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Küsse unterm Mistelzweig: Der turbulente Liebesroman »Weihnachtsgeschenke von Tiffany« von Bestsellerautorin Melissa Hill als eBook bei dotbooks. Wenn New York sich von seiner schönsten Seite zeigt … Der junge Witwer Ethan und seine kleine Tochter Daisy lieben Weihnachten über alles: Jedes Jahr erfüllt der Winterzauber die Straßen von Manhattan mit Lichterglanz, fröhlichem Trubel und tanzenden Schneeflocken. Die perfekte Zeit also, um Ethans Freundin Vanessa in die Stadt einzuladen und mit einem funkelnden Ring von Tiffany’s in ihrer kleinen Familie willkommen zu heißen. Doch das Schicksal hat andere Pläne – und sorgt mit vertauschten Geschenken dafür, dass plötzlich die Cafébesitzerin Rachel den Ring in Händen hält, der für Ethans Freundin bestimmt war! Ein einziger kleiner Moment, der alles verändert und zwei Menschen zusammenführt, die einander sonst niemals begegnet wären: Ethan und Rachel – und plötzlich ist das Leben voll wunderbarer neuer Möglichkeiten … Von Hollywood-Superstar Reese Witherspoons und ihrer Produktionsfirma »hello sunshine« als großes Weihnachts-Highlight verfilmt: »Ein Wohlfühlroman, der mit jeder Seite fesselt und wie ein modernes Märchen verzaubert«, jubelt Irish Independent – und die Marie Claire schreibt: »Ein wunderbarer Wirbelwind von einem Roman!« Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der zauberhafte Liebesroman » Weihnachtsgeschenke von Tiffany« der irischen Bestsellerautorin Melissa Hill wird alle Fans von Sue Moorcroft und Karen Swan begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 542
Über dieses Buch:
Wenn New York sich von seiner schönsten Seite zeigt … Der junge Witwer Ethan und seine kleine Tochter Daisy lieben Weihnachten über alles: Jedes Jahr erfüllt der Winterzauber die Straßen von Manhattan mit Lichterglanz, fröhlichem Trubel und tanzenden Schneeflocken. Die perfekte Zeit also, um Ethans Freundin Vanessa in die Stadt einzuladen und mit einem funkelnden Ring von Tiffany’s in ihrer kleinen Familie willkommen zu heißen. Doch das Schicksal hat andere Pläne – und sorgt mit vertauschten Geschenken dafür, dass plötzlich die Cafébesitzerin Rachel den Ring in Händen hält, der für Ethans Freundin bestimmt war! Ein einziger kleiner Moment, der alles verändert und zwei Menschen zusammenführt, die einander sonst niemals begegnet wären: Ethan und Rachel – und plötzlich ist das Leben voll wunderbarer neuer Möglichkeiten …
Von Hollywood-Superstar Reese Witherspoons und ihrer Produktionsfirma »hello sunshine« als großes Weihnachts-Highlight verfilmt: »Ein Wohlfühlroman, der mit jeder Seite fesselt und wie ein modernes Märchen verzaubert«, jubelt Irish Independent – und die Marie Claire schreibt: »Ein wunderbarer Wirbelwind von einem Roman!«
Über die Autorin:
Melissa Hill ist eine USA-Today-Bestsellerautorin aus dem irischen County Wicklow. Ihre Romane über Familie, Freundschaft und Liebe erschienen bislang in über 26 Sprachen. Ihr Roman »Ich schenk dir was von Tiffany’s« wurde von Reese Witherspoons Produktionsfirma »hello sunshine« für Amazon Prime mit dem Titel »Weihnachtsgeschenke von Tiffany« verfilmt.
Die Website der Autorin: www.melissahill.info
Auf Facebook: www.facebook.com/melissahillbooks
Auf Instagram: @melissahillbooks
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eBook-Neuausgabe Dezember 2022
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2011 unter dem Originaltitel »Something from Tiffany’s« bei Hodder & Stoughton, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2012 unter dem Pseudonym Holly Greene im Rowohlt Taschenbuch Verlag. Die deutsche Erstausgabe erschien 2012 unter dem Titel »Ich schenk dir was von Tiffany’s« bei Rowohlt.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2011 by Melissa Hill
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Cover Artworks von © 2022 Amazon Content Services LLC
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-98690-582-8
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Melissa Hill
Weihnachtsgeschenke von Tiffany
Roman
Aus dem Englischen von Sabine Schulte
dotbooks.
Voller Liebe widme ich dieses Buch meiner wunderbaren kleinen Tochter Carrie
Ethan Greene war sich durchaus im Klaren darüber, wie bedeutungsvoll sein Vorhaben war. Es würde ein großer Augenblick in seinem Leben werden – wie vermutlich im Leben eines jeden Mannes, dachte er.
Aber während er sich in Manhattan durch die Menschenmassen kämpfte, wünschte er, er hätte sich für diesen Schritt einen besseren Zeitpunkt ausgesucht als ausgerechnet den wohl stressigsten Einkaufstag des Jahres.
Heiligabend auf der Fifth Avenue? Er musste verrückt sein!
Ethan atmete tief ein. Die kalte Luft war erfrischend und nicht so feucht, wie er es aus London gewohnt war. Ihm fiel auf, dass New York sich seit seinem letzten Besuch kaum verändert hatte – während in seinem Leben so vieles anders geworden war.
Bei seiner Ankunft vor zwei Tagen war er überrascht gewesen, wie gut er sich noch an die Orientierungspunkte erinnerte und wie mühelos er sich zurechtfand. Das Gedränge in der U-Bahn, der Geruch der abgewetzten Kunstledersitze im Taxi und das ständige Brausen milliardenfacher Geräusche – teils menschlich, teils mechanisch – gaben ihm Auftrieb. Der charakteristische Elan dieser Stadt steckte ihn an und ließ seine Schritte wieder federn, wie schon seit Jahren nicht mehr.
Im Moment allerdings war Ethan in Eile. Ihm war nur allzu bewusst, dass die Minuten verflogen und das Gedränge immer dichter wurde. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit.
Daisy neben ihm drückte kurz seine Hand; so als spüre sie, was in ihm vorging. Dabei konnte sie unmöglich wissen; was er plante. Er hatte nur gesagt; er müsse noch eine Besorgung machen; bevor sie in ihr warmes Hotel zurückkehrten. Aber Daisy wusste, wie sehr ihm Menschenmengen zuwider waren – ebenso wie Shopping übrigens -, vielleicht wollte sie ihn einfach beruhigen.
Wie würde sie reagieren? Gut; die Idee stand schon eine Weile im Raum; und er hatte in letzter Zeit mehr als einmal davon gesprochen; deshalb sollte es heute eigentlich keine allzu große Überraschung mehr sein. Daisy schien seine Pläne gutzuheißen. Allerdings hatte Ethan jetzt das Gefühl; dass er ausführlicher mit ihr über sein Vorhaben hätte sprechen sollen. Schließlich besprach er auch sonst wichtige Dinge mit ihr – aber er war einfach nervös.
Daisy sah heute besonders hübsch aus, fand er. Wegen der klirrenden Kälte war sie in viele Schichten eingehüllt, ihre blonden Locken ringelten sich unter einer dunklen Wollmütze, und die rote Nase lugte über einem schwarzen, bestickten Schal hervor. Trotz der Kälte gefiel ihr New York sehr gut, ganz so, wie Ethan es vorhergesehen hatte. Es gab ja auch wirklich keine schönere Zeit als Weihnachten, um der Stadt, die niemals schläft, einen Besuch abzustatten. Doch, die Reise war eine gute Idee gewesen. Es würde schon alles klappen.
Endlich erreichten sie im Gewimmel der Menschen, die in letzter Minute ihre Einkäufe erledigten, die Ecke Fifth Avenue und Fifty-Seventh Street. Ethan schaute Daisy an, und sie machte große Augen, als er ihre Hand fester fasste und ihnen den Weg zum Eingang bahnte.
»Hier?«, quietschte sie mit einem Bück auf den bekannten Namenszug neben der Tür, die schlichten Buchstaben auf dem polierten Granit, die jetzt zur Weihnachtszeit mit Tannengrün dekoriert waren. »Was wollen wir denn hier?«
»Hab ich dir doch gesagt – ich muss noch was besorgen«, antwortete Ethan. Er zwinkerte seiner Begleiterin zu, und schon brachte die Drehtür sie in die heiligen Hallen von Tiffany & Co.
Der weitläufige, hohe Verkaufsraum, der ganz ohne stützende Säulen auskam, schlug Daisy sofort in seinen Bann. Voller Staunen betrachtete sie die langen Reihen der Vitrinen, in denen die kostbare Ware so beleuchtet wurde, dass sie verlockend funkelte.
»Oh, wow, ist das alles schön«, wisperte sie ehrfürchtig und blieb mitten im Gang stehen. Gleichermaßen bezauberte Kunden und Touristen strömten an ihr vorbei, alle fasziniert von dieser Ausstellung atemberaubender Schmuckstücke. Tiffany’s gehörte zu den wenigen Geschäften in Manhattan, die keine aufwendige Festdekoration einsetzten. Für die glitzernden Kostbarkeiten war der sparsame Weihnachtsschmuck völlig ausreichend, und zusammen mit dem romantischen Zauber des traditionsreichen Ladens rief er diese ganz besondere Weihnachtsstimmung hervor.
»Ja, nicht?«, stimmte Ethan ihr zu. Seit sie hier waren, ließ seine Nervosität nach. Er nahm Daisy am Arm und steuerte sie zwischen den vielen Schaukästen hindurch nach hinten zu den Aufzügen. Der weiche Teppichboden tat seinen müden Füßen gut.
»Wo wollen wir denn hin?«, fragte sie, während sie sich widerstrebend weiterziehen ließ. »Nicht so schnell! Können wir uns denn nicht umgucken? Ich war doch noch nie hier und ... Wo wollen wir hin?«, wiederholte sie irritiert, als die Aufzugtüren sich öffneten.
»Erster Stock, bitte«, sagte Ethan.
»Aber gern, Sir.« Der Fahrstuhlführer, in Uniform und mit Zylinder, neigte huldvoll den Kopf. Er lächelte Daisy an. »Madam.«
»Aber ... Was wollen wir denn da?«, fragte sie mit gedämpfter Stimme. Vermutlich hatte sie der Hinweistafel oben entnommen, was sich im ersten Stockwerk befand. Wenn sie im Erdgeschoss schon bezaubert gewesen war, dann würde der erste Stock sie erst richtig beeindrucken, das wusste Ethan.
Als die Fahrstuhltüren sich schlossen, bekam er Herzklopfen. Würde Daisy einverstanden sein? Vielleicht hätte er wirklich Farbe bekennen und sie vorher fragen sollen, andererseits würde sie sich bestimmt über die Überraschung freuen. Die Hauptsache war, dass sie sich bei dieser Entscheidung nicht ausgeschlossen fühlte.
Munter sagte er: »Ich muss etwas abholen.«
Jetzt sah Daisy ihn mit offenem Mund an. »Willst du etwa ...?«, japste sie.
Schon öffneten sich die Türen wieder, und Ethan betrat mit Daisy den holzgetäfelten Raum des berühmten Diamanten-Stockwerks bei Tiffany’s, wo er seinen Einkauf abholen wollte.
»Nicht zu fassen!«, sagte Daisy, als sie auf eine der sechseckigen Vitrinen aus Holz und Glas zugingen. Interessiert beobachtete sie die glücklichen Paare, die bei einem Glas Champagner den womöglich wichtigsten Kauf ihres Lebens tätigten. »Ich kanns noch gar nicht glauben! Das willst du also abholen?«
Ethan lächelte unsicher. »Ich weiß, ich hätte vorher was sagen sollen, aber -«
»Oh, Mr. Greene.« Bevor er weitersprechen konnte, wurde Ethan von einem distinguierten älteren Verkäufer angesprochen. »Freut mich, Sie wiederzusehen. Alles ist fertig und hegt bereit. Aber ich habe am Telefon versäumt, Sie zu fragen, ob wir Ihren Einkauf gleich als Geschenk verpacken sollten oder ob Sie ihn erst noch der Dame zeigen möchten ...« Er lächelte Daisy zu, die ihn mit großen Augen anstrahlte.
»Oh ja, bitte, ich möchte ihn sehen!«, rief sie und schlug sich dann schuldbewusst die Hand vor den Mund, wohl wissend, dass sie sich ein bisschen damenhafter benehmen musste – vor allem in einem so vornehmen Geschäft.
Ethan verbarg sein Lächeln.
»So, da wäre er«, sagte der Verkäufer leise, während er ihnen die weltbekannte blaue Schachtel zeigte. Feierlich stellte er sie vor Daisy auf die Vitrine und öffnete den Deckel. Ein Platinring mit einem Solitär im Marquiseschliff lag funkelnd vor ihnen, genau wie Ethan ihn gleich nach der Ankunft in New York ausgesucht hatte.
Die Ringgröße hatte noch angepasst werden müssen, daher holte er ihn heute erst ab. Als er den Ring noch einmal betrachtete, war er sicher, dass er eine gute Wahl getroffen hatte. Es war die klassische Tiffany’s -Fassung: Der Diamant erhob sich ein wenig über dem Ring und wurde von sechs Platin-Krappen gehalten, die die Schönheit des Steines noch hervorhoben.
»Na, was meinst du?«, fragte er Daisy. Sie war ganz offensichtlich hingerissen von dem schönen Ring, aber Ethan hatte etwas anderes gemeint. Doch das freudestrahlende Gesicht, mit dem seine achtjährige Tochter ihn nun ansah, war ihm Antwort genug.
»Den hast du super ausgesucht, Daddy«, versicherte sie, »und Vanessa findet ihn sicher auch total schön.«
Bei Daisys positiver Reaktion war ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Den ganzen Tag – nein, Blödsinn, schon den ganzen Monat lang – hatte Ethan sich Gedanken gemacht, wie sie es aufnehmen würde, zumal diese Reise nach New York für ihn und seine Tochter eine besondere Bedeutung hatte.
Vorhin, als sie in einem Café heiße Schokolade tranken, hatte er Daisy zugeschaut, wie sie an ihrem Zitronen-Cupcake mit Zuckerglasur knabberte. Er wusste, dass ihr etwas durch den Kopf ging, denn genau wie ihre Mutter früher kniff sie die Augen leicht zusammen und öffnete kaum merklich den Mund, wenn sie in Gedanken war.
»Hat dir der Times Square gefallen?«, fragte er versuchsweise. »Mit den vielen Lichtern und allem?«
»Das ist alles einfach superschön«, antwortete Daisy. Sie sah durchs Fenster auf die belebte Straße hinaus. »Mum hat gesagt, zu dieser Jahreszeit ist Manhattan wie ein großer Weihnachtsbaum. Damit hat sie recht gehabt.«
»Du kannst dich wirklich noch daran erinnern, wie oft deine Mutter von New York erzählt hat, oder?«
Daisy lächelte ein wenig. »Ich weiß ja, dass ich noch klein war, aber ich hab es immer so gern gehört.«
Ethan nickte. »Und klar hatte sie recht damit, dass Manhattan wie ein großer Weihnachtsbaum aussieht. Deine Mutter hatte ganz oft recht.«
Plötzlich wurde Ethan bewusst, was es bedeutete, dass er mit seiner Tochter hier saß, in der Stadt, die ihre Mutter so geliebt hatte. Es nahm ihm fast den Atem. Er schluckte und bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen.
»Weißt du, womit sie auch noch recht hatte?«, fragte er dann. Daisy schaute ihn sehr aufmerksam an, wie immer, wenn er etwas von ihrer Mutter erzählte. Manchmal kam sie ihm wie eine Archivarin vor, die die einzelnen Teile eines großen Vermächtnisses sammelte, ordnete und zusammenfügte. Mit einem Lächeln fuhr er fort: »Sie hat recht gehabt, als sie sagte, du würdest zu einem blitzgescheiten und bildschönen jungen Mädchen heranwachsen.«
Daisy grinste und wandte sich wieder dem Fenster zu, um weiter das hektische Treiben auf der Fifth Avenue am Heiligen Abend zu beobachten.
Ethans erster Besuch in dieser Stadt war neun Jahre her.
Jane, Daisys Mutter, hatte ihn zu einer Reise nach New York überredet, und sie waren von London, wo sie lebten, hergeflogen und hatten die Stadt besichtigt.
Jane war in New York geboren und aufgewachsen und hatte einfach kein weiteres Frühjahr mehr durchstehen können, ohne – wie sie sagte – einen Spaziergang durch den Central Park zu machen, wenn die Blätter zu sprießen beginnen. Hin und wieder gab sie aus heiterem Himmel solche dramatischen Äußerungen von sich, und Ethan fragte dann immer, wer eigentlich der Englischdozent sei, sie oder er. »Du, Herr Professor«, antwortete Jane stets mit einem Augenzwinkern. »Du bist hier der kluge und kreative Kopf, während ich bloß eine geborene Romantikerin bin.«
Janes Eltern waren mittlerweile Rentner und nach Florida gezogen, sodass sie ihre Geburtsstadt nicht mehr so oft besucht hatte, wie sie gern gewollt hätte.
Auf dieser Reise war Daisy entstanden. Jane und Ethan witzelten immer – und Jane erzählte es auch ohne Hemmungen ihren Freundinnen und ihrer Familie -, ihre Tochter sei gezeugt worden, weil sie beide den Ausdruck »die Stadt, die niemals schläft« etwas zu wörtlich genommen hätten.
Als Ernährungsberaterin und Fitness-Trainerin hatte Jane ihr Bestes getan, um Ethan in Topform zu halten. Umso paradoxer schien es, dass sie selbst an Eierstockkrebs erkrankte und feststellen musste, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hatte, wenn die Chemotherapie nicht Wunder wirkte.
Daisy war damals fünf gewesen. Ethan und Jane liebten sich sehr, waren aber nie dazu gekommen, sich offiziell das Jawort zu geben. Nach der Diagnose jedoch wollte Ethan sie unbedingt heiraten.
»Aber das ist doch lächerlich, Schatz. Wir sind so glücklich. Warum also etwas ändern?«, hatte Jane abgewehrt. »Außerdem«, hatte sie scherzend hinzugefugt, »habe ich bald nicht mehr genug Haare, um einen Schleier festzustecken.«
Zu dem Zeitpunkt hätte Ethan ihr jeden Wunsch erfüllt, und Jane hatte mehrere letzte Wünsche.
Einer war, dass er mit ihrer Tochter zu Weihnachten nach New York reisen würde, sobald sie alt genug war. Stundenlang hatte Jane Daisy Geschichten über den Zauber Manhattans und die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit dort erzählt.
Als Daisy dann vor einigen Monaten angefangen hatte, von dieser Reise zu sprechen, war Ethan klar gewesen, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Eines Abends beim Essen hatte er seiner Freundin Vanessa von der Idee berichtet, in der Hoffnung, dass sie Lust haben würde, sich ihnen anzuschließen. Für Daisy und ihn hatte die Reise in Janes Heimatstadt natürlich eine ganz besondere Bedeutung, aber Ethan fand es wichtig, Vanessa mit einzubeziehen. Ihre Beziehung war in den letzten sechs Monaten immer ernsthafter geworden, und vielleicht war es ein Wink des Schicksals, dass sie zu dritt nach New York flogen. Vielleicht sollte dieser Trip für ihn und seine Tochter der Übergang in eine neue Lebensphase werden? Janes Tod lag nun drei Jahre zurück, und Ethan war sich sicher, dass sie ihren Segen hatten, wenn sie nun den nächsten Schritt machten. Ein anderer letzter Wunsch von Jane war nämlich gewesen, dass er nicht allein bleiben sollte.
»Such dir eine Frau, die Brot für dich backt«, hatte sie eines Tages lachend gesagt. Sie spielte damit auf ihre Ernährungsgewohnheiten an. Janes strenge, fast zwanghafte Diät beinhaltete, dass sie nur selten stärkehaltige Lebensmittel wie Brot oder Kartoffeln zu sich nahm, während Ethan der Verzicht auf Kohlehydrate sehr schwer fiel. Letzten Endes hatte Janes Ernährung keine Rolle gespielt – der Krebs hatte sie ihnen trotzdem genommen.
Allerdings wusste Ethan, dass die Bemerkung auch im übertragenen Sinne gemeint gewesen war. Damals hatte er die Vorstellung, mit einer anderen Frau weiterzuleben, nicht ertragen können, aber im Laufe der Jahre hatte er sich allmählich an den Gedanken gewöhnt. Eine Frau, die Brot für ihn backte? Ethan bezweifelte, dass diese Beschreibung auf Vanessa zutraf, aber er war sich sicher, dass er sie liebte, und er glaubte, dass sie das ideale weibliche Vorbild für seine schnell heranwachsende Tochter abgeben würde.
Als Ethan vorschlug, die Weihnachtstage zu dritt in New York zu verbringen, war Vanessa Feuer und Flamme gewesen. Sie kannte die Stadt gut, denn sie hatte oft beruflich in Manhattan zu tun oder besuchte Freunde dort.
»Glaubst du, Mum wäre stolz auf mich?«, fragte Daisy in diesem Moment und holte Ethan damit in die Gegenwart zurück. Er sah sie fragend an. »Sie hat immer gesagt, sie ist stolz auf mich, wenn ich mir was zutraue und was Neues ausprobiere«, fuhr seine Tochter fort. »Und jetzt bin ich hier in ihrer Lieblingsstadt und probiere was Neues aus.«
»Aber unter Garantie, mein Mäuschen«, antwortete Ethan sanft. Seine blauen Augen waren feucht geworden.
Er warf einen Blick auf die Armbanduhr und stellte überrascht fest, dass es schon später Nachmittag war. Er dachte an Vanessa und daran, dass sie bald von ihrem Besuch bei Freunden zurück sein würde und dass er vorher natürlich noch etwas ganz Wichtiges besorgen musste.
Eigentlich verrückt, dass er das so auf die letzte Minute erledigte, dachte er. Daisy war jetzt müde und innerlich ganz mit ihrer Mutter beschäftigt, aber er wurde bei Tiffany’s erwartet.
Sollte er wirklich zu Ende bringen, was er sich vorgenommen hatte, oder lieber gleich mit Daisy in die behagliche Hotelsuite im Plaza zurückkehren? Der Schwung, den ihm sein Vorhaben in den vergangenen Tagen verliehen hatte, ließ allmählich nach. Er fühlte sich gestresst. Nimm dich zusammen, befahl er sich.
»Weißt du denn, wer außerdem noch stolz auf dich ist?«, hatte er Daisy gefragt.
»Ja«, hatte sie ohne zu zögern geantwortet und ihren Kakao ausgetrunken. »Du. Und Vanessa auch. Das hat sie mir im Flugzeug gesagt.«
Ethan hatte gelächelt. Es hatte ihm gutgetan, das zu hören.
Während er und Daisy jetzt darauf warteten, dass der Verkäufer den Ring als Geschenk einpackte, stellte er erleichtert fest, dass sich alles zu fügen schien. Natürlich war immer noch die Frage, wie Vanessa reagieren würde, aber im Grunde wusste er das eigentlich schon.
Zumindest wusste er, wie sie auf den Ring reagieren würde.
Jane war immer ganz poetisch geworden, wenn die Sprache auf Tiffany’s kam, und sie hatte ihm erklärt, dass die berühmte blaue Schachtel ein Symbol für die wahre Liebe war, für eine Liebe aus einem New-York-Märchen. Ihr zufolge gab es auf der ganzen Welt keine Frau, die der kleinen blauen Schachtel widerstehen konnte. Dieses Juweliergeschäft verzauberte mit seinem Schmuck die Träume von Millionen.
Jane jedenfalls hatte immer weiche Knie bekommen, wenn er ihr etwas von Tiffany’s geschenkt hatte, und Ethan bedauerte noch immer, dass er nie die Gelegenheit gehabt hatte, ihr einen der berühmten Diamantringe zu überreichen.
Er war recht zuversichtlich, dass Vanessa den Ring genauso zu würdigen wissen würde, denn sie hatte einen Sinn für die schönen Dinge im Leben. Ihr berufliches Engagement ermöglichte es ihr, sich das Beste vom Besten zu leisten, und genau das verdiente sie auch, fand Ethan.
Wenn er daran dachte, was der Ring gekostet hatte, musste er schlucken. Wieder einmal war er dankbar für die Aktienoptionen, die sein Vater ihm vor einigen Monaten geschenkt hatte. Nur diesem unverhofften Geldsegen war es zu verdanken, dass Ethan astronomische Summen für einen Diamantring und eine Suite im Plaza hatte ausgeben können.
»Möchten Sie unser klassisches weißes Geschenkband oder zu Weihnachten lieber etwas Festlicheres?«, fragte der Verkäufer gerade. »Vielleicht eine rote Schleife?«
»Daisy?« Ethan wollte seine Tochter entscheiden lassen.
Sie überlegte einen Augenblick. »Auf jeden Fall das weiße Band.«
»Aha, der klassische Tiffany’s -Stil«, stimmte der Verkäufer mit einem Lächeln zu. »Unsere junge Dame hat Geschmack.«
Daisy grinste und schaute vom Verkäufer zu ihrem Vater. »Meine Mum hat mir immer von hier erzählt«, sagte sie schüchtern. »Sie hat mir erzählt, dass Tiffany’s ein ganz besonderes Geschäft ist, voller Zauber und Romantik.«
Der Verkäufer warf Ethan einen Blick zu. Ethan lächelte und erkannte damit stillschweigend an, dass Daisy in einem Alter war, wo solche versponnenen Vorstellungen eine große Rolle spielten.
»Daisys Mutter ist nicht mehr bei uns, aber sie war ein großer Fan von Tiffany’s «, vertraute er dem Verkäufer an. Er konnte sich gut vorstellen, wie Jane bei ihren Erzählungen von New York von Tiffany’s geschwärmt hatte. Seine große Liebe war eine romantische Frau gewesen und hatte an das Schicksal und die Geheimnisse des Universums und anderes skurriles Zeug geglaubt.
Und was hatte es ihr genützt?, dachte Ethan. Aber in letzter Zeit kamen bei Daisy ganz ähnliche Neigungen zum Vorschein. Allerdings war sie ja auch erst acht Jahre alt und tapezierte die Wände ihres Zimmers mit Bildern von Prinzessinnen und Einhörnern. In ihrem Alter war so was vermutlich normal.
Jedenfalls war Ethan erleichtert, dass seine Tochter sich inzwischen auch von dieser phantasievollen Seite zeigte. Nach dem viel zu frühen Tod ihrer Mutter war sie nämlich manchmal sehr ernst und ängstlich und machte sich Sorgen wegen nichts und wieder nichts.
»Ach so.« Der ältere Mann nickte, als würde er das verstehen. Er ging in die Hocke, sodass er auf Augenhöhe mit Daisy war. »Ja, das hier ist wirklich ein ganz besonderes Geschäft, und du siehst ja, dass es hier sehr romantisch zugeht.« Er deutete auf die strahlenden Paare, die ganz mit sich und ihrem Liebesglück beschäftigt waren. »Und ich muss zugeben, auch ich habe in meiner Zeit hier zauberhafte Momente erlebt. Wie zum Beispiel heute, als ich dich kennengelernt habe, junge Dame«, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu, und Daisy errötete vor Freude.
Ethan wurde ganz leicht ums Herz, als er das Lächeln seiner kleinen Tochter sah.
Als das Päckchen in einer kleinen Tragetasche verstaut war, die ebenfalls den typischen Tiffany’s -Blauton hatte, hielt der Verkäufer Ethan den Einkauf hin, aber Daisy war schneller. Sie fasste nach den weichen Griffen. »Darf ich das tragen?«, bat sie und schaute auf die Tasche, als enthielte sie eine seltene Kostbarkeit.
Was ja auch stimmte.
»Na klar.« Eine schönere Reaktion hätte Ethan sich von ihr nicht wünschen können. Nun war er sich so sicher wie nie zuvor, dass ihr Urlaub zu dritt in New York nur der erste Schritt auf einer wunderbaren gemeinsamen Reise war, die Vanessa, Daisy und er vor sich hatten.
Ethan wünschte dem freundlichen Verkäufer fröhliche Weihnachten und nahm sein Töchterchen an die Hand. Sie verließen Tiffany’s und mischten sich wieder unter die Menschenmenge auf der Fifth Avenue.
»Hey, meine Schöne, was gibt s?«
Gary Knowles befand sich im Bergdorf Goodman Mens Store in einer Umkleidekabine und klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter, um beide Hände frei zu haben. Er drehte sich zur Seite und reckte die Schultern, um zu schauen, wie gut das Ralph-Lauren-Polohemd passte, das er gerade anprobierte. Dabei lächelte er seinem Spiegelbild zu.
»Ja ... schön, dass du Spaß hast«, fuhr er abwesend fort und drehte den Kopf, um besser sehen zu können, wie das taillierte Hemd sich an seinen Rücken schmiegte. »Hmm? Ja, bin hier gleich fertig.«
Anerkennend nickte Gary seinem Spiegelbild zu und strich sich ein paar blonde Haarsträhnen aus dem Gesicht, die an den Spitzen gerade so stark mit Wasserstoffperoxid aufgehellt waren, dass es total cool aussah. Doch, dieses Hemd würde er definitiv mitnehmen, beschloss er. »Dürfte nicht mehr lange dauern. Du könntest dich doch schon für heute Abend fertig machen«, schlug er vor, »und wir treffen uns dann nachher im Hotel. Kanns nicht genau sagen ... so um sieben vielleicht? Ich muss hier noch ein paar Dinge erledigen.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Was, du bist mit deinen Sachen schon durch? Ist ja spitze – und für eine Frau erst recht!« Er lachte über seinen Scherz, schlüpfte aus dem Hemd und begutachtete jetzt seinen nackten Oberkörper.
Der Waschbrettbauch wirkte in diesem Licht besonders eindrucksvoll, fand er. Schade nur, dass niemand ihn so sehen konnte. »Toll. Dann treffen wir uns da? Ja ... ich mich auch.«
Damit beendete Gary das Gespräch und steckte das Handy zurück in die Tasche. Dann zog er seine eigenen Sachen wieder an, schnappte sich die Sammlung von Einkaufstüten zu seinen Füßen und verließ die Kabine in Richtung Kasse.
Er genoss jede Minute im Big Apple. So eine Reise hatte er schon seit Jahren vorgehabt, aber aus irgendeinem Grund war er nie dazu gekommen. Und in letzter Zeit lief seine Firma so mies, dass er es nicht hätte verantworten können, für so was Geld hinzulegen.
Damals, im goldenen Zeitalter des irischen Baubooms, hatte Garys Ein-Mann-Baufirma selbst für die kleinsten Hütten ganz hübsche Sümmchen einstreichen können, aber diese Zeiten waren leider lange vorbei.
Natürlich hatte er ein paar Pfund auf der hohen Kante und war daher noch nicht ganz abgebrannt, aber Ausflüge nach New York standen ziemlich weit unten auf der Liste, wenn man vier Immobilien am Hals hatte, die allesamt Fehlinvestitionen waren – zwei davon zurzeit ohne zuverlässige Mieter -, und außerdem noch ein teures Hobby pflegte, nämlich das Motorradfahren.
Was für ein Glück also, dass Rachel ihm nach neun Monaten Beziehung zum fünfunddreißigsten Geburtstag diese Reise nach New York geschenkt hatte. Sie hatten beschlossen, den Trip noch ein Weilchen aufzuschieben, denn Rachel war schon ein paarmal in New York gewesen und hatte ihm versichert, dass Weihnachten in dieser Stadt etwas ganz Besonderes sei und auf jeden Fall der beste Zeitpunkt für einen Kurztrip.
Mit erhobenem Kopf steuerte Gary durch die Kundenscharen zur nächsten Kassenschlange. Da fiel sein Blick auf eine Vitrine mit Tag-Heuer-Uhren, und sofort führte ihn der Hinweis auf ein »Weihnachtsangebot« in Versuchung. Schließlich jedoch entschied er, dass er eine Armbanduhr besaß und dass eine reichen musste. Nun führte sein Weg an der Schmuckvitrine vorbei. Vielleicht begegneten ihm ja noch andere Schnäppchen.
Nun, sie waren zwar nicht im Angebot, aber die Manschettenknöpfe von Paul Smith würden ihm sicher super stehen – besonders bei Besprechungen mit seinem Finanzberater. So was lohnte sich immer, sagte er sich. In seiner Branche musste man schließlich tipptopp aussehen, vor allem in diesen schwierigen Zeiten. Die Dinger waren zwar nicht gerade geschenkt, aber das war doch eine Investition in die Zukunft, oder?
Auf Garys Bitte hin nahm der Verkäufer das Kästchen aus der Vitrine, damit er sich die Manschettenknöpfe besser anschauen konnte. »Und vielleicht auch noch etwas für die Dame Ihres Herzens?«, schlug er vor, und nicht zum ersten Mal war Gary beeindruckt, wie aufgeweckt diese Kerle waren, wenn es ums Verkaufen ging. Sie konnten zwar manchmal ein bisschen penetrant werden, aber wenn die Verkäufer zu Hause in Irland genauso fix wären, würde das Land immer noch boomen, da war er sich sicher. »Wir haben in unserer Parfümabteilung ein paar wunderbare Sonderangebote ...«
Mehr hörte Gary nicht, denn der Hinweis des Verkäufers erinnerte ihn an etwas.
Rachel.
Vorhin hatte er sich zwar hübsche Unterwäsche für sie angesehen, aber tatsächlich gekauft hatte er für seine Freundin noch nichts, wie ihm plötzlich siedend heiß einfiel.
»Äh, nee ... nein. Nur die Manschettenknöpfe, danke«, sagte er, während er fieberhaft überlegte.
Er konnte ihr nicht schon wieder Parfum kaufen, denn das hatte sie gerade erst zum Geburtstag gekriegt, aber was hatte er am Heiligen Abend um diese Uhrzeit sonst für Möglichkeiten? Es war fast sechs, und er hatte Rachel versprochen, etwa bis sieben fertig zu sein. Sie wussten beide, dass er sich immer verspätete, also hatte er noch ungefähr anderthalb Stunden, andererseits kriegte er allmählich Hunger, und die Geschäfte würden bald schließen.
Gary bezahlte das Hemd und die Manschettenknöpfe und beschloss, wieder auf die Fifth Avenue hinauszugehen und es einfach im nächstbesten Laden zu versuchen, den er sah. Schließlich fühlte Rachel sich in der Stadt sauwohl und war offensichtlich einfach schon deshalb glücklich, weil sie zusammen in New York waren. Da würde etwas Kleines als Erinnerung doch wohl reichen, oder?
Als er nicht weit entfernt Tiffany & Co entdeckte, atmete er auf. War das nicht so ein ganz berühmter Schmuckladen? Perfekt. Offensichtlich hielt jemand seine schützende Hand über ihn, und das Ganze war vielleicht weniger stressig, als er befürchtet hatte. Er schob sich wieder durch eine der verdammten Drehtüren – in Manhattan schien es nichts anderes zu geben, aber ihm wurde davon schwindelig – und betrat den Laden.
Sofort fiel sein Blick rechts auf eine Vitrine, aber nicht so sehr wegen der Kostbarkeiten darin, sondern wegen des Schmuckstücks dahinter. Die schöne Blondine mit ordentlich Holz vor der Hütte lächelte in seine Richtung und zog ihn damit unwiderstehlich an.
»Frohe Weihnachten«, sagte sie, als Gary sich näherte.
»Hallo. Wünsche ich Ihnen auch.« Gary überflog die Auslage mit den todschicken Ketten, und plötzlich brach ihm der kalte Schweiß aus. Mein lieber Schwan, die Preise waren ja der Hammer!
»Willkommen bei Tiffany’s. Wie kann ich Ihnen helfen? Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
»Nein, eigentlich nicht«, murmelte Gary. »Nur eine nette Kleinigkeit für ... Ich brauche etwas für meine Schwester.« Wenn er sagte, dass er etwas für seine Freundin suchte, würde die Verkäuferin ihn für einen Geizkragen halten, weil er nicht viel ausgeben wollte. »Was Hübsches, aber nicht zu ... Na ja, Sie wissen schon.« Wie hatte er nur so blöd sein können, ausgerechnet hier reinzumarschieren, als könnte er sich in so einem Laden einfach irgendwas aussuchen.
»Oh, ich glaube, da habe ich genau das Richtige für Sie. Bitte folgen Sie mir«, sagte die Verkäuferin und führte ihn zu einer anderen Vitrine. »Diese Bettelarmbänder werden immer sehr gern gekauft, vor allem jetzt zu Weihnachten.« Sie deutete auf einige silberne Armbänder. »Sie sind sehr beliebt. Ein ideales Geschenk für eine Schwester, finde ich, etwas Besonderes, aber gleichzeitig relativ neutral.«
»Äh ... darf ich mal sehen?«, fragte Gary nervös.
»Aber selbstverständlich.«
Gary betrachtete das Armband und warf einen raschen Bück auf das Preisschildchen. Erleichtert atmete er aus. Ja, das war das Richtige. Etwas Besonderes, dabei relativ neutral und vor allem nicht zu kostspielig. »Gut. Das ist perfekt ... Amanda«, fügte er mit einem Blick auf ihr Namensschildchen hinzu.
»Sie wollen das Armband wirklich nehmen?« Die Verkäuferin kicherte, und ihre blauen Augen waren groß vor Staunen. »Das ging aber schnell.«
»Ja«, sagte Gary mit einem kleinen Augenzwinkern. »Bei mir wird nicht lang gefackelt.«
»Mir gefällt Ihr Akzent«, sagte Amanda und betrachtete ihn prüfend. »Sind Sie Engländer?«
»Ich bitte Sie, was für eine Beleidigung!« Gary tat entsetzt, schüttelte aber gleich den Kopf, als er ihr bestürztes Gesicht sah. »Nein, nein, keine Sorge, das ist bloß ein alter Witz. Ich bin Ire. Aus Dublin. Schon mal da gewesen?«
»Leider nicht. Vielleicht irgendwann mal ...«, sagte Amanda, während sie das Armband in ein weiches Filzbeutelchen packte und das Ganze wiederum in eine quadratische blaue Schachtel legte und mit einer weißen Satinschleife zuband. »Hier, bitte sehr. Mit dieser kleinen blauen Schachtel machen Sie Ihrer Schwester bestimmt eine Riesenfreude – darüber freut sich jede Frau!«
»Ja, ja, das glaube ich auch. Sie wird mich dies Jahr zu ihrem Lieblingsbruder küren«, murmelte Gary und zückte seine Visa. Nachdem Amanda den Preis eingetippt hatte, gab sie ihm die Karte zurück, zusammen mit einer kleinen Tragetasche von Tiffany’s. Gary musste zugeben, dass er ein bisschen stolz war, als er seinen Einkauf entgegennahm.
Immerhin – er würde Rachel was von Tiffany’s schenken! Bestimmt würde sie sich ein Loch in die Mütze freuen.
»Vielen Dank, Sir«, sagte die Verkäuferin lächelnd. »Viel Freude noch bei Ihrem Aufenthalt in New York. Genießen Sie die Zeit hier.«
»Das mache ich. Und ganz schöne Weihnachtstage für eine schöne Frau«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
»Danke Ihnen. Die werde ich bestimmt haben!« Amanda kicherte, und Gary schenkte ihr einen letzten anerkennenden Blick, bevor er seine Einkaufstaschen aufnahm und wieder auf die Straße hinausging.
Das wäre erledigt, dachte er mit einem Grinsen. Die Tüten hingen schwer an seinen Armen, und er fühlte sich fast wie ein Jäger, der reich mit Beute beladen nach Hause kam.
In diesem Moment klingelte sein Handy wieder. Gary nahm alle Tüten in eine Hand, griff mit der anderen in seine Tasche und schaute auf das Display. Ihm wurde flau. Er hatte gedacht, Rachel würde sich vielleicht noch mal melden, aber nein, diese Anruferin wollte er nicht sprechen.
Nein, heute schon gar nicht, und erst recht nicht hier in New York. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt! Wenn sie ihn so sehen könnte, würde sie ihn sicher umbringen. Aber darüber konnte er sich ein andermal den Kopf zerbrechen, dachte Gary. Er nahm den Anruf nicht an, auch wenn es ihm schwerfiel, das unangenehme Geflatter in seiner Brust zu ignorieren. O Mann, in diesen Dingen war er wirklich nicht gut!
Endlich war das Handy still, und Gary atmete auf. Das war ja gerade noch mal gutgegangen.
Jetzt musste er bloß noch rauskriegen, wie er am schnellsten in sein Hotel in SoHo zurückkam.
Wo war sein Motorrad? Jetzt hätte er es wirklich gut gebrauchen können. Genervt stöhnte er auf. Selbst mit all den Einkaufstüten wäre es wesentlich einfacher gewesen, auf seine Ducati zu springen, als hier ein Taxi zu ergattern, zwischen den vielen Menschen, die genau dasselbe im Sinn hatten.
Also gut, sagte Gary sich. Er hob den Arm und trat auf die Fahrbahn, so wie die Männer in den Filmen das immer machten.
Fix und fertig vom Shoppen hatten auch Ethan und Daisy soeben Tiffany’s verlassen.
»Wie sieht s denn aus, Mäuschen? Möchtest du jetzt noch in den Disney Store?«, schlug Ethan vor, hoffte jedoch, dass Daisy genauso müde war wie er selbst. Es war ein langer Tag gewesen, und die Menschenmassen gingen ihm zunehmend auf die Nerven.
Daisy zog die Nase kraus. »Nö, ich finde, wir fahren jetzt zurück.«
»Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung.« Ethan nahm sie an der Hand und wollte gerade weitersprechen, als ein Rufen ihn unterbrach.
»Wer nicht will, der hat schon, du Flachpfeife!« Die bemerkenswert laute Stimme übertönte den Straßenlärm. Vielleicht, dachte Ethan, hörte er den Mann auch deshalb heraus, weil der unverkennbar irische Akzent ihm so vertraut war. Vanessa war nämlich Irin.
Vater und Tochter drehten sich zu dem Mann um. »Keine Sorge, Schätzchen. Er will bloß ein Taxi anhalten, aber dazu braucht er heute Abend eine Menge Glück. Also, was meinst du -«
Wieder wurde Ethan unterbrochen, diesmal von lautem Hupen, gefolgt von Reifenquietschen. Ethan drehte sich um und sah den Mann mitten auf der Straße liegen. Seine Einkaufstüten waren rings um ihn verstreut.
»Verdammter Idiot!«, brüllte ein Taxifahrer aus dem Wagenfenster.
Ach du je ... Ethan hielt seine Tochter fest an der Hand und schob sich durch die Gaffer, die sich rasch ansammelten. Als Universitätsdozent hatte er einen Erste-Hilfe-Kurs abgeschlossen und fühlte sich stets verpflichtet, bei Notfällen einzugreifen.
»Jemand muss einen Krankenwagen rufen –schnell!«, befahl er, während er sich auf die Straße durchdrängte.
Er kniete sich neben den Verletzten und sah sofort, dass dieser noch atmete. Erleichtert machte Ethan sich daran, ihm ein bisschen Platz zu verschaffen.
»Ist ihm was passiert?«, rief der Taxifahrer erschrocken. »Mann, der ist mir einfach vors Auto gelaufen! Ich konnte ihm nicht ausweichen, ganz ehrlich.«
»Das kann ich nicht beurteilen.« Behutsam wischte Ethan dem Verletzten das Blut von der Stirn und sorgte dafür, dass niemand ihn bewegte, während sie auf Hilfe warteten.
»Ich schwöre bei Gott, er kam einfach aus dem Nichts. Meine Fahrgäste können das bezeugen, und – o Mann ...« Ethan folgte dem Blick des Fahrers. Das gelbe Taxi war leer. Typisch für die New Yorker, dachte er sarkastisch, immer in Eile. Sie konnten nicht mal so lange warten, bis sich herausstellte, ob der Mann noch lebte, den ihr Taxi angefahren hatte.
»Am besten, Sie machen sich keine Sorgen. Bestimmt kommt er bald wieder auf die Beine«, beruhigte Ethan den Fahrer. Seit seine Zeugen verschwunden waren, wirkte der arme Mann noch verzweifelter. Hat wohl Angst, dass man ihn verklagt, überlegte Ethan. Aber vielleicht war dieser zynische Gedanke auch unfair.
Inzwischen hatte sich eine große Menschenmenge angesammelt. Ethan lag zwar in erster Linie die Gesundheit des Mannes am Herzen, aber er war auch um dessen Habseligkeiten besorgt. Der arme Kerl konnte es jetzt wirklich nicht gebrauchen, dass ihm jemand an Heiligabend auch noch seine Einkäufe klaute.
»Könntest du seine Sachen einsammeln?«, bat er Daisy, die sehr besorgt aussah. »Ist nicht so schlimm, Mäuschen, er erholt sich bald wieder«, fügte er schnell hinzu. Es tat ihm leid, dass Daisy diesen Notfall mit ansehen musste. »Wir sollten aber aufpassen, dass niemand seine Einkäufe stiehlt.« Das schien Daisy zu verstehen, und zu Ethans Erleichterung schritt sie sofort zur Tat.
Endlich hörten sie die Sirene des Krankenwagens, allerdings dauerte es ewig, bis er durch den Verkehrsstrom auf der Fifth Avenue zu ihnen durchgedrungen war.
Als die Sanitäter schließlich eintrafen und sich um alles kümmerten, hatte Ethan nur noch den Wunsch, sein kleines Mädchen in die Wärme und Geborgenheit ihres Hotels zurückzubringen.
Er erzählte den Sanitätern das bisschen, was er über den Unfallhergang wusste. Als sie den nach wie vor bewusstlosen Mann – und seine Unmengen an Einkaufstüten – in den Krankenwagen verluden, konnte er gehen.
»Hey, Mister«, rief eine raue Stimme Ethan nach. Es war ein weiterer Taxifahrer, der den Vorfall anscheinend aus der Nähe beobachtet hatte. »Das war wirklich sehr nett von Ihnen. Wie wär s denn, wenn ich Sie und Ihre kleine Tochter jetzt nach Hause bringe? Die Fahrt geht auf mich.«
»Danke, das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen«, antwortete Ethan. Anscheinend waren die New Yorker doch nicht so egoistisch, wie man ihnen bisweilen nachsagte. »Aber wir müssen nur einen Block weiter, und ich glaube, der Fußweg wird uns jetzt guttun. Trotzdem, vielen Dank. Und fröhliche ... schöne Feiertage, meine ich.«
»Kein Problem. Ihnen auch.« Der Fahrer tippte sich an die Baseballmütze, und Ethan und Daisy machten sich auf den Weg zum Plaza, das zum Glück ganz in der Nähe war.
Im Hotelzimmer half Ethan Daisy, ihre Winterjacke aufzuknöpfen, und wärmte ihr die Hände. Vanessa war noch unterwegs, und er war froh, dass er nach dieser Aufregung einen Moment mit seiner Tochter allein war. Seit sie ihre Mutter verloren hatte, war sie ängstlicher geworden. Vor allem fürchtete sie, dass sie Ethan auch noch verlieren könnte, was natürlich verständlich war.
Manchmal benahm sie sich tatsächlich wie eine Miniaturausgabe ihrer Mutter: Sie schimpfte ihn wegen seiner falschen Ernährung aus und verbot ihm, zu viel Junk Food zu essen. Dafür machte Ethan allerdings auch die Panikmache in der Fernsehwerbung verantwortlich, insbesondere die Spots, die ständig Heilmittel für Herzerkrankungen und Diabetes anpriesen. Eine Achtjährige sollte sich nun wirklich keine Sorgen um gesundheitliche Probleme machen, sondern nur damit beschäftigt sein, wie die Märchen ausgingen, die sie gerade las.
Nach dem Unfall schienen Daisys alte Ängste erneut erwacht zu sein, und er musste versuchen, ihr Selbstvertrauen wieder aufzubauen.
»Geht s dir gut?«, fragte er, und sie nickte unsicher. »Du bist eben eine ganz große Hilfe gewesen. Es ist traurig, aber es gibt Menschen, die dem Mann vielleicht seine Einkäufe geklaut hätten. Du hast ihm genauso geholfen wie ich, weißt du. Wir sind ein gutes Team, du und ich.« Bei diesen Worten lächelte Daisy stolz, und ihm wurde ein wenig leichter ums Herz. »Wollen wir uns nicht was aufs Zimmer bringen lassen, während wir auf Vanessa warten? Nachher erzählen wir ihr dann alles. Möchtest du noch eine heiße Schokolade?«
»Ich weiß nicht«, sagte Daisy zögernd. »Wir hatten heute doch schon einen richtig großen Becher ...«
»Ach was, deine Mutter hat immer gesagt, zu Weihnachten in New York kann man nie zu viel heiße Schokolade trinken.«
Daisy brachte ein Lächeln zustande. »Ja, wirklich? Gut, dann möchte ich eine.«
»Prima. Ich rufe jetzt den Zimmerservice an, und während wir warten, könntest du dich doch schon mal waschen und deinen Schlafanzug anziehen. Wenn du fertig bist, treffen wir uns hier wieder, einverstanden?«
»Okay.«
Eine Viertelstunde später entspannte Daisy sich allmählich. Sie saß auf der Chaiselongue, mit einem Becher heißem Kakao mit Marshmallows, genau so, wie sie ihn am liebsten mochte. Ethan saß ihr in einem bequemen Sessel gegenüber. Es war ein merkwürdiger Tag gewesen, und das schien auch Daisy so zu sehen. Ja, heute war eine Menge geschehen.
»Du bist so still«, sagte er, stand auf und setzte sich zu ihr ans Fußende der Chaiselongue. »Die Ärzte werden tun, was sie können, um dem Mann zu helfen, das weißt du sicher.«
»Ja. Ich habe solche Sachen schon im Fernsehen gesehen, Dad.«
»Schön, dann ist dir ja klar, dass er in guten Händen ist.«
Sie grübelte also nicht nur über den Unfall nach. Ethan wusste nicht recht, ob er das gut oder schlecht finden sollte.
»Was denkst du über den Verlobungsring? Und darüber, dass ich Vanessa fragen will, ob sie ... ob sie deine Stiefmutter werden möchte?« Ethan griff nach Daisys Hand. »Vanessa spielt jetzt schon eine ganze Weile eine Rolle in unserem Leben, und sie hat dich wirklich sehr lieb, weißt du. Sie liest sehr gerne mit dir und bringt dich auch gerne zum Ballettunterricht und so. Es wäre schön, wenn wir wieder eine Familie wären, findest du nicht?«
Daisy trank einen großen Schluck von ihrer Schokolade und rührte die Marshmallows mit dem Finger um. »Ja. Das wäre schön.«
»Wir beide, du und ich, sind natürlich auch immer eine Familie gewesen«, sagte Ethan. Plötzlich war er so bewegt, dass er eine Pause machen musste, bevor er weitersprechen konnte. »Ich weiß noch«, sagte er dann, indem er Daisys Hand umdrehte und sie öffnete, »wie ich früher dein winziges Händchen gehalten habe. Ich habe gestaunt, weil die Linien in unseren Händen gleichzeitig so ähnlich und so verschieden waren.« Mit dem Zeigefinger zog er Daisys Handlinien nach, während sie aufmerksam lauschte. Ethan wusste, dass sie liebend gern Geschichten aus ihrer Kleinkindzeit hörte. Vermutlich liebten alle Kinder solche Geschichten, aber Daisy vielleicht ganz besonders, weil in diesen Erinnerungen meistens ihre beiden Eltern vorkamen. »Du und ich, wir haben so viel gemeinsam, innerlich und äußerlich. Du bleibst immer mein Baby, aber ich sehe jeden Tag, wie du wächst und dich veränderst – wie du immer mehr zu dem Menschen wirst, der du eigentlich bist. Das ist so wunderbar, und trotzdem ... Na ja, es war manchmal schwer ohne deine Mutter«, sagte er mit stockender Stimme. »Aber ich finde es so schön, dass ich für dich da sein kann, mein Mäuschen, und ich möchte, dass du das weißt. Ich ... Ach, ich rede wahrscheinlich wirres Zeug.« Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar und überlegte, warum ihm plötzlich alles so unwirklich vorkam, als wäre er im falschen Film. Dabei war ihm doch bei Tiffany’s alles noch so richtig erschienen. Er bedeckte Daisys kleine Hand mit seiner großen und fuhr fort: »Du sollst einfach wissen, dass ich dich sehr liebhabe. Du wirst bei mir immer an erster Stelle stehen. Aber jetzt müssen wir vielleicht, wie deine Mutter immer gesagt hat, uns beide etwas zutrauen und etwas Neues ausprobieren.«
Zum ersten Mal seit dem Unfall lächelte Daisy wieder ihr altes, unbefangenes Lächeln. »Mum wäre wirklich stolz auf uns«, sagte sie. Sie stellte ihren Becher ab und umarmte ihren Vater so fest wie schon lange nicht mehr.
Rachel Conti liebte New York zur Weihnachtszeit. Eine Reise in diese Stadt war zwar immer ein besonderes Vergnügen, aber in den Weihnachtstagen zeigte Manhattan sich von seiner schönsten Seite: Alles war mit funkelnden Lichtern geschmückt und überall herrschte Festtagsstimmung.
Während sie in ihrem Hotelzimmer in SoHo saß, Glühwein trank und auf die Lichter des Wolkenkratzers gegenüber schaute, tat es ihr ein wenig leid, dass sie nicht Nägel mit Köpfen gemacht und ein Zimmer direkt im Zentrum genommen hatte, etwa im Plaza, oder wenigstens in einem Hotel mit Blick auf den Central Park. Das wäre so viel romantischer gewesen, zumal es morgen schneien sollte. Aber einen solchen Luxus hatte Rachel sich nicht leisten können, als sie das Hotel reserviert hatte. Bei den Scharen von Touristen, die Weihnachten in New York verbrachten, waren die besseren Hotels entweder ausgebucht oder viel zu teuer gewesen.
Sie wünschte, ihr Freund würde seinen Einkaufsbummel bald beenden und zurückkommen. Er hatte heute ziemlich viel Zeit mit Shoppen verbracht, fand Rachel, sogar mehr als sie selbst; doch weil sie nur für ein paar Tage hier waren, konnte sie es ihm wohl kaum übelnehmen, dass er seine Einkaufstour in New York so lange wie möglich ausdehnte.
Rachel konnte nicht anders als sich zu fragen, was er sich wohl diesmal als Geschenk für sie überlegt hatte. Am Valentinstag waren sie erst wenige Monate zusammen gewesen, daher hatte sie ein Auge zugedrückt, als er ihr eine dieser Standard-Schokoladenrosen in buntem Zellophan überreicht hatte. Zu ihrem Geburtstag, ein paar Monate später, war sie dann wieder enttäuscht gewesen, denn er hatte ihr ein Fläschchen Parfüm und einen Geschenkgutschein von einem bekannten Textildiscounter geschenkt. Sicherlich nützlich, aber nicht gerade etwas Besonderes. Gary war einfach nicht der Typ für große Gesten oder überschwängliche Gefühle.
Trotzdem, es war immerhin möglich, dass er sich diesmal steigerte. Schließlich hatte sie ihm ja diese supertolle Reise zum Geburtstag geschenkt. Bestimmt hatte er sich da im Gegenzug auch etwas Entsprechendes ausgedacht? Nicht, dass sie bei ihrem Geschenk heimliche Hintergedanken gehabt hätte, auch wenn Justin das anscheinend so sah. Justin war der Küchenchef im Stromboli, dem Bistro in Dublin, das Rachel zusammen mit einer Freundin führte.
»Wow, das ist ja eine Investition«, hatte Justin sie geneckt. »Da hoffst du sicher, dass etwas Ähnliches zurückkommt?«
Justin war nicht nur ihr Angestellter, sondern auch ihr Freund. Inzwischen hatte sie sich an seine direkte, manchmal spöttische Art gewöhnt, aber diese Frage verblüffte sie dann doch.
»Hör nicht auf ihn«, hatte Terri, ihre beste Freundin und Geschäftspartnerin, sie beruhigt. »Dass Justin Hintergedanken hat, wenn er jemandem eine Freude macht, heißt ja nicht, dass das für jeden gilt.«
Doch Rachel spürte, dass auch ihre Freundin etwas überrascht war von ihrer Großzügigkeit, zumal sie noch gar nicht so lange mit Gary zusammen war. Obwohl er sein Bestes tat, um es zu verbergen, wusste Rachel, dass Garys Firma harte Zeiten durchmachte. Da ihr Bistro im Gegensatz dazu super lief, wollte sie gern etwas tun, um ihn aufzumuntern. Mehr hatte sie sich bei ihrem Geschenk nicht gedacht.
Bisher war die Reise wunderschön gewesen. Gestern Abend hatten sie am Broadway den König der Löwen gesehen, und zu ihrer Überraschung hatte es Gary tatsächlich Spaß gemacht. Für heute hatten sie ein ganz entspanntes Heiligabend-Dinner in einem Steakhouse in der Nähe geplant, mit ein paar Drinks, und danach wollten sie wieder ins Hotel zurück und ... Rachel lächelte. Sie sollte sich jetzt wohl Heber fertig machen. Gary hatte gesagt, er sei so um sieben wieder da, obwohl – sie wusste ja, dass er es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nahm. Sicher hatte sie mindestens noch eine halbe Stunde zusätzlich.
Nachdem sie schnell unter die Dusche gesprungen war und ihr festliches rotes Kleid angezogen hatte, betrachtete Rachel sich von oben bis unten im Spiegel.
Wie immer war sie froh, dass sie ihr dunkles Haar relativ kurz trug. So hatte sie nicht viel Arbeit damit, und fürs Kochen im Bistro war es auch viel hygienischer. Der fransige Stufenschnitt, den ihre Friseurin ihr beim letzten Mal verpasst hatte, gefiel ihr gut. Er war ein bisschen strubblig und sah kokett aus. Rachel schüttelte den Kopf, als sie sich daran erinnerte, wie unzufrieden sie als Teenager mit ihrem zierlichen Körperbau gewesen war. Damals wäre sie gern so groß wie ein Supermodel gewesen. Inzwischen allerdings mochte sie ihre Figur sehr. Ihre schön gerundeten Hüften harmonierten mit der schlanken Taille und den verhältnismäßig großen Brüsten – mehr als eine Handvoll, wie Gary immer sagte. Das war ihr sizilianisches Erbe, genauso wie die relativ ungewöhnliche Kombination aus blauen Augen und dunklem Teint.
Rachel lächelte. Ja, ihr Freund hatte bestimmt eine wunderbare Überraschung für sie – das spürte sie einfach. Sie wollte ja nichts Großartiges oder Teures, nur etwas Besonderes, ein Geschenk, das er sich speziell für sie ausgedacht hatte.
Während sie die Schnallen an ihren hochhackigen silbernen Riemchensandalen schloss, beugte sie sich absichtlich vornüber, um zu testen, ob ihre Brüste in dem tief ausgeschnittenen Kleid guten Halt hatten. Dann beschloss sie, Garys Geschenke schon auf sein Kopfkissen zu legen, damit er sie gleich fand, wenn sie vom Essen zurückkamen.
Eine Stunde später hatte Rachel die Päckchen einige Male umsortiert, beim Zimmerservice noch mehr Glühwein bestellt, drei Kekse aus der Minibar gegessen und mindestens zwanzigmal ihr Lipgloss aufgefrischt.
Aber so war Gary eben: chronisch unpünktlich und immer bereit, bis an die Grenzen zu gehen. Meistens war das liebenswert, aber diesmal fand sie es ärgerlich, schließlich war heute ein ganz besonderer Abend. Als Rachel gerade nach einem weiteren Keks griff; klingelte das Hoteltelefon, und sie erschrak. Komisch, dass Gary sie nicht auf dem Handy anrief.
»Guten Abend, hier ist Nancy Moore, ich rufe vom Mount Sinai Hospital an«, sagte eine fremde Stimme. Rachel wurde flau. Ein Krankenhaus? »Ist Ihnen ein Mr. Gary Knowles bekannt?«
»Ja ... natürlich.« Rachels Herz klopfte jetzt wie wild. »Warum?«
»Es tut mir leid, dass ich Sie mit meinem Anruf beunruhige, aber Mr. Knowles hat einen Unfall gehabt«, fuhr die Frau mit sachlicher Stimme fort. »Sein Zustand ist stabil, aber er ist noch nicht wieder bei Bewusstsein. Wir haben seinen Hotelschlüssel gefunden und gehofft, im Hotel seine Angehörigen zu erreichen.«
Seine Angehörigen? Nein, das konnte doch nur bedeuten ... »Oh Gott.« Rachel brachte kaum ein Wort heraus. »Was ist denn passiert? Ich bin seine Freundin ...«
»Er ist von einem Taxi angefahren worden, aber er hat keine schweren Verletzungen«, erklärte die Frau, und Rachel atmete auf. »Wir rechnen damit, dass er bald wieder bei Bewusstsein ist. Aber Sie können ihn gern hier besuchen, jederzeit. Wie ist Ihr Name, bitte?«
»Rachel, Rachel Conti. Ja, ja, natürlich – ich komme sofort ...«
Sie zog rasch ein Paar Schuhe mit flachen Absätzen an, um schneller laufen zu können, und hüllte sich in einen warmen Mantel. Bis zum Krankenhaus brauchte sie nicht einmal fünfundvierzig Minuten, was für eine Taxifahrt am Heiligen Abend in New York gar nicht schlecht war. Sie hatte auch schnell heraus, in welchem Zimmer Gary lag. Auf der Station schnappte sie sich eine Krankenschwester und fragte sie über die Einzelheiten aus.
»Er hat sich beim Aufprall Rippenquetschungen zugezogen und eine Platzwunde am Kopf, und beim Sturz dann eine Gehirnerschütterung«, las die Frau vom Krankenblatt ab. »Und einen Knöchel hat er sich verstaucht. Anscheinend hat ein barmherziger Samariter eingegriffen und die Gaffer ferngehalten, ihn ein bisschen gesäubert und auch dafür gesorgt, dass die Diebe nicht über seine Einkäufe hergefallen sind. Da liegen die Sachen«, sagte die Schwester und deutete auf den Berg bunter Einkaufstüten auf einem Stuhl neben Garys Bett.
»Wird er wieder ganz gesund?«, fragte Rachel nervös.
»Ja. Aber rechnen Sie nicht damit, dass er vor morgen früh wieder richtig zu sich kommt. Er ist vor etwa einer halben Stunde aufgewacht, aber wir haben ihm ein Beruhigungsmittel gegeben, damit er liegen bleibt und sich ausruht. Sie können gern ein bisschen bei ihm bleiben, aber vielleicht möchten Sie auch einfach seine Einkäufe mitnehmen und ins Hotel zurückfahren und sich selbst etwas ausruhen. Er muss eine Weile hierbleiben, vielleicht drei Tage. Ach, und fröhliche Weihnachten«, setzte die Krankenschwester hinzu.
Rachel hob nur schwach die Hand, um sich zu bedanken. Dann beugte sie sich über Gary, küsste ihn sanft auf die Stirn und streichelte seinen Arm.
»Elender Kotzbrocken«, murmelte er fast unhörbar.
Fragend sah die Krankenschwester Rachel an. »Er murmelt schon den ganzen Abend irgendwas vor sich hin. Haben Sie eine Ahnung, was er meinen könnte?«
Rachel musste unwillkürlich lächeln. »Ach, wissen Sie, die Iren fluchen einfach gern.«
»Wenn das so ist ...« Die Frau nickte rasch, als würde das alles erklären. »Das kann man dem armen Kerl ja wohl kaum übelnehmen. Schönen Abend.«
»Danke, Ihnen auch.« Rachel wandte sich wieder Gary zu und nahm seine Hand. »Armer Schatz, siehst du ... Immer musst du an deine Grenzen gehen«, flüsterte sie. Mit den Tränen kämpfend streichelte sie ihm die Stirn. »Hoffentlich ist das nicht passiert, weil du so eilig zu mir zurückwolltest.«
Eine gute Stunde lang saß Rachel bei ihm, versuchte, das Ausmaß seiner Verletzungen abzuschätzen, und überlegte, ob die Schwester ihr wohl etwas verschwiegen hatte. Aber abgesehen von den Prellungen und der Kopfwunde schien ihm nichts zu fehlen. Trotzdem hätte sie es lieber gehabt, wenn er wach gewesen wäre und mit ihr gesprochen hätte.
Als Rachel schließlich den Eindruck hatte, dass er fest schlief, beschloss sie, dem Rat der Krankenschwester zu folgen und zurück ins Hotel zu fahren. Es war spät, die offizielle Besuchszeit war längst vorbei, und da Gary so stark sediert war, konnte sie ohnehin nicht viel tun. Sie nahm seine Einkaufstüten an sich. Vermutlich war es sicherer, sie ins Hotel zu bringen und nicht vor aller Augen hier herumliegen zu lassen.
Als sie gerade gehen wollte, kam ein Pfleger mit einer weiteren Tragetasche ins Zimmer, die Garys Kleidung und andere persönliche Dinge enthielt.
Schwer bepackt warf Rachel einen letzten Blick auf ihren verletzten Freund. »Ich liebe dich, Gary. Frohe Weihnachten«, flüsterte sie.
Kurz bevor der Heilige Abend in den ersten Weihnachtstag überging, verließ sie das Krankenhaus.
»Da haben Sie aber bis zur letzten Minute Weihnachtseinkäufe gemacht, was?«, scherzte der Taxifahrer, als Rachel mit Garys gesammelten Tüten und Taschen in den Wagen stieg.
»Schön wär s«, erwiderte Rachel kurz angebunden und nannte ihm die Adresse des Hotels.
Im Hotel ließ sie sich aufs Sofa fallen, und Garys Einkäufe verteilten sich um sie herum auf dem Boden. Sie war müde und niedergeschlagen. Obwohl sie nicht bezweifelte, dass Gary in guten Händen war, machte sie sich doch Sorgen.
Außerdem schienen die glitzernden Lichter in den Straßen, die durchs Fenster hereinschimmerten, sie zu verspotten. Rachel konnte nur an den armen Kerl denken, der im Krankenhaus lag.
Sollte sie seine Mutter benachrichtigen? Sie kannte Mrs. Knowles überhaupt nicht, aber Gary hatte ihre Nummer bestimmt in seinem Handy. Rachel biss sich auf die Lippe. Vielleicht war es besser, bis morgen zu warten, bis sie mehr von den Ärzten erfahren hatte. Wenn sie Mrs. Knowles jetzt einfach so anrief, würde sie der armen Frau ebenfalls das Weihnachtsfest verderben, und das wollte sie nicht.
Rachel stand vom Sofa auf und schenkte sich ein Glas Wein ein. Dann zog sie ihr rotes Kleid aus, warf es aufs Bett und schlüpfte in den flauschigen Hotelbademantel – statt in das süße neue Negligé, das ordentlich zusammengefaltet auf Garys Kopfkissen lag.
Plötzlich fiel ihr die Plastiktüte mit Garys Kleidern wieder ein. Es war vielleicht komisch, aber es gefiel ihr überhaupt nicht, dass seine Sachen so in einer Tüte auf dem Fußboden lagen. Das war ja fast, als wäre er gestorben. Nein, sie wollte alles aufräumen und dafür sorgen, dass seine Kleider frischgewaschen auf ihn warteten, wenn er zurückkam.
Rachel hob die Tragetasche aus der Klinik auf und ließ sich damit auf dem Bett nieder. Stück für Stück zog sie die Sachen heraus. Garys Brieftasche legte sie auf den Schreibtisch. Das Jackett war schmutzig und hatte Blutflecken von seiner Kopfwunde, genauso wie seine Jeans; die Klamotten mussten also in die Wäsche. Rachel durchsuchte die Taschen nach Quittungen und anderen Dingen, die einen Waschgang nicht überstehen würden. Aus einer Jeanstasche zog sie ein Blatt Papier hervor, offensichtlich Garys Liste für seine Weihnachtseinkäufe.
Typisch Gary, dachte Rachel mit einem Blick auf den Zettel und lächelte. Es gab eine Spalte für die Namen und eine für die Geschäfte, in denen er anscheinend die Geschenke für die betreffenden Personen gekauft hatte oder hatte kaufen wollen. Hmmm ... wo hatte er wohl ihr Weihnachtsgeschenk besorgt? Wenn es um seine Familie ging, wich Gary ihren Fragen immer aus. Am liebsten hätte sie jetzt mehr über die Beziehungen zu seinen Verwandten erfahren, indem sie nachschaute, wo er die Geschenke für sie gekauft hatte. Doch plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie ihn ausspionierte, und sie legte die Liste ungelesen neben sich auf den Nachttisch. Dann schaltete sie den Fernseher ein, knipste die Nachttischlampe aus und griff nach ihrem Weinglas. Diesmal nahm sie einen ordentlichen Schluck, statt nur daran zu nippen.
Unwillkürlich wanderte ihr Blick wieder zu der Liste auf dem Nachttisch. Sie war furchtbar neugierig, was Gary wohl für sie vorgesehen hatte. Ach, was Solls, dachte sie und griff wieder nach dem Blatt Papier. Schließlich hatte Gary ja nur die Läden aufgeschrieben, nicht die Geschenke. Da konnte ein weiterer Blick auf die Liste doch wohl nicht schaden, oder?
Und schon hatte sie den Zettel wieder in der Hand und auch die Nachttischlampe wieder angeknipst, um besser lesen zu können. Auf den ersten Blick fand sie ihren Namen nicht, und auch als sie das Blatt genauer studierte, konnte sie ihn nicht entdecken. Mit einem Stirnrunzeln legte sie die Liste zur Seite.
Dann ging ihr ein Licht auf. Wie konnte sie nur so blöd sein? Natürlich stand ihr Name nicht auf der Liste. Bestimmt hatte Gary genau im Kopf gehabt, wo er ihr Weihnachtsgeschenk besorgen wollte, weshalb hätte er es da noch aufschreiben sollen?
Erleichtert schenkte Rachel sich ein zweites Glas Wein ein, und diesmal fiel die Portion etwas großzügiger aus als beim ersten. Aber sie fand es in Ordnung, sich mit Wein zu trösten, schließlich war sie in der Weihnachtsnacht allein in einem Hotel in New York und machte sich Sorgen.
Sie schlüpfte unter die Bettdecke und ließ die Geschenke für Gary eins nach dem anderen neben dem Bett auf den Boden gleiten. Zuerst das Negligé, als Nächstes den schweren Karton mit der ledernen Motorradhose und schließlich die handgearbeitete Brieftasche mit seinen Initialen. Dann wanderten ihre Gedanken zu der Frage zurück, was Gary wohl für sie gekauft hatte.
Sie betrachtete den Haufen Einkaufstüten, der fast in ihrer Reichweite lag. In einer davon befand sich ihr Geschenk. Rachel wusste, dass er es gestern noch gekauft hatte, denn zu ihrer Schande musste sie gestehen, dass sie das Zimmer und seinen leeren Koffer bereits durchsucht hatte. Sie hatte gehofft, irgendeinen Hinweis darauf zu finden, was sie von ihm erwarten konnte. Das war albern, und sie war deswegen sauer auf sich selbst, aber sie hatte einfach nicht anders gekonnt.
»Nein, ich gucke nicht nach«, sagte sie laut, griff nach der Fernbedienung und zappte durch die Kanäle. Cinemax, MoreMax, Pay-per-View ... einige der Show-Titel sahen recht interessant aus. »Huch, wer guckt denn in der Weihnachtsnacht Pornos?«, fragte Rachel sich. Doch es war bloß eine rhetorische Frage, und sie suchte weiter, bis sie auf Ist das Leben nicht schön? stieß, noch rechtzeitig, um sich die zweite Hälfte des alten Weihnachtsklassikers anzusehen.
Perfekt.
Als George die Glocken läuten hörte und wieder an den Sinn seines Lebens glaubte, hielt Rachel die leere Weinflasche in der einen und Garys Liste in der anderen Hand. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht – wie jedes Mal, wenn sie diesen Film sah. Ohne nachzudenken sprang sie aus dem Bett, ging zur Couch und fing an, die Geschenke mit den Namen und Geschäften auf der Liste abzugleichen.
Sobald sie ein Päckchen zugeordnet hatte, legte sie es neben sich. Als sie ans Ende der Liste gelangte, lag nur noch eine Tüte von Bergdorf Goodman auf dem Sofa. Sie enthielt Männerkleidung und ein paar teuer aussehende Manschettenknöpfe – vielleicht für Garys Bruder? Darunter fand Rachel eine auffällig kleine Tragetasche in einem wunderbaren, wohlbekannten Blauton.
»Ist ja nicht zu fassen ... von Tiffany’s!«, rief sie laut. Mit klopfendem Herzen überprüfte sie noch einmal die Liste und drehte und wendete den Zettel mehrmals. Nichts.
Konnte das für sie sein? Hatte Gary ihr wirklich bei Tiffanys ein Geschenk gekauft?
Offensichtlich!
Rachels Augen funkelten noch heller als die Festbeleuchtung draußen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr und schluckte.
Inzwischen war doch längst offiziell Weihnachten, oder? Mit angehaltenem Atem lugte sie in die kleine Tragetasche.
Und entdeckte darin die weltberühmte blaue Schachtel.