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Die Bärentrainerin
Die Eroberung des Bären
Die Bärenfängerin
Bärenweihnacht
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Über den Autor
Copyright © AJ Tipton 2015 Das Werk einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (elektronisch, gedruckt, kopiert oder anderes) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeglicher Art, gesamt oder auszugsweise, ist ohne ausdrückliche, schriftliche Genehmigung des Autors untersagt. - Die Genehmigung kann bei [email protected] angefragt werden.
Dieses Buch ist nur für den Verkauf an ein erwachsenes Publikum gedacht. Es beinhaltet sexuell explizite Szenen und Bildsprache, die manchen Lesern anzüglich vorkommen könnte.
Diese Arbeit ist reine Fiktion. Alle Charaktere, Namen, Orte und Vorfälle, die in diesem Werk vorkommen, sind fiktiver Natur. Jegliche Ähnlichkeiten zu realen Personen, lebendig oder tot, Organisationen, Vorkommnissen oder Lokalitäten ist reiner Zufall.
Alle sexuell aktiven Charaktere dieses Buches sind 18 Jahre oder älter.
Katherine Kalani schüttelte ungläubig den Kopf und betrachtete fasziniert die geschäftige Menge; sie hatte noch nie so viele Gestaltswandler an einem Ort versammelt gesehen. Alle Arten von Wandlern, von denen Katherine je gehört hatte, trafen sich hier, verwandelten sich von ihrer menschlichen Form in Füchse, Bären, Wölfe und Dutzende anderer Tierarten, während sie hinter einer leuchtenden Linie warteten, die mit dem Schriftzug „START“ gekennzeichnet war.
„Was ist denn hier los?“ Katherine wandte sich fragend an Sylvester. Sie streckte ihre langen, gebräunten Beine aus und dehnte ihren steifen Nacken. Sie fühlte sich nach dem sechsstündigen Flug von Hawaii hierher verknittert und verkrampft.
„Willkommen zu den Gestaltswandlerspielen!“ Sylvester breitete weit die Arme aus und deutete auf die überfüllte Lichtung im Wald. „Diese wunderschönen Wesen...“, ihr Freund zeigte auf die Gestaltswandler, „werden rennen, springen, fliegen, klettern und Gott weiß was sonst noch alles, um den Parcours zu schaffen, den unsere wahnsinnige Spielleiterin zusammengestellt hat.“ Er wies auf eine blasse Frau, deren Brust mit Rosentattoos bedeckt war. Sie stand oben auf einem Gerüst, das aussah wie ein Rettungsschwimmer-Häuschen. Ihr langes, schwarzes Haar war zu Dutzenden von Zöpfchen geflochten, die in der Luft zu schweben und zu hüpfen schienen, als hätten sie ihr eigenes Leben. „Das ist Lola. Barfrau, Kupplerin und Spielleiterin.“ Sylvester grinste. „Sie ist auch Buchmacherin. Sie nimmt Wetten auf den Sieger an, falls du daran interessiert bist.“
„Sly, ich bin nicht den ganzen Weg zum Festland geflogen, um einigen Muskelprotzen bei einem Rennen zuzusehen.“ Sie lachte, als Sylvester einen Schmollmund zog. „Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, mir diese Superkörper beim Wettkampf anzusehen.“ Ihr Blick glitt über die Menge. „Aber du sagtest, du würdest mich zu Raymond Bellwether führen.“
Sylvester nahm Katherine bei den Schultern und drehte sie sanft um, so dass sie zum Ende der Gruppe der Teilnehmer blickte. Dort, mit einem schmierigen Grinsen im Gesicht und pudelnackt, stand Raymond Bellwether.
„Dieser Sohn einer -“
Ein Paar starker Arme schloss sich um ihre Taille und sie verlor den Boden unter den Füßen als Sylvester sie heftig umarmte.
„Sly“, keuchte Katherine. „Du. Erstickst. Mich.“
„Oh, ´Tschuldigung!“ Sylvesters herzliches Lachen klang ihr in den Ohren als er sie losließ. „Ich wollte dich nur schnell davon abhalten meinen Boss zu beleidigen. Als ich gestern deine Nachricht bekam, dachte ich, du machst Witze.“
„Was ist daran witzig?“ Katherine fuhr vor Schreck zusammen als die Startpistole knallte, und die gesamte Horde Gestaltswandler losraste. Alle Wettkämpfer waren nackt, so dass sie ungehindert ihre Gestalt verändern konnten, ohne jedes Mal ihre Kleidung zu zerreißen. Sie blickte Raymond nach, und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen als er in der Menge verschwand.
„Wir sind seit zehn Jahren befreundet, und du weißt, wie gern ich dich habe, aber du bist ganz schön durchgeknallt, Kat“, sagte Sylvester. „Du bist hergekommen, um dem Geschäftsführer von Bellwether Resorts ins Gewissen zu reden, warum er das Urlaubsresort in Maui nicht hätte schließen dürfen? Was willst du denn damit erreichen?“
Katherine knirschte wütend mit den Zähnen, obwohl es sich schrecklich anfühlte. „Es kann nicht wahr sein, dass das Maui Turtle Resort nicht profitabel ist. Wir sind jeden Tag voll ausgebucht. Ich würde jede Wette eingehen, dass irgendjemand da absahnt und der gute Mr. Bellwether steckt mit drin.“ Sie ballte die Fäuste. „Auf jeden Fall werde ich mich besser fühlen, wenn ich diesem arroganten Arschloch meine Meinung gegeigt habe.“
„Das wird deiner Karriere natürlich wahnsinnig förderlich sein“, witzelte Sly.
„Lass meine Karriere nur meine Sorge sein.“ Sie war nicht bei Bellwether Resorts angestellt, tatsächlich war sie nirgendwo mehr angestellt. Bevor das Resort geschlossen wurde, war Katherine eine erfolgreiche Personal Trainerin gewesen. Sie hatte im Maui Turtle, dem Hawaii-Zweig der Bellwether-Kette, gearbeitet. Sie hatte einen ausgezeichneten Ruf auf der Insel und trainierte reiche Stammkunden und Urlauber, die das Ferienparadies besuchten. Das Resort war ein typisches, tropisches Paradies und von oben bis unten mit Palmen und bunten Leis, den hawaiianischen Blumenketten, geschmückt. Es war vielleicht etwas kitschig, aber sie fühlte sich dort heimisch. Viele ihrer Freunde hatten ihr immer wieder geraten, ein Privatstudio zu eröffnen und ihr Personal Training pro Stunde teurer zu verkaufen. Aber ihr ging es nicht nur ums Geld. Sie arbeitete gern im Maui Turtle.
Katherine saß noch immer der Schock in den Knochen, den sie verspürt hatte, als sie hörte, dass das Maui Turtle geschlossen werden sollte. Während der normalen Personalbesprechung am Montagmorgen wurde ihnen die Tatsache so banal präsentiert, dass die meisten dachten, es wäre ein Scherz. Als sie sich an das Gesicht erinnerte, dass die Hausdame Mrs. Mahiʻai gemacht hatte, als die Entlassungsliste vorgelesen wurde, hätte sie Raymond Bellwether am liebsten sofort in sein arrogantes Gesicht geschlagen. Die harte Wirklichkeit wurde in diesem Moment allen schlagartig bewusst. Mrs. Mahiʻai hatte einen siebenjährigen, krebskranken Sohn, der im Krankenhaus lag. Wie sollte sie ohne ihren Job die Krankenhausrechnungen bezahlen? Außerdem war da noch Mr. Kapule, einer der Gärtner, der Katherine in der High-School geholfen hatte, ihre Biologieprüfung zu bestehen. Maui war nur eine kleine Insel, auf der es nicht viele Jobs gab.
Ihre Mitarbeiter und Freunde, die für Katherine eine Art Ersatzfamilie geworden waren, verstreuten sich bereits in alle Himmelsrichtungen, um an anderen Orten Arbeit zu finden. Dafür war nur Raymond Bellwether verantwortlich. Katherines Fäuste ballten und öffneten sich; sie war äußerst angespannt.
„Ach, scheiß drauf“, brummte Katherine und versuchte, sich an Sly vorbei zu drängen. „Wenn der Firmenchef versucht, das Leben meiner Freunde zu zerstören, dann muss er sich mir gegenüber erstmal rechtfertigen.“
„Ist schon klar“, antwortete Sylvester. „Deshalb habe ich dich hierhergebracht. Nach den Wettkämpfen, werden sich alle an der Bar die Kante geben.“ Er zeigte über seine Schulter auf eine Leuchtreklame, auf der AUDREY's stand. „Raymond wird erschöpft und betrunken sein. Ich habe mir gedacht, das wäre die beste Gelegenheit für dich, die Wahrheit aus ihm rauszukriegen.“
„Ein guter Plan.“ Katherine wippte ungeduldig mit dem Fuß, während sie darauf wartete, dass das Rennen zu Ende ging. „Dann erzähl mir doch mal was über diese Gestaltswandlerspiele. Ich bin zwar ein Personal Trainer, aber selbst ich denke, dass das ein bisschen bescheuert ist.“
„Oh, die Spiele sind toll!“ Sly verschüttete fast sein Bier vor lauter Begeisterung. „Lola stellt jede Woche eine andere Strecke zusammen und zwar so, dass kein Gestaltswandler einen Vorteil den anderen gegenüber hat; für alle ist etwas dabei, die Großen und die Kleinen, die Flieger und die Schwimmer, so geht das. Der Sieg dient hauptsächlich zum Angeben, aber es gibt auch Preise, und zwar weiß man nie, was man gewinnen kann. Einmal war es eine Packung Pfefferminzbonbons und dann wieder eine all-inclusive Kreuzfahrt in Alaska. Aber das weiß man vorher nie, es wird erst bekannt gegeben, wenn der Gewinner feststeht.“
Die Wettkämpfer kamen zum Ende der Strecke. Nackte Männer und Frauen tauchten mit wildem Gespritze aus dem Wasser auf und rasten zur Ziellinie. Katherines Blick wanderte über die Kämpfer, auf der Suche nach Raymond. Stattdessen bemerkte sie einen hochgewachsenen Mann, der aus dem See kam. Das Wasser lief in Strömen an den starken Muskeln seiner breiten Brust und an seinem durchtrainierten Bauch hinab. Ihr Mund wurde trocken als sie beobachtete, wie die Wassertropfen sich einen Weg über seinen muskulösen Körper bahnten. Das Haar des Mannes war kurz geschnitten und seine Haut sogar noch etwas dunkler als Katherines Sonnenbräune. Die Muskeln spielten unter seiner glatten Haut, als er über das Feld zum Ziel lief, wobei er allerdings noch hinter einigen Teilnehmern lag.
„Über die Aussicht hier kann man wirklich nicht meckern“, murmelte sie. Obwohl so viele nackte Körper sich hier zur Schau stellten, stach der große Mann doch aus der Menge heraus.
„Sei vorsichtig mit dem da, er ist -“ Sly’s Warnung wurde von einem gewaltigen Gebrüll unterbrochen. Raymond hatte die Ziellinie überquert und die Zuschauermenge tobte. Katherine biss die Zähne zusammen. Natürlich musste dieses Arschlosch das Rennen gewinnen. Karma ist eine faule Schlampe.
„Und hier ist der Preis für unseren siegreichen Helden!“ Lolas verstärkte Stimme hallte über die gesamte Lichtung, obwohl Katherine kein Mikrofon sehen konnte. Lola hielt einen hohen weißen Karton hoch, der mit einer glänzenden, roten Schleife zugebunden war.
„Jetzt sag mir mal, Lola, was ich damit anfangen soll?“, grölte Raymond, als er den Karton öffnete und einen blauen Samthut hervorholte, den er der lachenden Menge zeigte.
„Trage ihn mit Stolz, wenn du deine erste Runde ausgibst!“ Lola setzte den Hut energisch auf Raymonds Kopf und ging voraus zur Bar. Einige der Gestaltswandler hoben Raymond auf ihre Schultern und trugen ihn, lauthals singend, hinter ihr her.
Katherine und Sylvester folgten der ausgelassenen Menge in AUDREY’S Bar. Raymond war in dem Trubel verschwunden. Wahrscheinlich versteckt er sich, damit er nicht die erste Runde ausgeben muss, der Bastard, dachte Katherine. Sie biss sich auf die Lippen. Sie war den weiten Weg hierhergeflogen, um Raymond gründlich die Meinung zu sagen, aber sie bekam ihn nie zu fassen. Dieser gemeine Kerl hatte ihr ihr Heim weggenommen und ihre Familie in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Jetzt sollte er auch die Konsequenzen tragen.
Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, in der Hoffnung ihn irgendwo zu entdecken. Es saßen nicht nur Gestaltswandler an der langen Holztheke und den kleinen Tischen, die überall im Raum verteilt waren: Katherine entdeckte ein paar Feen, einige Vampire und sogar einen riesengroßen Troll. Alle unterhielten sich angeregt, tranken und lachten gemeinsam. Sylvester küsste ihre Wange und sagte ihr, dass er sich zu einigen seiner Freunde setzen wollte.
„Mach aber keine Schwierigkeiten, Schätzchen. Vergiss nicht, du möchtest, dass sie das Resort wieder öffnen und du deinen Job zurückbekommst“, ermahnte er sie.
Katherine scheuchte ihn weg, versprach ihm aber nichts. Sie ging zur Theke, weil sie sich von dort einen besseren Blick über die Menge erhoffte. Eigentlich machte sie sich keine großen Hoffnungen, dass das Maui Turtle wiedereröffnet würde, aber sie wollte nicht aufgeben, bis sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte.
„Was ist das hier für eine Hütte?“, fragte sie die Barfrau. Katherine ließ sich auf einem Barhocker nieder und merkte, wie sie sich, trotz ihrer Wut, langsam entspannte. Irgendetwas in dieser Kneipe machte es ihr schwer, an ihrem Zorn festzuhalten.
„Herzlich willkommen im AUDREY's.“ Lola goss einen Old Fashioned, Katherines Lieblingscocktail, in ein Glas und schob es ihr hin. Während die Barfrau sprach, hüpften ihre vielen Zöpfchen auf und ab, fast so, als würden sie Katherine zur Begrüßung zuwinken.
„Danke?“ Katherine Stimme klang unsicher, als sie das Spektakel um sich herum betrachtete. Da sie selbst eine Bärenwandlerin war, kannte sie sich mit ungewöhnlichen Dingen aus, aber sie hatte noch nie einen Ort wie diesen gesehen.
„Man gewöhnt sich nach einer Weile daran.“ Der hochgewachsene Mann, den Katherine während des Wettkampfs beobachtet hatte, als er aus dem Wasser gekommen war, stand plötzlich neben ihr. Sein Haar war noch nass und seine nackte Brust mit Schlamm verschmiert. Mit leichter Enttäuschung stellte Katherine fest, dass er inzwischen eine Hose angezogen hatte.
Er nickte Lola zu. Sie goss reichlich Whisky in ein Glas, fügte einen Spritzer Cola hinzu und schob ihm das Glas über den Tisch zu. Er nippte daran und lächelte. Erfreut bemerkte Katherine, dass sein ohnehin gutaussehendes Gesicht durch das Lächeln noch attraktiver wurde. Der Mann hob sein Glas, prostete der Barfrau zu und schob Geld über den Tisch.
„Perfekt, wie immer.“ Er wandte sich Katherine zu. „Lola nimmt fast nie eine Bestellung an.“
„Eine Barfrau weiß alles, ihr Süßen.“ Lola zwinkerte ihnen zu und ging dann zum anderen Ende der Bar, um ein paar aufgeregt schnatternde Zentauren zu bedienen.
„Ich habe dich draußen gesehen. Beim Wettkampf, meine ich.“ Katherine hob ihr Glas, dessen Kühle sich angenehm gegen die Hitze anfühlte, die plötzlich ihren Körper durchströmte.
Deshalb bist du nicht hier, ermahnte sie sich selbst. Er lächelte sie direkt an, und Katherine spürte, dass sie errötete. Sein Lächeln war so echt und natürlich, sie musste es einfach erwidern.
Reiß dich zusammen, Mädchen. Mr. Kapules jüngstes Kind hatte sich eine Schaukel gewünscht. Also hatte er mehr Geld in ein Haus mit Garten und einem großen Baum, an dem man eine Schaukel anbringen konnte, investiert. Nun konnte er seine Raten nicht mehr bezahlen und würde, im besten Fall, mit seiner Familie in einer winzigen Wohnung landen, wenn er auf der Insel bleiben wollte. Bleib sachlich, ich bin hier um etwas zu erreichen und nicht, um mit einem heißen Typ im Bett zu kriegen. Sie legte das kühle Glas an ihre Wange.
„Du warst nicht schlecht. Wenn du deine Balance etwas verbessern würdest, hättest du eine gute Chance auf den ersten Platz“, sagte sie.
Der Mann lachte, ein leises, melodisches Lachen. „Ich betrachte das jetzt mal als Kompliment. Außerdem ist der zweite Platz doch auch nicht schlecht.“
Katherine blickte auf ihr Glas hinunter. „Sorry. Berufskrankheit.“ Sie stellte ihren Old Fashioned auf die Theke und streckte ihm die Hand hin. „Ich bin Katherine Kalani, Personal Trainerin.“
Walter grinste und schüttelte ihr die Hand. „Walter Bellwether, Hotelmanager.“
Bellwether? Katherine hielt in letzter Sekunde ihr Glas fest, das ihr fast aus der Hand gefallen war.
„Kleiner Bruder!“ Eine große Hand legte sich auf Walters Schulter. Raymond trug noch immer seinen lächerlichen Hut und hielt einen riesigen Stapel leerer Schnapsgläser in der Hand. Er schwankte leichte, als er sich zu Katherine beugte, so nah, dass sie seinen Tequila-durchtränkten Atem riechen konnte. „Und wen haben wir denn hier?“ Er kam noch näher, den Blick seiner kalten Augen fest auf ihre Brust gerichtet.
„Sie.“ Katherine schaffte es, den ganzen Hass, den sie empfand in dieser einzigen Silbe zum Ausdruck zu bringen. „Ich bin Katherine Kalani aus dem Maui Resort.“ Sie stand von ihrem Barhocker auf und funkelte ihn böse an. „Sie wissen schon, das Resort, das Sie gerade geschlossen haben? Sechshundert Menschen haben dadurch ihre Arbeit verloren, und Sie haben hier ihren Spaß und trinken Schnaps. Das waren gute, loyale Angestellte, die Sie einfach gefeuert haben, Leute, die seit Jahrzehnten für Ihre Firma gearbeitet haben.“
„Was?“ Walter sprang ebenfalls auf und stellte sich vor seinen Bruder. „Du hast mir nichts davon gesagt, dass wir das Turtle-Resort geschlossen haben.“ Er war etwas wackelig auf den Beinen, also hielt Katherine ihn am Arm fest, damit er sein Gleichgewicht halten konnte. Alkohol nach einem Rennen war vielleicht nicht so eine gute Idee.
„Jetzt bleib mal cool, kleiner Bruder. Überlass die Geschäfte den Erwachsenen.“ Er warf Katherine einen genervten Blick zu und ließ die leeren Schnapsgläser achtlos auf die Theke krachen. „Hören Sie, Fräulein, Ihr Resort hat mich nur noch Geld gekostet. Ich leite doch hier keinen Wohltätigkeitsverein.“
„Das ist doch Blödsinn!“, zischte Katherine wütend. „Wir waren immer voll ausgebucht, bis Sie das Resort geschlossen haben.“ Sie zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. „Sehen Sie mir in die Augen und sagen Sie mir, wohin das Geld wirklich geflossen ist.“
Walter stellte sich zwischen Katherine und Raymond, so dass sein Körper die beiden voneinander trennte. „Halt, immer langsam, das ist eine schwere Beschuldigung.“
„Die Wahrheit ist, dass das Maui Turtle eine mies geführte Absteige war.“ Raymond zeigte auf Katherine. „Das Personal war so grottenschlecht, dass wir die Gäste schon fast bezahlen mussten, um dort zu bleiben.“ Er nahm einen weiteren Schnaps von der Theke und kippte ihn in einem Zug hinunter. „Außerdem ist es mein Geld. Ich kann damit machen, was ich will.“
Katherine wollte sich auf ihn stürzen, aber Walters Hände legten sich um ihre Taille und hielten sie zurück.
„Überlass das mir.“ Walter trat näher an seinen Bruder heran und senkte seine Stimme zu einem bedrohlichen Knurren. „Ich kann nicht glauben, dass du ohne einen stichhaltigen Grund ein ganzes Resort geschlossen hast. Das sind unsere Angestellten, wir schulden ihnen Loyalität. Wir sprechen hier über Vaters Erbe.“
Katherine sah Walter überrascht an. Wenigstens einer der Bellwether Brüder schien kein totales Arschlosch zu sein.
Raymond schnappte sich Walters Drink von der Theke und kippte ihn in einem Schluck herunter. „Ich werde meine Firma so führen wie ich es für richtig halte. Vaters Testament hat mich als Verantwortlichen eingesetzt.“ Er rülpste laut.
„Er hat dir die Firma nicht hinterlassen, damit du alles versaufen kannst, wie du es schon mit deinem Treuhandfonds gemacht hast!“ Walter nahm sich einen der Schnäpse, die auf einmal auf der Theke zwischen ihnen standen. Katherine blickte sich um, woher die Gläser gekommen waren und sah Lola, die an der hinteren Wand lehnte. Die Barfrau zwinkerte ihr zu. Katherine sah von einem Bruder zum anderen und ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus.
„Du denkst also, dass du so viel besser bist als ich, oder?“ Raymond stieß Walter mit den Händen auf die Brust weg und grölte dann: „Du kannst mich ja nicht mal bei den Gestaltswandlerspielen schlagen und bildest dir ein, dass du in geschäftlichen Dingen besser bist als ich?“
Walter stieß zurück. „Undwie ich dich bei den Spielen besiegen könnte! Beim nächsten Rennen mache ich dich platt.“ Er nahm sich ein Glas und stürzte den Schnaps hinunter.
„Blamier dich bloß nicht vor der Dame hier“, lallte Raymond. „Außerdem, was hast du schon, das du als Wetteinsatz setzen könntest?“ Er wollte einen weiteren Schnaps hinunterkippen, fand aber seinen Mund nicht, und der Schnaps lief an seinem Kinn herunter.
Walter trat näher. „Ich weiß, dass du mich loswerden willst. Wenn du gewinnst, dann leite ich irgendein, von dir gewähltes, abgelegenes Resort und lasse dich in aller Ruhe diese Firma ruinieren.“ Walter schlug mit der Hand auf die Theke.
Vielleicht habe ich ja doch noch eine Chance, mein Zuhause zu retten. Katherine trat vor. „Und wenn Walter gewinnt, dann leitet er Bellwether Resorts. Die gesamte Kette.“
„Gut gebrüllt.“ Walter prostete ihr zu. Dann wandte er sich an Raymond. „Ja, wenn ich gewinne … machen wir es so.“
„Die Wette gilt!“, grölte Raymond und hielt den lächerlichen Hut fest, den er noch immer auf dem Kopf hatte.
„Dann machen wir es auch offiziell“, lallte Walter. „Lola soll-“
„Ich bin schon hier, Jungs.“ Lola erschien hinter der Theke. Sie hielt ein Papier in der Hand, von dem ein grünliches Leuchten ausging. Sie zwinkerte Katherine wieder zu. „In dieser Bar werden viele Wetten abgeschlossen.“
Katherine betrachtete das Papier, das von innen zu leuchten schien. „Ist das ein Bindender Bogen?“ Vorsichtig betastete sie das Dokument.
„Du hast es erfasst, Schätzchen“, antwortete Lola. „Dieser Bogen enthält die genauen Einzelheiten der Wette. Sobald sie unterschrieben haben, sind Walter und Raymond auf rechtliche und magische Weise gebunden, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.“ Sie zog eine Grimasse. „Der letzte Typ, der versucht hat sich aus seiner Wettschuld, die mit einem Bindenden Bogen vereinbart war, herauszuwinden, läuft jetzt mit einem Elefantenrüssel im Gesicht herum. Das hat seine Chancen bei den Mädels echt ruiniert.“ Sie schwieg einen Moment. „Nun ja, das heißt, bei den meisten Mädels.“
„Ich unterschreibe, wenn du unterschreibst.“ Raymond grinste gemein. „Kleiner Bruder.“
Katherine hielt den Atem an.
„Gib her.“ Walter nahm das Dokument, und beide Brüder unterzeichneten es mit der totalen Selbstüberschätzung, die so typisch für Volltrunkene ist.
Walter drehte sich leicht schwankend zu Katherine um. „So.…was ist jetzt mit meiner Balance...?“
Nervös betrachtete Walter den Hindernisparcours, den Katherine im Wald für ihn aufgebaut hatte. Er war wirklich gut, genauso gut wie die Rennstrecken, die Lola für die offiziellen Wettkämpfe auslegte. Er steckte die Hände tief in die Taschen seiner Trainingshose, um ihr Zittern vor Katherine zu verbergen. Das Training war kein Problem für ihn, aber...
Was zum Teufel mache ich hier? dachte er. Ich bin ein erwachsener, berufstätiger Mann, der für Tausende von Angestellten verantwortlich ist und jetzt habe ich alles auf eine Karte gesetzt in einer dämlichen Wette mit meinem idiotischen Bruder. Er presste die Handflächen an seine Schenkel und versuchte, sich zu konzentrieren.
Ich werde nie wieder trinken.
„Das hier ist doch blödsinnig. Wir sollten damit aufhören“, sagte er zu Katherine, die gerade den letzten Heuballen auf der Strecke aufgestellt hatte. „Ich werde mit Raymond sprechen, er wird bestimmt vernünftig sein.“
„Ach ja?“ Sie sah ihn an und zog ihre perfekt geformte Augenbraue hoch. Sofort spürte er, wie das Zittern seiner Hände nachließ. Wenn er in ihrer Nähe war, bekam er das Gefühl, dass alles irgendwie in Ordnung kommen würde.
Katherine war groß und unter ihrer schmutzverspritzten Trainingshose zeichneten sich starke, üppige Kurven ab. Ihr lockiges, braunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, und die üppigen Locken kitzelten ihren Nacken. Wo die Sonne ihre Haut traf, hatte sie einen natürlichen, strahlenden Schimmer, so als ob sie von innen leuchtete. Er schüttelte diese Gedanken ab, als ihm klar wurde, welches Risiko sie auf sich genommen hatten. Jetzt war wirklich nicht der richtige Moment darüber nachzudenken, ob er seinen Trainer bitten sollte, mit ihm auszugehen, egal wie stark sein Wunsch war, sie einfach in die Arme zu nehmen.
Sie lief vor ihm auf und ab, die Hände in die Hüften gestemmt. Ich habe mich über deinen Bruder etwas schlau gemacht und versucht so viel wie möglich darüber herauszufinden, wie er die Firma führt. Vernünftig ist nicht unbedingt ein Wort das ich im Zusammenhang mit Raymond benutzen würde.“ Sie winkte Walter zu der Übungsstrecke. „Außerdem habt ihr beide einen Bindenden Bogen unterzeichnet; ihr braucht eine Hexe und absolutes beiderseitiges Einverständnis um die Verpflichtung aufzuheben. Es ist nicht mein Problem, wenn du dich in einen Elefantenmenschen verwandelst. Aber…“ Sie machte eine kleine Kunstpause, „es ist sehr unwahrscheinlich, dass dein Bruder aufgeben wird. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dich in die bestmögliche Form zu bringen, damit du das Rennen gewinnen kannst.“
Katherine hatte Recht. Sollte Walter das Rennen verlieren, wären Tausende von Angestellten der Bellwether-Resorts so gut wie arbeitslos. So sehr er auch glauben wollte, dass sein großer Bruder langsam aber sicher lernen würde, Verantwortung zu tragen, so war das doch eher unwahrscheinlich. Seit Raymond im letzten Jahr die Geschäftsleitung übernommen hatte, war es mit der einst so erfolgreichen Firma stetig bergab gegangen. Wenn man das Unternehmen retten wollte, müsste jemand in absehbarer Zeit einige drastische Änderungen vornehmen, und es sah nicht so aus, als ob dieser Jemand Raymond sein würde.
Katherine klatschte in die Hände und Walter konzentrierte sich wieder auf sie. Sie warf ihm einen strengen Blick zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihm fiel sofort auf, dass diese Bewegung ihre Brüste unter dem ärmellosen Top nach oben drückte. Schnell lief er zur Startlinie, um sich davon abzuhalten, sie anzustarren.
„Ich habe dich beim letzten Wettkampf beobachtet und finde, dass du gar nicht so schlecht bist“, sagte Katherine. „Ich muss mir erst einmal ansehen, wie du diese Strecke bewältigst, dann kann ich deine Stärken und Schwächen beurteilen. Anschließend können wir einen Trainingsplan ausarbeiten und spezifische Übungen in Angriff nehmen, wo besonderer Trainingsbedarf besteht.“
Walter sprintete an der Startlinie los, sprang über brusthohe Heuballen und lief dann auf die dicken Seile zu, die von einem Ast herabhingen. Mit einer Hand ergriff er ein Seil und zog sich hoch zu den Ästen, wo der Parcours weiterging. Seine Füße rutschten etwas auf den dünnen Ästen, als er darüber raste und er musste sich an den blätterbedeckten Ästen über seinem Kopf festhalten, um nicht von dem zehn Meter hohen Baum herunterzufallen.
Er erreichte die nächste Markierung und sprang ins Leere. Ihm blieb fast die Luft weg, als er mit der Brust gegen den nächsten Baum prallte. Er klammerte sich so fest er konnte an der rauen Borke fest und kletterte zu der Leiter hin, die seitlich in den Baumstamm genagelt war, bevor er sich in seine Bärengestalt verwandelte. Sein größeres Wesen umhüllte ihn wie eine Umarmung und seine Arme und sein Brustkorb wölbten sich mit der vertrauten Kraft. Er ließ sich mühelos den Baumstamm hinabgleiten, wobei seine scharfen Krallen den schnellen Abstieg kontrollierten. Sein Herz schlug schneller, als der Boden immer näher auf ihn zukam.
Walter fühlte sich optimistisch, als er das nächste Hindernis sah: ein Netz aus Seilen war über eine circa fünfzehn Meter lange, tiefe Grube gespannt. Die sich überkreuzenden Seile waren so weit auseinander angelegt, dass er vorsichtig darüber balancieren musste, um nicht in die drei Meter tiefe Grube zu fallen. Er benutzte seine mächtigen Hinterbeine, um so weit wie möglich in das Netz zu springen und verwandelte sich während des Sprungs noch in der Luft in seine menschliche Gestalt. Sein Fell verschwand und glatte Haut erschien während der Verwandlung an Stelle des rauen Pelzes. Seine leichtere, menschliche Form flog, angetrieben durch die mächtige Sprungkraft des Bären, viel weiter als normal und landete fast am anderen Ende des Netzes. Das Netz gab unter seinen Füßen nach. Er machte einen falschen Tritt und konnte sich in letzter Minute noch am Seil festhalten. Einen Moment lang hing Walter so tief im Netz, dass seine Zehenspitzen den Boden der Grube berührten. Er ergriff das Seil und kletterte aus der Grube, wütend, dass er durch einen kleinen Fehltritt so viel wertvolle Zeit verschwendet hatte. Vielleicht habe ich ja wirklich Probleme mit dem Gleichgewicht.
Walter kam so schnell wie möglich wieder auf die Füße, aber er wusste, dass dieser Sturz ihn bei einem echten Rennen den Sieg gekostet hätte. Er ging über die restlichen Seile und machte weiter mit dem Parcours. Er sprang über den Bach, kletterte über einen Felsen und sprintete dann, so schnell er konnte, zurück zu Katherine, die ihn mit einer Stoppuhr in der Hand und düsterem Gesicht erwartete.
Kurzatmig und mit Seitenstechen kam er stolpernd an ihrer Seite zum Stehen. „Ich weiß, dass ich nicht gut genug war“, keuchte er. „Ich hätte mich nicht während des Sprungs verwandeln sollen. Das war blöd von mir.“ Er zog Shorts und ein Shirt aus seiner Sporttasche und zog sie über seinen nackten Körper. Er riskierte einen Blick in Katherines Richtung, um zu sehen, ob sie ihn beobachtete, aber ihre Augen wanderten kritisch über den Parcours.
Sie gab kleine, missbilligende Laute von sich. „Die Gestaltwandlung im Flug war etwas angeberisch, aber ich habe Schlimmeres gesehen. Du hast die Kraft und die Schnelligkeit, um zu gewinnen. Wir müssen uns hauptsächlich auf deine Balance konzentrieren. Wenn wir ernsthaft daran arbeiten, kannst du schneller durch die Baumhindernisse kommen und dein Gleichgewicht auf den Seilen halten.“
Er nickte. „Okay, aber wie kann man die Balance verbessern. Ist das nicht ein angeborenes, natürliches Talent?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das gibt es nicht. Man kann alles lernen. Du musst nur die nötige Zeit und Mühe investieren. Bist du bereit dazu, Richie Rich?“ Ihr Lächeln nahm der zynischen Bemerkung etwas von ihrer Schärfe, aber er spürte, was sie meinte. Sie glaubte nicht, dass er die nötige Disziplin besaß, um die Sache durchzuziehen. Sie denkt, dass ich genauso bin wie Raymond. Dieser Gedanke traf Walter wie einen Faustschlag ins Gesicht.
Er richtete sich auf, sein Herzschlag wurde ruhiger und er spannte die Muskeln an, so dass sie definiert hervortraten. „Ich kann alles schaffen, was du von mir verlangst.“
Katherine lächelte. „Gut. Fangen wir mit einer einfachen Übung an: du musst auf einem Bein dein Gleichgewicht halten. Stell dich mit geschlossenen Füßen hin.“ Gehorsam stellte er seine Füße dicht nebeneinander. „Jetzt schließ deine Augen und hebe den rechten Fuß langsam an, die Ferse nach unten gerichtet.“
Walter schwankte. Er stellte fest, dass es schwieriger war als er gedacht hätte, mit geschlossenen Augen das Gleichgewicht zu halten. Er ruderte mit den Armen und spannte die Körpermitte an, als er sein Gewicht verlagerte und versuchte, gerade stehen zu bleiben.
„Stell dir vor, mitten auf deinem Kopf ist eine Schnur befestigt, die dich nach oben zieht“, sagte Katherine mit ruhiger Stimme, als ob sie ihn durch eine Meditation führte. Eine Anspannung, deren er sich bis jetzt gar nicht bewusst gewesen war, löste sich beim Klang ihrer Stimme auf, und er konnte plötzlich sein Bein noch etwas höher anheben. „Ja, so. Und jetzt bewegst du dein Bein nach rechts, ohne es absinken zu lassen, bis es zur Seite ausgestreckt ist. Du musst dabei die Gewichtsverlagerung ausbalancieren, aber vergiss nicht die Schnur, die die dich nach oben zieht und dich durch deine Wirbelsäule gerade aufgerichtet hält.“
Er befolgte ihre Anweisungen. Die Muskeln in seinen Schenkeln schmerzten immer mehr, je länger er sein Bein hochhielt. „Hey, du, das macht dir wohl Spaß?“, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen, um sich etwas abzulenken.
„Klar, ein bisschen. Man bekommt nicht oft die Gelegenheit, einen Bellwether zum Schwitzen zu bringen.“
Seine Augen weiteten sich. Bevor er es verhindern konnte, war vor seinem geistigen Auge ein Bild erschienen: Katherine lag unter ihm; er stieß seinen Schwanz heftig in sie hinein; der Schweiß ihrer beiden Körper vermischte sich, während sie sich an ihn presste, und er das Beben ihres Höhepunkts um seinen Schaft herum fühlte.
Sie ist deine Trainerin, sagte er streng zu seinem Schwanz und konzentrierte sich im Geiste auf die Gesichter seiner Freunde aus dem Resort, die ihm näherstanden als seine eigene Familie. Sie wird dir helfen, den Menschen, die du liebst, Sicherheit zu geben. Er konnte es sich jetzt nicht leisten, Katherine zu begehren. Er durfte nicht daran denken, wie ihre Augen geglüht hatten, als sie seinem Bruder in der Bar die Meinung gesagt hatte oder wie schnell sie bereit gewesen war, ihm bei diesem verrückten Projekt zu helfen. Für sie stand beim Ausgang dieser Wette genauso viel auf dem Spiel wie für ihn. Walter durfte sie nicht als Frau sehen, sondern nur als Trainerin.
Als ihr Blick über seinen Körper wanderte, spürte er, wie sich die feinen Härchen an seinen Armen und Beinen aufrichteten, während sie ihn ansah. Ihm war klar, dass sie seinen Körper im Hinblick auf seine Fitness einschätzte, aber er wünschte sich eigentlich, dass sie ihn als Mann betrachtete. Als er beobachtete wie sie die Lippen schürzte und mit der Zunge langsam über ihre Unterlippe fuhr, musste er krampfhaft den Gedanken verdrängen, dass sie vielleicht in ihrer Fantasie die gleichen scharfen Sachen mit ihm anstellte, die er so gern mit ihr machen würde. Das waren gefährliche Gedanken.
Das hier ist einfach zu wichtig. Du darfst sie nicht als Frau sehen.
„Wie viele Wiederholungen, Trainer?“, fragte er.
„Seitenwechsel, anderes Bein. Gerade ausstrecken, dann zur Seite.“
Walter biss die Zähne zusammen und befolgte ihre Anweisungen durch eine Serie von Gleichgewichtsübungen, bei denen er ein Bein hin und her schwingen musste, und zwar erst auf dem Boden stehend und dann, wie ein Seiltänzer, auf dem verknoteten Seilparcours balancierend. Schweiß durchtränkte sein Hemd, so dass der Stoff an seinen schmerzenden Muskeln klebte, aber er gab nicht auf.
Nach einer Stunde ließ Katherine ihn endlich eine Pause machen und reichte ihm eine Flasche Wasser und ein Handtuch. „Ich muss schon sagen, du nimmst die Sache viel ernster als ich dachte.“
Walter zuckte die Achseln. „Es geht schließlich um das Resort.“
Sie betrachtete ihn mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck. „Das hört sich bei dir so einfach an, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Bruder das gleiche sagen würde. Warum seid ihr beide so grundverschieden?“
Er trank einen großen Schluck Wasser. „Raymond und ich, wir sind nicht gemeinsam aufgewachsen.“
„Wie ist das möglich?“
Walter lachte leise. „Das ist ziemlich kompliziert.“ Er seufzte. „Ich hätte mich nicht auf diese Wette einlassen sollen. Das war eine blöde Idee. Wenn ich verliere und Raymond die Firma platt macht, dann wird das Leben vieler Menschen dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Ich hätte eine andere Lösung finden sollen. Raymond macht mich manchmal einfach so wütend.“
Er umklammerte die Wasserflasche so fest mit der Hand, dass er das Plastik zerdrückte und die Flasche beinahe zum Platzen gebracht hätte. Er blickte hinunter auf die Flasche und stellte sie dann auf den Heuballen neben sich.
„Es ist eine lange Geschichte.“ Walter sah sie aufmerksam an. Ihr Gesichtsausdruck war interessiert, aber würde sie wirklich seine dramatische Familiengeschichte hören wollen?
„Ich würde mich freuen, wenn du sie mir erzählst“, sagte sie.
„Als wir Kinder waren, reiste Raymond mit unserem Vater, während ich in der Obhut ständig wechselnder Kindermädchen in unserem Hauptresort zurückgelassen wurde. Er war der Erstgeborene, der Firmenerbe; es machte Sinn, dass er unseren Vater begleitete und von ihm lernte. Allerdings glaube ich, dass der alte Herr Raymond gar nicht an den Geschäftsabläufen hat teilhaben lassen. Unser Vater war ein sehr reservierter Mensch. Von dem was ich gehört habe, hat Raymond ihn kaum öfter zu Gesicht bekommen als ich.“
Walter fuhr sich mit dem Handtuch über das Gesicht. Normalerweise sprach er nicht gern über sein Familienleben, aber irgendwie war es bei Katherine anders. „Raymond wurde das typische Treuhandfonds-Kind, wild und ungezogen, das alles zerstörte was es in die Finger bekam. Zuerst war es wahrscheinlich nur um Vaters Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber nach und nach veränderte sein Verhalten seine Persönlichkeit: dazu muss ich hinzufügen, dass Raymond schon immer gern alles kaputt gemacht hat. Mein Spielzeug, sein Spielzeug, alles wurde zerlegt. Das Gleiche gilt für seine Beziehungen. Als unser Vater starb, dachte ich, er würde vernünftig werden und das Geschäft ernst nehmen. Aber inzwischen sieht es ganz so aus, als ob er die ganze Firma vernichten will.“
„So wie du aufgewachsen bist, weit weg von deiner Familie, wie ist es möglich, dass du so…“, sie wedelte mit der Hand, „…normal ausgefallen bist.“
Normal? Walter musste grinsen, als er das Kompliment hörte.
„Ich lebte in unserem führenden Resort und fand dort meine eigene Familie. Ich wuchs unter den Zimmermädchen, Gärtnern und Rezeptionisten auf und wurde Teil dieser großen Familie. Ich hatte immer die gleichen, vertrauten Menschen um mich. Das Resortpersonal hatte immer Zeit für mich, auch wenn mein Vater keine Zeit hatte. Sie haben Geburtstagsparties für mich organisiert und waren immer bei meinen Schulabschlußfeiern dabei. Sie haben mich Weihnachten eingeladen, und ich habe alle wichtigen Feiertage mit ihnen verbracht. Also hatte ich nicht nur eine einzige Mutter und einen einzigen Vater, sondern Dutzende von Tanten und Onkeln, die sich liebevoll um mich kümmerten und zu denen ich gehörte.“ Er unterdrückte das vertraute Gefühl der Enttäuschung, das ihn manchmal überkam, wenn er daran dachte, dass er nie Eltern gehabt hatte, die für ihn da waren, aber er wusste, dass er die Liebe, die ihm seine Freunde geschenkt hatten, nicht missen wollte. „Sie brachten mir alles bei was ich weiß: nicht nur alles was man wissen muss, um ein Resort zu leiten, sondern auch Respekt, Verantwortungsbewusstsein, Pflichtgefühl und Liebe zur Arbeit.“ Er kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und sah auf den Boden. „Das hört sich super kitschig an, wenn man es laut sagt.“
Katherine musste lächeln. „Es ist ein bisschen kitschig, aber ich weiß genau was du sagen willst. Für mich war es ungefähr das Gleiche mit dem Personal im Maui Resort. Meine Mutter war alleinerziehend. Sie nahm mich immer mit zur Arbeit als sie als Zimmermädchen im Maui Turtle arbeitete. Das Personal dort wurde zu meinen Kindermädchen und Nachhilfelehrern. Sie halfen mir bei meinen Hausaufgaben und ermunterten mich, Dinge zu studieren, für die ich mich interessierte. Nach dem Tod meiner Mutter, war das Resort mein Zufluchtsort. Dort hatte ich die meisten Erinnerungen an sie und fühlte mich ihr nahe.“ Katherines sprach leise. Einen Moment lang dachte Walter, sie würde anfangen zu weinen, aber ihre Augen blieben trocken und ihr Kiefer angespannt. „Seit das Resort geschlossen ist, ist für mich alles zerstört. Meine Familie ist in alle Himmelsrichtungen zerstreut, um neue Jobs zu finden. Und alles wegen deines Bruders.“
„Ray ist einfach noch nicht bereit, die Firma zu führen.“ Er wusste, dass es wie eine lahme Rechtfertigung klang, aber er konnte sich nicht davon abhalten, seinen Bruder zu verteidigen. „Wir dachten, dass es noch einige Jahrzehnte dauern würde, bis Raymond das Ruder übernehmen würde. Vaters Unfall hat uns alle kalt erwischt.“
Katherine öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, schüttelte dann aber den Kopf und ging ein Stück von ihm weg. Dann wandte sie sich zu ihm um. „Bist du sicher, dass deinem Bruder die Interessen der Firma am Herzen liegen? Du sagtest, dass er immer gern sein Spielzeug zerstört hat. Jetzt hat er das größte Spielzeug seines Lebens. Könntest du dir vorstellen, dass er die Firma absichtlich kaputt macht?“
„Ray ist ein leichtsinniger Heißsporn, aber ich glaube nicht, dass er ein schlechter Mensch ist.“ Das hoffe ich jedenfalls. Dieser Nachgedanke drängte sich Walter ganz unbeabsichtigt auf. Er hatte seinen Bruder kaum gesehen, als sie aufwuchsen und ihr Kontakt als Erwachsene beschränkte sich auf die Gestaltswandlerwettkämpfe einmal im Monat. Wie gut kenne ich ihn eigentlich wirklich? „Er ist einfach nicht in der Lage, die Firma zu leiten. Wenn ich die Leitung übernehmen sollte, werde ich ihm eine Stellung geben, in der er die Grundlagen lernen kann, bevor ich ihm größere Befugnisse gebe.“
Katherine biss sich auf die Lippe. „Sollte Raymond Geld veruntreuen, würdest du mir helfen, Beweise dafür zu finden?“
Walter sah sie ernst an. „Wenn er Geld unterschlägt, dann würde ich natürlich helfen. Allerdings glaube ich nicht, dass er das tut; Raymond ist nicht raffiniert genug um Geld verschwinden zu lassen, ohne dabei erwischt zu werden.“
„Gut“, erwiderte Katherine, aber ihr Ton sagte deutlich, dass die Sache damit für sie noch nicht aus der Welt geschafft war. „Jetzt nehmen wir mal an, du gewinnst. Bist du dazu geeignet, die Firma zu übernehmen? Was wirst du unternehmen, um die Firma wieder auf die Beine zu bringen, wenn du Geschäftsführer bist?“