gesundheit schädigst mit diesen unruhigen Nächten. Bettina ist noch jung, ihr macht das wenig aus. Du brauchst sie nur in das Fremdenzimmer hier neben meinem Schlafzimmer einzuquartieren, dann ist sie mir des Nachts wieder erreichbar. Das Zimmer ist ja ohnedies fast unbenützt, und du hast deine Ruhe wieder.“

Das leuchtete Adolfine ein. Das Aufstehen des Nachts war ihr sehr unangenehm geworden. Mochte sich Bettina damit abquälen! So junge Menschen schlafen ja immer schnell wieder ein, wenn man sie weckt.

Also Bettina erhielt das hübsche Fremdenzimmer neben Grosstantings Wohnung als Schlafraum — und von der Zeit an erfreute sich Grosstanting seltsamerweise wieder eines ungestörten Schlummers. Bettina konnte ruhig in ihrem Bett bleiben. Also hatte wohl die Nähe des jungen Mädchens beruhigend auf Grosstantings Nerven eingewirkt.

So hatte sich Bettinas Stellung im Hause durch Grosstantings Hilfe sehr gebessert. Natürlich sorgte Adolfine trotzdem noch ausreichend für Beschäftigung des jungen Mädchens, aber das trug es leicht. Mochte Tante Adolfine noch so viel schelten, ihr noch so viel Arbeit aufpacken, die herrlichen Stunden bei Grosstanting konnte sie ihr nicht rauben.

Heute gab es grosse Wäsche. Da musste Bettina einen Teil der Mädchenarbeit mit übernehmen und die Nachmittagsstunden bei Grosstanting fielen aus.

Nachdem Bettina Feuer angezündet hatte, musste sie den Tisch für das Abendessen decken, den Tee bereiten und die Speisen aus der Vorratskammer herausgeben. Zu diesem Zweck liess sie sich von Tante Adolfine den Speisekammerschlüssel geben, den diese zum Ärger ihrer Dienstboten stets bei sich trug. Sie reichte ihn Bettina.

„Schneide von der Wurst und dem Rollschinken auf, Bettina. Aber die Scheiben nicht wieder so dick, das ist Verschwendung. Und nicht zu viel. Zwei Scheiben Wurst, eine Scheibe Schinken für die Person. Das genügt vollständig. Reste liebe ich nicht, die verderben nur.“ Bettina tat, wie ihr geheissen war. Sie schnitt so feine dünne Scheiben als möglich und legte sie auf die schwere, silberne Platte. Diese trug sie in das schöne, dunkelgetäfelte Speisezimmer hinüber. Auf den mächtigen Tisch hatte sie ein blütenreines Tischtuch von feinem Damast gebreitet. Kostbares Meissner Porzellan und schwersilberne Essbestecke zierten die Tafel. Teegläser mit silbernen Haltern standen auf einer schönen silbernen Platte vor der Teemaschine, unter der Bettina bereits den Spiritus entzündet hatte. Auf diesem mit gediegener Pracht gedeckten Tisch, der deutlich den Reichtum der Familie Assmann zeigte, nahm sich die schwere Silberplatte mit den dünnen Wurstscheiben seltsam genug aus.

Seit Frau Adolfine das Zepter im Hause führte, hatte sie diese schmale Abendkost als der Gesundheit zuträglich eingeführt. Warum sie auch die Mittagsmahlzeiten tunlichst beschränkt hatte, sagte sie nicht. Tatsache war, dass in diesem reichen alten Patrizierhause nur gut und reichlich getafelt wurde, wenn Gäste zugegen waren.

Diese Sparweise Frau Adolfines hatte seltsame Verhältnisse gezeitigt. Peter Assmann, der an eine gute und reichliche Kost gewöhnt war, hatte seit seiner Verheiratung die Gewohnheit angenommen, ein zweites Frühstück auf dem Wege nach der Fabrik in einem Speisehaus einzunehmen. Dieses zweite Frühstück wurde schliesslich seine Hauptmahlzeit, an der sich auch in stillschweigendem Übereinkommen Georg zu beteiligen pflegte, seit er in der Fabrik tätig war. So hielten sich die beiden Herren schadlos, ohne dass Adolfine eine Ahnung davon hatte. Und Grosstanting — die lächelte fein, wenn Peter mittags gar so wenig ass und so schnell gesättigt war, wie Georg auch. Sie ahnte den Grund und tat es stillschweigend den beiden nach.