Die drei ??? und das Riff der Haie (drei Fragezeichen) - William Arden - E-Book

Die drei ??? und das Riff der Haie (drei Fragezeichen) E-Book

William Arden

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Beschreibung

Demonstranten blockieren die Arbeiten an der Öl-Bohrinsel vor der Küste von Santa Barbara. Die drei Detektive fahren hinaus, um sich die Demonstration anzusehen. Sie werden in rätselhafte Vorgänge verwickelt. Etwas unheimliches geschieht mit dem Boot von Mr. Crowe, und als ein gewaltiger Sturm aufzieht, gibt das Meer eines seiner Geheimnisse preis. Was schiebt sich da aus den Wellen? Ein Meeres-Ungeheuer?

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Seitenzahl: 204

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und das Riff der Haie

Erzählt von William Arden

Aus dem Amerikanischen übertragenvon Leonore Puschert

Kosmos

Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Umschlaggestaltung von eStudioCalamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch

Aus dem Amerikanischen übertragen von Leonore Puschert

Titel der Originalausgabe: „Alfred Hitchcock and The Three Investigators

in The Secret of Shark Reef“

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-14051-2

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Albert Hitfield warnt empfindsame Leser

Diese Lektüre ist für Leser mit schwachen Nerven völlig ungeeignet! Bitte nicht weiter umblättern, sofern euch Wirbelsturm und tosende Brandung, Saboteure und Haie, Schlammlawinen und jäh auftauchende Meeresungetüme schrecken! Kurzum: Leute, die für so Haarsträubendes und Abenteuerliches nichts übrighaben, sollten sich an weniger aufregendem Lesestoff ergötzen. Doch Leser mit starken Nerven, die gern vor Spannung vibrieren, werden von den neuesten Heldentaten der drei ??? hingerissen sein. Nie zuvor sind unsere Jungdetektive in einen so wilden, verwirrenden, gefährlichen Strudel von Ereignissen geraten. Jeder der drei kühnen Verbündeten bekommt eine einmalige Chance, sich zu profilieren! Die geniale Begabung des molligen Justus Jonas mit dem beschämend umfangreichen Allgemeinwissen wird bis an ihre Grenzen beansprucht – doch die Lösung so manches Geheimnisses ist wiederum ein Geheimnis! Peter Shaw, kraftvoll, sportgestählt und gewandt, wagt sich in Bereiche vor, die den anderen zu riskant sind. Und blitzschnelles Schalten des beschlagenen Theoretikers Bob Andrews rettet die Lage, als alles verloren scheint.

Von dem Augenblick an, als Bobs Vater die drei ??? einlädt, ihn zu einer neuen Ölbohrplattform vor der Küste zu begleiten, werden die Jungen in turbulentes und rätselhaftes Geschehen zu Lande und zu Wasser verstrickt. Wohlan denn, meine abenteuerlustigen Leser, blättert um und gesellt euch zu unserem wagemutigen Trio, das nunmehr das Geheimnis um das »Riff der Haie« ins Visier nehmen und schließlich ergründen wird!

Albert Hitfield

Das Riff der Haie

»Riff der Haie?«, fragte Bob Andrews. »Was ist denn das für ein merkwürdiger Name, Papa?«

Bob stand neben seinem Vater im schaukelnden Bug eines großen Kajütboots. Seine beiden besten Freunde, Peter Shaw und Justus Jonas, waren auch dabei. Peter schaute mit leichtem Unbehagen auf das weite blaue Meer rings umher und auf die gebirgigen Inseln, die vor ihnen aufragten.

»Riff der Haie – hört sich nicht gerade verlockend an!«, meinte Peter.

Mr Andrews lachte. »Fast alle Bohrplattformen tragen solch interessante Namen. Dieses neue Projekt liegt etwa eine halbe Meile von einem großen und bekannten Riff entfernt, das ›Riff der Haie‹ heißt – daher der Name.« Mr Andrews blinzelte schalkhaft. »Früher sind an diesem Riff viele Schiffe gestrandet, aber seit langer Zeit ist kein Schiffbruch mehr vorgekommen. Seinen Namen hat das Riff von den Haien, die es dort gibt, auch heute noch.«

Peter stöhnte. »Ich sag’s ja – kein verlockender Name!«

Der vierte Mann im Boot, der stämmige Erste Detektiv Justus Jonas, schaute schweigend nach Süden, hinüber zu den hoch aufragenden Inseln jenseits der »Santa-Barbara-Kanal« genannten Meerenge, die das große Boot gerade durchquerte. Die drei größten Inseln – Santa Cruz, Santa Rosa und San Miguel – erschienen dem Auge wie eine zusammenhängende Masse Land mit einer tief eingeschnittenen breiten Bucht in der Mitte und der kleineren Insel Anacapa im Osten. Auf die Bucht hielt das Boot in schneller Fahrt zu.

»Gleich sind wir da!«, rief Justus, als das Boot die Spitze der Insel Santa Cruz zu umrunden begann. Justus war sofort Feuer und Flamme gewesen, als Mr Andrews den Jungen angeboten hatte, ihn an diesem frühen Juninachmittag zu begleiten.

Die drei Jungen, die man in ihrer Heimatstadt Rocky Beach in Kalifornien als das Junior-Detektivteam »Die drei ???« kannte, hatten sich bei Bob im Garten müßig die Zeit vertrieben, als Mr Andrews plötzlich aus dem Haus kam.

»Na, ihr drei«, rief Mr Andrews. »Würde es euch Spaß machen, zu einem richtigen Abenteuer mitzukommen?«

»Was für ein Abenteuer, Mr Andrews?«, fragte Peter.

»Auf See vor Santa Barbara hat man eine Bohrplattform zur Erdölförderung errichtet«, erklärte Mr Andrews, »und die Umweltschützer versuchen, die Betreiber von der Aufnahme von Bohrungen abzuhalten. Ich soll eine Reportage darüber schreiben.«

Mr Andrews arbeitete als Journalist für eine Zeitung in Los Angeles und wurde gelegentlich über Land geschickt, um über aktuelle Ereignisse zu berichten.

»Ja, aber, Papa«, sagte Bob, »da draußen gibt es doch schon eine ganze Anzahl Bohrplattformen. Was ist denn Besonderes an dieser einen?«

»Ich weiß!«, mischte sich Justus voll Eifer ein. »Gestern Abend kam es im Fernsehen. Die neue Plattform ist die erste, die so dicht vor der Inselgruppe im Santa-Barbara-Kanal liegt. Sie ist der Anfang eines ausgedehnten Ölfelds in unmittelbarer Nähe der Inseln, und das ruft empörte Umweltschützer auf den Plan. Die Inseln dort sind nämlich heute noch fast unberührte Natur mit einer Vielfalt von Vögeln, Säugetieren, Pflanzen und Meeresfauna. Eine Panne bei der Ölförderung könnte das alles vernichten.«

Mr Andrews nickte. »Von Anfang an haben Demonstranten versucht, die Errichtung der neuen Plattform zu verhindern, indem sie mit einer Bootsflotte pausenlos vor der Baustelle kreuzten.«

»Und auch jetzt«, setzte Justus hinzu, »sind dort draußen auf See hunderte von Booten im Einsatz und versuchen, die Ölgesellschaft an der Aufnahme der Bohrungen zu hindern! Wann sollen wir hin, Mr Andrews?«

»Jetzt gleich«, sagte Mr Andrews, »wenn eure Eltern einverstanden sind.«

Peter und Justus fuhren mit dem Rad nach Hause, um sich die Erlaubnis zu holen und eine Reisetasche zu packen. Dann brachen sie gemeinsam zu der etwas mehr als hundert Kilometer weiten Fahrt nach Norden auf. Einige Stunden später hatten sie ihr Gepäck in einem Motel abgestellt, und nun standen sie im Bug des Kajütboots, das gerade aus dem Hafen von Santa Barbara auslief. In der breiten Wasserstraße zwischen der Stadt Santa Barbara und den Inseln standen viele Bohrplattformen. Sie ragten hoch aus dem Meer auf, die Bohrtürme seitlich aufgesetzt, gleich einer Flotte von Flugzeugträgern. Peter schaute aufmerksam hinüber. »Gab es da nicht schon einmal Probleme wegen der Gefahr einer Meeresverseuchung durch Tiefbohrungen?«, fragte der große Junge.

»Ja«, bestätigte Justus. Schon begann er aus seinem phänomenalen Gedächtnis die Fakten zutage zu fördern. »Die Gemeinde Santa Barbara legte Einspruch gegen Ölbohrungen hier draußen ein und verwies auf die Erdbebengefahr und auf die Risiken für das Küstengebiet und den Lebensraum Meer, aber die Regierung ließ die Ölkonzerne weitermachen. Vor einiger Zeit gab es eine Panne, und aus einem Bohrloch floss das Öl ungehindert ins Meer. Bis es wieder unter Kontrolle gebracht wurde, waren schon fast 900000 Liter Öl ausgelaufen! Diese katastrophale Ölpest vernichtete sehr viel Leben im Meer.«

Peter machte große Augen. »Aber warum gibt es dann hier noch immer all diese Bohrplattformen? Müssten die nicht abgebaut werden?«

»Das finden viele Leute«, antwortete Mr Andrews. »Aber das ist keine so leichte Entscheidung, Peter. Unser Land braucht schließlich alles verfügbare Erdöl, damit Energieversorgung und Güterproduktion in Gang gehalten werden können. Aber wir müssen auch unsere Umwelt schützen, und vielleicht ist das noch wichtiger als das Öl.«

Das Boot glitt stampfend über die Wellen und Strömungen im Kanal, und schließlich umrundete es die östliche Spitze der hoch aufragenden Insel Santa Cruz und nahm Kurs aufs offene Meer.

»Da ist es!« Justus zeigte voraus nach Westen.

»Das Riff der Haie!«, rief Bob.

Wie ein einsamer metallener Gigant, der sich zu Fuß auf den Weg nach Japan machen will, ragte die neue Bohrplattform kühn aus der See. Als das Kajütboot näher kam, konnten die drei ??? das Konstruktionsprinzip der Plattform erkennen. Sie bestand aus mehreren Decks, teils mit geschlossenen Aufbauten, die weit über die mächtigen Beine herausgebaut waren. Auf dem obersten Deck erhoben sich ein hoher Kran und ein noch höherer Bohrturm gen Himmel. Die ganze Konstruktion hatte gewaltige Ausmaße. Justus schätzte die Seitenlänge der Plattform auf etwa dreißig Meter und die Höhe des Bohrturms auf etwa fünfzig Meter über dem Meeresspiegel. Die in der späten Nachmittagssonne blinkende Plattform ließ die Flotte der Boote, die sie umringte, klein wie Spielzeug erscheinen.

»Mann!«, staunte Peter. »Das sind bestimmt hundert Boote!«

Boote aller erdenklichen Typen hatten sich zur Demonstration eingefunden. Man sah die verschiedenartigsten Motorboote für Freizeitkapitäne, große Segelboote, kleinere Katamarane, elegante Kajütboote, rostige alte Fischerkähne, schnittige und schnelle Charterboote für die Tiefseefischerei, leistungsstarke Arbeitsboote der Bauart, wie sie zur Ölförderung eingesetzt werden, und sogar eine luxuriöse Jacht. Alle Schiffe kreuzten in einem großen Kreis um die Bohrplattform wie Indianer, die ein Fort erstürmen wollen.

Spruchbänder mit Protestslogans flatterten von allen Masten. Als Mr Andrews und die Jungen mit ihrem Boot näher herankamen, konnten sie über Lautsprecher und Megafone die rhythmischen Sprechchöre hören, die immer lauter widerhallten: »Hände weg vom Öl! … Hände weg vom Öl! … Umweltsünder raus! … Vogelschutz und Wasserschutz gehen jetzt vor Eigennutz! … Aufhören, aufhören, unsere Erde nicht zerstören! … Läuft das Öl ins Wasser rein, wird’s ja wohl so schlimm nicht sein!«

Ein schwarzes Fischerboot mit einem hohen Deckshaus scherte aus dem Kreis aus und hielt näher auf die Plattform zu. Zwei Männer standen auf der Brücke, dem Flachdach der Kajüte. Ein Mann war am Ruder, der zweite stemmte sich gegen die rings umlaufende Reling. Beide Männer brüllten den Arbeitern auf der Plattform hoch über ihnen höhnische Worte zu. Die Ölmänner schrien wütend zu den Demonstranten zurück: »Weg von unserem Bohrturm! … Geht lieber angeln! … Wollt wohl wieder mit Pferden kutschieren? … Was habt ihr denn im Tank? … Radikales Pack!«

Ein großes Motorboot, das allein im Innern des Kreises kreuzte, beorderte das ausgebrochene Boot zurück ins Glied. Es war schnittig und stark gebaut und trug den Namen ›Windrose‹ am Ruderhaus und am Heck. Ein Spruchband an der niedrigen Kajüte verkündete: »Verband der Inselschützer«. Mr Andrews forderte den Kapitän des Kajütboots auf, in den Kreis zu fahren und Kurs auf dieses Boot zu halten.

»Hallo, Verbandsleitung!«, rief er. »Bill Andrews, Presse!«

Auf der ›Windrose‹ schaute ein großer Mann mit hagerem Gesicht und Hornbrille zu ihnen herüber. Er trug einen dicken Rollkragenpullover, und sein langes braunes Haar flatterte im Wind. Er nahm eine schwarze Pfeife aus dem Mund und setzte ein Megafon an. »Hallo! Kommt längsseits!«

Die Mannschaft auf beiden Booten machte sich ans Festzurren und Vertäuen, und bald schaukelten die Boote Seite an Seite in der Dünung. Der große Mann kam an die Reling und nickte Mr Andrews und den Jungen zu.

»Freut mich, dass Sie gekommen sind, Andrews. Jetzt sehen Sie selbst, was für ein Umweltrisiko diese Bohrplattform ist! Völlig schutzlos bei Sturm, umgeben von gefährlichen Riffen, die einen Tanker glatt auseinanderreißen können, und viel zu nahe an den Inseln!«

»Ich will mich von alledem selbst überzeugen, Crowe«, sagte Mr Andrews. Dann wandte er sich plötzlich mit einem Lächeln zu den Jungen. »Hört mal, ich habe hier eine Überraschung für euch – zum Dank dafür, dass ihr mitgekommen seid. Ich darf bekannt machen: Mr John Crowe, der berühmte Schriftsteller!«

»John Crowe, der so spannende Bücher schreibt?«, rief Bob.

»Toll!« Peter war begeistert. »Die hab ich alle gelesen!«

»Nicht nur du – wir alle!«, sagte Justus. »Wollen Sie hier draußen Material für eine aufregende Geschichte sammeln, Mr Crowe?«

»Nein«, sagte der Schriftsteller. »Ich bin der Sprecher der Bürgerinitiative gegen diese Bohrplattform. Umweltschutz geht jeden an, da muss man schon mal die eigene Arbeit eine Zeit lang zurückstellen.« Er sah finster zu der stählernen Plattform hin, die aus dem Wasser aufragte, doch dann lächelte er. »Im Übrigen bin ich ja nicht die einzige Berühmtheit hier, oder? Als Andrews mir sagte, er werde vielleicht seinen Sohn Bob und auch Peter Shaw und Justus Jonas mitbringen, da hätte er besser gleich sagen sollen: Es kommen die drei Detektive!«

»Sie kennen uns also?«, riefen die Jungen.

»Ich habe viele von den Büchern über euch gelesen«, sagte Mr Crowe, »und ich hatte schon lange einen besonderen Wunsch an euch. Könnte ich eine eurer viel zitierten Karten für mein privates Kriminalmuseum bekommen?«

Bob und Peter strahlten vor Stolz, als Justus mit einer feierlichen Geste Mr Crowe eine Empfehlungskarte der drei ??? über die Reling reichte. Auf der Karte stand:

Auf dem anderen Boot kam ein bärtiger Mann mit Marineoffiziersmütze und schwerer Seemannsjacke angelaufen. Sein wettergegerbtes, gebräuntes Gesicht war voll Sorge, und seine dunklen Augen funkelten empört. Er murmelte Mr Crowe etwas zu. Der Schriftsteller nickte mit ergrimmter Miene.

»Das ist Kapitän Jason. Ihm gehört die ›Windrose‹. Tut mir leid, aber wir müssen unser interessantes Gespräch vorläufig –« Mr Crowe brach mitten im Satz ab. Er blickte nachdenklich auf die Karte in seiner Hand, dann sah er die drei ??? an.

»Hört mal, ihr drei«, sagte er bedächtig. »Ihr seid da möglicherweise genau zur rechten Zeit gekommen. Ich habe nämlich einen spannenden Fall für euch!«

Rätselhafter Schwund

»Das wundert mich aber«, sagte Peter. »Sie schreiben doch dauernd über spannende Fälle. Da müssten Sie doch selber damit zu Rande kommen.«

»Ja, Peter, anscheinend ist das nicht unbedingt dasselbe – ein Verfasser von Detektivgeschichten und ein echter Detektiv«, sagte Mr Crowe trocken. »Ich muss gestehen, dass ich mir an meinem Problem schon ganz schön die Zähne ausgebissen habe. Aber die drei Freunde Justus, Bob und Peter sind ja richtige Detektive, nicht?«

Justus nickte. »Wir helfen wirklich gerne«, sagte er, eine Spur selbstgefällig. »Wenn Sie uns genau berichten können, was …«

Kapitän Jason von der ›Windrose‹ sah unruhig auf die Uhr. »Wir haben nicht viel Zeit, Mr Crowe.«

»Ist gut, Käpt’n«, sagte Crowe. »Ich wollte es euch schon vorhin sagen: Wir müssen schnellstens zur Küste zurück. Genau das ist nämlich unser Problem. Wir können uns dann später darüber unterhalten, wenn wir auf festem Boden wieder zusammenkommen.«

»Die Jungen könnten doch gleich mit Ihnen zurückfahren«, schlug Mr Andrews vor. »Ich muss jetzt die Interviews mit den Demonstranten auf den anderen Booten machen, und im Grunde brauche ich die drei nicht hier bei mir.«

»Das wäre ausgezeichnet!«, rief Crowe. »Da könnte ich sie während der Fahrt gleich ins Bild setzen.«

»Und dir ist es recht, Papa?«, fragte Bob eifrig.

Mr Andrews nickte. »Crowes rätselhafter Fall, was es auch sein mag, könnte ja auch etwas mit der Demonstration zu tun haben. Dann mal los über die Reling mit euch dreien. Ich komme später zu Mr Crowes Haus, und dann könnt ihr mich über alles unterrichten.«

Mithilfe der beiden Bootsmänner kletterten die Jungen bei ziemlich starkem Seegang über die Reling und an Deck der ›Windrose‹. Die zwei Boote trennten sich, und das Kajütboot drehte ab und stieß zu dem Kreis der Demonstranten in ihren Booten, damit Mr Andrews an Ort und Stelle seine Interviews machen konnte. Über das Funkgerät der ›Windrose‹ meldete sich Mr Crowe bei seinem Stellvertreter auf einem anderen Boot. Er wies ihn an, die Leitung zu übernehmen, und die ›Windrose‹ machte sich auf die Rückfahrt, die etwas über eine Stunde dauern würde. Das schnelle, starke Schiff ließ die übrigen Boote und die turmgekrönte Bohrplattform rasch hinter sich, während es mit voller Kraft auf die breite Durchfahrt zwischen den Inseln Santa Cruz und Anacapa zuhielt.

»Da will noch ein Boot an Land«, sagte Bob und zeigte nach vorn. Das andere Boot mit seinen noch gehissten Protestspruchbändern war ihnen ein paar Meilen voraus. Es war das schwarze Boot mit dem hohen Deckshaus, das aus dem Kreis ausgeschert war. Nun war es schon an der Fahrrinne zwischen den Inseln und schwenkte in den Santa-Barbara-Kanal ein.

»Immer diese beiden Brüder, die Connors!«, sagte Mr Crowe. Er beschattete die Augen mit der Hand, um besser in die Ferne sehen zu können. »Sie sind aus Oxnard und tauchen hier nach Muscheln. Sie wollten sich unbedingt der Protestbewegung anschließen, aber ich bin im Zweifel, ob ich gut daran tat, sie aufzunehmen. Sie zeigen nicht gerade viel Gemeinschaftsgeist. Wir sollten ja geschlossen an der Plattform ankommen und gemeinsam wieder abfahren. Auf diese Weise hat eine Demonstration weit mehr Gewicht.«

»Und warum fahren wir dann früher zurück, Mr Crowe?«, meinte Peter verwundert.

»Weil uns nichts anderes übrig bleibt, Peter«, sagte Mr Crowe erbost. »Wir haben nicht mehr genügend Kraftstoff, um noch länger hier draußen zu bleiben. Und das ist eben das Rätsel!«

»Was ist bitte das Rätsel, Mr Crowe?«, fragte Bob und wischte sich salzige Gischt von den Brillengläsern.

»Na, schon zum vierten Mal in einer Woche hat die ›Windrose‹ nicht mehr genug Kraftstoff, um volle zwölf Stunden auf See zu bleiben. So lange wollen wir die Demonstration täglich in Gang halten!«

»Ja, aber –« Justus runzelte die Stirn. »Könnten Sie nicht den Aufenthalt hier draußen so bemessen, dass Sie mit Ihrem Kraftstoff im Tank hinkommen?«

»So haben wir es ja gemacht, Justus«, sagte Mr Crowe. »Die ›Windrose‹ ist ein schnelles, leistungsstarkes Schiff. Eben deshalb habe ich sie für die Leitung der Aktion gechartert. Sie verbraucht sehr viel, aber Kapitän Jason hat ausgerechnet, dass wir mit vollem Tank zwölf Stunden auf See bleiben könnten. Deshalb haben wir alles so geplant, dass es vom Hafen weg und wieder dorthin genau zwölf Stunden sind. Aber in dieser Woche hatten wir an drei Tagen nur Kraftstoff für zehn oder elf Stunden, und auch heute ist das wieder passiert!«

»Sind Sie sicher, dass Sie mit vollem Tank ausgelaufen sind?«, fragte Peter.

»Absolut sicher. Wir haben es sogar mit einem Messstab nachgeprüft.«

»Und«, sagte Justus bedächtig, »was wurde aus dem fehlenden Kraftstoff? Das ist nun die große Frage.«

»Eben.«

Die ›Windrose‹ war mittlerweile zwischen den Inseln Santa Cruz und Anacapa durchgefahren und machte gute Fahrt nach Nordwesten durch das stillere Gewässer des breiten Santa-Barbara-Kanals. Weiter vorn lag das schwarze Boot noch immer eine gute Meile in Führung.

»Ist es immer gleich?«, fragte Justus nach einer Weile. »Fehlt jedes Mal die gleiche Menge Kraftstoff?«

»Ja und nein, und das ist wieder ein großes Rätsel für sich«, sagte Mr Crowe. »Jedes Mal vor einer solchen vorzeitigen Rückfahrt zeigte die Kontrolluhr den gleichen niedrigen Stand im Tank an. Aber beim ersten Mal erreichten wir Santa Barbara und hatten noch ein paar Liter übrig, wie Kapitän Jason es sich vorsorglich ausgerechnet hatte. Bei den beiden nächsten Fahrten ging uns dann ganz knapp vor der Küste der Sprit aus, und wir mussten per Funk einen Schlepper anfordern! Diesmal haben wir für den Notfall ein paar Reservekanister dabei.«

»Mr Crowe«, sagte Bob, »haben Sie auch die Gezeiten berücksichtigt?«

»Ja, Bob. Das hat Kapitän Jason sofort überprüft. Da war nichts Auffälliges, das er nicht schon im Kraftstoffbedarf einkalkuliert hatte.«

»Und wie ist das mit dem Wind und den Strömungen?«, fragte Peter.

»Alles normal für diese Jahreszeit. Unten vor der Halbinsel Baja California in Mexico ist ein starker Sturm, aber davon bekamen wir hier noch nichts zu spüren.«

»Könnte etwas mit dem Motor nicht in Ordnung sein?«, meinte Bob.

»Oder mit der Kraftstoffanzeige?«, fügte Peter hinzu.

Mr Crowe schüttelte den Kopf. »Das dachten wir auch zuerst. Aber der Motor funktioniert tadellos, und die Kraftstoffanzeige ist auch in Ordnung. Weder Tank noch Zuleitungen sind undicht, und auch Schiffsschraube und Welle sind einwandfrei.«

»Dann gibt es nur noch eine Möglichkeit«, sagte Bob. »Da zapft jemand Sprit ab!«

»Klar!«, meinte auch Peter. »Das muss es sein.«

»In den letzten drei Tagen«, sagte Mr Crowe, »haben Kapitän Jason und mein Gärtner das Boot die ganze Nacht überwacht. Kein Mensch ist ihm zu nahe gekommen! Jedenfalls konnten sie niemanden beobachten.«

Justus hatte geschwiegen, während Bob und Peter nach denkbaren Ursachen fahndeten. Seinem runden Gesicht war anzumerken, dass er angestrengt nachdachte. Jetzt schaute er auf den Kanal hinaus, und es hatte den Anschein, als seien ihm die Geschwindigkeit des Bootes und die hinter ihnen zurückbleibenden Inseln ganz und gar gleichgültig.

»Ist die ›Windrose‹ das einzige Boot, bei dem das aufgetreten ist, Mr Crowe?«, fragte der Erste Detektiv bedächtig.

»Ja, Justus«, sagte Mr Crowe. »Und das macht alles noch rätselhafter. Ich gebe zu, ich bin am Ende meiner Weisheit, aber eines weiß ich bestimmt – ein Zufall ist das nicht!«

Peter schluckte. »Meinen Sie etwa, da sind … Saboteure am Werk?«

»Vielleicht die Ölgesellschaft, die das ›Riff der Haie‹ gebaut hat?«, setzte Bob hinzu.

»Irgendwer steckt dahinter«, sagte Mr Crowe, »aber es ist mir völlig unbegreiflich, wie es zugeht und was es bezwecken soll.«

Während der Unterhaltung hatte sich die ›Windrose‹ zügig dem Festland genähert, und sie konnten etwa eine Meile voraus den Hafen von Santa Barbara sehen. Da kam Kapitän Jason zu ihnen herauf.

»Wieder fast kein Kraftstoff mehr!«, meldete er empört. »Genau wie das letzte und vorletzte Mal.«

»Aber nicht so«, sagte Justus mit nachdenklich gerunzelter Stirn, »wie beim ersten Mal.«

»Findest du das wichtig, Justus?«, meinte Mr Crowe.

»Das ist es vielleicht schon, Mr Crowe. Bei einem solch rätselhaften Geschehen ist alles wichtig, was auffällt.«

Kapitän Jason ging hinunter, um die Reservekanister in den Tank abzufüllen. Die Jungen und Mr Crowe zerbrachen sich noch immer den Kopf über den Kraftstoffschwund, als die ›Windrose‹ in den Hafen von Santa Barbara einlief.

Nach Norden und Westen hin war das Hafenbecken vom natürlichen Ufer begrenzt. An der Südseite war eine Steinmauer als Wellenbrecher errichtet, und ein langer Kai der Ölgesellschaft stieß weit ins Wasser vor und bildete die Ostflanke. Zwischen dem Wellenbrecher und dem Kai lag die Hafeneinfahrt, die eine langgestreckte Sandbank hartnäckig zu blockieren trachtete. Die ›Windrose‹ musste die Geschwindigkeit stark drosseln, um durch die schmale Fahrrinne, die man in der Sandbank ausgebaggert hatte, einlaufen zu können. Links von der Hafeneinfahrt erhob sich die Sandbank über die Wasseroberfläche und bildete einen langen, schmalen Strand, der sich bis zum seeseitigen Ende des Wellenbrechers erstreckte. Als Angriffsfläche für die schönsten Wellen des Kanals wimmelte dieser Sandstrand von Windsurfern in schwarzen Schutzanzügen. Sie ließen sich auf ihren langen Brettern mit der Brandung hinaus- und wieder hereintragen.

Im Hafenbecken hielt die ›Windrose‹ auf die Bootsanlegestelle zu. Sie war vor die Betonmauer gebaut, die den Hafen nach Westen abschloss.

»Mein Wagen steht auf dem Parkplatz bei der Anlegestelle«, sagte Mr Crowe, als die ›Windrose‹ an hölzernen Docks vorbei in ihren Liegeplatz an der Mauer glitt. »Aber erst möchte ich nach den Leuten sehen, die für uns auf dem Ölkai Posten stehen.«

Kapitän Jason blieb zurück, um die ›Windrose‹ für die Nacht festzumachen und abzusichern. Die anderen gingen an Land und liefen rasch zu der breiten Uferpromenade am Nordende des Hafens. Davor lag ebenfalls ein Streifen Sand mit dem Hafenstrandbad, der sich zwischen der Bootsanlegestelle und dem Kai der Ölgesellschaft erstreckte. Um diese Zeit, am frühen Abend, wimmelte es auf der Promenade von Bootsfahrern, Ausflüglern, Windsurfern und Tauchern im Schutzanzug, und dazu kamen die Badegäste, die gerade aus dem Strandbad aufbrachen. Plötzlich fiel den drei Jungen auf, dass viele Leute zum Kai der Ölgesellschaft drängten.

Zorniges Geschrei klang vom Kai herüber – viele Stimmen, die aus vollem Hals Sprechchöre riefen.

»Raus hier – hier stehn wir … raus hier – hier stehn wir!«

Mr Crowe erschrak sichtlich. Er fing an zu laufen. »Da ist auf dem Kai etwas vorgefallen. Schnell hin, Jungs!«

Es geht hart auf hart

Besorgt eilte Mr Crowe vor den Jungen her. Weiter vorn schnitt die State Street, die Hauptstraße von Santa Barbara, die breite Küstenstraße und stieß am Ufer auf den Kai der Ölgesellschaft. Drei große Lastwagen, hoch beladen mit Leitungsrohren für die Ölbohrungen, standen hintereinander vor der Zufahrt zum Kai. Die Fahrer und Beifahrer blickten gespannt nach vorn. Unmittelbar an der Zufahrt blockierte eine dicht gedrängte Schar Demonstranten mit Transparenten und Spruchbändern den Weg.

»Da ist was schiefgelaufen!«, rief Mr Crowe. »Der Direktor der Ölgesellschaft und ich hatten vereinbart, dass keine Seite handgreiflich wird, ehe das Gericht entschieden hat, ob mit der Bohrung angefangen werden darf.«

»Da, sehen Sie!« Justus zeigte mit dem Finger hin. »Ich glaube, das ist der Grund für den Aufruhr!«

Auf dem freien Gelände zwischen den Lastwagen und den Wachposten der Protestbewegung parkte ein großes schwarzes Auto. Ein paar Schritte davor stand ein breitschultriger Mann, im Straßenanzug mit Weste und mit einem gelben Schutzhelm. Zornig hatte er sich der Reihe der Protestler zugewandt.

»Ich warne euch zum letzten Mal, ihr blauäugigen Spinner! Macht Platz hier. Ich muss Erdöl fördern, und auf ein paar lausige Fische verzichte ich gern!«

»Crowe hat aber gesagt, da gibt es eine Vereinbarung!«, schrie jemand.

»Ein Stillhalteabkommen, hat er gesagt!«

Der Mann mit dem Schutzhelm grinste höhnisch. »Mit Radikalen verhandle ich nicht! Macht alle, dass ihr …«

Aus dem Trupp der Demonstranten drängte sich ein Mann in die vorderste Reihe, ein derber Typ in schmuddeliger Latzhose, Gummistiefeln und Taucherjacke. Er hatte ein breites, vom Wind gerötetes Gesicht und trug eine schwarze Wollmütze.

»Und wir verhandeln nicht mit Kapitalistenschweinen!«, knurrte er böse.