Die Freundinnen von Glengarrah - Melissa Hill - E-Book

Die Freundinnen von Glengarrah E-Book

Melissa Hill

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Beschreibung

Wenn die Vergangenheit wieder auflebt ... Der mitreißende Liebesroman »Die Freundinnen von Glengarrah« von Melissa Hill jetzt als eBook bei dotbooks. Laura, Nicola und Helen gehen durch dick und dünn. Das müssen sie auch jetzt, wo ihr Leben gehörig durcheinandergewirbelt wird: Als Laura, die diesen Sommer heiraten soll, herausfindet, dass auch Nicolas Ex vor den Altar treten wird, kann sie sich noch nicht ausmalen, was dieses Ereignis auslösen wird ... Erinnerungen an die Zeit, als Nicola und Dan noch ein Paar waren und an das schreckliche Ereignis, das Nicolas Leben einst so unwiderruflich und schmerzhaft verändert hat, werden wach. Werden die dramatischen Geständnisse zwischen den Freundinnen die Karten neu mischen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Kleinstadtroman »Die Freundinnen von Glengarrah« von Melissa Hill wird Fans von Katie Fforde und Maeve Binchy begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 618

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Über dieses Buch:

Laura, Nicola und Helen gehen durch dick und dünn. Das müssen sie auch jetzt, wo ihr Leben gehörig durcheinandergewirbelt wird: Als Laura, die diesen Sommer heiraten soll, herausfindet, dass auch Nicolas Ex vor den Altar treten wird, kann sie sich noch nicht ausmalen, was dieses Ereignis auslösen wird ... Erinnerungen an die Zeit, als Nicola und Dan noch ein Paar waren und an das schreckliche Ereignis, das Nicolas Leben einst so unwiderruflich und schmerzhaft verändert hat, werden wach. Werden die dramatischen Geständnisse zwischen den Freundinnen die Karten neu mischen?

Über die Autorin:

Melissa Hill ist eine USA-Today-Bestsellerautorin aus dem irischen County Wicklow. Ihre Romane über Familie, Freundschaft und Liebe erschienen bislang in über 26 Sprachen. Ihr Roman »Ich schenk dir was von Tiffany’s« wurde von Reese Witherspoons Produktionsfirma »hello sunshine« für Amazon Prime mit dem Titel »Weihnachtsgeschenke von Tiffany« verfilmt.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre gefühlvollen Romane »Ich schenk dir was von Tiffany’s«, »Wiedersehen in Irland«, »Der Himmel über Castlegate«, »Die Schwestern von Killiney«, »Wiedersehen in Dublin« und »Das Glücksarmband«.

Die Website der Autorin: melissahill.info

Die Autorin auf Facebook: facebook.com/melissahillbooks

Auf Instagram: instagram.com/melissahillbooks/

***

eBook-Neuausgabe November 2024

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2004 unter dem Originaltitel »Not What You Think« bei Poolbeg, Dublin. Die deutsche Erstausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Ja, ich will!« bei Knaur

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2004 by Melissa Hill

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2006 by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motivs von © Adobe Stock / Canvas Alchemy sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3-98952-213-8

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Melissa Hill

Die Freundinnen von Glengarrah

Roman

Aus dem Amerikanischen von Grace Pampus

dotbooks.

Für Mam & Dad mit viel Liebe und großem Dank.

PROLOG

April

Eigentlich hätte Chloe sich aufs Fahren konzentrieren sollen, aber sie musste immer wieder hinsehen. Auf Hochglanz poliert und in der Nachmittagssonne glänzend, schmückte er den Ringfinger ihrer linken Hand. Gab es etwas Aufregenderes auf der Welt als einen Verlobungsring – den eigenen Verlobungsring?

»Was soll ich am Sonntag anziehen?«, fragte ihre beste Freundin Lynne.

Chloe stöhnte innerlich. Lynne hatte ihr am Handy über zwanzig Minuten lang von ihrer letzten Shoppingtour berichtet. Wie jedes junge Mädchen plauderte auch Chloe gern über das, was man am besten anzog. Aber sie war nicht in der richtigen Stimmung, die Vorteile von durchsichtigen BH-Trägern im Vergleich zu trägerlosen BHs zu diskutieren – heute jedenfalls nicht. Sie war einfach zu glücklich.

»Lynne, ich muss jetzt wirklich auflegen. Vor mir fährt eine Polizeistreife«, sagte sie ungeduldig und beschloss, besser auf den Verkehr zu achten.

»Na gut.« Das andere Mädchen klang enttäuscht. »Dann sehe ich dich bei Alisons Grillparty. Ich kann doch davon ausgehen, dass du und Dan auch dort sein werdet?«

»Sehr wahrscheinlich«, antwortete Chloe. »Wir sprechen uns noch. Drück mir die Daumen.«

»Ach ja, du bist ja auf dem Weg dorthin. Viel Glück!«

Nachdem sie sich verabschiedet hatten, warf Chloe das Handy auf den Beifahrersitz. Natürlich würden sie und Dan am Sonntag auf der Grillparty erscheinen. Chloe hatte sich für diese Gelegenheit ein umwerfendes, mit Perlen besticktes Escada-Top ausgesucht, das hervorragend zu ihrer dreiviertellangen Donna-Karan-Hose passte. Um nichts in der Welt würde sie die Gelegenheit verpassen, das neue Outfit zu tragen.

Als sie die Stadtgrenze von Wicklow erreichte, zitterte sie vor Aufregung. Schade, dass Dan nicht mitgekommen war. Er hatte nur gelacht, als sie ihm vorschlug, sich den Vormittag freizunehmen, um sie zu begleiten.

Dan verstand einfach nicht, wie viel ihr das alles bedeutete. Chloe bahnte sich ihren Weg durch die verkehrsreiche Hauptstraße. Sie hätte nie gedacht, dass in der Stadt ein solches Gedränge herrschte. Als sie durch eine enge Straße zwischen parkenden Autos hindurchfuhr, stellte sie mit Schrecken fest, dass sie nicht nur den eigenen Außenspiegel, sondern auch den des Opel Astra, der auf der rechten Seite parkte, abgerissen hatte.

Mist! Mit klopfendem Herzen fuhr sie weiter, als sei nichts geschehen. In dem Auto saß niemand, und vermutlich hatte es auch keiner gesehen. Also stahl sie sich davon. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs hatte selbst Schuld, denn er hätte nicht an dem gelben Doppelstreifen parken dürfen, beruhigte sie sich. Damit musste er doch rechnen, schließlich war sie nicht Michael Schumacher. Außerdem hatte sie es eilig und keine Zeit herumzustehen und sich wegen eines kaputten Spiegels zu streiten. Sie konnte ja später noch einmal zurückkommen und eine Nachricht mit ihrer Telefonnummer hinter den Scheibenwischer klemmen. Mal sehen. Warum musste ihr das ausgerechnet heute passieren – und ihr eigener Außenspiegel war auch noch kaputt! Lynne hätte bestimmt gesagt, dass ein zerbrochener Spiegel sieben Jahre Pech bedeutet, denn sie war sehr abergläubisch. Aber an einem so wichtigen Tag wie heute schob Chloe jeden Gedanken an Unglück beiseite.

Als sie schließlich in einer Seitenstraße einen Parkplatz gefunden hatte, nahm sie die Sonnenbrille ab und überprüfte ihr Make-up im Rückspiegel. Dann zog sie die Lippen mit dem l’Oréal-Lippenstift nach und trug ein wenig Puder auf. Schließlich war sie mit dem Ergebnis zufrieden, stieg aus und schloss den Jeep ab, wobei sie einen letzten Blick in den noch vorhandenen Außenspiegel warf. Mit der Sonnenbrille schob sie das kurze blonde Haar hinter die Ohren, strich sich dann den Rock glatt und ging zielstrebig die Straße hinunter, an einer Gruppe Teenager vorbei, die vor einem Videogeschäft herumstanden. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als leise Pfiffe ertönten. Wahrscheinlich galten sie ihren langen Beinen. Chloe grinste zufrieden, denn ihre Beine waren es wert, bewundert zu werden.

Nach einigen Minuten erreichte sie das Geschäft. Sie stieß die Tür zu Amazing Day Designs auf und ging geradewegs zum Ladentisch.

»Hallo, ich möchte zu Debbie. Ich habe gestern angerufen und mit ihr einen Termin vereinbart«, sagte sie in geschäftsmäßigem Ton.

Die junge Verkäuferin würdigte sie keines Blickes. »Sie hat Mittagspause«, antwortete sie unfreundlich, ohne von ihrer Zeitschrift aufzublicken.

Chloe traute ihren Augen nicht. Das junge Mädchen las einen Artikel mit dem Titel Oralsex – Geben macht glücklicher als Nehmen.

»Nun, Sie können mir sicher auch weiterhelfen«, fuhr sie fort. »Ich möchte mir einige Muster ansehen ...«

»Hey, Chloe!« In diesem Moment kehrte Debbie von ihrer Mittagspause zurück und tauchte an der Tür auf. »Tut mir Leid, dass Sie warten mussten, aber ich habe Sie nicht vor zwei Uhr erwartet.«

Chloe sagte nichts. Auf ihrer Uhr war es bereits nach zwei, aber sie wollte nicht kleinlich sein. »Ich weiß, ich bin ein wenig zu früh dran. Aber ich konnte es nicht erwarten, mir die Muster anzusehen«, antwortete sie betont freundlich und hoffte insgeheim, dass dieses Laisser-faire nicht auch auf die anderen Geschäftsbereiche zutraf.

»Ich habe schon einige Muster für Sie herausgesucht. Sie werden Ihnen sicher gefallen. Kommen Sie, sie sind im hinteren Raum.«

Chloe folgte Debbie ins Hinterzimmer. »Sie sagten am Telefon, dass eine Freundin uns empfohlen hat?«, erkundigte sich Debbie.

»Alison Caffrey – nun ja, jetzt Alison Kelly«, erklärte Chloe. »Vor einigen Monaten lobten alle ihre tollen Einladungskarten, und als ich anfing, meine eigene Hochzeit zu planen, habe ich sie um Ihre Adresse gebeten.« Chloe war fast gestorben, als sie die hochnäsige Alison um die Telefonnummer von Amazing Day Designs bitten musste. Aber da sie und Dan nur das Beste wollten, hatte sie in den sauren Apfel beißen und ihrer Freundin gestehen müssen, dass ihr die Einladungskarten ausgesprochen gut gefallen hatten.

»Ach ja – Alison«, erinnerte sich Debbie. »Sie hat sich für Leinen mit Goldschrift entschieden, wenn ich mich recht erinnere. Aber Sie selbst suchen doch etwas Klassisches, nicht wahr?«

Chloe nickte. Eigentlich wollte sie eine Einladungskarte, die völlig anders aussah als Alisons. Niemand sollte ihr nachsagen, sie hätte die Idee ihrer Freundin gestohlen. Nie und nimmer! Die Einladungskarten mussten unbedingt gut werden!

»Schauen Sie mal, wie finden Sie diese?«, fragte Debbie freundlich. »Ich habe dieses Muster extra nach Ihren Wünschen angefertigt.«

Chloe blieb vor Begeisterung die Luft weg.

»Sie ist wunderschön!«, rief sie. Die Karte war in schlichtem Weiß gehalten, mit einem glitzernden Rand und zwei hervorgehobenen silbernen Herzen.

Sie klappte die Karte auf. Ihr Herz hüpfte vor Freude, als sie die Worte in silberner Schrift las, auf die sie so lange gewartet hatte:

Mr John & Mrs Rita Fallon

geben sich die Ehre, Sie

zur Vermählung ihrer Tochter

Chloe Maria

mit

Mr Daniel Ignatius Hunt

am Freitag, dem 25. September

zur Trauung in der

St. Anthony’s Church,

Donnybrook,

und zum anschließenden Empfang im Hotel Four Seasons, Ballsbridge, Dublin 4, einzuladen.

Chloe rief begeistert: »Die ist genau richtig!«

Ihre Hochzeit! Sie würde tatsächlich heiraten! Fast achtundzwanzig Jahre hatte Chloe von ihrer Hochzeit geträumt, und doch hatte sie es kaum glauben können – bis zu diesem Augenblick, als sie die Einladung las.

Natürlich hatte sie alles andere bereits arrangiert – das Sharon-Hoey-Kleid zurücklegen lassen, den Blumenschmuck bestellt, das Hotel für den Empfang reserviert. Jedoch gehörte ihr das Kleid noch nicht, es war nur ein Modell und der Blumenschmuck lediglich eine künstlerische Vorstellung im Kopf des Floristen. Aber jetzt, in diesem Augenblick, hielt Chloe einen kleinen Beweis ihrer bevorstehenden Hochzeit in der Hand. Noch nie war sie so glücklich gewesen.

»Ist alles in Ordnung?«, hörte sie Debbie freundlich fragen.

Chloe blickte sie aus feuchten Augen an.

»Wissen Sie, es freut mich, wenn jemand so reagiert wie Sie.« Als Chloe nicht antwortete, fuhr sie fort: »Ich finde, dass die Einladungskarten genauso sorgfältig ausgesucht werden müssen wie das Hochzeitskleid. Schließlich verkünden sie das große Ereignis. Zuerst sehen Ihre Gäste die Karten und erst danach Ihr Kleid, die Blumen und alles andere.«

»Nein, nein, es ist nichts – ich habe nur etwas nah am Wasser gebaut.« Chloe hatte sich wieder gefasst. Sie hätte sich in Debbies Gegenwart nicht so gehen lassen dürfen.

»Das macht nichts, meine Liebe.« Offensichtlich interpretierte Debbie ihren veränderten Gesichtsausdruck falsch. »Sie müssen mir nichts erklären.«

Chloe wollte die Karte mit der Silberprägung nicht aus der Hand legen.

»Haben Sie sich schon entschieden, oder brauchen Sie noch das Einverständnis Ihres Verlobten?«

»Nein, meine Entscheidung steht fest, und er hat sicher nichts einzuwenden. Außerdem«, fügte Chloe etwas herablassend hinzu, »Sie wissen doch, wie Männer sind.«

Wie konnte diese Frau es wagen, ihre Beziehung infrage zu stellen?

»Ja, natürlich«, stimmte Debbie zu, die offensichtlich nicht gemerkt hatte, dass sie die Gefühle ihrer Kundin verletzt hatte. »Aber Sie würden staunen. Letztes Wochenende war ein Paar hier. Da hat der Mann die ganze Zeit geredet und seine Zukünftige nicht zu Wort kommen lassen. Ich sage Ihnen, so ein Mann ist mir noch nie untergekommen. Seine arme Verlobte wäre am liebsten im Boden versunken.«

Chloe sagte nichts. Wie unprofessionell! Sie vertrat die Meinung, dass der Kunde immer Recht hat, und fand es unmöglich, dass Debbie über die Kunden des Amazing Day Designs herzog. Nun ja, Debbie konnte wohl nichts dafür. Klatsch und Tratsch gehörten hier auf dem Land zum Lebensstil. Und dieses unprofessionelle Geschäftsgebaren war offensichtlich der Preis, den man zu zahlen hatte, wenn man Dienstleistungen in der Provinz in Anspruch nahm.

Sie kicherte innerlich. Dan brächte sie um, wenn sie in seiner Gegenwart so redete. Ihr Verlobter war in Longford aufgewachsen und sehr stolz darauf. Aufgrund seiner ausgezeichneten Schulbildung merkte man ihm seine Herkunft nicht an, was Chloe sehr begrüßte. Mr und Mrs Hunt waren nicht etwa gewöhnliche Farmer. Obwohl schon halb im Ruhestand, besaß Dans Vater ein großes Bauunternehmen, und Mrs Hunt hatte ihn in all den Jahren »tatkräftig unterstützt«. Selbstverständlich würde Chloe das auch für Dan tun, wenn sie erst einmal verheiratet waren. Sie hasste ihren Job als Anwaltsgehilfin in der Kanzlei ihres Vaters. Obwohl er durchaus Vorteile bot. So konnte sie sich zum Beispiel Freitagnachmittag freinehmen, um Einladungskarten auszusuchen.

Chloe blickte auf die Karte und seufzte. Sie hätte es gern gesehen, wenn sich Dan ein wenig mehr an den Hochzeitsvorbereitungen beteiligt hätte, aber offensichtlich lag ihm nicht viel daran. Na ja, zu dieser Jahreszeit hatte er besonders viel zu tun. Für die meisten Unternehmen, die zu den Kunden der O’Leary & Hunt Chartered Certified Accountants zählten, ging im März das Geschäftsjahr zu Ende, was bedeutete, dass Dan bis über beide Ohren in Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen versank. Chloe konnte von ihm wohl kaum erwarten, an Wochenenden hinter ihr herzutrotten oder sich nachmittags freizunehmen, um Hochzeitskarten auszusuchen. Wahrscheinlich würde er sowieso nur stören.

»Dann bleiben wir bei den geprägten Silberherzen?«, fragte Debbie und schrieb sorgfältig alle Einzelheiten ins Auftragsbuch, das bereits ziemlich voll war, wie Chloe feststellte. Kein Wunder, das Geschäft hatte sich einen Namen gemacht. Schade, dass es schon so bekannt war. Vielleicht waren die Einladungskarten von Amazing Day Designs bis zu ihrer Hochzeit bereits nichts Besonderes mehr, und alle würden sich über Chloes Einfallslosigkeit lustig machen.

»Wann ist die Hochzeit? Im September?«, fragte Debbie mit dem Bleistift im Mund. »Möchten Sie die passenden Platzkarten dazu?«

Chloe nickte.

»Hm.« Debbie blickte in ihr Auftragsbuch. »In der ersten Juliwoche müssten sie fertig sein. Ist Ihnen das recht?«

»Nun ja, eigentlich hätte ich sie gern früher«, entgegnete Chloe rasch. »Wir brauchen sie lange vor der Hochzeit.«

Debbie blickte sie bedauernd an. »Die Karte, die Sie sich ausgesucht haben, ist aus unserer neuesten Kollektion. Das Material für das gesamte Set ist sicher nicht vor Anfang Juni verfügbar. Und dann brauche ich noch einige Zeit für die Beschriftung.«

»Ja, natürlich.« Chloe hätte fast die Augen verdreht. Nun weiß ich wenigstens, dass die Karte etwas Besonderes sein wird, dachte sie.

»Da Sie so weit im Voraus bestellen«, fuhr Debbie fort, »bitte ich Sie – und das empfehle ich all meinen Kunden –, sich mit den Details bis kurz vor der Hochzeit Zeit zu lassen, falls noch Änderungen gewünscht werden.«

Chloe war brüskiert. »Ich glaube, dass ich genau weiß, was auf den Karten für meine eigene Hochzeit stehen soll! Was soll sich denn, um Himmels willen, noch ändern?«

Debbie blieb höflich. »Ich spreche nur aus Erfahrung, Ms Fallon. Man kann nie wissen. Manchmal wird jemand krank, oder es läuft nicht alles nach Plan, und manchmal muss das Datum geändert werden ...«

»Können Sie nun im Juni liefern oder nicht? Wenn nicht, muss ich leider woandershin gehen.«

Debbie blickte sie verblüfft an. »Na gut, ich werde mein Bestes tun.«

»Prima, rufen Sie mich bitte an, wenn wir sie abholen können.«

Mit einem kurzen »Guten Tag« setzte Chloe die Sonnenbrille auf und rauschte, das Muster ihrer Einladungskarte in der linken Hand, aus dem Laden.

Debbie ging nach vorn und tauschte mit der Verkäuferin, die von ihrer Zeitschrift aufblickte, viel sagende Blicke. Die Grafikerin zog eine Augenbraue hoch, als sich die Tür hinter ihrer Kundin schloss.

Diese Frau war eine echte »Dame«.

Und in diesem Geschäft, dachte Debbie seufzend, habe ich schon eine Menge erlebt.

KAPITEL 1

Nicola Peters zog sich fertig an, band die blonden Locken zu einem Pferdeschwanz, setzte sich in ihren Stuhl und wartete geduldig auf Jack Collins’ Rückkehr.

Er klopfte zaghaft an die Tür. »Ist mit Ihnen da drinnen alles in Ordnung?«

»Natürlich, ich bin jetzt angezogen, Sie können ruhig hereinkommen.« Dr. Collins ist wirklich nett, dachte sie. Eigentlich müsste sie sich nicht mehr schämen, denn sie war schon sehr lange seine Patientin.

Ihre Krankenakte in der Hand, trat der Arzt ein und setzte sich neben sie.

»So, Nicola. Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie sich in einer guten Verfassung befinden. Ich bin mit den Untersuchungsergebnissen sehr zufrieden.«

Sie strahlte ihn an. »Wirklich?«

»Ja. Die Rückenschmerzen und die Müdigkeit, die Sie seit einiger Zeit plagen, sind wahrscheinlich auf Stress und Überarbeitung zurückzuführen, aber ...«

»Das habe ich mir schon gedacht«, unterbrach sie ihn und nickte. »Aber um ganz sicher zu sein, wollte ich mich trotzdem untersuchen lassen.«

»Das war absolut richtig. Seit der letzten Untersuchung ist Ihr Blutdruck etwas gesunken, was sehr gut ist. Aber etwas mehr Bewegung würde Ihnen sicher gut tun.«

Nicola senkte den Blick und verzog das Gesicht. »Herr Doktor, das müssen Sie mir nicht sagen. In meinem Alter geht es nur noch bergab.«

»Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen? Ich wünschte, ich könnte die Welt immer noch mit den Augen eines Dreißigjährigen sehen. Aber Ihrer Gesundheit wegen müssen Sie unbedingt einige Pfunde verlieren. Bewegen Sie sich mehr in der frischen Luft oder führen Sie den Hund spazieren. Tun Sie irgendetwas, das den Kreislauf anregt.«

Sie stöhnte. »Na gut, ich verspreche, mich anzustrengen. Vielen Dank, Herr Doktor.«

Nicola verließ die Praxis und stieg in ihr Auto. Es war Viertel nach elf, und sie musste um zwölf wieder an ihrem Arbeitsplatz sein. Da blieb nicht viel Zeit. Das Knurren ihres Magens erinnerte sie daran, dass sie das Frühstück ausgelassen hatte. Sie beschloss, auf dem Weg irgendwo anzuhalten, um etwas zu essen.

Es herrschte unglaublich dichter Verkehr, als sie die Stadt in Richtung Rathfarnham verließ. Ihr blieb keine Zeit mehr für eine Mittagspause. Bei solchen Gelegenheiten fehlt mir mein Fahrrad, dachte sie gereizt. Mit dem Fahrrad wäre sie im Nu in der Stadt – von der Bewegung, die ihrer Figur gut täte, ganz zu schweigen. Aber sie war eben auf das verdammte Auto angewiesen.

In einiger Entfernung entdeckte sie den Wegweiser zum Nutgrove-Einkaufscenter. Perfekt! Dort könnte sie doch noch schnell ein belegtes Brötchen und (gegen den Rat von Dr. Collins) eine Tafel Schokolade kaufen. Aber die Tiefgarage war besetzt, und in der Nähe des Eingangs fand sie auch keinen Platzplatz. Nicola sah sich ungeduldig um. Sie hatte keine Zeit, weiter hinten zu parken. Ach, was soll’s, einer der Mutter-und-Kind-Parkplätze würde es auch tun. Sie brauchte ja höchstens eine Minute in dem Geschäft. Außerdem wurde man nicht schief angesehen, wenn man auf diesen Plätzen parkte – nicht wie bei den Behindertenparkplätzen, wo man sich wütende Blicke einhandelte.

Sie schaffte es tatsächlich, kurz vor zwölf wieder im Büro zu sein.

»Der Chef ist zum Lunch gegangen«, teilte ihr Sally am Empfang mit. »Ich soll Ihnen ausrichten, dass er Sie nachher sprechen möchte.«

»Vielen Dank, Sally. Ich werde am Schreibtisch schnell eine Kleinigkeit essen. Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie mich bitte.«

Kurz nach zwei Uhr verschränkte Nicola die Hände hinter dem Kopf und gähnte. Die Sonne hatte sich verzogen. Der Tag war feucht und trüb, typisch für den irischen Sommer. Sie hatte einfach keine Lust, den Papierkram zu erledigen. Leider war es wieder einmal Monatsende, also mussten Rechnungen bezahlt und die Buchhaltung auf den aktuellen Stand gebracht werden. Hoffentlich liefen die Geschäfte des Freizeitcenters Motiv8 bald so gut, dass sie für diesen Kram einen Buchhalter einstellen konnten. Dann wäre sie endlich in der Lage, sich auf die Leitung des Freizeitcenters zu konzentrieren.

Nicola zog den Lamellenvorhang am Fenster auf, um etwas mehr Licht in den Raum zu lassen. Sie blickte eine Weile auf den Fluss, bis das Summen des Telefons sie aus ihren Gedanken riss.

Die Empfangsdame schnappte vor Aufregung nach Luft.

»Nicola, Sie werden nie erraten, wer in der Leitung ist! Eine der Trend-Redakteurinnen von diesem neuen Magazin Mode!«

Nicola zog lächelnd ihren Pferdeschwanz fest. Sally konnte manchmal richtig kindisch sein. Das irische Trend-und-Mode-Magazin Mode war erst kürzlich mit viel Jubel und Furore auf die nichts ahnende Öffentlichkeit losgelassen worden. Sally, die alle Prominenten anhimmelte, hatte die Berichte offenbar verschlungen.

»Nun ja, wenn Sie sich nach einer Mitgliedschaft erkundigen will, geben Sie ihr einfach alle Informationen und ...«

»Nein, nein!« Nicola sah im Geiste, wie Sally vor Aufregung mit den Armen fuchtelte. »Sie will einen Artikel über uns schreiben!«

»Einen Artikel? Über den Club?«

»Ja! Sie heißt Fidelma Corrigan und wartet in der Leitung. Wollen Sie mit ihr sprechen?«

»Ja, natürlich.« Nicola war gespannt. Ein Artikel über Motiv8 Leasure Club! Womit hatten sie das verdient?

Freundlich und charmant erklärte die Journalistin, dass das Magazin in der nächsten Ausgabe eine umfangreiche Beilage über Gesundheit und Freizeit bringen wollte, und fragte, ob Motiv8 bereit wäre mitzumachen. Sie wären dumm, sich eine solche Werbung entgehen zu lassen ... Bla, bla, bla ... Nicola verdrehte die Augen. Lass den Werbejingle und komm auf den Punkt, drängte sie insgeheim.

Als die Frau endlich auf den Preis zu sprechen kam, fand Nicola das Angebot tatsächlich zu gut, um diese Gelegenheit ungenützt verstreichen zu lassen.

»Wir machen mit«, sagte sie schließlich freundlich. Mit nur drei neuen Mitgliedern, die durch den Artikel zu ihr kamen, machte sich die Werbung bereits bezahlt.

»Wir würden uns gern auf die alternativen Therapien des Clubs konzentrieren, Ms Peters. Ist es richtig, dass Ihre neue Hydrotherapie einen akuten Anstieg der Mitgliederzahl zur Folge hatte? Sicher bieten Sie auch die üblichen Leistungen – Aromatherapie, Massagen, Heilbäder, Sauna und alles andere ...«

Nicola hörte kaum zu. Der Artikel wäre eine fantastische Werbung für das Center und würde hoffentlich zu einem Strom neuer Mitglieder führen – was ihr wiederum endlich ein anerkennendes Schulterklopfen von Ken einbrächte.

Als ihr Ken Harris, der schon in einem anderen Freizeitclub ihr Chef gewesen war, vor einem Jahr die Leitung seines neuen Freizeitcenters angeboten hatte, brauchte sie nicht lange nachzudenken. Nach fast zwei Jahren hatte sie genug vom Londoner Leben. Damals arbeitete sie für Ken im Metamorph Club, einem der bekanntesten Fitnessclubs Dublins, und wusste, dass dieses Angebot eine positive Veränderung bedeutete. Ken arbeitete schon lange in der Freizeitbranche und kannte das Geschäft von der Pike auf.

Das erste Jahr war für den Club sehr schwierig gewesen. Während Ken und seine Geschäftspartner keine Kosten gescheut hatten, um die alte Mühle in Rathfarnham in einen modernen Freizeitclub zu verwandeln, kamen die ersten Anmeldungen nur zögerlich herein, und die Mitgliedszahlen lagen weit unter dem angestrebten Ziel.

Als das Gebäude fertig war, staunte Nicola nicht schlecht über die Größe. Von außen wirkte es zwar ziemlich unscheinbar, aber die Kunden waren von der großzügigen, luftigen Eingangshalle, die ganz in Creme und Rot gehalten war, beeindruckt. Riesige Bananenstauden, Palmen, Feigenbäume und die farbenfrohen Drucke moderner Maler an der cremefarbenen Wand schufen eine tropischluxuriöse Atmosphäre.

Gleich neben der Eingangshalle lag ein Ruhe- und Meditationsraum, und durch die Glaswand des Fitnessraums konnte das Personal ein Auge auf die übereifrigen Fitnessfanatiker werfen. Dort, wo ehemals ein riesiges Getreidesilo gestanden hatte, waren ein zwanzig Meter langer Swimmingpool, mit hübschen Mosaiken gekachelt, und ein Whirlpool entstanden. Das Center besaß auch die üblichen Dampfbäder und Saunen, aber der beliebteste und meistbesuchte Bereich war die Abteilung für alternative Therapien. Nicola hatte als Erstes einen ausgebildeten Aromatherapeuten eingestellt. Aber ihr eigentliches Meisterstück war die Forderung nach der Hydrotherapie gewesen. Von der Beliebtheit und den Vorteilen dieser Anwendungen hatte sie sich bereits in London überzeugen können.

Glücklicherweise hatte Ken gegen ihre unternehmerischen Pläne nicht viel einzuwenden und ließ ihr freie Hand. Allerdings hatte er nicht genügend Personal eingestellt, und Nicola war gezwungen, sich um das Tagesgeschäft und um die Leitung des Clubs zu kümmern, anstatt ihre Fähigkeiten und ihr Geschick für die Anwerbung neuer Mitglieder einzusetzen.

»Nur, bis wir Fuß gefasst haben«, hatte er gesagt, als Nicola sich zum hundertsten Mal über den zunehmend schlimmer werdenden Papierkrieg beschwerte.

»Aber wir werden nie Fuß fassen, wenn ich keine Zeit finde, uns bekannt zu machen. Ken, wir haben noch nicht einmal eine Website – ganz zu schweigen von einem Firmenprofil.«

Aber er war hartnäckig geblieben, und Nicola hatte nachgegeben – dieses eine Mal noch! Vielleicht würde der Artikel dem Projekt auf die Beine helfen. Dann könnte sie endlich zeigen, dass sie in der Lage war, den Club zu leiten!

Die Journalistin von Mode redete immer noch.

»Ich bin gerade dabei, die letzten Teilnehmer zu gewinnen«, meinte Fidelma. »Wir brauchen auch noch einige Hintergrundinformationen über das Center. Kann ich Sie später noch einmal anrufen, um einen Termin für das Interview zu vereinbaren? Und damit wir nicht zu viel Ihrer kostbaren Zeit verschwenden, sollten wir vielleicht auch gleich die Fotos machen.«

»Natürlich, bitte geben Sie mir rechtzeitig Bescheid. Es kann im Club manchmal sehr hektisch zugehen«, antwortete Nicola, die über das Foto-Shooting nicht gerade erfreut war.

»Gut, wir sprechen uns in ein paar Wochen, dann können wir einen Termin festlegen. Noch einmal vielen Dank.«

»Ich habe zu danken.« Nicola legte auf, lehnte sich zurück und lächelte. Der Tag ließ sich gut an.

Gerade als sie Kens Büronummer wählen wollte, erschien er an der Tür.

»Ms Peters, ich bedaure, aber es reicht nicht, wenn Sie nur halbtags arbeiten«, sagte er ohne Einleitung.

»Es tut mir Leid, Mr Harris, aber soweit ich weiß, habe ich Ihnen mitgeteilt, dass ich heute Morgen einen wichtigen Termin habe.«

»Das ist nicht der Punkt, Ms Peters. Wir brauchen Sie hier – ich brauche Sie hier.«

»Tatsächlich?« Ihr Ton war frech. »Ich nahm an, dass Sie in der Lage seien, die Dinge selbst zu regeln, wenn ich nicht da bin, Mr Harris.«

»Nun, dann haben Sie sich eben geirrt.«

Nicola grinste, als er um den Schreibtisch herumging und sie zärtlich auf die Stirn küsste. »Ich halte es ohne dich einfach nicht aus.«

»Sadist«, neckte sie ihn und schlang die Arme um seinen Hals.

»Wie war es bei Dr. Collins?« Er kniete sich vor sie hin.

»Alles in Ordnung.«

»Alles in Ordnung? Hast du ihm von deiner Müdigkeit erzählt?«

Sie zuckte die Schultern. »Er meint, es ist nichts Ernstes. Nur mein Blutdruck ist immer noch zu hoch, und ich muss mich mehr bewegen.«

»Habe ich dir nicht gesagt, du sollst es mal mit Schwimmen versuchen?«, tadelte er sie sanft. »Bequemer als hier kannst du es nicht haben.« Er stand auf. »Ach, da fällt mir noch ein, dass der Verein der Rollstuhlfahrer sich nach der Hydrotherapie erkundigt hat. Kannst du dort anrufen? Vielleicht einen Preisnachlass aushandeln?«

»Klingt viel versprechend«, sagte sie nachdenklich, und war schon wieder beim Geschäft. »Ja, ich rufe nachher an.«

»Was hältst du eigentlich von einem Schwimmvormittag für Mutter und Kind?«

Nicola schnitt eine Grimasse. »Ich weiß nicht. Wenn wir auf Exklusivität setzen, könnte es Nachteile haben – zum Beispiel das Kindergeschrei.« Einige Mitglieder brachten manchmal ihre Kleinkinder mit an den Swimmingpool und passten nach Meinung des Personals nicht gut genug auf.

»Stimmt schon, Nicola, aber wir müssen etwas unternehmen. Die Umsätze der letzten Monate sind nicht gerade berauschend.«

Nicola blickte ihn prüfend an. In letzter Zeit sah Ken abgespannt und müde aus. Wahrscheinlich sitzen ihm die Gesellschafter im Nacken, dachte sie. Ken würde niemals zugeben, dass er sich Sorgen machte. Sein dunkles Haar, das sonst immer kurz geschnitten war, kringelte sich schon hinter den Ohren, und seine schokoladebraunen Augen – sein auffälligstes Merkmal – ließen heute den typischen Glanz vermissen.

»Nun ja, vielleicht habe ich genau die richtige Lösung für dieses Problem.« Sie versuchte, ihn mit der Nachricht über den werbewirksamen Artikel und die damit verbundenen Vorteile für das Motiv8 auf andere Gedanken zu bringen.

»Toll!« Wie erwartet war Ken sofort Feuer und Flamme. »Ich wusste, dass ich dich nicht nur wegen deines Aussehens eingestellt habe.«

»Ach!«

Als sie vor einigen Monaten ein Paar geworden waren, war sich Nicola nicht sicher gewesen, ob sie weiterhin im Club arbeiten sollte. Die beiden kannten sich schon lange und hatten bis zu diesem Zeitpunkt eine kollegiale, wenn auch nicht immer liebenswürdige Beziehung unterhalten. Nicola war erst ein paar Monate Geschäftsführerin des Motiv8, als sie und Ken sich näher kamen. Sie hatte ihn für einen Workaholic gehalten. Aber die Monate verstrichen, und sie hatte begonnen, ihren ehemaligen Kollegen in einem anderen Licht zu sehen, und hatte sich schon bald in Ken Harris verliebt. Als er ihr schließlich gestand, dass er genauso empfand, blickte sie nie wieder zurück. Er hatte alles, was Nicola von einem Mann erwartete: Er war ehrlich, selbstlos, unkompliziert und auf schlichte Weise attraktiv.

Von Anfang an hatten sie ein gemeinsames Ziel: den Motiv8-Freizeitclub zum Erfolg zu führen. Sollte ihre Zusammenarbeit jedoch ihrer Beziehung schaden, würden sie nicht zögern, etwas anderes zu machen. Doch bis jetzt waren beide in jeder Hinsicht glücklich und zufrieden.

»Noch etwas«, erinnerte sich Ken. »Laura hat angerufen und wollte dich sprechen.« Er lächelte. »Sie klang etwas mitgenommen. Diese Hochzeitsgeschichte scheint ihr an die Nieren zu gehen.«

Laura, Nicolas beste Freundin, wollte in einigen Monaten heiraten.

»Dann rufe ich sie wohl besser gleich zurück«, meinte Nicola und war dankbar für jede Ausrede, um dem Papierkram zu entgehen.

In diesem Augenblick summte ihr Telefon.

»Ist Ken bei Ihnen?«, fragte die Empfangsdame über die interne Leitung. »Der Steuerberater sucht ihn.« Das Personal wusste über ihre Beziehung Bescheid und hatte damit keine Probleme.

»Ich schicke ihn hinunter, Sally.«

Ken stöhnte. »Der verfluchte Steuerberater ist der Letzte, mit dem ich jetzt sprechen möchte. Er hat sowieso nur schlechte Nachrichten für mich.« Er küsste sie flüchtig. »Möchtest du mich heute Abend wirklich nicht sehen?«

Nicola schüttelte den Kopf. »Nein, widme dich ruhig deinem Golfspiel. Ich muss heute Abend sowieso auf Kerry aufpassen. Außerdem«, fügte sie verschmitzt lächelnd hinzu, »kann ich gut eine Nacht auf dich verzichten. Du bist manchmal ganz schön aufdringlich.«

»Ja, ich erinnere mich«, scherzte Ken, wobei seine Augen aufblitzten. »Aber wenn du Lust auf Ben-&-Jerry’s-Eiscreme hast, muss der alte Trottel durch ganz Dublin fahren, um es dir zu holen!«

»Zumindest bist du dazu zu gebrauchen!«

»Ach ja?« Er fing an, sie zu kitzeln. »Und was war letzte Nacht? Soweit ich mich erinnere, hast du dich nicht beklagt.«

»Ist ja gut. Tut mir Leid!«, erwiderte sie kichernd. »Ich gebe ja zu, dass du noch mehr Talente besitzt – wirklich!«

»Schon besser.« Ken erhob sich und zog seine Krawatte zurecht. »Genug geschäkert, Ms Peters«, sagte er gespielt streng. »Soweit ich weiß, haben Sie einiges zu tun.«

»Da hat mich doch jemand rüde bei meiner Arbeit unterbrochen!«, konterte Nicola mit ebenso gespielter Entrüstung.

Er war noch nicht zur Tür hinaus, als ihr Telefon schon wieder summte. Diesmal war es Laura.

»Sag mal, kann ich heute Abend zu dir kommen?«, fragte Nicolas beste Freundin. »Ich muss unbedingt mit dir reden.«

»Ja, natürlich kannst du kommen ... nein, warte mal. Ich muss auf Kerry aufpassen und habe versprochen, mit ihr ins Kino zu gehen. Es sei denn, du willst mitkommen.«

»Nein danke, das lasse ich lieber«, antwortete Laura rasch. »Ich bin nicht in der Stimmung, mir das Gesinge und Getanze eines Walt-Disney-Märchens anzusehen.«

»Was ist los? Du klingst genervt.« Nicola fiel wieder ein, was Ken über Laura gesagt hatte.

Ihre Freundin stöhnte. »Diese verdammte Hochzeit! Meine Mutter geht mir mit ihrem Getue gehörig auf die Nerven. Jetzt hat sie auch noch etwas gegen den Fotografen.« Sie imitierte den Tonfall ihrer Mutter. »Er ist ihr zu affektiert! Mein Gott, Nicola, ich bin mit Kieran Molloy zur Schule gegangen, und er ist schwul. Meinetwegen kann er so affektiert sein, wie er will!«

Nicola lächelte. Sie verstand die Frustration ihrer Freundin. Laura und ihr Partner Neil hatten sich an Weihnachten verlobt und beschlossen, im September zu heiraten. Sie hatten sich eine schlichte Hochzeit in kleinem Kreis ohne viel Aufwand vorgestellt, also eine Hochzeit, mit der Maureen Fanning (von der Nicola glaubte, dass Jennifer Lopez im Vergleich zu ihr wie eine lahme Ente wirkte) nicht einverstanden war, denn sie hatte immer davon geträumt, wie sie den großen Tag ihrer ältesten Tochter inszenieren würde.

Aber es gab gute Gründe für die schlichten Feierlichkeiten, die sich das Paar wünschte. Neils Mutter hatte erst kürzlich einen bösartigen Knoten in ihrer Brust entdeckt und musste sich einer stationären Behandlung unterziehen. Neil wollte, dass sich seine Mutter auf ihre Krankheit konzentrieren konnte, und für alle Fälle lieber früher als später heiraten.

»Nun ja, ihr könntet einfach fortfahren und irgendwo heiraten, nur ihr zwei«, schlug Nicola vor. So wie ich, fügte sie in Gedanken hinzu.

»Bist du verrückt? Meine Mutter würde einen Herzinfarkt kriegen! Sie macht schon genug Schwierigkeiten.«

Nicola runzelte die Stirn. Es sah Laura überhaupt nicht ähnlich, so niedergeschlagen zu sein.

»Lass dich nicht unterkriegen. Ihr allein müsst mit euren Hochzeitsplänen zufrieden sein. Alles andere ist unwichtig, oder?«

»Ja, aber du kennst doch meine Mutter!« Laura seufzte. »Neil ist leider auch keine große Hilfe.«

»Er hält sich wahrscheinlich lieber aus der Sache heraus.« Neil war sehr umgänglich und einer der wenigen, der mit Maureen Fanning auskam, ohne je aufzubrausen.

»Um ehrlich zu sein, er hat einfach zu viel im Geschäft zu tun. Im Augenblick ist er gerade auf einer Erkundungsreise auf Mauritius – der Glückliche.«

Neil war Teilhaber des Familienunternehmens, einem Reisebüro, und gerade dabei, mit exklusiven Fernreisen in das Geschäft einzusteigen.

»Aber eigentlich war die Hochzeit nicht der Grund meines Anrufs«, deutete Laura geheimnisvoll an.

»Tatsächlich?« Ihr Ton hatte Nicola neugierig gemacht. »Spann mich nicht auf die Folter.«

»Wenn wir uns heute Abend nicht sehen, musst du wohl oder übel warten.« Lauras Stimme ließ leisen Spott erkennen.

»Das ist unfair! Was ist es denn, Laura?«

»Keine Chance! Ich erzähle es dir lieber, wenn wir uns sehen.«

»Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht!« Nicola dachte rasch nach. »In Ordnung, wie wär’s, wenn du morgen Abend zu mir kommst? Helen hat sich auch angesagt, dann kannst du uns Gesellschaft leisten.« Nicola, Laura und Helen waren seit vielen Jahren befreundet. Allerdings hatten sie sich in letzter Zeit nur selten gesehen.

Aber Laura zögerte. Nicola dachte schon, sie hätte etwas Falsches gesagt, und fügte rasch hinzu: »Willst du lieber übermorgen kommen? Dann wären wir allein.«

»Nein, nein, ist schon in Ordnung. Soll ich eine Flasche Wein mitbringen?«

»Ja, dann halten wir ein Schwätzchen und erfahren alles über Helens neuen Freund und ... ach ja, und ich kann dir meinen neuen fahrbaren Untersatz zeigen!«

»Nicht schon wieder!«, neckte Laura sie. »Was hast du dir denn dieses Mal gekauft – ein Coupé, einen Roadster oder etwa einen Ferrari?«

»Das wäre schön. Ich muss jetzt aber auflegen, ein anderer Anruf kommt herein. Also, bis morgen, gegen acht?«

»Gut, ich freue mich!«, verabschiedete sich Laura schon etwas heiterer und legte auf.

Nicola nahm den nächsten Anruf entgegen. Ob sie heute wohl noch zu ihrer eigentlichen Arbeit kam?

»Würden Sie bitte zum Pool herunterkommen?« Sally klang besorgt. »Es ist wieder einmal Mrs Murphy-Ryan mit ihren Zwillingen. Sie glauben nicht, was sie jetzt wieder angestellt haben!«

***

Laura legte lächelnd den Hörer auf. Wie immer nach einem Gespräch mit Nicola, ging es ihr besser. Schade, dass sie sich nicht schon heute Abend treffen konnten.

Aber morgen Abend war auch in Ordnung. Außerdem hatte sie Helen schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Nicola hatte erwähnt, dass ihre Freundin mal wieder einen neuen Verehrer hatte. Helen verbrauchte Männer wie Kaffee. Die meisten Männer verehrten sie. Kaum einer konnte der attraktiven Figur, dem blonden Haar, der olivbraunen Haut und den dunkelbraunen Augen widerstehen. Helen Jackson war so, wie Laura immer sein wollte – glamourös, schlank, erfolgreich und unglaublich selbstsicher.

Natürlich waren die Männer, die sich für Helen interessierten, ebenso glamourös, falls dieser Ausdruck auf einen Mann überhaupt passte. Laura nahm das gerahmte Bild ihres Verlobten in die Hand. Der arme alte Neil – glamourös war er nun wirklich nicht!

Laura hatte ihn bei Penny’s in der O’Connell Street an einem unerwartet regnerischen Freitagmorgen kennen gelernt (was heißt unerwartet, dachte sie – in Irland waren regnerische Tage die Regel), als beide versuchten, einen der letzten Regenschirme zu ergattern.

Sie schüttelte den Kopf. Helens Affären überstanden weder eine regnerische noch eine trockene Woche. Feste Beziehungen schienen Helen nicht zu liegen. Wie gut ein Mann auch aussah, Helen ging nie eine feste Beziehung ein. Laura zog die Mundwinkel herunter. Zu Hause in Glengarrah hatten sich alle jungen Männer, die wie Filmstars aussahen, immer nur für Helen interessiert, während Laura stets nur die Komparsen abbekam.

Neil sah gar nicht übel aus. In seinen dunklen Anzügen und hellen Krawatten war er auf seine Weise attraktiv. Aber ihr Verlobter würde wahrscheinlich nicht gebeten, alles stehen und liegen zu lassen, um für einen Tag als Star in einer Cola-Werbung aufzutreten. Vielleicht als Muskelmann für einen Badreiniger, aber sicher nicht in einer Cola-light-Werbung.

Dennoch erfüllte sie der Gedanke, dass Helen morgen auch bei Nicola sein würde, nicht gerade mit Entzücken. Obwohl sie und Helen Freundinnen waren, solange sie denken konnte, hatten sie nicht mehr viel gemeinsam. Ihre Freundschaft beruhte nur noch auf alten Erinnerungen und nicht auf echter Nähe. Eigentlich ist es traurig, dachte Laura, aber ohne Nicola würde die Freundschaft schon lange nicht mehr bestehen. Und wahrscheinlich würde es Helen nicht viel ausmachen.

Sie blickte auf die Uhr. Es war kurz vor drei, Zeit, das Schreibwarengeschäft anzurufen, denn sie hatte der Grafikerin versprochen, sich die Einladungskarten bis zum Ende dieser Woche auszusuchen.

Als Mutters Freundin ihr vorgeschlagen hatte, die Hochzeitskarten bei ihrer Nichte machen zu lassen, war sie nicht gerade erfreut gewesen. Sie kannte ihren Geschmack, und die Karten würden nur aus weißen Tauben, Schleifchen und heiligen Marienbildern bestehen. Aber Gott sei Dank hatten sich ihre Befürchtungen nicht bestätigt.

Amazing Day Designs war tatsächlich erstaunlich gut. Sie und Neil waren bei ihrem Besuch des Geschäfts in Wicklow angenehm überrascht gewesen. Die Grafikerin hatte wunderschöne Muster vorgelegt und sie sogar schon mit Lauras und Neils Angaben beschriftet.

Bereits nach dem zweiten Klingeln hob jemand ab. »Amazing Days, Debbie am Apparat.«

»Hallo, Debbie, Laura Fanning. Ich möchte Ihnen durchgeben, für welche Einladungskarten wir uns entschieden haben.«

»Hallo, Laura!«, antwortete Debbie freundlich. »Vielen Dank für Ihren Rückruf. Wofür haben Sie sich denn entschieden?«

Nach einigem Zögern hatten sich Laura und Neil für eine klassische elfenbeinfarbene Karte mit Goldrand und beiliegenden Antwortkarten entschieden. Laura musste zugeben, dass beide Entwürfe ausgesprochen gelungen waren. Nachdem sie noch einmal alle Details überprüft hatte, teilte Debbie Laura mit, dass sie das Papier vorrätig hatte und die Einladungskarten in ein paar Wochen fertig sein könnten.

»Rufen Sie mich zur Sicherheit bitte kurz vorher an, wenn Sie die Karten abholen wollen«, bat sie höflich, bevor sie auflegte und Laura mit dem Eindruck, dass Amazing Days ein gutes Geschäft war, zurückließ.

Schade nur, dass sich die anderen Hochzeitsvorbereitungen viel schwieriger gestalteten, als sie erwartet hatte. Ihre Mutter konnte einfach nicht akzeptieren, dass sie nicht die gesamte Grafschaft Carlow zu ihrer Hochzeit einladen wollten.

Als Laura verkündet hatte, dass sie nur eine kleine Hochzeit im engsten Familien- und Freundeskreis in ihrem Heimatort Glengarrah planten und unter keinen Umständen ihre vierzehn schnorrenden Verwandten einladen wollten, war ihre Mutter außer sich gewesen.

»Aber eine Hochzeit ist ein großer Tag für die ganze Familie!«, nörgelte Maureen, die im Geiste schon hörte, was die Verwandten sagen würden.

Nun ja, es war sinnlos, sich darüber zu ärgern. Außerdem hatte Laura jetzt ganz andere Dinge im Kopf. Ihr Chef wollte am Nachmittag das Büro verlassen, also musste sie sich beeilen. Laura schloss die Tabellenkalkulation auf ihrem PC, öffnete das Schreibprogramm und begann zu tippen.

Sie hielt inne und dachte wieder an morgen Abend. Wie würden sie ihre Neuigkeit aufnehmen? Würden sie erfreut und begeistert sein und es befürworten? Oder würden sie denken, sie sei komplett verrückt geworden? Hoffentlich nicht. Sie war sich absolut sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Auf Neils Unterstützung hatte sie schon immer zählen können. Ihn brauchte sie nicht erst zu überzeugen. Seine offensichtliche Begeisterung hatte Laura ermutigt, ernsthaft über ihre Entscheidung nachzudenken. Und sie wusste, dass sie es schaffen konnte.

Auch wenn es ihr Angst machte, wollte Laura es nicht mehr länger hinauszögern. Sie konnte nicht länger warten. Der Zeitpunkt war wichtig. Sie hatte alle Vorbereitungen getroffen und wusste genau, was sie erwartete und welche Opfer sie bringen musste. Eigentlich hätte sie bis nach der Hochzeit warten wollen, aber so viel Zeit hatte sie nicht mehr. Sie hatte schon lange genug darauf gewartet.

Sie überprüfte die Rechtschreibung, druckte das Dokument aus, überflog es noch einmal, unterschrieb und ging entschlossen zum Büro ihres Chefs.

KAPITEL 2

Welche Handtasche sollte sie nehmen? Helen Jackson hielt eine schwarze und eine silberne gegen ihr pflaumenfarbenes Satinkleid von Helmut Lang. Sie zog ihren Ausschnitt zurecht, denn sie wollte nicht, dass Richard den ganzen Abend auf ihren Busen starrte. Oder vielleicht doch?

Helen blickte zufrieden lächelnd in den Spiegel.

Heute Abend oder nie! Sie und Richard gingen schon eine Weile miteinander aus. Jetzt war es an der Zeit, die Beziehung enger werden zu lassen. Der Gedanke daran machte sie nervös, doch das hätte sie nie zugegeben.

Das, dachte sie, lag wahrscheinlich daran, dass sie Richard sehr gern hatte. Eigentlich war es viel mehr als das, was sie für die anderen Männer empfunden hatte, mit denen sie in den letzten Jahren ausgegangen war. Richard war intelligent, humorvoll und sehr sexy. Helen leitete die Unternehmensberatung bei XL Business Software in Sandymount und hatte Richard kennen gelernt, als seine Personalvermittlung sie um eine Beratung gebeten hatte. Bei ihrer ersten Begegnung verhielt sich Helen so, wie sie es immer bei Kunden tat – lebhaft und professionell. Wie sie ihrem Verkaufspersonal oft erklärt hatte, brachte Weiblichkeit allein nicht genug ein, um sich ein Zweizimmerapartment mit Blick aufs Meer in Monkstown leisten zu können.

Aber mit einem Mann zu flirten, der wie Richard Moore aussah, fiel ihr wirklich nicht schwer. Kurz nach ihrer ersten Begegnung und einigen Flirts am Telefon hatte das Unternehmen sein Computernetz erweitert und Richard sie eingeladen, mit ihm auszugehen.

Helen gefielen die Abende mit ihm. Obwohl sie leidenschaftliche Abende verbracht hatten, waren sie nie im Bett gelandet. Ein positives Zeichen, wie Helen fand. Es bedeutete, dass er nicht nur Interesse an ihrem dreißigjährigen Körper hatte, sondern auch an ihr als Person.

Ja, heute Abend war es so weit, entschied Helen.

Vielleicht hätte sie dann endlich einen Mann, der ihr bei den offiziellen Einladungen gegenübersaß und den sonst leeren Stuhl besetzte. Alle ihre Freundinnen saßen bei Tisch neben ihren jeweiligen Partnern, ebenso wie ihre Kolleginnen, Helen hatte jedoch stets einen leeren Stuhl neben sich. Allerdings war ihr der leere Stuhl inzwischen vertraut und über die Jahre ihr bester Freund geworden.

Sie lächelte traurig und konzentrierte sich wieder auf die Taschen in ihrer Hand.

Helen fand, dass die silberne Handtasche am besten zu dem Kleid passte, durchwühlte anschließend ihren Kleiderschrank und tauchte mit einem Paar Pumps mit unglaublich hohen Absätzen wieder auf. Na ja, sie waren nur eine Manolo-Imitation, passten aber perfekt zur Tasche. Für jede Handtasche oder Schultertasche besaß sie stets die passenden Schuhe. Wenn die Plastiktüten in den Supermärkten nicht mehr umsonst wären, frotzelten ihre Freundinnen, würde man Helen schon bald beim Einkaufen im Superquinn mit passenden Schuhen zu ihrer »Tüte fürs Leben« sehen.

Außerdem, dachte Helen, weiß doch jeder, dass es Unglück bringt, wenn die Accessoires nicht zur Kleidung passen. Wie konnte Laura nur diese goldenen und silbernen Schmuckkreationen tragen, die sie in ihrer Freizeit bastelte?

Helen fuhr mit der Bürste durch ihre frisch geföhnten Locken und blickte auf die Uhr. Um halb acht war sie mit Richard in der Stadt verabredet, und es war fast sieben. Sie musste sich beeilen – wer weiß, wie lange es an einem Freitagabend dauerte, bis man ein Taxi bekam? Sie nahm Tasche und Mantel, wankte in den hohen Schuhen die Treppe hinunter und warf die Haustür hinter sich zu.

***

Richard wartete schon vor dem Restaurant. »Du siehst umwerfend aus!« Er lächelte anerkennend, als Helen unsicher auf ihn zutrippelte.

Ihr Herz hüpfte vor Freude, als er sich vorbeugte und sie zärtlich auf die Lippen küsste. Diese hohen Schuhe sind für Dublins holprige Gehwege völlig ungeeignet, dachte sie, und folgte ihm ins Restaurant. Aber sie waren es wert, diese Unbequemlichkeit auf sich zu nehmen. Gott sei Dank hatte sie nicht ihre teuren Sabelt an. Allerdings zog sie in Betracht, auch diese Schuhe zu solchen Gelegenheiten auf der Straße zu tragen.

»Du siehst aber auch nicht schlecht aus, wenn man berücksichtigt, dass du gerade aus dem Büro kommst.« Helen stieß ihn spielerisch in die Rippen und versuchte, die Schmetterlinge in ihrem Bauch zu vertreiben. Richard sah wirklich blendend aus. Sein kurzes schwarzes Haar war frisch geschnitten, und Helen bemerkte mit Vergnügen, dass sein gebräuntes Kinn schon einen Schatten von Bartstoppeln zeigte. Sie fand ein Kinn mit Bartstoppeln ausgesprochen sexy. Richtige Bärte mochte sie nicht. Aber absolut abscheulich fand sie diesen frisch rasierten Muttersöhnchenlook. Kurze Bartstoppeln waren perfekt.

»Wann werden wir wohl etwas zu essen bekommen?«, fragte sie und sah sich im voll besetzten Restaurant um.

Richard zog eine Augenbraue hoch. »Hoffentlich bald. Ich habe seit heute Mittag nichts mehr gegessen.«

Wie ein Zeichen des Himmels erschien die Bedienung und begleitete sie zu ihrem Tisch, der glücklicherweise, wie Helen sofort bemerkte, weiter hinten in einer schummrigen, ruhigen Ecke stand.

Der Platz war für einen intimen Abend zu zweit hervorragend geeignet.

Helen vertiefte sich in die Speisekarte, war jedoch so nervös, dass sie die Schrift kaum lesen konnte. Heimlich beobachtete sie Richard, der aufmerksam die Weinkarte studierte und sich wahrscheinlich nicht zwischen seinen beiden Lieblingsweinen, einem australischen und einem südafrikanischen Cabernet entscheiden konnte. Es war erschreckend, sie kannten sich noch gar nicht so lange, und doch konnte Helen in ihm lesen wie in der Modezeitschrift Cosmo. Mit ihrem vorherigen Partner Jamie, so offen und durchschaubar wie kein anderer Mann, war es ihr genauso ergangen. Viel zu leicht zu durchschauen. Jamie war so offen gewesen, dass er Helen eines Tages mitteilte, er würde sich zu gebunden fühlen, hätte den täglichen Stress satt und wolle eine Weile nach Südafrika gehen, um sich selbst zu finden.

Das war vor fast vier Jahren. Seitdem hatte sich Jamie nicht nur selbst gefunden, sondern – wie bequem für ihn – auch eine andere Frau. Gut, beschloss sie insgeheim, als sie sah, dass Richard immer noch die Weinkarte studierte, falls er den australischen Wein bestellte, würde sie es als gutes Omen betrachten, bestellte er den afrikanischen, wäre es definitiv ein schlechtes.

»Möchten Sie jetzt bestellen?«, fragte die Bedienung.

»Ja, danke. Helen?« Wie immer ganz Gentleman, wartete er geduldig, während sie überlegte, ob sie Lamm oder Schwein nehmen sollte. Schließlich entschied sie sich für Lamm, und Richard bestellte sich ein Filetsteak mediumrare.

»Wein?«, fragte die Bedienung.

Helen sagte mit einem Lächeln: »Ich lasse lieber den Kellermeister entscheiden.« Schließlich war Richard ein Weinkenner.

Bitte, bitte, nimm den australischen Wein! Mit klopfendem Herzen wartete sie auf seine Antwort. Richard schob die Weinkarte beiseite und lächelte die Bedienung an. »Vielen Dank, aber ich glaube, ich schlage heute mal alle Warnungen in den Wind. Können Sie mir etwas empfehlen?«

Die junge Frau dachte einen Moment nach. »Für Ihren Hauptgang würde ich Ihnen auf alle Fälle den South African Guardian Peak Cabernet empfehlen, einen der beliebtesten Weine auf unserer Karte. Er passt hervorragend zu rotem Fleisch, vor allem zu Lamm«, fügte sie hinzu und lächelte Helen dabei zu.

Mist, Mist, Mist!

Richard strahlte. »Bestens, den nehmen wir! Vielen Dank.«

Die Bedienung nahm ihnen die Speisekarten ab und entfernte sich. Helen fand es plötzlich unglaublich dumm zu glauben, dass der verdammte Wein Einfluss auf ihre Beziehung haben könnte. Sie sollte wirklich mit diesem Zeichen- und Omenblödsinn aufhören. Das war doch nur Kinderkram.

Schon wieder meldeten sich Schmetterlinge (die üblichen Nachzügler) in Helens Magen.

»Was hast du diese Woche gemacht?« Richard streckte den Arm aus und ergriff ihre Hand.

»Nicht viel. Ich habe gestern die Verträge für das Carver-Anwesen und den Tip-Top-Vertrieb abgeschlossen.« Sie zuckte die Schultern, als wäre das nichts, und unterdrückte ein Lächeln. »Es war wirklich eine ruhige Woche.«

»Nein, das gibt es doch nicht!« Richard lachte ungläubig. »Du liebe Güte, du bist schon etwas Besonderes, Helen Jackson, weißt du das?«

Helen hatte ihm erst kürzlich erzählt, dass das Unternehmen XL sich bereits seit einiger Zeit um diese beiden Aufträge bemühte und sie beinahe an einen Konkurrenten gegangen wären. In letzter Minute, nach einer Besprechung mit Helen, hatte Ronnie Carver seine Meinung geändert und einen Fünf-Jahres-Vertrag mit XL unterschrieben. Das wiederum bedeutete, dass sich Helen am Monatsende auf einen dicken Scheck freuen konnte. Bei der Vorspeise erzählte sie ihm die ganze Geschichte.

»Wow!« Richard lächelte bewundernd und stieß mit ihr an. »Ich glaube, ich behalte dich. Du bist ja eine richtige Karrierefrau!«

Die kleine Stimme in ihrem Kopf wurde immer lauter. Sag es ihm! Sag es ihm jetzt!

Helen atmete tief durch. Ruhig Blut, sagte die Stimme. Ihr zwei versteht euch doch gut, und er mag dich wirklich. Was würde sich dadurch ändern?

Sie trank einen großen Schluck Wein und stellte ihr Glas auf den Tisch.

»Richard?«, fragte sie sanft, und die Worte sprudelten aus ihrem Mund, bevor sie es verhindern konnte. »Wie stehst du eigentlich zu Kindern?«

Mist, Mist, Mist, schimpfte die Stimme. Du hättest es nicht so hinausposaunen dürfen, sondern nebenbei in die Unterhaltung einfließen lassen müssen. Typisch für mich und meine verdammte Kleidergröße 36!

Richard blickte sie an, als hätte sie ihm Stierhoden vorgesetzt.

»Kinder?«, wiederholte er unsicher. »Was soll die Frage?«

Helen fühlte sich wie ein Luftballon, aus dem man die Luft herausgelassen hatte. Immer dasselbe!

»Ich meine, magst du Kinder?«, sagte sie und bemühte sich um einen leichten Ton. »Ich meine, hast du vielleicht schon eigene ... oder würdest du gern Kinder haben?«

O Gott, das wird ja mit jeder Minute schlimmer, dachte sie.

Richard blickte drein, als hätte man ihm nun eine ganze Platte Stierhoden serviert.

»Helen, wovon, zum Teufel, redest du? Du weißt, ich war nie verheiratet ...« Bevor sie antworten konnte, änderte sich sein Gesichtsausdruck. »Warte mal ... Bist du etwa ...?«, zischte er. »Wenn du glaubst, du kannst mir eine Falle stellen und mich zum Vater machen, hast du etwas Wesentliches vergessen! Ich weiß zwar nicht, was du getrieben hast, aber um das mal festzuhalten: Wir haben es noch nicht miteinander getrieben, also kann ich es nicht sein! Um Gottes willen, Helen ...!«

»Vergiss es, Richard!« Schockiert und mit rotem Kopf ergriff Helen ihre Handtasche. Wie konnte er es wagen? Wenn er schon bei der leisesten Frage nach Kindern so reagierte, wie würde er sich dann benehmen, wenn er die Wahrheit erfuhr? Was war nur aus dem perfekten Gentleman geworden?

Richard beruhigte sich, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht kränken ... Ich weiß nur genau, dass ich nicht der Vater sein kann ...«

»Es ist nicht, was du denkst, Richard. Ich bin nicht schwanger«, warf Helen ein. »Jedenfalls nicht mehr.«

Er blickte sie verwirrt an.

Was soll’s, jetzt konnte sie ihm auch die ganze Wahrheit sagen. »Ich habe eine dreieinhalbjährige Tochter, die ich dir bisher verschwiegen habe. Da wir uns nun etwas näher gekommen sind, und die Beziehung – wie ich annahm – fester wird, finde ich, du solltest es wissen.«

»Helen ... ich ... Verzeih mir ...« Seine Stimme erstarb, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände.

Es war vorbei.

Die übliche Geschichte.

In diesem Moment erschien die Bedienung mit dem Hauptgang.

»Ich glaube, ich gehe jetzt besser.« Helen erhob sich.

»Nein, bitte bleib. Erzähl mir von deiner ... deiner Tochter.«

Das klang, als hätte Helen ihm gerade mitgeteilt, sie sei schwer leprakrank.

Ihm zuliebe wollte sie nicht bleiben, diesmal nicht – nie wieder! Sie hatte diese Szene schon zu oft erlebt.

»Nein, ich will jetzt wirklich gehen. Trotzdem vielen Dank – für das Abendessen.«

Richard nickte betreten. »Keine Ursache.« Plötzlich war er wieder so formell wie am ersten Tag in ihrem Büro. »Darf ich dich anrufen?«, fügte er automatisch und, wie Helen glaubte, unaufrichtig hinzu.

»Natürlich.«

Ihre Füße hatten wohl Mitleid mit ihr, denn Helen spürte sie nicht, als sie wie betäubt die Grafton Street bis zum Taxistand hinunterlief. Sie versuchte krampfhaft, die Tränen zurückzuhalten, als sie völlig unerwartet sofort ein Taxi bekam und einstieg. Es war erst neun Uhr. Niemand, der an einem Freitagabend in Dublin ausging, fuhr so früh nach Hause, außer traurige, sitzen gelassene, allein erziehende Mütter wie Helen.

Nach einer Weile hielt das Taxi vor Nicolas Haus in Stepaside. Helen bat den Taxifahrer zu warten.

Kurz darauf kam sie in Begleitung einer verschlafenen dreijährigen Ausgabe ihrer selbst zurück. Das Haar des kleinen Mädchens war zerzaust, und auf ihrem Gesicht waren noch die Abdrücke des Kopfkissens zu sehen. Helen wusste, dass Nicola sich über ihr frühes Erscheinen wunderte, aber sie war glücklicherweise zu rücksichtsvoll, um Fragen zu stellen. Helen setzte ihre verschlafene Tochter auf den Rücksitz, schloss die Tür und setzte sich auf den Beifahrersitz.

Sie starrte aus dem Fenster und machte dem Taxifahrer klar, dass sie nicht an einem Gespräch interessiert war. Heute Abend, dachte sie, kann ich die Nähe des Kindes kaum ertragen.

KAPITEL 3

»Das ist alles?«, fragte Nicola erstaunt, als sie am nächsten Abend in ihrem Wohnzimmer saßen und eine Flasche Wein tranken. Helens Tochter Kerry lag vor ihren Füßen auf dem Teppich und kraulte den Hund. »Und du siehst ihn nicht wieder?«

Helen zuckte gleichgültig die Schultern. »Ich denke nicht.«

»Aber warum? Ich meine ... Ich dachte, du magst Richard?«

»Zuerst ja, aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass wir nicht wirklich zueinander passen.«

»Ach so?«

»Kerry, es ist Zeit, ins Bett zu gehen«, verkündete Helen streng und wechselte damit das Thema. Kerry und der Labrador Barney, der die Streicheleinheiten genossen hatte, schauten enttäuscht auf.

Nicola wunderte sich. In den letzten Monaten hatte sie viele Male auf Kerry aufgepasst, damit Helen mit Richard Moore ausgehen konnte, und nun teilte sie ihr einfach mit, dass sie ihn nicht wiedersehen wollte! Merkwürdig, wie leicht Helen ohne besonderen Grund ihre Männer abservierte.

Helens Ton (und die Schnelligkeit, mit der sie ihre Tochter in Nicolas Gästezimmer bugsierte) zeigten ihr, dass sie nicht bereit war, mehr über die Angelegenheit zu sagen.

Als Helen wieder im Wohnzimmer erschien, sprang Barney auf und lief aufgeregt zur Tür, ein sicheres Zeichen, dass noch ein Besucher kam.

Laura stand vor der Tür und streifte sich verlegen das dunkle Haar aus dem hübschen Gesicht. Laura sieht eigentlich immer etwas verlegen aus, dachte Nicola bedauernd.

Barney, der Laura vergötterte, sprang freudig an ihr hoch und warf sie fast zu Boden.

Laura lachte. »Hey, immer mit der Ruhe«, sagte sie, kniete nieder und strich ihm über den Kopf.

»Du bist aber früh dran.« Nicola bat sie herein. »Helen ist auch da. Kerry ist schon im Bett, deshalb müssen wir leise sein.«

Barney sprang hoch und schob mit den Pfoten die Tür hinter ihnen zu.

Laura schaute ihm mit großen Augen zu. »Toll! Ich habe völlig vergessen, wie intelligent dieser Hund ist«, lachte sie.

»Guter Junge!« Nicola tätschelte seinen Kopf, und Barney folgte ihnen aufgeregt hechelnd und mit wedelndem Schwanz ins Wohnzimmer.

»Hallo, Helen«, begrüßte Laura sie lächelnd. »Wie steht’s?«

»Hallo.« Helen starrte auf den Fernseher und beachtete sie kaum, woraufhin Laura Nicola einen bedeutsamen Blick zuwarf, der soviel hieß wie »sie ist mal wieder schlecht gelaunt«.

Nicola nickte. »So!«, begann sie fröhlich, um die Stimmung etwas aufzuheitern. »Laura, setz dich. Ich hole dir ein Glas.«

»Das kann ich ja machen.« Helen erhob sich und ging in die Küche.

»Was bedrückt sie?«

»Ach, frag nicht. Sie hat kaum mehr als zwei Worte gesprochen, seit sie vor etwa einer Stunde mit Kerry hier auftauchte. Das arme Kind hat bemerkt, dass ihre Mutter nicht in bester Stimmung ist, und hat ihr sogar ein paar von ihren M&Ms angeboten.« Sie zuckte die Schultern. »Um die Wahrheit zu sagen, sie war ziemlich schroff zu ihrer Tochter.«

»Ärger mit Männern?«

»Ohne jeden Zweifel.« Nicola verdrehte die Augen.

»Dann ist es vielleicht nicht der richtige Augenblick?« Laura warf ihr einen besorgten Blick zu.

»Nicht der richtige Augenblick wofür?« Helen kam mit einer frisch entkorkten Flasche und einem dritten Glas zurück.

Laura setzte sich und fuhr nervös über Barneys seidiges Fell. Zögernd sagte sie: »Nun, wie ich Nicola gestern am Telefon schon angekündigt habe – es gibt Neuigkeiten.«

»Neuigkeiten?«, wiederholte Helen. »Sag nicht, dass du schwanger bist.«

Nicola blickte Laura fragend an. Sie hatte denselben Gedanken.

»Nein, das ist es nicht.« Laura schluckte. »Es ist nur ... Na ja, ich habe gestern gekündigt.«

Nicola starrte sie an. Laura hatte gestern am Telefon zwar etwas merkwürdig geklungen, aber das hatte sie nicht erwartet. »Du willst gehen? Aber du hast nie über einen anderen Job gesprochen. Was ist los?«

»Ich denke darüber nach, mich selbstständig zu machen«, antwortet Laura schüchtern. »Na ja, ich denke nicht nur darüber nach. Ich habe mich bereits dazu entschlossen.«

»Und was willst du machen?«, fragte Helen.

»Ich möchte meinen eigenen Schmuck entwerfen und verkaufen.«

»Was? Das ist ja fantastisch, Laura!« Nicola freute sich sehr für sie. »Das wird aber auch Zeit!«

Laura hatte an der Kunsthochschule studiert, jedoch nach ihrem Abschluss keinen Job gefunden. Aus finanziellen Gründen (oder weil ihr das nötige Selbstbewusstsein fehlte, wie Nicola glaubte) hatte sie Büroarbeit angenommen, anstatt ihrer langjährigen Leidenschaft für das Entwerfen von Schmuck nachzugehen. Erst kürzlich hatte Laura ihre Fähigkeit wiederentdeckt und einmalig schöne, modische Unikate für sich, ihre Familie und ihre Freundinnen angefertigt.

Nicola zweifelte nicht daran, dass Laura es mit ihren Fähigkeiten schaffen würde. Sie hatte ihr Praktikum der Bearbeitung von Edelmetallen und Schmucksteinen mit Auszeichnung abgeschlossen und besaß ein gutes Auge für ungewöhnliche Formen. Das mit Glassteinen besetzte Silberarmband, das Laura zu ihrem dreißigsten Geburtstag entworfen hatte, gefiel ihr ausgesprochen gut. Es passte so gut zu ihr, dass sie es sich auch selbst ausgesucht hätte. Sie erinnerte sich noch, wie überrascht sie war, als Laura schließlich zugegeben hatte, es selbst entworfen und hergestellt zu haben.

»Ich habe in meiner Freizeit ein paar Stücke gemacht«, fuhr sie schüchtern fort. »Neil hat mir das Material besorgt.«

Seit sie mit ihrem Verlobten zusammen war, hatte Laura sich verändert. Neil Connolly hatte sie in ihren Fähigkeiten bestärkt und ihre Liebe zur manuellen Arbeit erkannt und gefördert. Offensichtlich hatte er ihr so viel Mut gemacht, dass sie ihre eigenen Entwürfe zum Kauf anbieten wollte.

»Und ihr meint nicht, dass ich verrückt bin, meinen Job und alles andere aufzugeben?« Laura biss sich auf die Lippe und blickte unsicher zu Helen hinüber, die damit beschäftigt war, sich eine Zigarette anzuzünden.

»Sei nicht dumm«, warf Nicola rasch ein, als Helen nicht antwortete. »Das ist eine fantastische Idee. Du wirst großen Erfolg haben. Ich bin sicher, dass es einen Markt für deine Arbeit gibt. Heutzutage will jeder etwas Besonderes und Originelles haben – etwas, mit dem man sich sehen lassen kann.«

»Meinst du wirklich?«

»Absolut! Das sind fantastische Neuigkeiten!« Nicola drehte sich um und umarmte sie. »Ist Neil begeistert, dass du dich endlich traust?«

Laura nickte. »Ja, er steht voll hinter mir und hilft mir sehr.«

Für Neil war es wahrscheinlich selbstverständlich, Laura dabei zu helfen, ihren Traum zu verwirklichen, dachte Nicola. Er vergötterte sie und wusste aus eigener Erfahrung, was es hieß selbstständig zu sein, schließlich arbeitete er in einem Reisebüro, das seiner Familie gehörte.

»Nun ja, er weiß genau wie ich, wie talentiert und fleißig du bist. Tut es dir Leid, von Morley wegzugehen?« Sie wusste, dass Laura mit ihrem Job in der Buchhaltung des bekannten Dubliner Kaufhauses nie glücklich gewesen war.

»Nein, nicht im Geringsten. Ich habe schon lange darüber nachgedacht zu kündigen. Und jetzt bin ich frei, meinen Traum zu verwirklichen!« Dabei grinste sie über das ganze Gesicht. »Ich freue mich sehr, dass ihr es auch gut findet. Ich war mir nicht sicher, wie ihr reagieren würdet. Es wissen noch nicht viele Leute.«

»Jeder, der deinen Schmuck sieht, weiß sofort, dass du Erfolg haben wirst. Hast du schon einen Businessplan?«