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Ein geheimnisvoller Einsiedler hinterlässt ein mysteriöses Testament: Es ist in Form eines Rätsels abgefasst. Wer es löst, soll das Erbe erhalten. Die drei ??? versuchen nun das Rätsel zu entwirren. Doch seit sie den Fall übernommen haben, lauern ständig Gefahren und ungeahnte Bedrohungen ...
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Seitenzahl: 191
und die gefährliche Erbschaft
erzählt von William Arden
Aus dem Amerikanischen übertragenvon Leonore Puschert
Kosmos
Umschlagillustration von Aiga Rasch
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
Aus dem Amerikanischen übertragen von Leonore Puschert
Titel der Originalausgabe: „Alfred Hitchcock and The Three Investigators in The Mystery of the Dead Man’s Riddle“
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© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-14184-7
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Ich bitte um Gehör!
Ich, Albert Hitfield, weise jegliche Beziehung zu den mysteriösen Rätseln eines gewissen Marcus alias »Dingo« Towne weit von mir! Habe ich doch den alten Halunken kaum gekannt, und er hatte einfach nicht das Recht dazu, mich in seine Ränke aus der Totengruft zu verwickeln!
Indessen muss ich ungeachtet meines Verdrusses über die ganze Angelegenheit zugeben, dass das listenreich erdachte Verwirrspiel ohne mich möglicherweise ungeklärt geblieben wäre. Denn ich selbst gab unserem wohlbekannten Jungdetektiven-Trio – den drei ??? – meinen Segen zu diesem rätselhaften Fall. Zugegeben, vielleicht nur deshalb, um mich persönlich aus all der Geheimniskrämerei um Tricks und Raffgier herauszuhalten.
Ich bekenne, dass ich die gefahrdrohenden Hintergründe jenes als »närrisch« bezeichneten Schriftstücks des alten Dingo verkannte, und zur Buße erklärte ich mich wieder einmal damit einverstanden, den bislang letzten Fall der drei ??? als Buch zu veröffentlichen. Und so seien die Jungen hier nochmals kurz vorgestellt: der schon beinahe geniale Schlaukopf Justus Jonas, der Athlet Peter Shaw und der gründliche Rechercheur Bob Andrews. Die drei Freunde wohnen nahe bei Hollywood, in der kalifornischen Kleinstadt Rocky Beach, wo Dingo Towne seine lockende, aber schwierige Aufgabe zur Lösung hinterließ – seine Rätsel um die geheimnisvolle Erbschaft.
Seit Justs erster glanzvoller Erleuchtung über den Schlüssel zur Botschaft des Toten sahen sich unsere Helden fortwährend von habgierigen Schurken, lauernden Gefahren und ungeahnten Bedrohungen heimgesucht. Und schließlich mussten sie auch noch erfahren, dass die gefundene Lösung eines Rätsels nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist!
Doch nun genug. Meine Leser werden bald selbst erkennen, dass man leicht in die Irre geführt wird, wenn ein Rätsel- und Ränkeschmied zur Nachwelt spricht. Macht mit – aber bitte auf eigene Gefahr –, falls ihr Wagemut genug besitzt, dem Rätsel dieser geheimnisvollen Erbschaft auf den Grund zu gehen!
Albert Hitfield
Es war eine Stunde vor dem Abendessen, an einem Mittwoch im Frühjahr. Bob Andrews, der für Recherchen und Archiv zuständige Mitarbeiter der drei ???, saß in seinem Zimmer in Rocky Beach und verfertigte das Protokoll zum letzten erfolgreich ausgeführten Auftrag – eine Routinesache, das Auffinden eines verloren gegangenen Brillantrings für eine gewisse Mrs Hester. Von draußen, wo die Abendsonne schien, drang das Rufen und Lachen der spielenden Kinder herein. Eine Autotür fiel ins Schloss – Bobs Vater war von der Arbeit nach Hause gekommen.
Kurz darauf betrat Mr Andrews Bobs Zimmer und grinste dabei. Er hatte einen langen Streifen Papier in der Hand.
»Na, würde es dir und deinen Detektivkollegen Spaß machen, ein Riesenvermögen zu finden«, fragte Mr Andrews, »und alles zu behalten?«
»Hoppla«, sagte der blonde Junge, »ist das dein Ernst, Papa? Da hat jemand etwas ganz Wertvolles verloren, und wenn wir das finden, können wir es behalten?«
»Nicht verloren«, sagte Mr Andrews. »Sondern versteckt!«
»O je! Dann kann das Zeug nicht viel taugen, wenn sich jemand so leicht davon trennt. Oder er ist ein Spinner.«
»Ich weiß nicht, um was für Reichtümer es sich handelt, aber ich finde, die Bezeichnung ›Spinner‹ passt ganz gut.« Mr Andrews lachte und rieb sich das Kinn. »Immerhin stelle ich fest, dass euer hoch geschätzter Albert Hitfield auch damit zu tun hat. Also ist die Sache womöglich doch ernst zu nehmen. Hier, Bob, du kannst es ja selber lesen.«
Mr Andrews hielt den langen Papierstreifen hoch. Es war der Korrekturabzug eines Artikels für die Zeitung, bei der er arbeitete. »Morgen soll die Meldung erscheinen«, erklärte er Bob, »aber ihr würdet sie euch bestimmt gern schon vorher ansehen, was?« Bob nahm die Korrekturfahne und las:
REICHER SONDERLING FORDERT
ZUM WETTSTREIT AUF:
WER SEIN ERBE FINDET, DARF ES BEHALTEN!
Dazu der Anwalt der Hinterbliebenen: Völlig absurdes Testament – Erblasser erweist sich damit als Geisteskranker.
Der geheimnisumwitterte Einsiedler Marcus Towne, auch »Dingo« genannt, der am vergangenen Sonntag in Rocky Beach starb, hat allem Anschein nach sein gesamtes Vermögen demjenigen hinterlassen, der es aufzufinden vermag! Die Bombe platzte gestern, als Mr Townes langjähriger Freund John Dillon bei der Testamentseröffnung mit dem von ihm vorgelegten Letzten Willen für eine Überraschung sorgte. Mr Towne, der als sonderbarer Kauz bekannt und zwanzig Jahre lang in Rocky Beach wohnhaft war, hatte stets nur schäbige Kleidung getragen und ein baufälliges altes Haus bewohnt, wurde aber allgemein für einen Millionär gehalten.
Mr Roger Callow von der hiesigen Anwaltskanzlei Sink & Waters, die als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, erklärte den bislang geheim gehaltenen Letzten Willen als Beweis dafür, dass Mr Towne bei der Niederschrift bereits geistig umnachtet war. »Wir wissen, dass ein rechtsgültiges Testament existiert, worin das Gesamtvermögen der Schwiegertochter und dem Enkel vermacht wird«, äußerte sich Mr Callow.
Die Echtheit des so überraschend aufgetauchten, handschriftlich abgefassten Letzten Willens wurde jedoch von Mr Dillon und einer guten Bekannten des Verstorbenen, Mrs Sadie Jingle, einwandfrei bezeugt.
In dem Artikel folgte nun der wortgetreue Abdruck dieses Testaments, und Bob las mit wachsender Erregung.
»Das ist ja phantastisch! Darf ich das Peter und Just zeigen, Papa? Es reicht noch vor dem Abendessen!«
Mr Andrews lachte und nickte. Bob sauste ans Telefon, um seine Freunde anzurufen, und dann lief er zu seinem Fahrrad. Im Eiltempo fuhr er zum Schrottplatz der Firma »Gebrauchtwaren-Center T. Jonas«, einem unglaublich vielseitigen Trödelmarkt, der Justs Onkel und Tante gehörte. Bob legte allerdings keinen Wert auf ein Zusammentreffen mit Tante Mathilda Jonas, einer äußerst energischen Person, die für die Jungen unweigerlich irgendeine Arbeit bereithatte. Deshalb radelte er an der Haupteinfahrt zum Betriebsgelände vorbei und hielt erst an der Ecke der Umzäunung an. Hier war das Grüne Tor, einer der Geheimeingänge der drei ??? zum Lagerplatz. Bob drückte zwei grün gestrichene, schwenkbare Zaunplanken zur Seite und stand damit schon in Justs Freiluft-Werkstatt.
Als er dort niemand antraf, stellte er sein Fahrrad ab und schob ein Eisengitter zur Seite, das wie zufällig an Justs Werkbank lehnte. Dahinter befand sich die Einmündung in eine weite, verzinkte Röhre. Das war Tunnel II, der unter Schrottstapeln hindurch zum geheimen Hauptquartier der drei ???, der »Zentrale«, führte. Die Zentrale war ein alter Campingwagen mit Unfallschaden, den Onkel Titus Jonas seinem Neffen überlassen hatte, als der Wagen keinen Käufer mehr fand. Abgesehen vom Werkzeugbestand in Justs Werkstatt war die Zentrale mit allem Zubehör ausgestattet, das die Detektive für ihre Arbeit brauchten: Schreibtisch, Telefon, Tonbandgerät, Dunkelkammer, Miniatur-Laboratorium und verschiedene Geräte und Apparate für Ermittlungen und Untersuchungen, größtenteils aus Altmaterial zusammengebastelt. Draußen hatten die Jungen um den Campingwagen Schrott und Gerümpel angehäuft, bis er gar nicht mehr zu sehen war, und inzwischen hatten alle anderen ganz vergessen, dass es ihn überhaupt noch gab.
Bob kroch durch Tunnel II, der unmittelbar unter der Zentrale endete, und betrat den Anhänger durch eine Bodenluke. Justus und Peter warteten schon oben.
»Was ist da los mit diesem Testament, Bob?«, fragte Justus Jonas. Der wohlgenährte Erste Detektiv mit seinem runden Gesicht sah aus wie eine junge Eule, insbesondere wenn er mit Nachdenken beschäftigt war – und das war meistens der Fall. Er war das »Gehirn« des Trios und stellte das immer wieder mit Begeisterung unter Beweis!
»Ein Letzter Wille mit Tücken«, sagte Peter Shaw. »Wie ist das nun mit diesem Riesenvermögen?«
Der Zweite Detektiv war größer und stärker als seine beiden Freunde – kräftig, trainiert und von den dreien der Unbekümmertste. Voll Eifer beugte er sich vor, als Bob den Fahnenabzug Justus reichte. Dann las der Erste Detektiv den letzten Willen laut vor:
»Ich, Marcus Towne, der ich im Gegensatz zur Mehrzahl der Zeitgenossen (betrifft insbesondere meine Verwandten und deren Freunde) im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und im Übrigen ein Mensch bin, der es durch harte Arbeit und scharfen Verstand zu etwas gebracht hat, sehe nicht ein, weshalb ich all mein Vermögen trägen, habgierigen, dummen und auch noch nichtsnutzigen Leuten, die mein Geld mehr schätzten als mich selbst, hinterlassen sollte! Deshalb vermache ich in diesem meinem letzten Willen und Testament meiner Schwiegertochter, meinem Enkel, meiner Nichte und meinem Neffen jeweils den Betrag von einem Dollar. Den Rest meiner Habe vererbe ich ohne jegliche Einschränkung demjenigen, der meinen Schatz zu finden vermag!
Als Hilfe für die einigermaßen Intelligenten – sollte es sie überhaupt geben – hinterlasse ich diese Folge von Rätseln. Wer kann, löse sie – er wird den Schatz finden!
Wo der Wildhund haust,
das beschirmte Auge Rechts: zum Billabong!
Über Holz über Holz über Stein –
droben Knall & Fall, und die Abfahrt vom Freund.
Zähl und lies bis zehn, und Stopp bei T.
Wie hinein, so heraus. (Ha, so siehst Du aus!)
Es blinkt der Panzer, doch wo ist das Schwert?
Trotzdem: immer seiner Nase nach.
Ab hier hat die bessere Hälfte das Sagen.
Raus, wenn Du kannst!
In die Falle gelockt … Über fünfhundert gebietet die Königin.
Na, dann Gute Nacht! Der Segen kommt von oben.
Wer hätte gedacht, dass der alte Mann noch so viel Geld in sich hätte? Der Würfel muss rollen, Sechs oben, Eins unten, und alles ist Dein!
Zu Testamentsvollstreckern ernenne ich: John Dillon, der mich schätzt; Sink & Waters, die Geld und Gut schätzen; Albert Hitfield, der das Geheimnis schätzt!«
Justus, der früher einmal als Kinderstar im Fernsehen aufgetreten war, las mit theatralisch erhobener Stimme die Schlussworte und sah die anderen triumphierend an.
»Mann!«, sagte Peter schließlich. »Das ist schon eine geheimnisvolle Erbschaft – ein Toter hinterlässt nichts als Rätsel! Ist das tatsächlich ein echtes Testament, Just? Oder nur ein dummer Scherz?«
»Oh, ich halte es durchaus für echt«, sagte Justus. »Ich meine, wer die Rätsel löst, findet höchstwahrscheinlich Mr Townes Vermögen. Nur weiß ich nicht, ob das Testament rechtsgültig ist – ob derjenige, der den Schatz findet, ihn auch tatsächlich behalten dürfte. Aber selbst wenn das Testament juristisch einwandfrei ist, werden die Hinterbliebenen es vermutlich vor Gericht anfechten. Sie werden versuchen, den alten Mann für unzurechnungsfähig und damit das Testament für ungültig erklären zu lassen. Und doch«, schloss er mit blitzenden Augen, »möchte ich zu gern wissen, was er versteckt hat, und wo es ist!«
Eines fand Justus stets unwiderstehlich: jede Herausforderung an seinen scharfen Verstand, jegliches Rätsel oder Geheimnis.
»Vielleicht weiß Mr Hitfield, ob das Testament gültig ist?«, meinte Bob.
»Ein glänzender Einfall«, lobte Justus. Er griff zum Telefonhörer und wählte Albert Hitfields Nummer. Der berühmte Filmregisseur war noch in seinem Büro. Justus erklärte, weshalb er anrief.
»Unglaublich!« Die Stimme des großen Filmemachers dröhnte aus dem Lautsprecher, den Justus ans Telefon angeschlossen hatte, so dass sie ein Telefongespräch zu dritt anhören konnten. »Muss mir denn alle Welt damit auf die Nerven fallen? Dieser verrückte Kerl hatte überhaupt kein Recht, meinen Namen zu nennen! Ich kannte ja den alten Halunken kaum!«
»Gewiss, Sir«, sagte Justus aufgeregt, »aber wird man so etwas anerkennen? Das Testament, meine ich. Angenommen, wir finden das, was er versteckt hat –«
»Er war bei einem einzigen Film mein Berater! Das war alles!«, polterte Albert Hitfield. Danach machte er eine Pause. »Anerkennen? Ja, zum Kuckuck, das Testament ist voll rechtsgültig – und von einem Vollidioten! Bestimmt wird es durch Gerichtsbeschluss aufgehoben. Du kannst ja damit deine Zeit verschwenden, Justus Jonas, aber meine eigene Zeit ist mir dafür zu kostbar!« Wumm!
Justus zuckte zusammen, als der berühmte Regisseur einfach auflegte.
»Na ja«, sagte Peter, »die Idee an sich war ja wirklich richtig gut.«
»Doch nur ein verrückter alter Kauz«, sagte Bob. »Und das Geld kriegen am Ende die Erben.«
»Aber merkt ihr denn gar nichts?«, rief Justus erregt. »Auch wenn vor Gericht entschieden wird, dass der Schatz den Nachkommen gehört, weiß ja kein Mensch, wo er überhaupt steckt! Erst müssen doch die Rätsel gelöst werden!«
Das Klingeln des Telefons fuhr ihnen allen in die Glieder. Justus nahm rasch ab.
»Verdammt noch mal«, knurrte wieder Mr Hitfields Stimme, »womöglich ist das ein Fall für euch Lausejungen! Ich habe soeben erfahren, dass die Familie sich bereits eingeschaltet hat. Das Testament wird mit Sicherheit aufgehoben, aber das kann seine Zeit dauern, und die Hinterbliebenen machen sich überaus große Sorgen. Ich habe deshalb eure Dienste angeboten.«
»Sorgen, Sir?«, fragte Justus verdutzt. »Worüber machen die sich denn Sorgen?«
»Ach, lassen wir das … Die Townes werden sich entweder an euch wenden, oder sie lassen es bleiben. Ich schicke euch für alle Fälle eine Fotokopie des Testaments, die mir durch einen glücklichen Umstand in die Hände kam – fragt mich nicht, wie. Das ist alles, was ich für euch tun kann und will. Aber dann will ich von diesem ganzen Kram endgültig verschont bleiben!«
Wieder legte der Filmemacher energisch auf, aber diesmal grinsten die Jungen einander an. Ein neuer Fall! Sie vereinbarten eine Zusammenkunft in der Zentrale, am nächsten Tag vor Schulbeginn.
Und Justus würde den Abend in der Zentrale verbringen – beim Telefon!
Wieder einmal werden in diesem Fall insbesondere Scharfsinn und Phantasie der drei ??? – und unserer geschätzten Leserschaft – herausgefordert. Wir bedauern nur, dass das Testament hier nicht im Faksimile-Druck wiedergegeben werden kann; darin verbergen sich nämlich manche Finessen. Doch der Bericht über den Verlauf der Ermittlungen wird Euch so weit auf dem Laufenden halten, dass Ihr beim Mitraten den drei ??? wie üblich Konkurrenz machen könnt.
Am nächsten Morgen schlang Peter hastig sein Frühstück hinunter und fuhr mit dem Rad zum Schrottplatz. Justus hatte bisher nicht angerufen. Als der Zweite Detektiv sich dem Grünen Tor näherte, sah er Bob am Zaun kauern.
»Hat Just dich angerufen?«, rief Peter hinüber.
»Nein«, antwortete Bob leise, »aber da schleicht jemand um unsere Zentrale herum!«
Peter ging neben seinem kleineren Freund in die Hocke und schaute durch die nur den drei ??? bekannte Lücke im Zaun längs der Straße. Er sah, wie sich hinter Justs Werkstatt, zwischen dem hochgetürmten Gerümpel, das den Campingwagen abschirmte, jemand bewegte. Keiner der beiden Jungen konnte den Eindringling im noch dämmrigen Morgenlicht genau erkennen, aber wer es auch sein mochte – er rückte und zerrte die aufgestellten Stücke zur Seite, um dahinterzuspähen!
»Ist Justus drinnen?«, flüsterte Peter. »Wir sollten ihn doch wohl warnen –«
»Da – schau!«
Bob zeigte auf die Öffnung zu Tunnel II unter Justs Werkbank.
Justs bleiches rundes Gesicht war undeutlich hinter dem Gitter, das den Zugang verbarg, zu erkennen.
»Er hat den Kerl auch gehört«, flüsterte Bob.
Justus hatte das mitbekommen, legte den Finger an die Lippen und richtete den Blick vielsagend nach oben. Dann zeigte er zum rückwärtigen Teil des Schrottlagers.
»Er will, dass wir außen herumgehen«, sagte Bob leise. »Wir sollen den Kerl auf die Werkstatt zu scheuchen, damit wir ihn dort zu fassen kriegen!«
Die beiden Jungen liefen geräuschlos rund um den Zaun zum hinteren Teil des Schrottplatzes, wo sich ein weiterer Geheimzugang in der Umzäunung befand. Sie schlüpften hindurch und krochen am aufgehäuften Trödel vorbei. In unmittelbarer Nähe der Zentrale machten sie Halt, kauerten sich hinter ein Lager alter Waschmaschinen und hielten von dort Ausschau. Die schattenhafte Gestalt war noch immer da und versuchte zwischen dem Gerümpel, das den Anhänger umgab, einen Zugang zu finden. Da sprang Peter auf.
»Stehen bleiben – keine Bewegung!«, brüllte er laut.
Der Eindringling fuhr herum, glitt auf dem herumliegenden Zeug aus und stürzte hin. Er rappelte sich auf – ein Dreikäsehoch!
»Fass ihn, los!«, schrie Bob.
Die beiden Detektive stürzten los. Mit einem Entsetzensschrei machte der kleine Junge kehrt und lief weg – geradewegs auf die Werkstatt zu. Er sah sich nach Peter und Bob um und übersah dabei ganz, dass Justus vor ihm aus der Öffnung der Röhre kam. Justus lief ein paar Schritte vor und schnappte sich den Kleinen. Der strampelte heftig.
»Lass mich los! Lass mich los!«
Er war nicht älter als acht, dünn und drahtig, mit struppigem schwarzem Haar und großen dunklen Augen. Er trug Jeans, ein schwarzes T-Shirt und schwarze Turnschuhe.
»Warum spionierst du uns nach?«, fragte Justus barsch.
Der Junge hörte jäh auf zu strampeln. Peter und Bob kamen hinzugelaufen. Der Kleine sah sie mit großen Augen an.
»Ihr seid doch die drei Detektive, nicht? Mann, habt ihr mich erschreckt – kommt ihr da plötzlich aus allen Ecken!«
»Wozu hast du das Gerümpel durchstöbert?«, fragte Justus streng.
»Ich weiß, dass ihr hier im Betrieb irgendwo ein verstecktes Büro habt«, sagte der kleine Junge mit selbstzufriedenem Grinsen. »Ich weiß alles von euch. Ich wohne in Rocky Beach, und ich bin auch Detektiv.« Dann senkte er den Blick und scharrte mit der Fußspitze im Staub. »Das heißt, ich will mal einer werden. Zurzeit trainiere ich.«
»Also hast du uns hier gesucht?«, erkundigte sich Bob.
Der Junge nickte eifrig. »Ich brauche eure Mitarbeit. Meine Mutter will es übrigens auch, und da kam ich –«
Da rief eine zornige Frauenstimme über den Hof: »Billy Towne! Marsch, sofort nach Hause mit dir! Ich hatte dir doch verboten, hierherzukommen!«
Eine junge Frau in einem hellblauen Kleid tauchte zwischen den Schrottstapeln auf. Sie hatte langes schwarzes Haar und braune lebhafte Augen, und sie sah beunruhigt aus. Sie kam rasch auf die drei ??? und den kleinen Jungen zu. Ein sonnengebräunter jüngerer Mann lief hinterher. Sein braunes Haar war lang, aber er trug einen unauffälligen blauen Anzug – und auch er blickte finster drein.
»Towne?« Justus hatte eine Erleuchtung. »Mr und Mrs Towne?«
»Ich bin Nelly Towne«, sagte die Frau. »Mein Mann lebt nicht mehr. Das ist Mr Roger Callow, mein Verlobter und unser Anwalt. Billy muss jetzt nach Hause, aber schnell. Er hat noch nicht einmal gefrühstückt.«
Peter war enttäuscht. »Sie sind also nicht wegen der Zusammenarbeit mit uns hergekommen?«
»Aber klar doch!«, rief Billy laut. »Damit wir Großpapas Schatz finden!«
Roger Callow lachte. »Nun halt mal die Luft an, Billy. Wir sind uns ja noch gar nicht einig, ob wir jemand hinzuziehen, auch wenn es eine Empfehlung von Mr Hitfield ist. – Dieses Testament ist wirklich ein Witz«, wandte er sich an die drei ???. »Wir werden es anfechten, und zwar mit Erfolg. Dingos Erbe wird dann nach kalifornischem Recht Billy zufallen – es sei denn, wir finden das eigentliche Testament, worin das Vermögen Nelly und Billy gemeinsam hinterlassen wird.«
»Finden?«, fragte Justus. »Haben Sie denn dieses ursprüngliche Testament nicht in Ihrer Kanzlei, Sir?«
»Natürlich hatten wir es«, erklärte Roger Callow. »Es liegt zurzeit nicht vor. Wahrscheinlich werden wir es irgendwo in Dingos Haus finden.«
»Aber gefunden haben wir es jedenfalls noch nicht!«, sagte Billy. »Und außerdem wissen wir nicht, wo der Schatz ist! Und du sagtest doch, irgendwer könnte ihn vor uns finden und uns alles stehlen!«
»Das stimmt, Roger«, fügte Mrs Towne hinzu. »Das Vermögen könnte leicht gestohlen werden, und dann bekämen wir nie etwas davon zu sehen.«
»Wieso leicht gestohlen?«, wollte Justus wissen.
Mrs Towne sah Roger Callow an.
»Der alte Dingo war ein sonderbarer Kauz«, sagte er. »Er hatte ein hübsches modernes Häuschen, aber darin ließ er Nelly und Billy wohnen und hauste selber in einer baufälligen alten Bude im Garten. Er war immer schäbig angezogen und gab nie Geld aus, aber wir wussten, dass er ein Vermögen besaß. Er ließ sein Geld jedoch nicht arbeiten – er hatte es auf Bankkonten eingezahlt und in bar verwahrt. Jedenfalls glaubten wir das. Als er am Sonntag starb, durchsuchten wir das alte Haus und fanden nichts! Nicht ein einziges Sparbuch. Und gestern erfuhren wir dann, dass er all sein Geld in Edelsteinen angelegt hatte. Eine runde Million Dollar in Opalen, Saphiren, Rubinen und Smaragden!«
»O ja«, meinte Justus, »Edelsteine brauchen, gemessen an ihrem Wert, sehr wenig Platz. Sie sind leicht zu verstecken – und leicht zu stehlen!«
Roger Callow nickte verärgert. »Wenn wir diese Steine nicht bald finden, bekommen wir sie womöglich nie zu sehen! Und erst recht nicht, wenn sie den Percivals in die Hände fallen. Die würden sich nicht darum scheren, dass die Erbschaft Nelly und Billy gehört!«
»Wer sind die Percivals, Sir?«, fragte Bob.
»Die Nichte und der Neffe des alten Dingo aus London. Sie sind die Kinder seiner Schwester, die vor Jahren gestorben ist. Dingo konnte die beiden nicht ausstehen und hatte sie auch seit Jahren nicht mehr gesehen. Aber zwei Tage nach seinem Tod waren sie schon hier in Rocky Beach. Die wollen unbedingt an das Erbe.«
Justus überlegte. »Warum hat eigentlich Dingo seinen letzten Willen so merkwürdig abgefasst, Mrs Towne?«
»Weil er alt war und im Kopf nicht mehr ganz richtig!«, fuhr Roger Callow scharf dazwischen.
»Nein«, entgegnete Mrs Towne bedrückt, »weil er die ganze Verwandtschaft einfach nicht leiden mochte, auch Billy und mich nicht. Ich glaube eher, dass er uns allen einen Streich spielen wollte.«
»Schöner Streich!«, rief Peter.
»Den letzten Willen in Rätselsprüchen zu hinterlassen, ist freilich ein Witz«, sagte Justus, »aber ich glaube bestimmt, dass die Rätsel auf den Fundort der Juwelen hindeuten. Meinen Sie nicht auch?«
»Ich weiß nicht«, entgegnete der Anwalt. »Aber wir haben eben sonst keinerlei Anhaltspunkte. Wir wissen nur, dass die Steine nicht in Dingos Haus sind. Und es sähe dem alten Dingo schon ähnlich, seinen Schatz einfach zu verstecken.«
»Dann lassen Sie uns doch bei der Suche helfen!«, bot Justus an. »Wir sind erfahrene Detektive, und –«
»Tut mir leid, ihr drei«, unterbrach Mrs Towne. »Aber ein richtiges Detektivbüro wäre vielleicht eher –«
»Sie sind doch richtige Detektive, Mama!«, rief Billy. »Zeig deine Karte her, Justus!«
Flugs holte Justus die Visitenkarte der drei ??? aus der Tasche und gab sie Mrs Towne. Auf der Karte stand:
»Tja, wisst ihr, das ist ganz schön, aber –«
»Just, zeig noch die Karte von Hauptkommissar Reynolds«, drängte Peter.
Justus zog eine zweite Karte hervor. Und darauf stand:
Der Inhaber dieses Ausweises ist ehrenamtlicher Junior-Assistent und Mitarbeiter der Polizeidirektion von Rocky Beach. Die Behörde befürwortet jegliche Unterstützung von dritter Seite.
gez. Samuel Reynolds Polizeihauptkommissar
Mrs Towne lächelte. »Ich muss mich bei euch entschuldigen. Ihr seid wirklich Detektive.«
»Und vielleicht genau die richtigen für unseren Fall«, meinte Roger Callow. »Soviel uns Billy erzählt hat, habt ihr schon einige recht eigenartige und schwierige Fälle aufgeklärt. Es würde mich nicht überraschen, wenn ihr diese Rätsel schneller als irgendein Erwachsener lösen könntet. Ich muss zugeben, dass ich hier nicht durchblicke. Na, Nelly, was meinst du? Sollen wir den drei Detektiven von Rocky Beach unseren Fall übertragen?«
»Ja, einverstanden«, antwortete Mrs Towne.
»Hurra!«, schrie Billy begeistert. »Und ich helfe mit! Das darf ich doch, Mama, ja?«
»Kommt nicht infrage! Du bist ja erst sieben, Billy Towne! Da ist man zu jung dafür, um sich in der ganzen Gegend herumzutreiben.«
»Ach, Mama«, schmollte der Junge. »Ich bin doch fast acht.«
»Ihr könnt sofort anfangen, Jungs«, sagte Roger Callow. »Wichtig ist jetzt vor allem, dass es schnell geht – und dass nichts nach außen dringt.«