5,99 €
Sina hat einen Freund und ist total verliebt. Nur manchmal gibt ihr Yannis Rätsel auf: Warum dürfen Jungs mehr als Mädchen? Was ist ein "Männerabend"? Wieso glauben viele immer noch, Frauen gehören an den Herd und Mädchen können kein Mathe? Bevor Sina vor Empörung platzt, beschließt sie, Jungs-Forscherin zu werden. Kann ja wohl nicht sein, dass die immer alles besser wissen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 217
Die Jungs und ich
ILONA EINWOHLT
FÜR M., DEN BESTEN JUNGEN DER WELT!
3. Auflage 2013 © 2010 Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten knaus.büro für konzeptionelleund visuelle identitäten, Würzburg Einbandillustration: Constanze Guhr ISBN 978-3-401-80047-9www.arena-verlag.de Mitreden unter forum.arena-verlag.de
Inhalt
Erstes Kapitel, in dem Sina Jungsforscherin wird
Stockfisch an der Angel
Kussmuss
Das Geheimnis echter Männerabende
Zweites Kapitel, in dem Sina über die ersten Männer in ihrem Leben nachdenkt
Mein Papa und ich
Mein Bruder und ich
Andere Väter haben auch Töchter
Drittes Kapitel, in dem Yannis sagt, was Sache ist
Viertes Kapitel, in dem Sina echte Kerle trifft
Warum es DER Urlaub, aber DIE Ferien heißt
Andere Männer, andere Sitten
Bravo, Gigolo
ERSTES KAPITEL, IN DEM SINA JUNGSFORSCHERIN WIRD
Stockfisch an der Angel
„Das Beste an Jungs ist, dass sie im Stehen pinkeln können“, findet Leon, mein kleiner Bruder. Klar, in dem Alter finden es noch alle süß, wenn er an den Gartenzaun pullert. Und natürlich bin ich bei jeder längeren Autofahrt neidisch, wenn er sich irgendwo im Nirgendwo einfach an den nächstbesten Baum stellen kann, während ich eine der siffigen Toiletten aufsuchen muss – oder meilenweit durchs Gebüsch staksen darf, um eine geeignete Stelle zu finden.
Meine Freundin Julia kann sich über dieses „letzte Ritual der Männlichkeit“, wie sie es nennt, stundenlang aufregen, in Sachen Hygiene ist sie sehr pingelig. „Überall diese Pinkelflecken, das ist eklig“, beschwert sie sich immer. „Als ob die sich nicht wie vernünftige Menschen setzen könnten.“ Ich mag trotzdem nicht glauben, dass die peinlichen Hinweisschilder auf Püttners Gästetoilette ihre Idee waren, die hat garantiert ihre Mutter dorthin gehängt. Meine sieht dieses Thema relativ entspannt, zumal Leon es schafft, selbst im Sitzen durch die Klobrille hindurchzupinkeln … Aber es kommt durchaus vor, dass sie Leon (und auch Papa) einfach den WC-Reiniger samt Wischlappen in die Hand drückt. Ich finde, das sagt mehr als stundenlange Predigten.
Freies Pinkeln für alle! Solange das Klo hinterher wieder ordentlich ist …
Ziemlich nervig finde ich allerdings, wenn unsere Jungs auf Klassenfahrten sprichwörtlich den Larry heraushängen lassen und grüppchenweise am Straßenrand stehen. Oder wenn sie heimlich das Lagerfeuer auspinkeln, das die Herbergseltern liebevoll entfacht haben. Yannis, Marco, Juri & Co. fanden das superwitzig, aber Sebastian hat sich dabei eine leichte Rauchvergiftung eingefangen – recht geschieht ihm! Das hat nämlich hinterher nicht nur bestialisch gestunken, sondern uns anderen gehörig die Laune verdorben.
„Das Beste an Jungs ist, dass ihr so klein und niedlich seid“, hat Oma Doris erst letzten Sonntag wieder gemeint und Leon zärtlich an ihren großmütterlichen Busen gezogen. „Jetzt wollen sie noch kuscheln und Schokolade naschen, mit einem spielen und vorgelesen bekommen. Aber später?“ Sie hat dem kleinen Stinker drei Kekse verfüttert, jeder weiß, dass Leon bestechlich ist. Und ich habe mich gefragt, warum Mütter und Omas nicht mit ihren großen Jungs kuscheln. Wollen sie nicht oder wollen etwa die nicht?
Spätestens in der Pubertät gehen Jungs – wie Mädchen im Übrigen auch – auf körperliche Distanz zu ihrer Mutter. Weil sie erwachsen werden und sich abnabeln, ein normaler Prozess.
Wäre ja auch uncool, mit 16 noch bei Mama auf dem Schoß zu sitzen!
Die hammergeilste Bemerkung zum Thema Jungs kommt allerdings mal wieder von Jolina: „Das Beste an Jungs ist ihr Schwanz!“, hat sie heute Morgen in der Schule gesagt. – Also echt, wie peinlich, so ein Satz kann doch nur von ihr stammen, oder? Und das traut die sich nur, weil derzeit alle Welt äußerst freizügig mit solchen Wörtern umgeht und du von Bitterfotze bis Feuchtgebiete über alles reden kannst. Aber ich, Sina Rosenmüller mit den großen Füßen und seit Neustem mit dem süßesten Jungen der Welt zusammen, halte das für einen oberdämlichen Ausspruch, denn ich finde ihn
1. geschmacklos und vulgär. (Wer sagt denn schon Schwanz in aller Öffentlichkeit?!)
2. eindimensional und dumm. (Das würde ja bedeuten, dass Jungs außer ihrem besten Stück nichts zu bieten hätten!)
3. diskriminierend und benachteiligend. (Weil er Jungs auf ihr Fortpflanzungsorgan reduziert und die Frage offen lässt, was wohl das Beste an Mädchen ist?!)
Vor Empörung ist mir vorhin in der Pause glatt die Spucke weggeblieben und ich wusste erst mal gar nicht, was ich sagen sollte. Meine Freundin Julia, die total in ihren Nicolas verliebt ist, hat albern gekichert und meine exbeste Freundin Kleo ist knallrot angelaufen. Nur Milli hat cool geantwortet:„Du musst es ja wissen!“, und damit auf die ach so tollen Erfahrungen angespielt, die Jolina durch ihre zahlreichen Jungsgeschichten inzwischen gesammelt hat. Jolina ist nämlich ein Jahr älter als wir und lässt uns Mädchen gerne wissen, dass wir in Sachen Jungs, Küssen und Knutschen noch lange nicht mitreden können.
Dabei haben wir alle – außer Kleo – einen Freund: Milli geht seit einem halben Jahr mit Marco, die beiden hängen ständig zusammen – wie diese unzertrennlichen Vögel. Ich bin mir sicher, in Sachen Knutschen macht Jolina Milli und Marco so schnell nichts vor, denn die beiden nutzen jede Gelegenheit, irgendwo heimlich zu küssen. Von Milli weiß ich, dass die Initiative meistens von Marco ausgeht, weil er auf ihre „Züngeleien“ steht.
Ehrlich gesagt rede ich mit meiner Freundin über vieles. Aber wie genau sich Marcos Zungenspitze anfühlt und wo überall die beiden rumkuscheln, interessiert mich gigagar nicht.
Julia ist mit Nicolas zusammen – ha, aber nicht mehr lange. Okay, das sage ich als Fräulein Fies, aber Nicolas geht im Sommer mit seinen Eltern wieder zurück nach Frankreich, da kann seine Süße mit ihm nicht mehr jeden Tag romantische Dates haben. Nicolas hat das letzte Schuljahr bei uns in der Klasse verbracht und zuerst waren wir alle der Reihe nach in ihn verliebt. Er sieht total süß aus, aber leider, leider – oder zum Glück? – hat er sich von Anfang an mehr für Julia interessiert als für mich. Obwohl ich sonst was veranstaltet und mich teilweise ziemlich dämlich verhalten habe, nur um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Julia sieht zugegebenermaßen ziemlich gut aus: Mit ihren braunen langen Haaren und ihrer zarten Figur ist sie das typische Girlie-Girl, auf das Jungs abfahren. Und sie hat sich voll von Nicolas’ Charme einwickeln lassen – sie will von ihrem Freund vergöttert werden und gleichzeitig mit ihm angeben können. Inzwischen kann ich sein arrogantes Auftreten nicht mehr ab und bin froh, dass nicht ich in seine krankhafte Klammerliebe geraten bin.
Was ICH an Jungs gut finde: Wenn sie ehrlich, verantwortungsbewusst und zuverlässig sind, wenn sie Engagement für eine Sache zeigen und spontan sein können, wenn sie zu ihrer Meinung stehen, wenn sie ihre Gefühle zeigen und über sich reden können, ich mag, wenn sie gut riechen und gepflegt sind. So wie Yannis. Der zudem noch supersüß aussieht.
Juri ist auch okay, der ist vor allem witzig und mit ihm kann ich gut reden, manchmal versteht er mich besser als Yannis.
Marco ist Yannis’ bester Kumpel, ein bisschen oberflächlich für meinen Geschmack, aber sonst komme ich gut mit ihm klar.
Sebastian ist ein stylischer Obermacker, nicht mein Typ, aber sehr nett. Sieht irre gut aus, muss ich zugeben.
Antonio-Softeis ist ein lieber Kerl. Zu lieb, wie ich finde, der hat nie eine eigene Meinung.
Dennis ist ein prima Kerl, aber kein Typ zum Verlieben.
Wer prägt deinen Jungsgeschmack: Soll er so cool und smart sein wie in der Werbung? Erfolgreich und gut aussehend wie die Jungs aus der Boygroup? Oder tough und zielstrebig wie dein Vater? Verständnisvoll und großartig wie dein Bruder?
Jedes Mädchen, jede Frau steht auf einen bestimmten Typus Junge bzw. Mann: Ohne es zu merken, scheinst du diesem Prinzip dein Leben lang zu verfallen, immer wieder kommst du mit dem gleichen „Typ“ Junge nach Hause. Prägend hierfür sind einschlägige Erfahrungen in deiner Kindheit, je nachdem, wer und wie deine erste große Liebe war.
Test
Was erwartest du von einem Jungen? Welche Eigenschaften sind besonders wichtig für dich? Und wie siehst du dich dabei?
Kreuze 5 der folgenden Aussagen an, die dir am wichtigsten sind, und schau dann nach, wie oft du welchen Buchstaben angekreuzt hast. Je gemischter, desto offener – und frei von Klischees und falschen Erwartungshaltungen! – bist du.
A Mein Freund soll gerne mit mir shoppen und auf Partys gehen.
B Mein Freund muss zu mir stehen und mich akzeptieren, wie ich bin.
D Ich möchte einen Freund haben, der mich unterstützt und mir zur Seite steht.
C Mein Freund sollte cool und selbstbewusst sein.
B Mein Freund muss merken, wenn ich mich nicht gut fühle, und auf mich eingehen.
A Mein Freund soll durchtrainiert, körperbewusst und sportlich sein.
C Ich wünsche mir einen Freund, der weiß, was er will.
D Ich fände es großartig, wenn mein Freund größer und älter ist als ich.
A Mein Freund sollte ein Faible für Kosmetik haben.
C Ich hasse es, wenn mein Freund wie eine Klette an mir hängt.
B Mein Freund soll mich bewundern und vergöttern.
C Mit seinem Freund auch mal richtig streiten zu können, ist mir wichtig.
D Mein Freund sollte für mich sorgen, er darf mich gerne einladen.
A Ich möchte einen Freund, der modebewusst ist und sich nicht nur für Computer und Autos interessiert.
B Ich warte immer darauf, dass mich ein Junge anspricht und auf mich zugeht – das erwarte ich auch von meinem Freund.
C Mein Freund soll sich aus meinen Angelegenheiten raushalten.
D Ich brauche jemanden, der stark ist und bei dem ich mich anlehnen kann.
B Ich will mit meinem Freund zusammen im Kino bei Liebesfilmen weinen.
C Mein Freund möchte bitte meine Meinung respektieren, so wie ich seine respektiere.
A Gutes Benehmen ist mir wichtig – mein Freund sollte Stil haben.
D Mein Freund soll immer für mich da sein.
Auswertung:
A Dir sind bei Jungs vor allem Äußerlichkeiten und Statussymbole wichtig. Entsprechend achtest du ebenfalls auf dein Styling und deinen Auftritt. Du denkst: Wenn ich nicht gut aussehe, werde ich auch nicht anerkannt. Lass dich nicht auf deine Hülle reduzieren. Und gib dich bei der Auswahl deines Freundes nicht mit einer gut aussehenden Hülle zufrieden. Lerne, dich und andere Menschen wegen ihrer Persönlichkeit zu schätzen. Schau nach, was sich hinter gutem Aussehen verbirgt – und ob sich da etwas verbirgt.
B Dein Freund soll dir jeden Wunsch von den Augen ablesen, immer für dich da sein und romantische Geschenke machen. Wie eine Märchenprinzessin wartest du auf seinen Erlöserkuss. Du denkst: Wenn er mich nicht glücklich macht, kann ich nicht glücklich sein! Wach auf! Du selbst bist deines Glückes Schmied. Im Hier und Jetzt kannst du nur glücklich sein, wenn du dich aus dieser Abhängigkeit löst.
C Du hättest gern einerseits einen Freund, mit dem du schöne Stunden verbringen kannst, aber andererseits darf dir derjenige nicht zu nahe kommen, denn du bist dir selbst am Wichtigsten. Du denkst: Wenn ich mich gut fühle, habe ich auch eine glückliche Beziehung. Pass auf, dass dein Verhalten nicht egoistisch wird.
D Du suchst einen Aufpasser und Beschützer, jemand, der dir sagt, was du tun sollst, der dir Sicherheit gibt und der dich bedingungslos liebt. Du denkst: Wenn er mir nicht hilft, weiß ich nicht weiter. Versuche, eigene Entscheidungen zu treffen und mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln. Einen Vater hast du doch schon – xsuche einen verlässlichen FREUND!
Aber wir als ihre Freundinnen wissen: Julia kann eine oberfiese Zicke sein und sich wer weiß was einbilden auf ihre Klamotten und ihr Styling. Oder liegt es daran, dass sie so gut Französisch spricht? Kein Wunder, hätte ich einen französischen Freund, könnte ich diese Sprache sicher auch besser … Doch in dieser Hinsicht bin ich ein hoffnungsloser Fall und ich freue mich schon jetzt darauf, wenn ich dieses verhasste Fach, das mir regelmäßig in meinem Zeugnis den Notendurchschnitt ruiniert, in der Oberstufe endlich abwählen kann. Der einzige Junge, der nicht auf Julia steht, ist Yannis – aber der ist auch mein Freund, und alles andere wäre ja noch schöner!
Ich kann es selbst noch kaum glauben, aber seit zwei Wochen sind wir ein Paar.
Seit genau 331 Stunden oder 19.860 Minuten oder 1191 600 Sekunden flattern in meinem Bauch Schmetterlinge, starten Düsenjets und krabbeln Ameisen. Ich bin sooo himmelhochjauchzend gut drauf, das kannst du dir nicht vorstellen.
Das ist also dieses berühmte Gefühl „Verliebtsein“. Irre!
Gute Freunde und richtige Kumpels sind Yannis und ich ja, seit ich denken kann, weil wir schon immer hier in dieser öden Reihenhaussiedlung in nachbarlicher Eintracht nebeneinanderwohnen. Es hat nur eine Weile gebraucht, bis ich kapiert habe, welche Gefühle (welche wunderbaren, unglaublichen, kribbeligen Gefühle) ich wirklich für Yannis habe. Denn zunächst hatte er mir auf meiner Geburtstagsparty einfach einen oberfetten Knutschfleck verpasst, der wochenlang in regenbogenbunten Farben an meinem Hals schillerte.
Mein Knutschfleck und ich! Ich kann dir sagen …
Ich war damals tierisch sauer auf ihn, das kannst du mir glauben! Danach hatte Yannis mich komplett ignoriert und so getan, als sei nichts geschehen. Ich habe gekocht vor Wut. Bis er sich dann in der Silvesternacht dafür entschuldigt und ich ihm verziehen hatte. Und seitdem war nichts mehr so, wie es davor einmal war, Yannis schlich ständig in meiner Nähe herum und mein Herz machte urplötzlich Yannis-Hüpfer, sobald ich ihn sah. Ich war total durcheinander und wusste nicht, was ich machen sollte. Es hat noch mal Monate gedauert, bis einer von uns sich getraut hat, den nächsten Schritt zu tun, und wir uns zum ersten Mal geküsst haben. Das war damals auf dem Klassenausflug und sooo romantisch … Wir warteten im strömenden Regen vor dem Eingang dieser Kunstausstellung auf unsere Lieblingslehrerin Tuszynski, die viel zu spät im rosa Ostfriesennerz angehechtet kam. Yannis und ich waren die Einzigen, die in ihren „superspießigen“ (Zitat Julia) Allwetterjacken nicht nass wurden, und haben die ganze Zeit miteinander herumgealbert. Später dann habe ich im allgemeinen Tumult den Anschluss an die Führung verpasst und stand alleine in einem abgedunkelten Ausstellungsraum. Völlig versunken in den Anblick des Bildes vor mir, habe ich nicht gemerkt, dass Yannis plötzlich wie aus dem Nichts neben mir stand – und seinen Arm um mich legte. Und dann … na ja, du kannst dir schon denken … das war das Schönste, was ich je erlebt habe, Yannis und ich, ganz alleine, ganz nah, als ob es immer schon so sein sollte, dass wir beide zusammengehören. Seitdem tanze ich auf rosaroten Wolken, ich wusste ja gar nicht, wie verliebt ich in Yannis bin.
Wir verbringen jetzt viel Zeit miteinander, vor allem im Schwimmbad, weil das Wetter so geil ist und weil wir dort unbeobachtet von unseren Müttern uns richtig küssen können. In Sachen Eigeninitiative ist Yannis ja nicht so der Bringer, aber wenn’s ums Küssen geht, Mannomann. So wie neulich, als wir uns bei einer Radtour vor dem Gewitter in Sicherheit bringen mussten und den Nachmittag tropfnass und eng umschlungen in einem Unterstand verbracht haben, während es draußen donnerte und krachte. Es ist toll, mit ihm zusammen zu sein, egal, ob wir jetzt am Main entlangradeln oder Hand in Hand durch die Stadt schlendern, es fühlt sich einfach superprickelig- flatterig-wunderbar an, dass ich einen Freund habe … Meistens kann ich mit Yannis auch ganz gut reden, er ist der einzige Junge, mit dem ein Gespräch über Pickel und Deos nicht peinlich ist. Das geht natürlich nur, wenn wir alleine sind, im Beisein von seinen Kumpels Marco und Sebastian ist da nicht dran zu denken. Unser aller Maskottchen Juri kann Yannis übrigens gar nicht ab, er reagiert sogar manchmal mit echt gemeinen Sprüchen auf ihn. Jede Wette ist Yannis tierisch eifersüchtig auf Juri, weil wir Mädels so oft mit ihm abhängen und rumkuscheln und er uns sogar seine Antworten zu diesem Jungs-Fragebogen aus der Girl Girl hat lesen lassen. Im Gegensatz zu Yannis, der ein riesiges Staatsgeheimnis daraus gemacht hat. Wenn du Glück hast, darfst DU seine Antworten später noch lesen, ICH, Sina Rosenmüller mit den großen Füßen und seit Neustem seine Freundin, ganz bestimmt nicht. Und trotzdem: Wenn er seine Eifersuchtsanfälle bekommt, ist er auf seine Weise wirklich süß.
Juri dagegen ist ein total entspannter Typ, ich hab ihn wirklich sehr gerne, das macht immer Spaß mit ihm. Wenn wir Juri nicht hätten, wüssten wir nicht, wieso jeder Junge das Rasieren üben muss, heimlich auf unsere Brüste schielt und eine Klopapierrolle unterm Bett stehen hat … Bei Juri weißt du immer, woran du bist, Juri sagt, wenn er traurig ist oder schlechte Laune hat. Dann lass ich ihn einfach in Ruhe, bis er darüber reden will oder sich wieder beruhigt hat, ich weiß ja, was Sache ist und dass es nichts mit mir zu tun hat.
Yannis kann über seine Gefühle nämlich nicht besonders gut sprechen, er ist in dieser Hinsicht eher der coole Typ (oder müsste man sagen „schüchterne Typ“?), der erwartet, dass ihm seine Gefühle von den Augen abgelesen werden. Was natürlich nicht immer funktioniert. Und manche Dinge möchte ich nicht von den Augen ablesen, sondern die möchte ich einfach hören. Ein „Hab dich lieb“ zum Beispiel oder „Mag dich ganz doll“ – gerne leise ins Ohr geflüstert. Nicolas ist scheinbar ein Meister im Säuseln von Liebesbeweisen, wie Julia es ständig herumerzählt. Ich gebe zu, das macht mich ganz schön eifersüchtig, denn Liebesschwüre würde ich auch gerne mal hören. Selbst vorhin, als ich drüben war und mich extra auf seinen Schoß gesetzt habe, um ihn zu fragen, was wir heute noch so machen, hat Yannis nur schwach mit den Achseln gezuckt und ständig zu seiner Spielkonsole gelunst. Ich habe versucht, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und bin ziemlich bald gegangen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, ich hätte gesagt, was ich von ihm erwarte. Muss mir wohl selbst vorwerfen, manchmal auch zu cool zu sein.
Immer sollen wir Mädels die Kommunikationsprofis sein und die Kerle aus der Reserve locken! Können die nicht auch mal diesbezüglich in Aktion treten, bitte schön?!
Es gibt keine wirklich befriedigende Erklärung dafür, warum manche Jungen und Männer nicht besonders gut über ihre Gefühle sprechen können. Liegt es an ihren Genen, ihrer Sozialisation, ihrer Mutter, an ihrer Gehirnstruktur, an ihrem Vater, der seine Gefühle auch nicht zeigt? Letztendlich musst du das auch nicht verstehen, sondern einfach (!) nur akzeptieren können. Verglichen mit der Vätergeneration reflektieren sich die meisten Jungs heute ganz gut und können inzwischen über ihre Gefühle sprechen, aber anders als Mädchen tun sie das nicht ständig und mit jedem.
Wenn du jedoch mit einem Stummfisch verbandelt bist, prüfe ehrlich, ob es dir reicht, wie er mit dir, deinen und seinen Gefühlen umgeht. Es ist jedoch in keinem Fall eine Lösung, bei ihm ständig HDL-Worte quengelnd einzufordern oder ihm dauernd etwas in die Ohren zu säuseln. Besser wäre es, in einem ernsthaften Gespräch dein Bedürfnis nach Liebesbeweisen zu formulieren und ihm zu sagen, wie wichtig es dir ist, von ihm auch mal zu hören, dass er dich mag. Manchmal sind Jungs einfach nur schüchtern und haben Angst, das Falsche zu tun.
Denn heute vor exakt 14 Tagen haben Yannis und ich uns zum ersten Mal geküsst. Das kann er doch unmöglich vergessen haben! Wäre doch die Gelegenheit für eine kleine Aufmerksamkeit! Von Milli weiß ich, dass Marco ihr einmal im Monat zum Kennlerntag eine rote Rose schenkt. Oder meint Yannis vielleicht, der zarte Kuss seinerzeit im Museum zählt nicht, sondern erst der „richtige“ ein paar Tage später im Schwimmbad, von dem ich total wund gescheuerte Lippen hatte? Oder der romantische Kuss in der Hollywoodschaukel letzten Samstag auf dem Sommerfest, das unsere Klasse in Dietrichs Garten veranstaltet hat. Den ganzen Abend über haben Yannis und ich dort verbracht …
Die Gedanken daran stimmen mich wieder milder. Und doch lümmle ich etwas enttäuscht im Liegestuhl auf unserer Terrasse und grüble. Seit wann sind wir richtig zusammen? Einen Kennlerntag kann es ja bei uns nicht geben, wo wir doch seit immer nebeneinanderwohnen. Also muss der Tag unseres ersten Kusses gefeiert werden, und das wäre heute. Aber was soll ich machen? Rübergehen und ihn zur Rede stellen? Weiterhin vor mich hin schmollen? Nee, das ist beides nicht meine Art.
Da muss ich wohl Jungsforscherin werden und herausfinden, warum Jungs so sind, wie sie sind. Und was wirklich das Beste an ihnen ist …
Ich schiele heimlich rüber zu Dietrichs Grundstück, wo Stefanie, Yannis’Mutter, gerade dabei ist, die verwelkten Blüten ihrer üppigen Rosenbüsche abzuzwicken. Yannis’ Jalousie ist heruntergelassen, offensichtlich stört ihn die strahlende Sonne beim Playstation-Daddeln. Seufzend rekele ich mich wieder zurecht. Der Schwanz, das beste Stück, dass ich nicht lache! Mir fallen tausend Gründe ein, was ich an Yannis klasse finde. Und was nicht. Soweit ich Yannis kenne, und ich kenne ihn ziemlich gut, interessiert ihn aktuell außer seiner Spielkonsole und mir herzlich wenig. Na ja, seine Fantasy-Schmöker vielleicht noch, aber in letzter Zeit liest er nicht mehr viel. Zumindest hatte er keine Lust auf eine gemeinsame Lümmel-Lesestunde hier auf unserer Terrasse – ihm reichte es, dass wir uns später bei Antonio im Eiscafé sehen. Dort sind wir mit den anderen verabredet.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Mädchen deutlich mehr Freude am Lesen haben als Jungs – nur 20% der Jungs lesen freiwillig und regelmäßig. Schaut man genau hin, zeigt sich, dass Jungs sehr wohl lesen, aber eben keine Romane, keine Problemliteratur oder Ratgeber. Sie interessieren sich nicht für Pferde, Familienkram und Gefühlsduseleien, sondern für Sachbücher, echte Helden, Abenteuer und Krimis, in denen es zur Sache geht: Action statt innere Monologe, Spannung statt Probleme. Oder eben Fach- und Sachliteratur. Außerdem: Jungs lesen schon gar nicht das, was (meistens weibliche) Lehrer ihnen auftragen.
Das hat auch etwas mit ihrem Sprachverhalten zu tun – Jungen sprechen eine andere Sprache als Mädchen: Sie meinen immer, was sie sagen – wenn sie etwas sagen. Und: Sie handeln lieber, anstatt ewig viele Worte zu verlieren. Wenn ein Mädchen zum Beispiel sagt:„Mir ist kalt“, meint sie:„Ich will mit dir kuscheln.“Wenn ein Junge aber sagt:„Mir ist kalt“, meint er:„Ich hole mir lieber eine Jacke.“
Wenn der sich ausgespielt hat, kommt er bestimmt rüber, denke ich halb trotzig, halb verständnisvoll. Und: Ich bin doch nicht auf ihn angewiesen! Ich bin doch kein Weibchen, das in der Warteschleife herumgammelt, um abzuwarten, wann der Herr mal Zeit hat. Wenn Yannis heute seinem Hobby nachgehen will, dann tue ich das auch. Und schon schnappe ich mir meine Lieblings-Schoki (Sunny Crisp, mmmh, lecker) und mein Buch und vertiefe mich in die Geschichte von Maja Philine Dorothee, die sich eines Tages in einen Drilling verliebt und von einer Krise in die nächste schlittert. Während Leon mit seinem Fußball halbherzig durch den Garten kickt, meine Mutter neben mir am Tisch die Wäsche zusammenlegt und neidisch auf mein Schokoquadrat schielt, kichere ich mich hin und weg. Ich wimmle mit einem Satz Millis Anruf ab, die mich zu einem Wellness-Nachmittag einladen will. Das haben wir im letzten Winter immer gemacht und da fand ich das auch angemessen, in Kaisers luxuriöser Whirl-Wanne herumzulümmeln. Aber jetzt, bei 30 Grad im Schatten? No way. Außerdem muss ich unbedingt wissen, wie MP3 es noch bis zum Ende des Romans schafft, aus drei identischen Jungs ihren Herzensboy auszulosen. Ich lasse Kleo und ihre Hovawart-Hündin Ambra vor der Tür stehen, obwohl ich mich total freue, dass meine exbeste Freundin mal wieder die Initiative ergreift und bei mir klingelt. Aber was soll ich bitte jetzt durch die Felder streifen und mir im Selbstpflückerfeld weiße Gladiolen schneiden, wenn ich gerade fürs Leben lernen kann? Oder mir ihr Gejammer anhören, dass alle einen Freund haben und nur sie nicht.
Menschen sind von Natur aus nicht gerne alleine. Ob Junge oder Mädchen, viele finden sich „unvollständig“, wenn sie keinen Partner haben. Mach dir klar: Das ist ein Klischee! Das Warten auf einen „Glücklichmacher“ kann dich nur unglücklich machen, sei deine eigene „Glücklichmacherin“, übernimm Verantwortung für dich und dein Glück.
Natürlich gibt es Eigenarten und Charakterzüge, die ein Partner ergänzen bzw. ausgleichen kann – das kann in einer Beziehung sehr reizvoll sein. Aber schau mal genau hin: Trägst du nicht auch immer beide Seiten in dir? Du „brauchst“ kein Gegenüber, um zufrieden und „vollkommen“ zu sein. Du bist es selbst!
Juris Anruf auf meinem Handy drücke ich einfach weg, Späßchen habe ich mit diesem Buch genug. Selbst Yannis erntet ein „Später, nicht jetzt“, als er am frühen Abend doch noch über den Gartenzaun gehüpft kommt und mich küssen will. Enttäuscht bemerkt er außerdem, dass kein Krümel Schokolade mehr übrig ist.
„Dann halt nicht“, höre ich ihn murmeln, während er die Verpackung zusammenknüllt. „See you.“
Grinsend nicke ich ihm zu, jetzt muss er eben warten. Doch das Eiscafé Antonio leider auch, bis ich die 320 Seiten durchgefressen habe.
„Das war aber nicht nett von dir, Sina“, macht mich Mama an, als ich zwischendurch aufstehe, um mir ein Glas Mineralwasser einzuschenken. „Der arme Junge!“
„Hä?“ Verständnislos schaue ich sie an. „Wie meinst du denn das?“
„Na, du kannst ihn doch nicht einfach abblocken, wie es dir passt, das gehört sich nicht! Sei froh, wenn dein Freund sich für dich interessiert und zu dir kommt“, meint sie.
„Du hast ja keine Ahnung, wie es wirklich war!“, empöre ich mich. „Yannis fand es vorhin wichtiger, sein neues Spiel auszuprobieren, anstatt mit mir einen gemütlichen Nachmittag zu verbringen. Ist doch wohl klar, dass ich dann nicht wie Dornröschen dasitze und auf ihn warte.“ Kopfschüttelnd schaue ich meine Mutter an. Das meint die doch jetzt nicht ernst … Soll ich mich etwa bedingungslos nach meinem Freund richten? Nee, oder?
Und wie meint sie das, ich solle froh sein, dass er sich für mich interessiert?
Natürlich bin ich enttäuscht, wenn er einen auf Stockfisch macht und sich mehr für seinen Computer interessiert als für mich.
Aber deswegen bin ich noch lange nicht auf ihn angewiesen!
Wer macht den ersten Schritt? – Lange Zeit galt in unserer Gesellschaft die Vorstellung, dass der Junge die Initiative ergreifen soll. Das Mädchen muss darauf warten, bis er sich endlich traut und sie anspricht …Zum Glück ist das heute anders! Es ist völlig legitim und wirkt angenehm selbstbewusst, wenn du auf einen Jungen zugehst, ihn ansprichst, weil er dich interessiert. Umgekehrt bedeutet das natürlich auch, dass du es aushalten musst, unter Umständen abgewiesen zu werden.
Mir ist ganz schwummerig im Kopf, scheinbar sollte ich doch lieber Tante Irenes Rat beherzigen und eine Sonnenbrille zum Lesen in der Sonne aufziehen. Seufzend gucke ich meine Mutter an und überlege, ob ich sie fragen soll, ob sie froh ist, dass Papa jeden Abend zu ihr