Die drei ??? und die Automafia (drei Fragezeichen) - William Arden - E-Book

Die drei ??? und die Automafia (drei Fragezeichen) E-Book

William Arden

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Beschreibung

Mit Autos kennt sich Justus' Vetter Ty Cassey einfach phantastisch aus. Ein bißchen zu gut, findet Kommissar Maxim vom Sonderdezernat Autodiebstähle und nimmt den verdächtigen jungen Mann vorläufig fest. Zugegeben, der geniale Mechaniker in den abgerissenen Klamotten, der die meiste Zeit durch die Gegend trampt, wirkt schon etwas ausgeflippt – aber ein Autodieb? Die drei ??? setzen alles daran, Ty's Unschuld zu beweisen. Dabei bekommen sie es mit ausgekochten Profis zu tun, die vor nichts zurückschrecken.

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Seitenzahl: 178

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und die Automafia

erzählt von William Arden

Kosmos

Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlageder Gestaltung von Aiga Rasch

Hinweis: Dieses Buch wurde vor vielen Jahren geschrieben und veröffentlicht. Es ist ein Produkt seiner Zeit. Daher kann es diskriminierende Darstellungen enthalten, die in der Gesellschaft zu wenig infrage gestellt wurden. Jegliche Art von Diskriminierung passt nicht zu unserem heutigen Verständnis von einer vielfältigen und gleichberechtigten Gesellschaft. Wir haben uns dennoch entschlossen, das Buch in seiner Originalfassung zu belassen. Wir empfehlen, sich kritisch mit dem Thema Diskriminierung auseinanderzusetzen.

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Wir behalten uns auch die Nutzung von uns veröffentlichter Werke für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur.

ISBN 978-3-440-14035-2

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Besuch aus New York

In Rocky Beach hatten die Frühlingsferien begonnen. Gleich am Montagmorgen nahm sich Peter Shaw den Motor eines alten blauen Corvair vor.

Er sah zu Justus Jonas hinüber. »Dämliche Karre!«, knurrte er. »Alles habe ich durchgecheckt. Warum springt das Ding nicht an?«

Justus war gerade zwischen dem Büro der Firma »Gebrauchtwaren-Center T. Jonas« und der Detektivzentrale der drei ??? im ausrangierten Campinganhänger unterwegs. Nun blieb er bei Peters Schmiergrube neben dem Anhänger stehen und besah sich interessiert den Oldtimer.

»Wenn du alles wieder hingekriegt hast, kannst du die Kiste an mich verkaufen«, meinte er.

Peter wischte sich die ölverschmierten Finger an der riesigen Welle auf seinem T-Shirt mit Surfmotiv ab. »Hey, der Wagen ist ein Sammlerstück, Justus. Der Corvair war das erste erfolgreiche US-Fabrikat mit Heckmotor. Die Leute, die heute noch einen besitzen, haben sich in Clubs zusammengetan. Dieser Wagen dürfte mir ganz schön was einbringen. Wie viel kannst du denn lockermachen?«

»Leider nur fünfhundert Dollar«, bekannte Justus. »Aber ich muss mir dringend einen fahrbaren Untersatz zulegen! Ein Detektiv braucht schließlich ein Auto.«

»Dann musst du dich noch gedulden. Du weißt, dass ich das Geld brauche, um Kelly auszuführen«, sagte Peter. »Bob und ich sind ja motorisiert, das reicht für unser Team.«

»Das ist ein schwacher Trost.« Justus seufzte. »Um meinen Frust loszuwerden, esse ich dann wieder zu viel und nehme noch mehr zu – du wirst schon sehen.«

Peter grinste. »Hey, in deinem flotten neuen Aufzug machst du dich doch ganz gut.«

Justus trug ein weitgeschnittenes Hemd und die zugehörige bequeme Hose. Die überschüssigen Pfunde, die er trotz seiner Grapefruit-Hüttenkäse-Diät nicht losgeworden war, ließen sich gut darunter verstecken.

Die modische Hose und das locker darüberfallende Hemd standen Justus wirklich gut. Peter und die meisten Jungs in der Schule liefen nach wie vor in alten Jeans und T-Shirts herum. Kelly Madigan, Peters Freundin, war ständig bemüht, Peter für Poloshirts und Stoffhemden zu begeistern, wie sie Bob Andrews, der dritte Mann im Detektivteam, trug. Aber dazu ließ Peter sich ausnahmsweise von Kelly nicht herumkriegen.

»Hör mal«, sagte Peter, »wenn ich den Corvair wieder flottgemacht habe, besorge ich dir für deine fünfhundert einen Wagen.«

»So tönst du seit Wochen«, hielt ihm Justus vor. »Aber Kelly lässt dir ja keine Zeit für so etwas.«

»Ist gar nicht wahr!«, protestierte Peter. »Und es hat dir doch allem Anschein nach Spaß gemacht, dass wir gestern Abend zu viert was unternommen haben.«

»Reine Zeitverschwendung. Diese Freundin von Kelly ist nicht mein Typ«, monierte Justus.

»Ach so, deshalb hast du den ganzen Abend lang versucht, ihr die Relativitätstheorie zu erklären?«

Ehe Justus widersprechen konnte, schreckte lautes Hupen vor dem Schrottplatz die beiden Jungen auf. Es war erst zehn vor neun, und der Betrieb hatte noch nicht geöffnet. Trotzdem schien jemand höchst ungeduldig Einlass zu begehren. Immer wieder ertönte in raschem Beatrhythmus die Hupe.

»Na, dann machen wir den Laden mal auf«, sagte Justus. Er drückte auf eine Taste an dem Kästchen, das er an seinem Gürtel befestigt hatte. Das war eine Fernbedienung, die der Elektronikbastler Justus samt automatischer Schließanlage für das große Hoftor selbst konstruiert hatte. Onkel Titus Jonas und Tante Mathilda, die Inhaber der Firma, verfügten ebenfalls über je eine Fernbedienung, und auch vom Büro aus ließ sich das Schloss auf Tastendruck betätigen.

Die Torflügel öffneten sich. Justus und Peter bekamen große Augen, als ein offenes rotes Cabrio, ein Mercedes 450 SL, in die Zufahrt einbog und vor der Bürobude abbremste. Ein schlaksiger, dunkelhaariger junger Mann flankte sportlich über die Fahrertür, statt sie normal zu öffnen und auszusteigen.

Er hatte verschlissene Jeans, abgetretene Cowboystiefel und eine alte Baseballjacke an und trug einen zerbeulten Stetson auf dem Kopf. Seinem über und über mit Ansteckern verzierten Rucksack entnahm er ein Geschenkpäckchen und einen weißen Umschlag. Mit einem munteren »Hi, Jungs« winkte er Peter und Justus zu und schlenderte dann pfeifend zum Büro hin.

Peter konnte den Blick kaum von dem bildschönen kleinen Zweisitzer abwenden. »Ganz große Klasse, was, Justus?«

»Ein prachtvoller Wagen«, bestätigte Justus, doch sein Interesse galt eher dem zusammengerollten schmuddeligen Schlafsack, der hinter die Sitze des eleganten Autos gestopft war. »Aber vor allem freut es mich, dass Ty zurück ist. Wurde auch Zeit, dass er hier mal wieder aufkreuzt.«

Ty Cassey war siebenundzwanzig und Justus’ Vetter. Er kam immer gern auf ein paar Tage nach Rocky Beach, doch länger hielt es ihn meist nicht, und dann trampte er wieder durch das Land und schlug sich irgendwie durch. Er war ein hervorragender Automechaniker und hatte Peter in der improvisierten Werkstatt auf dem Betriebsgelände inzwischen manche Tricks und Kniffe beigebracht. Außerdem machte es Peter viel mehr Spaß, wenn er nicht allein war, sondern zusammen mit Ty an einem Gebrauchtwagen herumbasteln konnte, den es wieder flottzumachen galt.

»Du, Justus, Ty hat sich irgendwie verändert, findest du nicht?«, meinte Peter.

»Schon. Diesmal war er ja recht lange weg, und er ist eine weite Strecke getrampt – quer durch den ganzen Kontinent. Zu Geld und einem festen Job scheint er es allerdings immer noch nicht gebracht zu haben.«

Peter staunte. »Und woher weißt du das alles, Sherlock?«

»Na, die Baseball-Clubjacke stammt von den New York Mets, er ist nicht braun gebrannt wie wir hier, und das Päckchen kommt aus dem Warenhaus Bloomingdale’s. Ich tippe mal auf New York.«

»Könnte schon sein«, meinte Peter.

»Seine Stiefel sind ausgelatscht, die Buttons an seinem Rucksack hat er in allen möglichen Orten links und rechts vom Highway I-80 aufgegabelt, aber der Daimler hat ein kalifornisches Kennzeichen. Ich folgere daraus, dass er auf dem I-80 von der Ostküste bis nach Kalifornien ohne Wagen unterwegs war, und da kein vernünftiger Mensch diese ganze Strecke zu Fuß geht, muss er getrampt sein.«

»Hm.« Peter nickte. »Leuchtet mir ein.«

Justus hatte noch mehr auf Lager. »Seine Klamotten sind ziemlich abgerissen und bestimmt seit Wochen nicht mehr gewaschen – na ja, kein Wunder, wenn man so lange von der Hand in den Mund lebt und im Schlafsack kampiert. Und um neun rückt er hier an, wenn normale Leute zur Arbeit gegangen sind. Also hat er wie üblich keinen Job und bestimmt auch kein Geld.«

»Da wäre ich nicht so sicher, Justus«, warf Peter ein. »Wenn sich Ty neuerdings einen solchen Wagen leisten kann, muss er ganz gut bei Kasse sein, egal, was er anhat oder wo er übernachtet!«

»Woher er diesen Schlitten hat, weiß ich auch nicht«, erwiderte Justus. »Jedenfalls ist er der Tramp auf Achse – wie eh und je.«

Peter schüttelte skeptisch den Kopf. Doch das sollte sich bald aufklären, denn nun kamen Tante Mathilda und ihr Neffe aus dem Büro über den Hof. Ty schlenderte ganz gemächlich, selbstsicher und lässig daher, als gäbe es für ihn gar nichts, dem hinterherzurennen es sich lohnte. Tante Mathilda, die sich trotz ihrer Körperfülle erstaunlich flink bewegte und es meist eilig hatte, war schon etwas ungeduldig. Doch sie mochte ihren Neffen so, wie er eben war: mit dem schiefen Lächeln, den wachen, dunklen Augen, den langen Haaren und der schmalen Habichtsnase.

Tante Mathilda schwenkte einen Brief. »Justus, Peter!«, rief sie. »Ty bringt Grüße und eine Menge Fotos von Amys Familie aus New York!«

»Genauer gesagt: aus einem Provinznest namens Babylon, Long Island«, ergänzte Ty. »Liegt eine Autostunde von New York entfernt an der Küste. Ja, Leute, ich hab einen Besuch bei meiner Mom gemacht, Mathildas Cousine Amy. War lange nicht mehr dort. Aber dann zog’s mich wieder nach Kalifornien, wo die Sonne scheint. Na, läuft euer Laden?«

Ty ließ den Blick über das Schrott- und Trödellager auf dem Hof schweifen. Die Stapel von Baumaterial und Sperrmüll aus Abbruchhäusern kannte er zur Genüge – all die verrosteten Öfen, ausrangierten Kühlschränke, Gartenmöbel, Messing-Bettgestelle, Ständer für Fernsehgeräte … Interessiert sah er sich einige originelle Neuzugänge näher an: Spielautomaten, Neonreklameschilder und eine uralte Jukebox.

Onkel Titus hätte über sein riesiges Warenlager schon längst den Überblick verloren, wenn nicht Justus schließlich das Inventar mithilfe seines Computers in Form übersichtlicher Tabellen gespeichert hätte. Das war nun ein Jahr her, und es war eine Riesenarbeit gewesen. Dafür musste Justus nicht mehr wie früher im Schrottlager mit anpacken, wozu er ohnehin nie große Lust verspürt hatte.

»Amy und ich, wir haben uns seit unserer Kinderzeit nicht mehr gesehen«, sagte Tante Mathilda. »Dass sie geheiratet hatte, wusste ich, aber dass das nun schon dreißig Jahre her ist, war mir gar nicht klar. Und von ihrer Familie kenne ich nur Ty. Von seinen drei Schwestern hat noch keine den Weg hierher gefunden.«

»Ja, die sind alle in Babylon verheiratet, ganz gutbürgerlich.« Ty grinste. Da erspähte er den Corvair. »Hey, Peter, wo hast du denn dieses Prachtstück aufgetrieben? Das ist ja ein Klassiker!«

Gleich darauf steckten er und Peter einträchtig die Köpfe in den Motorraum. Die beiden fachsimpelten eifrig drauflos und hatten vorläufig für nichts anderes mehr Interesse.

Peter war ganz erleichtert, dass er seine Probleme wieder einmal dem Fachmann Ty vortragen konnte. »Ich hab schon alles Mögliche überprüft und neue Teile eingebaut, aber er will einfach nicht anspringen«, erklärte er. Ratlos fuhr er sich mit den Fingern durch das rötlich braune Haar.

Ty lachte. »Dazu wirst du den auch nie bringen, Peter. Hier – da hast du einen Wechselrichter in das elektrische System eingebaut.«

»Klar doch.« Peter nickte. »Ohne Wechselrichter in der Stromversorgung läuft ja der Motor nicht, und die Batterie kann auch nicht aufgeladen werden.«

Justus und Tante Mathilda, die von alledem nichts verstanden, beobachteten staunend die beiden Experten.

»Bei diesem Wagen ist der Wechselrichter genau das Falsche«, sagte Ty. »Der Corvair ist ein Veteran – der hat nämlich einen Generator und keinen Wechselrichter! War da nicht vorher ein langer, schwarzer Zylinder drin, wo du jetzt den Wechselrichter montiert hast?« Peter stöberte unter seiner Werkbank herum. »Vielleicht das Ding hier?«

Ty nahm den Zylinder und Peters Werkzeug zur Hand und beugte sich über den Motor. Flink schloss er einige Kabel an und zog Schrauben fest. »So sieht das schon viel besser aus«, teilte er mit. »Steig mal ein und versuch’s.«

Peter setzte sich in den Corvair und drehte den Zündschlüssel um. Der Motor stotterte einmal – und sprang an! Er keuchte und ächzte und blubberte, aber er lief.

»Wow!« Peter war begeistert. »Du hast’s wieder mal geschafft, Ty!«

Ty nickte befriedigt. »Wäre ja auch gelacht. Ich hab mir ernsthaft überlegt, ob ich mir hier bei euch nicht einen festen Teilzeitjob in einer Werkstatt besorgen sollte. Dann bleibt immer noch Zeit zum Surfen und Sonnenbaden. Autos gibt’s hier schließlich mehr als anderswo. Also, ich werd mich mal umhören.«

Er sah Tante Mathilda an. »Und bis ich eine neue Bleibe habe, kann ich doch wieder hier wohnen? Du weißt ja, dass ich überall kampieren kann, und die Haare werd ich euch schon nicht vom Kopf fressen. So ein ausrangierter Wohnanhänger genügt mir vollauf. Hauptsache, es gibt Platz für meinen Schlafsack.«

»Kommt nicht infrage«, entschied Mathilda Jonas. »Du wohnst wie immer bei uns im Haus gegenüber.«

»Na, dann besten Dank. Wirklich nett von dir«, sagte Ty.

»Super!«, rief Peter. »Dann können wir erst mal zusammen hier weitermachen. Mit Autos kennst du dich einfach fantastisch aus, Ty.«

»Das kann man wohl sagen«, stellte jemand hinter ihnen fest.

Alle drehten sich um und sahen zwei Männer mit Anzug und Krawatte, die Ty äußerst kritisch betrachteten.

»Besonders mit Autos«, fuhr der Größere der beiden fort, »die ihm nicht gehören. Deshalb ist der junge Mann vorläufig festgenommen!«

Festgenommen!

Den großen Mann mit dem hageren Gesicht, der Ty sehr ungnädig anblickte, kannten Justus und Peter nicht – doch dafür den kleineren, dunkelhaarigen. Das war Inspektor Roger Cole von der Kriminalpolizei Rocky Beach.

»Stimmt was nicht, Inspektor Cole?«, fragte Justus.

»Das ist Justus’ Vetter Ty Cassey«, erklärte Peter. »Er war schon öfter hier und ist heute aus New York angekommen.«

»Für deinen Vetter sieht es nicht gut aus, Justus«, gab Inspektor Cole zurück. Er war ein kleiner, ruhiger Mann mit freundlichen blauen Augen, und er pflegte sonst vertrauenerweckend zu lächeln. Doch nun nickte er sehr ernst zu seinem größeren Begleiter mit dem kalten Blick hin. »Das ist Kommissar Maxim vom Sonderdezernat Autodiebstähle, Jungs. Er hat ein paar Fragen.«

Kommissar Maxim blickte wortlos erst auf Cole, dann auf Peter und Justus. »Sie kennen die Jungs hier, Cole?«

»Ja, Kommissar. Der Chef kennt sie übrigens auch. Sie betätigen sich als Privatdetektive«, erklärte Cole. »In den letzten Jahren haben sie uns tatkräftig unterstützt.«

Das wat das Stichwort für Justus. Er überreichte dem verdutzten Kommissar die Karte der drei ???.

»Meistens helfen wir Leuten, etwas Verlorengegangenes wiederzufinden, oder wir untersuchen eigenartige Vorfälle – das sind so die Probleme, die wir lösen, Kommissar. Aber manchmal konnten wir Hauptkommissar Reynolds auch bei Fällen weiterhelfen, die sich dann doch als schwerwiegend herausstellten«, erklärte Justus.

Er verriet dem Beamten nicht, dass er das Team »Die drei ???« mit seinen Freunden zusammen schon vor vielen Jahren gegründet hatte. Er verschwieg auch, dass die Polizei oftmals völlig im Dunkeln getappt war, bis Justus, Bob und Peter Licht in einen Fall gebracht hatten.

Kommissar Maxim sah die Karte skeptisch an. »Soll das heißen, dass der Polizeichef hier halbwüchsige Jungs bei der Aufklärung von Straftaten mitarbeiten lässt?«

»Na, sie trugen eher Fälle an uns heran, die uns noch gar nicht bekannt geworden waren«, erwiderte Cole.

»Dann sollen sie sich aus meinen Fällen mal besser heraushalten«, knurrte Maxim. »Angefangen bei diesem hier. Klären Sie den jungen Mann über seine Rechte auf, Cole.«

Inspektor Cole machte Ty darauf aufmerksam, dass er die Aussage verweigern und einen Anwalt verständigen könne und dass alle seine Äußerungen vor Gericht gegen ihn verwendet werden konnten.

»Okay, und nun erzählen Sie uns mal, wie Sie dazu kommen, einen gestohlenen Wagen zu fahren«, forderte Maxim Ty auf.

Justus warf rasch ein: »Vielleicht solltest du wirklich vorher mit einem Anwalt reden, Ty.«

Tante Mathilda hatte es beim plötzlichen Auftauchen der beiden Kriminalbeamten glatt die Sprache verschlagen. Nun wurde sie blass. »Anwalt?« Sie sah Justus und Peter an: »Ihr glaubt doch nicht etwa, dass Ty wirklich …?«

»Ich brauche keinen Anwalt«, erklärte Ty. »Das ist alles ein Missverständnis.« Er lachte. »Wetten, dass der Bruder von diesem Burschen die Karre als gestohlen gemeldet hat, nur weil ich mich beim Überführen ein wenig verspätet habe? Wahrscheinlich denkt der Typ, ich gondle zum Vergnügen irgendwo herum.«

»Bruder? Überführen?«, wiederholte Cole.

»Wollen Sie nicht lieber von vorn anfangen, junger Mann?«, meinte Kommissar Maxim.

»Klar doch«, sagte Ty. »Ich hab ja nichts zu verbergen. Vorgestern bin ich durch Oxnard getrampt und auf ein Bier in einem Lokal eingekehrt. Dort spielte eine Band so fetzige Rockmusik, dass ich eine Weile dablieb. Und dann kam ich mit diesem Typ ins Gespräch, einem Latino – Tiburón hieß der oder so ähnlich. Namen konnte ich mir noch nie gut merken. Wir verstanden uns gleich bestens, und ich sagte ihm, dass ich nach Rocky Beach zu meinen Verwandten unterwegs sei. Als die dann den Laden dichtmachen wollen, fragt er mich, ob ich ihm einen Gefallen tun könne, und es sei auch was für mich drin.«

Ty grinste. »Für so was bin ich immer zu haben, und ich höre mir die Sache an. Also, er hatte sich von seinem Bruder den Mercedes geborgt und versprochen, ihn am nächsten Tag zurückzubringen. Mir sagt er noch, er habe ein nettes Mädchen kennengelernt, und die wolle mit ihm nach Santa Barbara, habe aber ’nen eigenen Wagen. Ob ich nicht den Mercedes wieder bei seinem Bruder in Rocky Beach abliefern könnte? Das Benzingeld wolle er mir geben und noch einen Hunderter drauflegen. Na, da kann ich schlecht Nein sagen, oder?«

Kommissar Maxim hatte eine Frage. »Sie haben diesen Mann nicht zufällig schon gekannt?«

»War noch nie im Leben in Oxnard«, antwortete Ty. »Hatte noch nicht mal was von dem Kaff gehört.«

»Das war also vorgestern«, sagte Inspektor Cole. »Wie kommt es dann, dass Sie den Wagen jetzt noch haben?«

Wieder grinste Ty. »Na, an dem Abend war’s zu spät, und gestern war so herrliches Wetter, dass ich schwimmen ging und ein wenig bei den Canyons spazieren fuhr. An einem so schönen Tag muss das doch drin sein.«

»Also sind Sie ja doch herumgegondelt«, stellte der Kommissar fest, »und haben sich zu Ihrem Vergnügen einen Abstecher geleistet.«

»Und heute?«, fragte Inspektor Cole.

»Ich übernachtete dann im Auto, und heute früh meldete ich mich gleich bei meiner Tante«, erklärte Ty. »Heute Vormittag noch wollte ich den Wagen zu Tiburóns Bruder bringen.«

Er lächelte die Beamten forsch an. Auf dem Schrottplatz herrschte bedrücktes Schweigen. Peter und Justus wechselten einen Blick. Tante Mathilda sah betroffen zur Seite. Kommissar Maxim starrte Ty finster an.

»Eine so dreiste Lügengeschichte habe ich mir noch selten anhören müssen«, äußerte er schließlich. »Bilden Sie sich bloß nicht ein, dass wir Ihnen das –«

»Ein Vorschlag zur Güte«, warf Cole rasch ein. »Fahren wir doch erst mal zu diesem Bruder und klären die Sache an Ort und Stelle, ja?«

»Okay«, knurrte Maxim. »Können wir machen.«

»Wenn der Wagen gestohlen ist, Kommissar«, sagte Justus, »und Ty den Hergang wahrheitsgemäß berichtet hat, dann wird Tiburóns Bruder der Polizei gegenüber mit Sicherheit alles abstreiten.«

»Dass Cassey allein hinfährt, kommt nicht infrage«, entschied Maxim.

»Dann machen wir es so: Sie melden sich dort erst mal ohne uns, Cassey«, ordnete Cole an. »Sie tun so, als wüssten Sie nicht, dass wir mithören. Justus und Peter werden Sie begleiten. Sagen Sie, dass es Freunde von Ihnen sind, die Sie für den Rückweg im Auto mitnehmen. Wir bleiben im Hintergrund und beobachten die Sache.«

Ty nickte und schwang sich dann wieder in das Cabrio. Peter und Justus gingen zu dem schwarzen Fiero, den Peter nach einem schweren Unfallschaden wieder aufgemöbelt hatte. Um die Karosserie auszubeulen und Lackschäden zu reparieren, hatten bei Peter das Geld und die Zeit bisher nicht gereicht, aber der Motor lief wieder einwandfrei.

Sie fuhren hinter Ty aus dem Schrottplatzgelände. Die Polizisten kamen in einem neutralen Dodge Aries nach.

Es ging quer durch die Stadt bis in einen westlichen Vorort beim Hafen. Die Adresse, die Ty nach seiner Aussage von Tiburón bekommen hatte, erwies sich als eine Bodega – ein Lebensmittelladen – im kleinen Barrio von Rocky Beach, dem Wohnbezirk der Lateinamerikaner. Die kleinen Häuser hier waren farbenfroh angestrichen, und in den Cafés mit ihrem südländischen Flair saßen die Gäste im Freien. Doch es gab auch verlotterte Motels, und manche Cantinas waren recht zwielichtige Kneipen.

An der Ladentür der Bodega stand in verblasster Schrift der Name des Inhabers: José Torres. Ty stellte den Mercedes vor dem Haus ab. Peter parkte gleich dahinter. Der Wagen mit den beiden Kriminalbeamten hielt sich außer Sichtweite. Als Ty ausstieg, hatte sich um den blitzblanken 450 SL schon eine kleine Schar Neugieriger versammelt.

»Ich bleib mal zur Sicherheit bei den Autos«, sagte Peter.

Also ging Ty mit Justus in die Bodega.

Im Laden befanden sich einige Kunden, die aus dem Angebot an exotischem Obst und Gemüse auswählten – Mangos, Papayas, Guaven, Kirschtomaten und reihenweise aufgehängte Büschel grüner, roter und gelber Chilischoten. Der Mann hinter dem Ladentisch, ein schlanker dunkler Typ, musterte Ty und Justus abweisend. Zu seiner Kundschaft gehörten die beiden nicht. Ty nickte ihm mit zuvorkommendem Lächeln zu.

»Mr Torres? Wir suchen hier jemanden, den Bruder von Tiburón.«

»So?«, fragte der Mann zurück. Er war groß und knochig und hatte einen vorspringenden Adamsapfel. Die Augen waren fast so schwarz wie das Haar. Er sah zu Justus hin, dann wieder zu Ty.

»Ich habe für El Tiburón gegen Bezahlung einen Wagen von Oxnard hierher überführt, den Mercedes seines Bruders«, fuhr Ty fort. »Er nannte mir Ihre Adresse.«

Torres hatte dafür nur ein Schulterzucken übrig. Er drehte sich um und rief laut in ein Hinterzimmer: »Kennen wir einen Tiburón? Oder vielleicht seinen Bruder?«

Zwei junge, verwegen aussehende Latinos traten aus dem hinteren Raum. Sie wirkten wenig entgegenkommend. Einer sagte: »Nein, Pepe, nicht bekannt.«

José Torres wandte sich wieder an Ty. »Das war wohl nichts, Amigos. Die Leute kennen wir nicht.«

Nun lächelte auch Ty nicht mehr. »Das kann nicht sein! El Tiburón gab mir diese Adresse. Draußen steht der Wagen für seinen Bruder!«

Torres schüttelte den Kopf und lachte. »Mann, Sie sind vielleicht ein verrückter Gringo. Wer soll denn hier im Barrio einen solchen Wagen fahren, he? Sie spinnen, Amigo.«

Ty warf sich jäh nach vorn über die Theke und packte Torres beim Hemd. »Sie lügen! El Tiburón hat mir ausdrücklich gesagt, ich solle hierherkommen!«

»Hey!« Der Mann versuchte Ty wegzustoßen, aber Ty war stärker, als er aussah. Torres konnte ihn nicht abschütteln. »Nacio! Carlos!«