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Die Dunkelheit breitet sich aus, aber genau im richtigen Moment kommt Hilfe …
Marina Fae hatte sich nie für eine mächtige Hexe gehalten oder davon geträumt, dass sie im Kampf um die Rettung ihres Volkes etwas bewirken könnte. Doch als die Magie der Meerhexe über die Zauberinsel hinwegfegt, bringt Marina eine Gruppe von Kindern in Sicherheit. Und das war nur der Anfang. Schnell findet sie heraus, dass sie zu viel mehr in der Lage ist.
Detective Mike Hallbrooks Suche nach zwei Frauen, die im Yachats State Park verschwunden sind, scheint ins Leere zu laufen, bis er sich plötzlich an einem unbekannten Strand wiederfindet und eine Frau vor einer Kreatur rettet, die direkt aus einem Horrorfilm stammen könnte!
Marina und Mike müssen zusammenarbeiten, um die Zauberinsel und die anderen Königreiche zu retten, aber als sich die dunkle Macht der Meerhexe weiter ausbreitet, wissen sie, dass sie sie nicht allein aufhalten können …
Die weltberühmte Autorin S.E. Smith präsentiert ein neues aufregendes Buch voller Leidenschaft und Abenteuer. Durch ihren einzigartigen Humor, die lebhaften Landschaften und die beliebten Charaktere wird dieses Buch garantiert ein weiterer Fan-Favorit!
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Seitenzahl: 343
Ich danke meinem Mann Steve dafür, dass er an mich geglaubt hat und so stolz auf mich war, dass ich den Mut hatte, meinem Traum zu folgen. Ein besonderer Dank gilt außerdem meiner Schwester und besten Freundin Linda, die mich nicht nur zum Schreiben ermutigt, sondern auch das Manuskript gelesen hat; und auch meinen anderen Freundinnen, die an mich glauben: Maria, Jennifer, Jasmin, Rebecca, Julie, Jackie, Lisa, Sally, Elizabeth (Beth), Laurelle, und Narelle. Diese Mädels geben mir Kraft!
Und ein ganz besonderes Dankeschön an Paul Heitsch, David Brenin, Samantha Cook, Suzanne Elise Freeman, Laura Sophie, Vincent Fallow, Amandine Vincent, und PJ Ochlan – die wunderbaren Stimmen meiner Hörbücher!
—S.E. Smith
Die Berührung der Hexe
Eine Sieben Königreiche Erzählung 3
Copyright © 2021 bei Susan E. Smith
Erstveröffentlichung des E-Books auf Englisch Januar 2018
Erstveröffentlichung des E-Books auf DeutschJuni2021
Umschlaggestaltung von: Melody Simmons und Montana Publishing
ALLE RECHTE VORBEHALTEN: Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Autorin auf irgendeine Art und Weise vervielfältigt werden, dazu zählen auch vollständige oder teilweise elektronische oder fotografische Vervielfältigungen.
Alle Charaktere und Ereignisse in diesem Buch rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder tatsächlichen Ereignissen oder Organisationen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.
Zusammenfassung: Eine Hexe nimmt die Hilfe eines Ermittlers, den sie versehentlich in ihre Welt gebracht hat, in Anspruch, um ein böses Wesen zu besiegen.
ISBN: 9781955158718 (Taschenbuch)
ISBN: 9781955158701 (eBook)
Science Fiction Romance – Aliens | Romantic Comedy | Action Adventure Romance
Veröffentlicht von Montana Publishing, LLC
und SE Smith von Florida Inc. www.sesmithfl.com
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Epilog
Weitere Bücher und Informationen
Über die Autorin
Die Dunkelheit breitet sich aus, aber genau im richtigen Moment kommt Hilfe …
Marina Fae hatte sich nie für eine mächtige Hexe gehalten oder davon geträumt, dass sie im Kampf um die Rettung ihres Volkes etwas bewirken könnte. Doch als die Magie der Meerhexe über die Zauberinsel hinwegfegt, bringt Marina eine Gruppe von Kindern in Sicherheit. Und das war nur der Anfang. Schnell findet sie heraus, dass sie zu viel mehr in der Lage ist.
Detective Mike Hallbrooks Suche nach zwei Frauen, die im Yachats State Park verschwunden sind, scheint ins Leere zu laufen, bis er sich plötzlich an einem unbekannten Strand wiederfindet und eine Frau vor einer Kreatur rettet, die direkt aus einem Horrorfilm stammen könnte!
Marina und Mike müssen zusammenarbeiten, um die Zauberinsel und die anderen Königreiche zu retten, aber als sich die dunkle Macht der Meerhexe weiter ausbreitet, wissen sie, dass sie sie nicht allein aufhalten können …
Die weltberühmte Autorin S.E. Smith präsentiert ein neues aufregendes Buch voller Leidenschaft und Abenteuer. Durch ihren einzigartigen Humor, die lebhaften Landschaften und die beliebten Charaktere wird dieses Buch garantiert ein weiterer Fan-Favorit!
Insel der Elementargeister – als erste geschaffen
König Ruger und Königin Adrina
•Beherrschen Erde, Wind, Feuer, Wasser und Luft. Leider ist ihre Macht außerhalb ihrer Insel schwächer.
•Geschenk der Göttin: Das Juwel der Macht.
Dracheninsel – als zweite geschaffen
König Drago
•Herrscht über die Drachen
•Geschenk der Göttin: Drachenherz.
Insel der Meeresschlange – als dritte geschaffen
König Orion
•Herrscht über die Ozeane und Meeresgeschöpfe
•Geschenk der Göttin: Die Augen der Meeresschlange.
Zauberinsel – als vierte geschaffen
König Oray und Königin Magika
•Ihre Zauberkräfte sind extrem mächtig, lassen aber etwas nach, wenn sie nicht auf ihrer Insel sind.
•Geschenk der Göttin: Der Reichsapfel des ewigen Lichts.
Insel der Monster – als fünfte geschaffen, für all diejenigen, die zu gefährlich oder selten sind, um auf den anderen Inseln zu leben.
Kaiserin Nali kann die Zukunft sehen.
•Geschenk der Göttin: Der Spiegel der Göttin
Insel der Riesen – als sechste geschaffen
König Koorgan
•Riesen können gigantische Ausmaße annehmen, wenn sie bedroht werden – aber nur, wenn sie sich außerhalb ihrer Insel befinden
•Geschenk der Göttin: Der Baum des Lebens.
Pirateninsel – als letzte geschaffen, für alle, die von den anderen Inseln verstoßen wurden.
Der Piratenkönig Ashure Waves, Hüter der verlorenen Seelen
•Sammler der schönen Dinge. Die wilden und cleveren Piraten durchstreifen die Inseln, handeln, feilschen und bedienen sich gelegentlich an interessanten Gegenständen.
•Geschenk der Göttin: Der Geisterkessel.
Charaktere:
Magna: halb Hexe/halb Meerjungfrau ist Orions entfernte Cousine väterlicherseits
Drago: König der Drachen.
CarlyTate: Bankangestellte aus Yachats, Oregon
Drago Jr. (DJ): Dragos und Carlys ältester Sohn, vier Jahre alt
Stone: Dragos und Carlys ältester Sohn, drei Jahre alt
Jenny ‚Roo‘: Dragos und Carlys Tochter, zwei Jahre alt
Orion: König des Meeresvolks
JennyAckerly: Lehrerin und Carlys beste Freundin
Dolph: Orions 8-jähriger Sohn aus seiner ersten Ehe
Juno: Orions 5-jähriger Sohn aus seiner ersten Ehe
Kapian: Orions Hauptmann und bester Freund
Kelia: Orions altes Kindermädchen
Kell: Magnas Vater
Seline: Magnas Mutter
AshureWaves: König der Piraten
Bleu LaBluff: Ashurs Stellvertreter
Nali: Kaiserin der Monster
Ross Galloway: Fischer aus Yachats, Oregon
Mike Hallbrook: Polizeikommissar in Yachats, Oregon
Ruth Hallbrook: Buchhalterin und Mikes Schwester
Koorgan: König der Riesen
Marina: Hexe
Isha: Hauptmann der königlichen Leibgarde auf der Zauberinsel
Magika: Königin der Zauberinsel
Oray: König der Zauberinsel
Geoff: Marinas jüngerer Bruder
Erin: Marinas jüngere Schwester
„Ich kann nicht“, murmelte der alte Mann und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Meine Magie wird nicht stark genug sein, um etwas gegen die Königin auszurichten. Wir sitzen in der Falle. Nein, nein … die Königin ist zu mächtig.“
„Oray“, rief die Königin aus der Tür ihres privaten Arbeitszimmers.
Der König der Zauberinsel, der hinter seinem wunderschönen geschnitzten Holzschreibtisch saß, blickte auf. Seine Augen waren mit einem tintenschwarzen Film überzogen.
Mit einem Stirnrunzeln betrat die Königin den abgedunkelten Raum. Auf ihren Wink hin öffneten sich die Jalousien. Oray erhob sich mit einem animalischen Knurren von seinem Stuhl. Der untypische Laut ließ die Hand der Königin in der Luft erstarren.
„Isha“, rief die Königin leise, ohne den Blick von ihrem Mann abzuwenden. Alles, was sie in seinen schwarzen Augen sah, war ihr eigenes Spiegelbild und nicht der gütige, liebevolle und mitfühlende Mann, der einst in seinem Körper gewohnt hatte.
„Ich sehe es, Ihre Majestät“, antwortete Isha leise.
Oray bückte sich und hob die schwarze Schatulle auf, mit der er gesprochen hatte. Mit seinen runzligen Händen hielt er das kleine, rechteckige Kästchen fest, schob den Stuhl zurück und trat in den Schatten. Seine Hände zitterten, als die Energie im Inneren des Kästchens vor Gier nach Magikas und Ishas Magie zu pulsieren begann. Er wusste, auf was sie es abgesehen hatten – die Schatulle, seine Schatulle. Sie wollten sie ihm wegnehmen und sie zerstören.
Er hätte ihnen die Schatulle gegeben, wenn er gekonnt hätte – aber die dunkle Magie, die ihn umhüllte, machte es ihm unmöglich, das kleine Kästchen aus der Hand zu geben. Stattdessen drückte er es schützend an seinen Körper.
„Ich befehle dir zu gehen“, forderte Oray mit zitternder Stimme.
„Oray, du bist krank. Gib mir die Schatulle, und ich bringe dich zurück in unsere Gemächer, damit du dich ausruhen kannst“, bat Magika ihn mit sanfter Stimme und ging einen Schritt auf ihn zu.
„Das ist nicht für dich. Es ist mein Geschenk. Niemand sonst darf es haben“, antwortete Oray.
„Wann hat sie es dir zurückgegeben, Oray? Die Meerhexe ist von der Zauberinsel verbannt worden. Das weißt du doch. Du hast versprochen, es mir zu sagen, wenn sie zurückkommt. Bitte gib mir das Kästchen, mein Lieber. Ich vermisse den Mann, der du warst. Was für eine unnatürliche Magie auch immer in der Schatulle ist, sie bringt dich um“, sagte Magika und ging weiter auf ihn zu.
Oray zitterte. Er wollte der Bitte seiner Frau nachgeben. Er vermisste ihre sanfte Berührung, das Lachen in ihrer Stimme, die Liebe, die sie füreinander empfanden. Sie vervollständigte ihn …
Nein, sie versucht, dich zu täuschen, zischte eine Stimme in seinem Kopf.
Unsere Liebe …, begann Oray zu argumentieren, bevor er zusammenzuckte, als ein intensiver Schmerz seinen Körper durchschoss.
… ist eine Illusion. Sie versuchen, dich zu zerstören. Es ist soweit. Ruf die Meerhexe, befahl die Stimme. Wir werden die Täuschung der Königin und ihrer Anhänger stoppen.
„Bitte, Oray“, flehte Magika und blieb weniger als dreißig Zentimeter entfernt von ihm stehen.
Oray sah seine Frau blinzelnd an und streckte automatisch die Hand nach ihr aus, als sie ihm die Hand entgegenstreckte. Seinen Lippen entwich ein Zischen, dann stolperte er einige Schritte rückwärts, bis er gegen das Bücherregal hinter ihm stieß und stehenblieb.
„Meerhexe … Mir wurde … befohlen, dich zu rufen“, sagte Oray mit einem Schaudern. Er senkte den Kopf und kämpfte darum, den letzten Rest seines Verstandes zu bewahren. „Magika … Du musst fliehen. Es ist zu spät. Ich kann nicht länger dagegen ankämpfen.“
Magika wich erschrocken zurück, als sich die kleine Schatulle in seinen Händen auflöste und in einen dunklen Nebel verwandelte, der ihn umwaberte. Oray hob den Kopf und schaute seine Frau gequält an. Die Anstrengung, die Kreatur davon abzuhalten, sich mit seiner Magie zu verbinden, zehrte an ihm. Sein Blick fiel auf den jungen Krieger, der hinter Magika auftauchte.
„Es ist zu spät. Ich kann nur hoffen, dass ich ihn lange genug in Schach halten kann, damit du unsere Königin in Sicherheit bringen kannst“, stieß Oray mühsam hervor. Eine Schwärze hatte sich um seine Kehle gelegt.
„NEIN!“, schrie Magika und streckte erneut die Hand nach ihrem Mann aus.
„Ihr müsst fliehen, Eure Majestät“, befahl Isha und zog sie hinter sich her. „Mit der Magie meines Schwertes werdet Ihr den König befreien.“
Isha schwang sein glühendes Schwert durch den schwarzen Nebel, aber Oray wusste, dass es zu spät war. Die Schatulle in seiner Hand hatte sich verändert und formte sich jetzt zu einer geisterhaften Kreatur, die entschlossen war, ihn zu unterwerfen. Schwarze Tentakel kollidierten mit Ishas Schwert. Goldene Funken glühten auf, bevor die in Ishas Schwert enthaltene Magie knisterte und zischte. Die schwarze Essenz saugte die zusätzliche Magie gierig auf.
Oray konnte spüren, wie sich die Meerhexe mit der fremden Lebensform verband. Tief in seinem Inneren war er erstaunt, dass das junge Mädchen, das er seit ihrer Geburt kannte, in der Lage gewesen war, gegen die böse Kraft zu kämpfen, die in der schwarzen Essenz enthalten war. Die Verbindung, die er mit ihr hatte, erlaubte ihm zu sehen, was mit Magna geschehen war. Die Parallelen zu seiner eigenen Situation waren erschreckend.
Sie war überwältigt worden, genau wie er, und sie war immer noch da, gefangen in der Essenz. Dennoch konnte er immer noch das Wesen des jungen Mädchens spüren, das sich unter den Schichten versteckte und sich befreien wollte. So sehr er auch darum gekämpft hatte, die bösartige Lebensform zu verstehen, ihr zu widerstehen und sie einzudämmen, letztendlich hatte sie ihn in ihren vernichtenden Bann gezogen.
„Herz, kalt wie Eis, schütze meine Seele hinter einer gefrorenen Wand. Ich befehle dir, mich jetzt zu versiegeln.“ Oray flüsterte den Zauberspruch mit gequälter Stimme.
„Oray, NEIN!“ schrie Magika, die sich bemühte, zu ihrem Mann zu gelangen.
Magikas kläglicher Schrei durchdrang ihn für einen Moment, bevor der Zauber wirkte. Oray wusste, dass die einzige Möglichkeit, sein Königreich – und das, was noch von ihm selbst übrig war – zu schützen, darin bestand, einen Zauber zu sprechen, der nur von seiner Königin oder durch den Tod des Wesens aufgehoben werden konnte. Eine dünne Eisschicht bildete sich auf seiner Haut und färbte sie hellblau. Er atmete kleine warme Luftwölkchen aus, bevor sich weiße Kristalle bildeten. Der Blutfluss in seinen Adern verlangsamte sich, bis es irgendwann gar nicht mehr floss.
Er war lebendig und doch irgendwie nicht. Sein Körper war steif und bewegte sich wie eine Marionette an einer Schnur, die von einem unerfahrenen Puppenspieler gehandhabt wurde, als er von der bösen Masse, die ihn umgab, angestoßen wurde. Die Emotionen der letzten Sekunde seines Bewusstseins waren auf seinem Gesicht eingefroren. Das letzte, woran er sich erinnern würde, war Magikas verzweifeltes Gesicht.
Oray bekam nicht mit, was als nächstes geschah. In seiner gefrorenen Welt war er für die Kreatur nicht mehr von Nutzen. Nichts konnte ihn jetzt noch berühren oder kontrollieren – nicht einmal die schmerzerfüllten Schreie seiner Geliebten konnten das Eis durchdringen, das seine Seele schützte.
„Eure Majestät, flieht!“, rief Isha und schwang sein Zauberschwert durch die Luft, um die die wirbelnden Bänder zu bekämpfen.
Er musste zurückweichen, als sich die schwarze Masse verfestigte und sich zu einem halben Dutzend tödlich scharfer Spitzen formte. Er schnitt drei von ihnen durch. Funken stoben aus seiner Klinge, als sie durch die Masse glitt, die sich daraufhin auflöste und wieder neu formte. Er umklammerte den Griff des Schwertes mit beiden Händen, während er verschiedene Zauber ausprobierte und immer wieder zuschlug, um herauszufinden, wie er die Bestie vorübergehend aufhalten könnte.
Hinter sich hörte er, wie die Königin einen mächtigen Zauber sprach. Adern aus Diamanten erhoben sich aus dem Boden. Die langen röhrenförmigen Windungen drehten und wandten sich und bildeten einen Käfig um die Kreatur herum. Isha drehte sich um, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung in der Nähe des Fensters wahrnahm. Aus den Schatten erschien Magna. Sie trug ein blutrotes Gewand und ihr schwarzes Haar schwebte um sie herum, als würde es im Wind wehen, als sie aus dem wirbelnden, dunklen Nebel heraustrat.
Isha setzte seinen Rückzug fort. Hinter sich konnte er die Schritte der Königin hören, die floh, um die anderen Wachen zu warnen. Er konnte bereits sehen, wie dünne Risse in dem diamantenen Gefängnis entstanden, das die Königin um die Kreatur herum geschaffen hatte. Während er eine Hand nach dem Türgriff ausstreckte, richtete er mit der anderen sein Schwert auf Magna.
Sein Blick glitt über das Gesicht der Meerhexe. Ihre Haut war blass wie Mondlicht, und in ihren dunklen Augen lag ein gequälter Ausdruck, der zu groß für ihr hageres Gesicht zu sein schien. Ihre Lippen hatten die Farbe einer mondlosen Nacht und waren leicht geöffnet. Mit tintenschwarzen Augen starrte sie ihn an, ohne zu blinzeln.
„Die Magie, die die Insel in sich birgt, muss wieder uns gehören“, sagte sie und ihre Stimme hallte seltsam im Raum wider.
Ishas Hand umklammerte das Schwert fester. „Ich werde dich in den dunkelsten Tiefen des Ozeans begraben, bevor die Zauberinsel dir gehören wird, Meerhexe“, knurrte Isha mit eisiger Stimme.
Er schloss die Tür und versiegelte sie mit einem starken Zauber, dann ergriff er sein Schwert mit beiden Händen. Mit einem lauten Schrei ließ er jede Unze seiner Zauberkraft in das Schwert hineinfließen. Dann hob er es in die Luft und ging auf Magna los.
Sie stand unbeweglich da, als ob sie darauf wartete, von seiner Klinge durchbohrt zu werden. Die Diamantwände explodierten mit einem ohrenbetäubenden Lärm. Isha spürte den Schmerz, als die Diamantsplitter ihn trafen, aber er ignorierte ihn. Er schwang sein Schwert durch die Luft und hielt den Atem an, als das Ende der scharfen Klinge nur wenige Zentimeter von Magnas zartem Hals entfernt von einem dicken, schwarzen Tentakel aufgehalten wurde.
Isha schrie schmerzerfüllt auf, als sich ein weiteres tödliches Band um seine Taille wickelte. Das Band hob ihn in die Luft, während weitere Bänder seine Arme und Beine umschlossen. Sein Schwert, das immer noch magisch glühte, fiel aus seinen tauben Fingern. Er kämpfte, aber die Bänder, die ihn festhielten, fühlten sich an wie die Faust eines Riesen, die ihn so fest zusammenpresste, dass er sich sicher war, dass seine Knochen brechen würden.
Nach Luft schnappend sah er, wie Magna einen Schritt vorwärts ging und sich bückte, um sein Schwert aufzuheben. Isha versuchte, seine Magie aus dem Schwert herauszuziehen, aber die Schwärze saugte ihn aus. Frustriert krümmte er langsam die Finger seiner rechten Hand.
„Mag … na“, keuchte er.
„Du hast keine Ahnung, mit welcher Macht wir es zu tun haben, Isha“, teilte Magna ihm mit.
Isha blinzelte, als Magna sein Schwert aufhob. Er öffnete seine Finger, um sich auf ihren Schlag vorzubereiten, und war überrascht, als sie ihm das Schwert stattdessen in die Hand gab. Dunkelheit trübte die Ränder seines Sichtfelds und plötzlich erschien ein heiteres Lächeln auf ihrem Gesicht.
„Schlaf, Krieger“, murmelte Magna.
Ishas Lippen verzogen sich zu einem Keuchen. Er konnte spüren, wie der Zauber seinen Körper verbrannte wie ein Strohfeuer. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, bis er kein lebendiges, atmendes Wesen mehr war, sondern eine steinerne Statue, ein Abbild des großartigen Kriegers, der er einst gewesen war.
Marina Fae trat gegen einen Kieselstein, der auf dem Weg lag, und sah zu, wie er hüpfte, bis er gegen die mit Ranken bewachsenen Mauern des Palastes rollte und zum Halt kam. Sie schulterte ihren Bogen und ein verschmitztes Grinsen erhellte ihr Gesicht. Sie blickte sich um, bevor sie ihre Arme hochhob und mit den Fingern wackelte. Die Ranken, die von dem Baum auf der anderen Seite der Mauer herabhingen, schlängelten sich nach unten und wickelten sich um ihre Handgelenke. Einen Moment später ließen die Ranken sie auf der anderen Seite der Mauer zu Boden sinken.
Sie drehte sich zu dem Baum um und machte einen kurzen Knicks. „Danke, Mr. Baum“, lachte sie.
Sie drehte sich um und machte sich auf den Weg durch den großen Garten, der den Palast umgab. Eigentlich hätte sie durch das Haupttor gehen müssen, aber das tat sie nie. Ein Vorteil, wenn man die jüngere Schwester des Hauptmanns der Wache war: Jeder wusste, wer sie war.
Leise vor sich hinsummend, umklammerte sie ihren Bogen und lief den gewundenen Pfad entlang, der sich durch den weitläufigen, labyrinthartigen Garten schlängelte. Sie war aufgeregt. Isha sollte heute in ihr Dorf zurückkehren. Sie würde ihn im Palast überraschen – und sich vergewissern, dass er sein Versprechen, dass er heute zu Hause sein würde, nicht vergessen hatte.
Das jährliche Lichterfest, das an diesem Wochenende stattfand, war eine ganz besondere Veranstaltung in ihrem Dorf. In dem Dorf, das weiter im Landesinneren lag als der Palast, der näher am Meer war, erwachten einmal im Jahr die Berge zum Leben. Pünktlich mit dem Erblühen der Nachtsternblumen. Die Blüten öffneten sich, und die leuchtenden Samen darin schwebten in die Bäume hinauf und tauchten den Wald in bunte, leuchtende Farben. Die Dorfbewohner sangen und verbreiteten ihre Magie über die Brise, sodass sie sich mit den schwebenden Samen vermischte. Es war eine magische Nacht, an der sie unglaublich gerne teilnahm.
Plötzlich hörte Marina Rufe und einen Schrei, der unterbrochen wurde, und ihre Schritte verlangsamten sich. Sie stolperte, als der Boden unter ihren Füßen zu beben begann und eine laute Explosion die Luft zerriss. Mit ihrer linken Hand hielt sie sich am dicken Ast eines der hohen Büsche fest, die das Labyrinth abgrenzten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Sie hatte den Ausgang in der Nähe der Hauptgärten rechts vom Vordereingang des Palastes schon fast erreicht.
Sie ließ den Ast los und flüsterte ihrem Bogen etwas zu. Sie konnte spüren, wie sich die Sehne straffte, als sie die Zauberkraft des Bogens erweckte. Besorgt ging sie weiter, als sie die Stimme der Königin hörte, die sich über die Rufe, Schreie und Töne erhob.
Ein Gefühl der Unruhe beschlich Marina. Sie hatte noch nie gehört, dass die Königin vor Zorn ihre Stimme erhoben hatte. Nach ein paar Schritten hielt sie überrascht den Atem an. Dicke Bänder aus Magie wirbelten um sie herum, wie ein stürmischer Fluss, und rauschten auf die Stelle zu, an der sie die Stimme der Königin gehört hatte. Die reine Schönheit und Kraft der fließenden Farben raubte Marina den Atem.
Als sie den Ausgang des Labyrinths erblickte, beschleunigte Marina ihren Schritt und blieb stehen, nachdem sie die letzte Hecke hinter sich gelassen hatte. Ihre Lippen öffneten sich vor Entsetzen und Ehrfurcht. Auf den vorderen Stufen des Palastes stand eine schlanke Frau inmitten eines wirbelnden dunklen Nebels. Die Frau sah aus, als würde sie aus der schwarzen Essenz bestehen.
„Die Meerhexe!“, flüsterte Marina, den Blick fest auf Magna gerichtet.
„Ich befehle dir, aufzuhören, Magna! Als Königin der Zauberinsel verurteile ich dich für deinen Betrug und deine verräterischen Taten zum Tode“, erklärte Magika und hob ihre Hände.
„Du kannst mich nicht aufhalten. Ich kontrolliere jetzt die Zauberinsel und alle Mächte dieses Königreichs“, erwiderte Magna, ihre Stimme war seltsam flach.
„Du irrst dich, Magna. Welche dunkle Magie du auch immer heraufbeschworen hast, sie ist nicht von dieser Welt. Denk an den Schaden, den du anrichtest“, antwortete Magika mit kalter Stimme.
„Magna!“
Als Marina sich umdrehte, sah sie, wie Kell und Seline, Magnas Eltern, erschienen – die Königin musste sie gerufen haben. Hoffnung durchströmte Marina. Sicherlich würden die Bitten der Eltern der Meerhexe zu ihrer Tochter durchdringen.
„Denk an deine Familie, Magna“, sagte die Königin.
Marina wandte sich ängstlich zu der Königin um. Ein leises Zischen entwich ihren Lippen, als sie erkannte, was die Königin tat. Königin Magika sprach einen Zauber und benutzte Magnas Eltern, um die Meerhexe abzulenken.
Marina hatte noch nie so reine und schöne Magie gesehen, die so dicht und präzise verwoben war. Die Fähigkeit, Magie zu sehen, war eine ihrer Begabungen. Sie hatte ihre Gabe von ihrer Großmutter geerbt, die ihr eingebläut hatte, diese Fähigkeit für sich zu behalten.
‚Niemand sonst hat die Gabe, nur du und ich, Marina‘, hatte ihre Großmutter zu ihr gesagt, als sie gerade einmal zehn Jahre alt gewesen war. ‚Außer vielleicht die Königin und der König. Die Fähigkeit, Magie zu sehen, ist nicht sehr nützlich – außer, man braucht sie. Bewahre dieses kleine Geheimnis für dich. Man weiß nie, wann es mal nützlich ist‘, hatte ihre Großmutter mit einem Augenzwinkern hinzugefügt.
Jetzt beobachtete sie die Fäden, die sich nach Magna ausstreckten. Die Magie war subtil und mit den Worten verwoben, die die Königin sprach. Marina drehte sich um und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Magna. Konnte Magna die Magie sehen? Wie würde sie auf ihre Eltern reagieren?
Marina klappte der Mund auf, als die schwarze Essenz, die Magna umgab, gierig nach den verborgenen Magiefäden griff. Die Königin schrie vor Schmerz auf, als die Bänder die magischen Fäden verschlangen. Marina konnte sehen, wie der bösartige Nebel die Magie der Königin gierig aufsaugte – und immer stärker wurde!
„Magna, nein!“, rief Kell. Er trat vor und stellte sich zwischen die Königin und seine Tochter. „Lass dir von uns helfen. Bitte, ich flehe dich an. Gib auf und wir werden dir helfen.“
Magnas Blick wurde weicher, ihre Lippen öffneten sich, und einen Moment lang dachte Marina, die Meerhexe würde nachgeben. Selbst aus einigen Metern Entfernung konnte Marina den Konflikt auf dem Gesicht der anderen Frau sehen. Die Unentschlossenheit währte jedoch nicht länger als eine Sekunde, bevor sich ihr Blick wieder verhärtete.
„Pass auf!“, rief Marina und hob warnend die Hand.
Sie sah, wie sich der Nebel veränderte. Entsetzt und hilflos sah sie zu, wie zwei lange Tentakel herausschossen und sich um Kell schlangen. Magnas Mutter, Seline, hob ihre glühenden Hände, während ihre Lippen sich bewegten und einen tödlichen Zauber murmelten, um den Angriff ihrer Tochter zu stoppen. Eine Nebelwelle fegte über Seline hinweg, versteinerte ihre Gesichtszüge und ließ den unvollständigen Zauber auf ihren Lippen erstarren.
Eine Magie, wie sie Marina noch nie zuvor gesehen hatte, erhob sich um die Anwesenden im Hof. Überall um sie herum begannen die Gesichtszüge der königlichen Wachen und der wenigen Diener, die nach draußen geflohen waren, zu versteinern. Selbst Königin Magika war nicht immun gegen den schrecklichen Nebel, der ihr Volk in Stein verwandelte.
Marina suchte das Meer von Gesichtern fieberhaft nach ihrem Bruder ab. Sie musste ihn finden. Sicherlich konnte Isha spüren, dass die Königin in Gefahr war, und würde ihr zu Hilfe eilen – es sei denn, so dachte sie mit wachsender Panik, er war damit beschäftigt, den König zu beschützen.
„Mr. Bogen, ich brauche Pfeile“, befahl Marina, hob den Bogen und spannte die Sehne.
„Isha!“, schrie die Königin, während sie gegen den schwarzen Nebel kämpfte, der drohte, sie einzuhüllen.
„Du hast ihn verloren, meine Königin, genauso wie du alle anderen verlieren wirst, die sich mir widersetzen“, verkündete die Meerhexe und stieg langsam die Stufen hinunter.
„Was ist das für ein Zauber?“, fragte Magika, ihre Stimme zitterte, als der Kreis um sie herum immer enger wurde.
„Es ist kein Zauber. Es ist etwas viel Mächtigeres, Tödlicheres, Schrecklicheres als alles, was Magie erschaffen könnte“, antwortete Magna. Ihre Stimme war durch den Wind kaum zu hören.
Marinas Finger zitterten und sie ließ den Bogen in ihrer Hand sinken. Ihre Augen weiteten sich und Schmerz und Trauer durchfluteten sie. Hinter Magna sah Marina einen Mann auftauchen. Er bewegte sich steif und ruckartig. Sein Gesicht, das im Licht schimmerte, als wäre es mit einem Eisfilm bedeckt, war vollkommen ausdruckslos, als wäre nur sein Körper da. Hinter dem König schwebte die perfekt gehauene Steinstatue ihres Bruders Isha, das magische Schwert immer noch fest umklammert, auf einer Welle des schwarzen Nebels am König vorbei. Marina stieß einen erstickten Schrei der Verzweiflung aus.
Der gequälte Schrei der Königin vermischte sich mit dem von Marina. Wut durchdrang die Blase des Grauens, die sie umgab, und ein Ausdruck der Entschlossenheit trat in ihr Gesicht. Sie hob ihren Bogen und diesmal zögerte sie nicht. Sie schoss den magischen Pfeil ab. Das Feuer, das in ihren Adern brannte, wurde noch heißer, als sie sah, wie sich die schwarzen Bänder, die um Magna herumwirbelten, erhoben, um ihren Pfeil zu verschlingen.
Marinas Augen verengten sich und sie zischte wütend. Sie griff über ihre Schulter und zog einen weiteren Pfeil aus ihrem Köcher. Wenn sich die Kreatur von Magie ernährte, dann würde sie es eben mit nichtmagischen Elementen versuchen. Sie spannte den Pfeil, zog die Bogensehne zurück und flüsterte ihrem Bogen zu.
„Bitte sorg dafür, dass ich mein Ziel treffe, Mr. Bogen“, murmelte sie.
Ihre Finger öffneten sich und sie ließ die Sehne los. Der Pfeil flog durch die Luft. Die schwarzen Bänder streckten sich gierig nach dem hölzernen Schaft aus, aber der Pfeil machte eine Biegung und wich den Tentakeln aus, die ihn zu stoppen versuchten. In letzter Sekunde drehte sich Magna um und die Spitze des Pfeils hinterließ einen dünnen, tiefen Schnitt entlang des Bizeps ihres linken Arms.
Königin Magika drehte sich um und sah sie. „Marina, du musst das Königreich warnen …“, schrie Magika, Sekunden bevor der dunkle Nebel sie einhüllte und ihr Körper steif wurde.
„Haltet sie auf!“, knurrte Magna, während sie mit der anderen Hand ihren verletzten Arm umklammerte.
Marina taumelte einige Schritte rückwärts, als die dunkle Masse begann, Gestalt anzunehmen. Gewaltige Kreaturen wuchsen aus den Bändern und verfestigten sich. Ihre Augen glühten schaurig rot und lange, blitzende, schwarze Reißzähne ragten aus ihren Oberkiefern. Die schwarzen Bestien hatten lange Schnauzen mit einer Reihe von Furchen, die zwischen ihren Augen zusammenliefen. Aus ihren Schädeln ragten harte Stacheln, die über ihren Rücken bis hinunter zu ihren langen, peitschenartigen Schwänzen verliefen. Ihre vier Beine mit den massiven Pranken und scharfen Krallen gruben sich in die weichen Grasflächen des Gartens, der mit den versteinerten Leichen der Soldaten, Diener und der Königin des Palastes übersät war.
Marina stolperte rückwärts zum Eingang des Labyrinths und zog einen weiteren Pfeil aus ihrem Köcher. Ihre Hände waren ruhig, selbst als sie stockend Luft holte. Solche Wesen hatte sie noch nie gesehen. Ihre Gedanken wanderten zu dem zurück, was die Königin zu Magna gesagt hatte. ‚… sie ist nicht von dieser Welt. Denk an den Schaden, den du anrichtest …‘ Sie hob ihr Kinn, spannte die Bogensehne und atmete tief durch, als die Kreatur, die ihr am nächsten war, knurrte und einen Schritt nach vorne machte.
„Wollen wir doch mal sehen, ob du echt bist“, sagte sie.
Sie flüsterte einen Zauberspruch. Ein dunkelblauer Film bedeckte die Spitze ihres Pfeils. Als die Bestie auf sie zusprang, öffnete sie ihre Finger und ließ die Sehne los. Marina wartete nicht, um zu sehen, ob der Pfeil seine Wirkung tat oder nicht. Sie drehte sich um und floh zurück in das Labyrinth.
Yachats, Oregon
„Mike! Du hast Besuch“, rief Patty ihm vom Empfangsbereich aus zu.
Mike zog eine Grimasse und wischte an dem feuchten Fleck auf seinem Hemd herum, den der Kaffee, den er gerade verschüttet hatte, dort hinterlassen hatte. Es sollte einer dieser Tage werden; er konnte es fühlen. Es hatte damit angefangen, dass seine Schwester Ruth zu einer unchristlichen Zeit angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, dass sie zu Besuch kommen würde. Diese erfreuliche Ankündigung hatte er wohl seinem Geburtstag zu verdanken.
„Eine Minute“, erwiderte Mike und ließ den Aktenordner auf seinen Schreibtisch fallen.
Er stellte den Kaffeebecher, den er sich in dem Café an der Straßenecke geholt hatte, auf ein gefaltetes Papiertuch, auf dem noch die Spuren eines weiteren verschütteten Kaffees von ein paar Tagen zuvor zu sehen waren. Zum Teufel, wem wollte er etwas vormachen, die ganze Woche war ihm ein Missgeschick nach dem anderen passiert. Kopfschüttelnd holte er eine zerknüllte Serviette aus der Tüte mit den Bagels, die er in letzter Minute zu seiner Bestellung hinzugefügt hatte.
„Ich habe dir einen Bagel mit allem besorgt“, grunzte Mike, ohne aufzublicken, als er Schritte hörte, die vor seiner Tür anhielten.
„Danke, aber ich habe schon gegessen“, antwortete eine unbekannte Stimme.
„Hey, Mike, hast du dieses Mal an den Frischkäse gedacht?“, fragte Patty, die um den schlanken asiatischen Mann herumspähte, der ihn mit einem leicht amüsierten Ausdruck musterte.
„Ja, ich habe einen mit extra viel Frischkäse bestellt“, erwiderte Mike, während er abwesend über den nassen Fleck auf seinem dunkelblauen Hemd wischte. „Kann ich Ihnen helfen?“
Mike ließ seinen Blick über den Mann gleiten. Rasch erfasste er ein paar Details und speicherte sie ab: Anfang dreißig, etwa ein Meter siebenundsiebzig groß, braune Augen, eine dünne Narbe in der Nähe des linken Auges. Die Bügelfalten in seiner Anzughose, die polierten schwarzen Schuhe und sein präziser Haarschnitt deuteten darauf hin, dass er beim Militär war oder früher dort gewesen war. Der Blick des Mannes war aufmerksam und schien jedes Detail an Mike und seinem Büro zu erfassen. Mike folgerte daraus, dass er wahrscheinlich für den militärischen Geheimdienst arbeitete.
„Ja“, kam die knappe Antwort.
„Ich habe deinen Cappuccino vergessen, Patty. Warum gehst du ihn nicht holen? Ich übernehme solange das Telefon“, schlug Mike vor und hielt ihr die Tüte mit den Bagels hin.
„Bist du sicher?“, fragte Patty und warf dem Mann, der beiseitegetreten war, um sie hereinzulassen, einen kurzen Blick zu.
Mikes Lippen zuckten, als Patty ihm einen eindringlichen Blick zuwarf, als wolle sie ihm eine geheime Botschaft übermitteln. „Ganz sicher“, antwortete er trocken.
„Oh, okay. Er dauert nur ein paar Minuten. Wenn du mich brauchst, ruf mich einfach“, sagte Patty, drückte die Tüte an ihre Brust und drehte sich um, um zu ihrem Gast aufzusehen. „Das Café ist sozusagen gleich nebenan. Die Wände sind dünn – wirklich dünn, wie Seidenpapier, wenn Sie wissen, was ich meine.“
„Patty, geh einfach“, befahl Mike verärgert.
„Gott, ich gehe ja schon!“, murmelte Patty.
Mike blieb so lange stehen, bis er die Glocke an der Eingangstür läuten hörte, bevor er mit einer Hand auf den Platz ihm gegenüber verwies. Er wartete, bis sich der Mann gesetzt hatte, bevor er selbst Platz nahm. Er sammelte die Fotos ein, die aus der Mappe gerutscht waren, die er vorhin fallen gelassen hatte, steckte sie wieder hinein und legte den Ordner anschließend beiseite.
„Also, was kann ich für Sie tun, Mr. …“, begann Mike.
„Tanaka – Agent Asahi Tanaka, CIA“, antwortete Asahi, griff in die Innentasche seiner Jacke und holte seinen Ausweis heraus.
Mike beugte sich vor und griff nach der Lederhülle. Er öffnete sie und überprüfte die Ausweise im Inneren, bevor er sie schloss und sie dem Agenten zurückgab. Asahi steckte die Hülle wieder in seine Tasche.
„Also, was führt die CIA nach Yachats, Oregon?“, fragte Mike.
„Die Akte, die Sie auf Ihrem Schreibtisch haben, Detective Hallbrook“, erwiderte Asahi.
Mikes Blick fiel sofort auf die kaffeebefleckte Mappe, die schon deutlich mitgenommen aussah. Er musste sie ersetzen. Er hatte sie schon so oft mit sich herumgetragen, dass sie schon vollkommen abgenutzt war. Er presste die Lippen zusammen und sah den Mann an, der ihm gegenübersaß.
„Was hat das Verschwinden von zwei Frauen mit der CIA zu tun?“, fragte Mike, führte seine Hände zusammen und formte mit seinen beiden Zeigefingern ein Dach. „Das FBI könnte ich ja noch nachvollziehen, aber die CIA? Das ist doch etwas übertrieben, es sei denn, Sie glauben, dass Carly Tate und Jenny Ackerly Spioninnen sind, die für eine ausländische Regierung arbeiten.“
Asahis Blick wanderte von Mike zu der Akte und wieder zurück. Er schürzte kurz die Lippen, bevor er sich wieder entspannte und ein unergründlicher Ausdruck auf sein Gesicht trat. Mike hatte keinen Zweifel daran, dass dieser Mann deutlich mehr Zeit im Außendienst als mit Papierkram verbrachte.
„Ich bin nicht befugt, das zu erklären, aber ja, es besteht Interesse an dem Verschwinden der beiden“, sagte Asahi und neigte seinen Kopf etwas.
Mike lehnte sich nach vorne und stützte seine Arme auf seinem Schreibtisch ab. Er runzelte die Stirn, während er darüber nachdachte, was die beiden Frauen getan haben könnten, das die Aufmerksamkeit der CIA erregte. Alle Indizien und jeder, mit dem er gesprochen hatte, deuteten darauf, dass Carly und Jenny zwei ganz gewöhnliche US-Bürgerinnen waren, die sich zufällig kannten und am selben Ort verschwunden waren.
„Wenn Sie nicht befugt sind, mir etwas zu sagen, warum sind Sie dann hier?“, fragte Mike sarkastisch.
„Sie beschäftigen sich schon eine ganze Weile mit diesem Fall“, sagte Asahi.
„Seit ich hier die Leitung übernommen habe“, erwiderte Mike mit einem Nicken.
„Haben Sie irgendetwas … Ungewöhnliches über ihr Verschwinden herausgefunden?“, erkundigte sich Asahi.
Mike entging nicht, wie Asahis Augen zu der Akte und wieder zurück huschten. Der Mann wollte sie sich ansehen. Das hatte Mike im Gefühl. Neugierig legte er seine linke Hand auf die Akte und schob sie dem Agenten zu.
„Warum sagen Sie es mir nicht?“, schlug Mike vor.
Ihre Blicke trafen sich kurz, bevor Asahi die Hand ausstreckte, um nach der Akte zu greifen. Mike hielt die Akte lange genug fest, um Asahi zu verstehen zu geben, dass er die Informationen nicht umsonst herausgeben würde. Asahis Augen blitzten kurz verärgert auf.
„Die Informationen sind streng geheim“, erklärte Asahi mit ruhiger Stimme.
Mike hob eine Augenbraue. „Ich kann meinen Mund halten“, antwortete er mit einem schiefen Lächeln.
„Wie lange leben Sie schon in Yachats, Detective Hallbrook?“, fragte Asahi. Er zog den Ordner zu sich und öffnete ihn, als Mike ihn losließ und sich wieder in seinem Stuhl zurücklehnte.
„Ein paar Jahre“, antwortete Mike. „Warum?“
„Ist Ihnen seit Sie hier wohnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“, fragte Asahi und blätterte langsam durch die Notizen und Dokumente, die Mike zusammengetragen hatte.
„Definieren Sie ungewöhnlich“, sagte Mike trocken. „Natürlich gibt es ein paar ungewöhnliche Zeitgenossen, die in dieser Gegend leben, aber niemanden, den ich als gefährlich einstufen würde.“
„Gefährlich ist nicht unbedingt das, was ich meine“, erwiderte Asahi und hielt bei einem handgeschriebenen Dokument inne, in dem Carlys und Jennys Verschwinden miteinander verglichen wurden. „Kann ich eine Kopie von dieser Akte bekommen?“
„Was zum Teufel geht hier vor sich, Agent Tanaka?“, fragte Mike.
Asahi hob seinen Blick von der Akte und sah Mike an. Sein Blick war todernst. Mikes Magen verkrampfte sich, als der Mann zögerte und die Akte schloss.
„Aliens“, sagte Asahi genau in dem Moment, als die Glocke an der Tür läutete.
„Mike, ich bin wieder da! Haben wir irgendwelche Anrufe bekommen? Ist dieser selt… Oh, er ist noch da“, sagte Patty und blieb in der Tür stehen.
Mike erhob sich im selben Moment wie Asahi. Sie starrten sich einen Moment lang an. Mike fragte sich, ob er den Mann richtig verstanden hatte, während Asahi auf Mikes Antwort bezüglich seiner Bitte um eine Kopie wartete.
„Ich wollte gerade gehen“, erklärte Asahi und hielt ihm die Akte hin.
„Patty kann Ihnen eine Kopie der Akten machen und sie Ihnen schicken“, sagte Mike, in Gedanken versunken, während er nach der Akte griff.
„Ich danke Ihnen. Ich werde meine Informationen hinterlegen“, antwortete Asahi und ging um den Stuhl herum.
Mike blickte auf die Akte in seiner Hand. Er spürte, wie er ungläubig den Kopf zu schütteln begann. Als Asahi gerade durch die Tür gehen wollte, sah er auf.
„Tanaka …“, rief Mike.
Asahi drehte sich zu Mike um. Er musterte das ausdruckslose Gesicht des anderen Mannes.
„Ja.“
„Ist das Ihr Ernst?“, fragte Mike.
„Absolut. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Detective Hallbrook. Ich bin sicher, wir werden uns wiedersehen“, sagte Asahi, bevor er sich umdrehte und ging.
Mike stand an seinem Schreibtisch, den Blick starr auf die leere Tür gerichtet. Erst als er bemerkte, dass Patty zurückgekommen war, schüttelte er den Kopf und ließ sich wieder in seinen Stuhl sinken. Er sah auf, als sie vor dem Schreibtisch stehen blieb.
„Krasser Scheiß! Die CIA? Was zum Teufel ist hier los?“, hauchte Patty.
Mike schüttelte den Kopf. „Wenn du es herausgefunden hast, lass es mich wissen“, erwiderte er trocken. „Kannst du …?“
„Ja, er hat mir seine Daten gegeben“, sagte Patty, die ahnte, worum er sie gleich bitten würde. Sie griff nach der Akte und schüttelte fassungslos den Kopf. „Wer hätte gedacht, dass es in dieser verschlafenen Kleinstadt mal so aufregend sein würde!“
Mike sah Patty nach, als sie sich umdrehte und zur Tür hinausging. Er wusste, dass bis zum Abendessen die halbe Stadt über Agent Tanakas Besuch Bescheid wissen würde. Der Rest würde es bis zum nächsten Morgen wissen. Mike erhob sich von seinem Stuhl, schnappte sich seinen Kaffee und ging um den Schreibtisch herum. Gut, dass er heute Morgen seine Jacke nicht ausgezogen hatte.
„Patty, ich gehe ein bisschen raus“, rief er und ging auf die Hintertür des Polizeireviers zu.
Er stieß die Tür auf und trat ins Freie. Der dünne Morgennebel hatte sich zu einem schweren Vorhang verdichtet. Ein grimmiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Kein Angeln heute; es war ein guter Tag, um jemandem einen Besuch abzustatten, der sein ganzes Leben hier verbracht hatte und die beiden Frauen kannte.
Mike wandte sich nach links und beschloss, dass es sicherer wäre, zu Fuß zu gehen als zu fahren. Außerdem hatte er so Zeit, Tanakas Worte sacken zu lassen. Der Typ hatte gefragt, ob ihm irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen sei – abgesehen vom Verschwinden der beiden Frauen.
„Nur ein verrückter CIA-Agent, der glaubt, dass Aliens oder Monster tatsächlich existieren“, murmelte Mike kopfschüttelnd.
Vor der Bar, die von den Einheimischen stets gut besucht war, hielt Mike inne. Sie befand sich am Eingang zu einem der Yachthäfen, der bei den Fischern in der Gegend sehr beliebt war. Alte Kutter säumten die Docks. Sie bildeten einen starken Kontrast zu den neueren, teureren Sportbooten, die im Yachthafen der Stadt lagen.
„Ross Galloway?“, fragte Mike einen alten Mann, der aus der Bar kam.
„Drinnen“, sagte der Mann.
„Sie sollten besser nicht mehr fahren“, warnte Mike den alten Mann, als er das Bier in seinem Atem roch.
„Geht sowieso nicht, der Wagen hat eine Panne“, murmelte der Mann.
Mike stöhnte. Es war noch nicht einmal zehn Uhr vormittags. Der Fluch auf seinen Lippen erstarb, als er eine alte Frau in einem roten Mantel um die Ecke kommen sah. Der alte Mann richtete sich auf und taumelte auf sie zu.
Er hörte, wie die Frau den Mann liebevoll zurechtwies, bevor sie ihren Arm um seine Taille legte. Mike beobachtete, wie die beiden im Nebel verschwanden. Er atmete tief ein und aus und konzentrierte sich wieder auf seine Mission. Dann riss er die Tür auf und trat in den warmen Innenraum der Bar.
Obwohl es noch früh war, saßen schon fast ein Dutzend Leute in der Bar, unterhielten sich, aßen oder spielten Billard. Als ihm der Geruch von Speck in die Nase stieg, fing sein Magen an zu knurren und ihm fiel ein, dass er zwar seinen Kaffee getrunken hatte, Patty aber den extra Bagel, den er vorhin gekauft hatte, einfach mitgenommen hatte. Als er sich im schummrigen Innenraum umsah, fiel sein Blick auf Ross Galloway. Er saß an einem Tisch im hinteren Bereich.
Mike schritt durch den Raum und nickte allen zu, die ihm zuriefen und ihn grüßten. Ross sah von seinem Platz auf und runzelte die Stirn, als er Mike auf sich zukommen sah. Mike ignorierte das Stirnrunzeln, zog den Stuhl gegenüber von Ross hervor und setzte sich.
„Hey, Mike. Was darfs sein?“, fragte Dorothy hinter der Theke.
„Zwei Eier medium, Speck, Rösti, ein Brötchen … und einen Kaffee“, antwortete Mike, bevor er sich zu Ross umdrehte.
Ross nahm seine Gabel in die Hand und stach in das Rührei auf seinem Teller. Ross war etwa so alt wie Mike, stämmig, muskulös und hatte dunkles, zotteliges Haar, das genauso wild war wie sein Ruf. Mike lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als Dorothy ihm den Kaffee brachte.
„Danke“, sagte Mike lächelnd.
„Kein Problem. Noch Kaffee, Ross?“, fragte Dorothy.
Ross grunzte und schob Dorothy, die eine Kaffeekanne in der Hand hielt, seine Tasse hin. Er murmelte ein Dankeschön. Mike rutschte auf seinem Stuhl nach vorne, als Dorothy wegging. Er nahm seine Kaffeetasse zwischen beide Hände und starrte die dunkelbraune Flüssigkeit an.
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich nichts getan habe“, sagte Ross schließlich.
„Ich weiß“, erwiderte Mike.
Ross hob den Kopf und musterte Mikes Gesicht einen Moment lang, bevor er sich wieder seinem Frühstück zuwandte. „Also, warum bist du dann hier?“, fragte er unverblümt.
„Ich war hungrig“, antwortete Mike.