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Schule nervt!, findet Sina. Franzvokabeln, öde Schullektüre, Referate halten. Wo bleibt da der Spaß am Lernen?! Als sich dann noch ein Lehrer abgrundtief unfair verhält und in der Schulmensa nur noch probiotisches Essen angeboten wird, hat Sina die Nase voll. Sie ergreift die Initiative und kämpft mutig für Gerechtigkeit und Pommes. Denn eins ist ja wohl klar: "Das Beste an der Schule, das sind wir!"
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Seitenzahl: 272
Die Schule und ich
ILONA EINWOHLT
Von Ilona Einwohlt sind als Arena-Taschenbuch erschienen: Mein Pickel und ich (1) (Band 50443) Mein Schutzengel und ich (6) (Band 50448)
Mein Pickel und ich sowie Die Schule und ich sind auch als Hörbuch erhältlich.
Weitere Titel von Ilona Einwohlt findest du hinten im Buch.
Ilona Einwohlt schreibt mit viel Liebe, Witz und Leidenschaft erfolgreiche Bücher für Mädchen. Dass sie sich gerade in „Mädchensachen“ bestens auskennt, hat sie unter anderem in ihren beliebten Ratgeberromanen bewiesen. Der Bestseller „Mein Pickel und ich“ sowie die Folgebände sind inzwischen zur unverzichtbaren Lebenshilfe für Fragen in der Pubertät geworden. Ilona Einwohlt, geboren 1968, lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Darmstadt. Mehr unter www.ilonaeinwohlt.de
FÜR DIE AUFGEWECKTE, WISSBEGIERIGE, ENGAGIERTE,FRÖHLICHE SCHÜLERIN J.
Handlungen, Personen und Orte der folgenden Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.
1. Auflage als Arena-Taschenbuch 2013 © 2009 Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Coverillustration: Constanze Guhr Gesamtgestaltung, Innenillustrationen und Umschlagtypografie: knaus. büro für konzeptionelle und visuelle identitäten, Würzburg ISSN 0518-4002 ISBN 978-3-401-80046-2
www.arena-verlag.de Mitreden unter forum.arena-verlag.de
Inhalt
Erstes Kapitel, in dem Sina über Grenzen geht
Ferienzeit, Langeweilezeit
London Calling
Im Austauschrausch
Zweites Kapitel, in dem Sina das Lernen lernt
Learning by doing
Stress lass nach, der Lehrer kommt
In der Tat, ein Referat
Drittes Kapitel, in dem Sina zwischen Mob und Mobbing unterscheidet
Defensiv-offensiv
Lost in Cyberspace
Gedisst und angepisst
Viertes Kapitel, in dem Sina superklasse für die Klasse ist
Meine Stimme zählt!
Seitenweise Anerkennung
Die Schule ist ein Fest
ERSTES KAPITEL,IN DEM SINA ÜBER GRENZEN GEHT
Ferienzeit, Langeweilezeit
Das Beste an der Schule sind die Ferien! Pah, von wegen: Alles ist öde, alles ist langweilig, alles ist voll doof. Natürlich bin ich froh, dass ich nicht jeden Morgen Punkt 6:15 Uhr aufstehen muss, sondern stattdessen endlos lange ausschlafen kann (okay, okay, nur so lange, bis Mama unmissverständlich den Staubsauger anschmeißt). Logisch genieße ich es, mir in aller Ruhe ein Nutellabrötchen zu schmieren, statt hektisch den O-Saft in mich reinzuschütten. Und klar fühlt es sich großartig an, keine Franz-Vokabeln, Matheformeln oder Geschichtsdaten pauken zu müssen, sondern mich dafür stundenlang in Bellas und Edwards Liebesgeschichte zu verbeißen. Aber ehrlich gesagt und unter uns: Ich, Sina Rosenmüller mit der Zahnspange und den großen Füßen, finde Schule gar nicht so schlimm.
Ups, hätte ich das jetzt nicht sagen dürfen? Ich bin aber keine schleimige Streberin, um das gleich mal klarzustellen!!!
Meine Freundin Kleo meint, das läge daran, dass ich eine so gute Schülerin bin und keine Lernschwierigkeiten hätte. Im Gegensatz zu ihr kann ich mir nämlich Algebraformeln gut merken und brauche keine Nachhilfe beim Rechnen mit x, y und z. Auch in den anderen Fächern wie Deutsch, Bio und Englisch komme ich ganz gut zurecht, aber allen, die jetzt neidisch werden, sei gesagt: Das ist auch ehrlich erarbeitet. Schließlich schwänze ich nie wie Jolina (die am liebsten während der Mathe- oder Englischstunden im Schülercafé mit einem Smartie aus der Oberstufe rumhängt und darum vielleicht wieder eine Ehrenrunde drehen muss) oder tippe heimlich unterm Pult endlose SMS wie Julia (die mit ihrer großen Schwester Ashley sogar während des Unterrichts Beauty-Tipps austauscht), sondern beteilige mich einfach ganz normal am Unterricht und passe auf (oder tue zumindest so!).
Dafür kommt es schon mal vor, dass ich mir die Hausaufgaben spare, was zum Glück bisher noch keinem Lehrer aufgefallen ist …
Pssst!
Simpler Trick aus dem Zeitmanagement: Wenn du schon mal anwesend sein musst (Schulpflicht!!!), dann kannst du im Unterricht auch mitmachen. Bringt mehr Spaß, weil du dich nicht unnötig langweilst, und ist überaus effizient, weil du den Großteil deiner Aufgaben danach mit links erledigen kannst (wenn du sie nicht sowieso gleich machst). Außerdem mögen Lehrer engagierte Schüler, fragen sie seltener ab und kontrollieren noch seltener deren Hausaufgaben…
Weil es die Herbstferien sind, ist auch keine große Action angesagt, also nix gemütlich an die Nordsee oder zu Ski Alpin in die Berge. Oma Doris wollte mich mit in ihr Lieblingshotel in den Schwarzwald nehmen, es gäbe da auch ein Wellness-Programm für Kinder. Sie hat sich dann gleich verbessert und noch schnell „und bestimmt auch für Jugendliche“ angefügt. Aber Leon zuliebe habe ich dankend auf Kurparkspaziergang und Entchenfüttern verzichtet. Soll doch mein kleiner Bruder Kneippkuren und Fangopackung über sich ergehen lassen, ich fühle mich da eindeutig noch zu jung dazu. (Mal abgesehen davon, dass der kleine Stinker sich garantiert SEHR über die einmal täglich verschriebene Schwarzwälder-Kirschtorte freut!) Nachdem ich sehr gründlich sämtliche Funktionen meines neuen Handys gecheckt habe, lümmle ich gelangweilt in meinem Knautschi-Sitzsack herum und versuche, mich auf meine Lektüre zu konzentrieren.
Jaaa, auch ich habe jetzt ENDLICH eins, Prepaid natürlich aber JUCHUHU!
Unsere Deutschlehrerin Frau Tuszynski hat uns nämlich eine Dauerhausaufgabe gestellt: Wir sollen bis zum Halbjahresende das Buch „Kein Wort zu niemandem“ von Jana Frey lesen und gleichzeitig ein Lesetagebuch dazu führen. Weil unsere gepflegte Lehrerin großen Wert auf äußere Erscheinungsmerkmale legt, haben wir als Erstes das Heft gestalten müssen – ohne auch nur ein Wort des Inhalts zu kennen. Dennis, der Computerfreak aus meiner Klasse, hat sofort gefragt, ob er das nicht im PowerPoint machen dürfe. Da hat die Tuszynski nur müde abgewunken. „Erstens“, hat sie gesagt, „haben nicht alle so einen schnellen Rechner wie du, und zweitens“, und dabei hat sie die Jungs der Reihe nach gescannt, „zweitens tut es euch Kameraden mal gut, etwas Handschriftliches zu leisten.“ Woraufhin Yannis, Sebastian, Juri, Marco und die anderen hörbar aufgestöhnt haben.
In einem Lesetagebuch kannst du sämtliche Gedanken, Gefühle und Fragen notieren, die dich beim Lesen eines Textes bewegen. Meistens reicht ein Schulheft in A5 (liniert oder unliniert), das du immer dabeihaben und entsprechend gestalten kannst. Lass die erste Seite frei, dann kannst du dort später ein Inhaltsverzeichnis anlegen. Im ersten Teil protokollierst du zunächst deine Lektüre: Wann du welches Kapitel gelesen hast (Datum), um was es darin geht (Inhalt), was dir spontan dazu einfällt oder welche Passage dich emotional berührt hat (an welcher Stelle bist du wütend geworden – wo warst du ergriffen – wo hast du dich kaputtgelacht?). Fremdwörter oder unverständliche Passagen notierst du dir extra, um sie später nachzuschlagen und zu erklären. Im zweiten Teil bearbeitest du dann konkrete Fragen und Aufgabenstellungen, die dir dein Lehrer gestellt hat oder die dich selbst interessieren, zum Beispiel biografische Daten und Details aus dem Leben des Autors, zeitgenössische Dokumente bzw. Hintergründe, die in den Text eingeflossen sein können, oder die Charakterisierung der Hauptfiguren. Vergiss nicht: Dein Lehrer möchte sehen, dass du dich mit der Lektüre beschäftigt hast! Achte außerdem auf Folgendes:
· Heftumschlag wird passend zum Inhalt gestaltet
· Ordentliche Schrift
· Anlegen eines Inhaltsverzeichnisses
· Nummerieren und Datieren der Seiten
· Einträge müssen gegliedert sein (Absätze, farbige Hervorhebungen, Unterstreichungen)
Meinem Heft habe ich einen schwarzen Umschlag verpasst und ein winziges, glitzerrot lackiertes Vorhängeschloss draufgeklebt – mit Mamas Heißklebepistole. Sie hat zwar etwas komisch geguckt und gedacht, ich würde mir ein neues Geheimtagebuch anlegen, aber als ich ihr erklärt habe, dass das alles für die Schule und meine Lieblingslehrerin sei, hat sie nur wohlwollend genickt.
Trotz aller Vorbereitungen verspüre ich wenig Lust zum Lesen dieses Mobbingromans. Statt etwas über Gewalt an der Schule zu erfahren, würde ich viel lieber etwas Spannendes, Lustiges machen, unterwegs sein und mich mit meinen Freundinnen treffen. Milli, meine aktuelle AllerBesteFreundin, geht trotz Ferien zweimal täglich joggen, Tennis oder Basketball spielen, sorry, das ist mir einfach too much. Meine liebe Kleo, mit der ich mal richtig dicke war, bevor sie so komisch wurde, geht nur noch mit ihrer Hündin Ambra spazieren, und wenn sie mal nicht durch die Felder stromert, hat sie garantiert irgendworin Nachhilfe. Und Julia ist voll doof geworden. In letzter Zeit hängt sie nur noch mit unser aller Screamgirl Jolina zusammen – sie sieht ihr schon zum Verwechseln ähnlich. Sogar einen weißen Fellblouson besitzt Julia inzwischen, mit passenden weißen Stiefeletten dazu, damit sie im Partnerlook mit ihrer neuen Freundin herumlaufen kann.
Auch wenn ich Julia zurzeit nicht sonderlich leiden kann, bin ich manchmal schon ganz schön neidisch auf ihre coolen Klamotten. Wenn ich so ein angesagtes kariertes Snow-Jacket mit Pelz-Kapuze haben wollte, würde meine Mutter garantiert sagen: „Sina, du hast doch diesen praktischen Outdoor-Anorak, der geht wenigstens über den Po“, und mir erklären, dass ich ja mein Taschengeld für solche Luxus-Fummel sparen könnte (und für den Blasenentzündungstee gleich mit, wie sie in solchen Fällen meist süffisant hinzufügt).
Taschengeld, dass ich nicht lache! Die paar Euros wöchentlich, davon kann ich gerade mal mein Popcorn an der Kinokasse zahlen, wenn wir alle am Kinotag im Sammel-Abo einen Film angucken. Ich muss dringend mit meinen Eltern reden, dass ich unbedingt mehr Taschengeld brauche!
Taschengeld ist eine freiwillige Sache deiner Eltern und abhängig von ihrer finanziellen Situation, es gibt keine gesetzliche Regelung dazu. Üblich ist, dass du regelmäßig einen deinem Alter angemessenen Betrag bekommst (über die Höhe gibt es beispielsweise Empfehlungen des Kinderschutzbundes), über den du selbst verfügen darfst. Schulsachen und Kleidung solltest du nicht davon bezahlen müssen.
Verzweifelt lasse ich gerade die Münzen meiner halbleeren Hello-Kitty-Spardose durch meine Finger klimpern, da klingelt es unten an der Haustür. Es ist Yannis, mein Klassenkamerad und Nachbarskumpel seit immer.
„Hier, das hast du neulich bei uns verloren.“ Grinsend reicht er mir mein Rosenquarz-Armband, das mir mal meine Tante Irene gegen Stress und Periodenschmerzen geschenkt hat. „Hat meine Mutter gerade eben gefunden, als sie das Laub gerecht hat.“
„Äh, danke!“, stottere ich verlegen. Ich erinnere mich sofort an den Grillabend bei Dietrichs neulich vor zwei Wochen, als Yannis und ich Schulter an Schulter in der Hollywoodschaukel gesessen und uns abwechselnd mit Würstchen gefüttert haben – unter Julias giftigen Blicken, die an dem Abend unbedingt mit Yannis flirten wollte. Bei dem Gedanken daran, wie nah er und ich uns an jenem Abend waren, wird mir wieder ganz flatterig im Bauch, obwohl ich nicht behaupten würde, dass ich in Yannis verknallt bin.
„Und, was machst du so?“, fragt Yannis, aber es klingt nicht, als sei er wirklich daran interessiert, wie ich meine Ferien verbringe. „Ich war gestern mit Malte im Kletterwald, voll cool.“
„Super!“, quäle ich heraus. Sofort sind alle romantischen Gefühle für Yannis in mir verschwunden. „Ihr hättet ja auch mal fragen können, ob ich mitkommen mag … ich verschimmele hier vor Langeweile.“ Typisch! Yannis’ großer Bruder hatte bestimmt keine Lust, mich mitzunehmen und dann – wie er sagen würde – für mich und Yannis „den Babysitter zu spielen“. Und Yannis denkt sowieso nur an sich.
„Dann komm doch nachher mit, ich treff mich mit Juri und Sebastian in der Stadt. Spiele checken im MediaMarkt und so“, meint Yannis. „Der Bus geht um 14:03 Uhr, ciao, ciao.“ Und schon ist er wieder nebenan im Garten verschwunden, wo Stefanie, seine Mutter, gerade damit beschäftigt ist, Kastanien- Physalis-Efeu-Girlanden in die kahlen Äste zu dekorieren.
„Keine schlechte Idee, ich sage noch Milli Bescheid, okay?“, rufe ich ihm nach. MediaMarkt finde ich zwar nicht so geil (ich bin doch nicht blöd!), aber immerhin besser, als hier rumzuhängen. Und wenn Milli mitkommt, was allerdings fraglich ist, wird es sowieso lustig. Ein Blick auf unsere Küchenuhr verrät mir, dass ich noch genau fünfundvierzig Minuten Zeit habe. Puh, wie soll ich das denn schaffen? Meine Haare sind total strähnig, meine gequetschten Pickel leuchten und richtig angezogen bin ich ja auch nicht. In Windeseile springe ich unter die Dusche, betupfe hektisch mein Gesicht mit Abdeckstift, schlüpfe in meine coolsten Jeans und zwirbele meine Haare unter meine Strick-Beanie, weil ich jetzt beim besten Willen keine Zeit habe, sie trocken zu föhnen. Dann krame ich schnell meine Vintage hervor, stecke mein gähnend leeres Portemonnaie ein und simse hastig an Milli eine Nachricht, dass wir uns in einer halben Stunde am Brunnen vorm Einkaufscenter treffen – in der Hoffnung, dass sie nicht gerade wieder auf irgendeinem Sportplatz herumturnt.
„Bin mit Yannis in der Stadt“, rufe ich meiner Mutter zu, bloß schnell weg, bevor sie auf die Idee kommt, mir die City zu verbieten. „Zum Abendbrot bin ich wieder da!“ Schon will ich aus der Haustür, da fällt mir etwas extrem Wichtiges ein. Ob ich es wagen soll …? „Äh, Mama …“ Ich atme tief durch, setze mein süßestes Lächeln auf und marschiere ins Wohnzimmer, wo meine Mutter mit dem Notizblock vor dem Fernseher sitzt und eine Kochsendung guckt.
„Moment, Sina.“ Konzentriert notiert sie sich Gramm und Milliliter.
Nervös tippele ich hin und her, checke das Display meines Handys nach der Uhrzeit. In fünf Minuten kommt der Bus, jetzt aber dalli.
„Kannst du mir ein bisschen Geld geben? Ausnahmsweise, ja, bitte, weil doch Herbstferien sind und Leon mit Oma …“ „Was?“ Meine Mutter guckt mich mit großen Augen an. „Willst du etwa alleine in die Stadt?“
Oh no, nicht schon wieder. Das Thema hatten wir neulich schon mal. Da hat sie sich tierisch angestellt. Aber irgendwie konnte ich sie davon überzeugen, dass ich mittlerweile alt genug bin, um auf mich selbst aufzupassen, und nicht mit irgendwelchen Onkels mitgehe. Und meine aktuelle Jeans habe ich schließlich auch alleine gekauft, allerdings nur, weil Papa dieser modische Glitzerpalast peinlich war und er an der Tür warten wollte. Glück gehabt, sonst hätte ich ihm erklären müssen, dass es MIR peinlich ist, mit IHM Jeans zu kaufen …
„Nicht alleine, mit Yannis. Und Juri und Sebastian sind auch da.“ Marco wohl nicht, fällt mir ein, mit dem hat Yannis sich ja verkracht. „Und Milli kommt noch mit. Bitte, Mama, der Bus geht gleich, sonst komme ich zu spät.“
„Und wie siehst du denn überhaupt aus? Willst du etwa so in die Stadt?“ Skeptisch runzelt meine Mutter ihre Augenbrauen, nerv, jetzt bloß keine Moralpredigt. Ich weiß selbst, dass in aller Eile meine Wimperntusche leicht verrutscht ist. Und den Sprühknopf von meinem Deo habe ich aus Versehen auch zu lange gedrückt.
Zum Glück erscheint in diesem Moment wieder eine Zutatenliste auf dem Bildschirm, sodass meine Mutter eifrig den Kuli zückt (zum Glück weiß sie nicht, dass man im Internet auf der Homepage der Sendung die Liste bequem downloaden und ausdrucken kann).
„Nimm dir zwanzig Euro“, meint sie geistesabwesend. „Dann überleg aber auch mal endlich, was du unternehmen könntest, um dein Taschengeld aufzubessern, wie wär’s?“
Typisch Mama, immer kann sie einem die Freude verderben.
Job suchen, wie meint sie denn das? Sie hat gut reden, sie geht ja auch nicht arbeiten.
Dankbar drücke ich ihr trotzdem einen Kuss auf die Wange, schnappe mir einen Schein aus der Schublade und beschließe, ihr heute Abend bei meiner täglichen Surf-Session sämtliche Lieblingsrezepte downzuloaden. Und für mich vielleicht eine Liste möglicher Jobs, die ich als Schülerin machen kann.
Mit kleinen Aushilfsjobs neben der Schule kannst du dein Taschengeld aufbessern. Guck dich mal um, was zu dir passt: Hunde ausführen, der kranken Nachbarin beim Einkaufen helfen, Babysitten, Zettel austragen, im Supermarkt Regale auffüllen – ein Nebenjob sollte mit deiner Schule und Freizeit vereinbar sein und muss dem Jugendschutzgesetz entsprechen. Das bedeutet: Wer älter als 13 ist, darf an Werktagen zwei Stunden leichte Hilfstätigkeiten ausüben, aber nur zwischen 8 und 18 Uhr. Jugendliche über 15 dürfen dann während der Schulferien schon mal vier Wochen am Stück arbeiten, Jugendliche über 16 auch sonntags, zum Beispiel in der Gastronomie oder als Statistin im Theater. All das regelt der sogenannte Taschengeldparagraf (§110 BGB).
Auf den letzten Drücker springe ich dann in den Bus, in dem Yannis mir einen Platz freigehalten hat.
„Du riechst komisch“, sagt er statt einer Begrüßung und für einen Moment überlege ich, ob ich nicht doch lieber aussteigen will. Dann könnte ich die geschnorrten zwanzig Euro für die bevorstehende Klassenfahrt nach London sparen.
„Selber“, raunze ich zurück und starre sauer aus dem Fenster. „Komm, hab dich nicht so, ist mir auch schon mal passiert.“ Yannis knufft mich freundschaftlich in die Seite. „Da hatte Malte mein Deo ausgeliehen und das Ventil dabei kaputt gemacht. Und als ich draufgedrückt habe, machte es Zischschschsch! und ich hatte ’ne volle Ladung Stinkzeugs an der Backe.“ Er lacht glucksend los, als ob es ihm nicht die Bohne etwas ausgemacht hätte. „Besser, du riechst nach Parfum als nach P…“ Yannis deutet mit dem Kopf drei Sitze weiter nach vorne, wo ein Penner gerade über seinen zerfetzten Plastiktüten mit sabberndem Mund eingedöst ist.
Yannis und ich rempeln uns an und kichern los. „Sieht aus wie einer von den Schwaderlapps“, lästert er, woraufhin ich laut losprusten muss. Unser Klassenkamerad Dennis ist ein echter Freak und sieht mit seinen strähnigen Haaren nicht sonderlich gepflegt aus. Unschlagbar aber ist seine Familie, die mit Autoteilen handelt und auf dem Schrottplatz lebt – gegen die wiederum wirkt Dennis reinlich wie Meister Proper.
Den Rest der Fahrt verbringen wir dann damit, neben jeder Omi, die an uns vorbeikommt, die Nase zu rümpfen und lauthals loszulachen – ob wir jetzt etwas Besonderes riechen oder nicht. Zwischendurch atme ich immer wieder in meine Jacke und nehme eine tiefe Prise Summer-Dream-Ocean.
Dann endlich sind wir am Brunnen. Sebastian und Juri warten bereits gelangweilt. Und – hey, wer hätte es gedacht – Milli ist da! „Da seid ihr ja endlich!“, ruft uns Sebastian entgegen und streicht sich durch seine gegelten Haare, „wollte euch gerade mit mobile spy checken.“ Lässig steckt er sein Multifunktions-klappteil wieder in seine weite Buggy-Jeans. Sebastian besitzt immer die angesagtesten Teile, ob Handy, Uhren oder Klamotten: Wenn etwas neu oder in ist, Sebastian hat es, bevor es die Sachen in den Läden überhaupt zu kaufen gibt. Nur ein iPhone hat er aus unerfindlichen Gründen noch nicht …
Milli gähnt mich demonstrativ an. „Willst du echt mit denen durch die Stadt ziehen?“, wispert sie mir mit einem Kopfnicken Richtung Jungs zu, die jetzt am Handy von Juri Tetris spielen. „Vor den Spielkonsolen Beifall klatschen, wenn die den Controller daddeln?“ Sie guckt mich unter ihren roten Haaren skeptisch an und schürzt die Lippen. „Nee, oder?!“
Seufzend lasse ich mich auf den Brunnenrand plumpsen. Das fängt ja gut an! Ich hatte mich schon darauf gefreut, mit den Jungs durch die Gegend zu ziehen und meinetwegen auch Computerspiele zu testen. Seit ich regelmäßig unter www.sinasblog.de Online-Tagebuch schreibe, interessiere ich mich sehr für Computer und alles, was man damit sonst noch so machen kann. Aber leider haben meine Eltern überhaupt keinen Sinn für Playstation oder gar eine Wii, zum SingStar-Spielen treffen wir uns immer bei Julia.
Natürlich hätte ich auch Lust, in der Einkaufspassage zu stöbern, vor allem in diesem kleinen süßen Geschenkeladen, wo es so viel kleinen Krams gibt und in dem ich mit Milli schon öfters war.
„Äh, ihr könnt ja schon mal vorgehen“, meint Milli, „Sina und ich kommen dann nach, okay?“ Sie grinst Juri an, der gleichgültig mit den Schultern zuckt.
„Okay, man sieht sich!“ Yannis winkt mir zum Abschied zu, dann zockeln die drei Jungs aus unserer Klasse Richtung MediaMarkt davon.
„Komm, wir müssen unbedingt in der Parfümerie-Abteilung Lidschatten testen“, schlägt Milli vor und zieht mich Richtung Kaufhaus. „Die haben da so neue Farben …“
Hä? Auf welchem Trip ist denn meine Sportsfreundin Milli? Hat die sich etwa den Julia-Virus eingefangen? So kenne ich sie ja gar nicht! Aber weil ich keinen besseren Vorschlag habe, lasse ich mich einfach von ihr mitziehen.
Keine fünf Minuten später stehen wir vor den bunten Tiegelchen und schmieren uns die Handrücken voll: slush-purple, titanic-blue, magic-green … Begeistert verstreiche ich den feinen Puder zwischen Daumen und Zeigefinger. Ob dieses Violett gut zu meinen Augen passt? Ich ziehe mir die passende Packung aus dem Regal. Da fällt mein Blick auf den Preis: 12,95 Euro, ja, spinnen die denn?! „Davon kann ich mir ja zwei Monate lang Anti-Pickelcreme kaufen“, rufe ich entsetzt und stelle den Lidschatten wieder zurück. „Nee, das ist mir zu teuer.“
„Wer redet denn hier von kaufen“, raunt mir Milli zu, die die ganze Zeit über Kajalstifte mit passender Lidschattenkappe getestet hat. „Du musst das nur entmagnetisieren und schon ist das Problem gelöst.“
Zu meiner Verwunderung rubbelt sie mit einer winzigen Magnettafel auf dem Stift herum, während sie so tut, als würde sie ganz intensiv mit schräg gehaltenem Kopf sämtliche Hautcreme-Verpackungen in dem Regal studieren. Dann geht sie in aller Seelenruhe drei Schritte weiter und zieht mich zu einem Ständer mit Nagellack. Sprachlos verfolge ich ihre Hand, die in der Manteltasche verschwindet.
„Hier, dieses Orange passt ausgezeichnet zu deinem Hobby“, meint sie und zückt ein Probefläschchen. „Du spielst doch Basketball, oder?“ Sie grinst mich aufmunternd an.
„Das ist nicht witzig“, sage ich ernst. „Du legst den Stift sofort wieder zurück.“
Wenn Jugendliche klauen, bedeutet das oft Nervenkitzel, Mutprobe, Auflehnung gegen die Normen der Erwachsenenwelt. Das Taschengeld wird auf diese Weise aufgebessert oder unerschwingliche Konsumgüter werden so „erworben“. Manchmal ist Klauen auch eine zwanghafte Ersatzhandlung, dann spricht man von Kleptomanie. Alles keine Entschuldigung, Klauen ist eine Straftat!
Also, auch wennes nur ein Kaugummi oder ein Kajalstift ist, jeder Ladendiebstahl kann zur Anzeige gebracht werden. Solange du noch nicht 14 Jahre alt bist, giltst du vor dem Gesetz als strafunmündig, dann werden erst mal „nur“ deine Eltern informiert. Bist du über 14, wird ein Strafverfahren eingeleitet und du bist jetzt „aktenkundig“.
„Vielleicht geht es noch lauter“, macht sie mich an. „Hey, komm, das fällt denen doch nicht weiter auf, die verkaufen genug davon.“
„Und wenn dich der Kaufhausdetektiv beobachtet hat?“ Panisch schaue ich mich um, ob nicht sämtliche Überwachungskameras auf uns gerichtet sind. Nicht auszudenken, wenn uns gleich am Ausgang Sherlock Holmes abfängt und bittet, ihn mit in sein Büro zu begleiten.
„Ach Quatsch“, winkt Milli ab. „Der hat noch nie was mitbekommen.“ Wir schlendern jetzt durch die Sockenabteilung und tun möglichst unauffällig.
„Du hast das doch gar nicht nötig!“, mache ich weiter. Familie Kaiser ist für ihren großzügigen Lebensstil hinreichend bekannt: Dreimal jährlich Luxus-Urlaub, Städtereisen, das Haus mit Designer-Möbeln vollgestellt … und Milli bekommt ein durchaus großzügiges Taschengeld, ich verstehe nicht, warum sie da klauen muss.
„Warum nicht? Ich habe ein bisschen thrill bitter nötig“, ruft meine Freundin und steckt sich im Vorübergehen mal eben eine graue Stricklegging in die Tasche.
Entgeistert blicke ich sie an. „Aber die bezahlst du jetzt, sonst …“ „Sonst was?“ Milli blinzelt herausfordernd zurück. „Willst du mich etwa verpfeifen?“
„Ich will, dass du ehrlich bist und die Sachen bezahlst“, sage ich mit fester Stimme und gucke ihr dabei geradewegs in die Augen. „Oder du legst die Legging wieder zurück.“
„Spielverderberin“, mault Milli, stellt sich aber brav an einer Kasse an und zückt ihr Portemonnaie. „Aber den Kajal behalte ich so.“
Irgendwie fühle ich mich total doof und spießig, weil ich mich an das Gebot halte: Du sollst nicht stehlen! Bin ich jetzt echt ein Moraldino? Milli hat ja recht, es trifft keinen direkt – hier in diesem Riesenkaufhaus wird man den einen Stift kaum vermissen. Aber:Wo ist der Unterschied, ob man eine Person beklaut oder einen Konzern? Pffff. Ich finde, Klauen bleibt Klauen.
Und ich will das nicht. Was findet Milli daran bloß so witzig?
Schlecht gelaunt ziehen wir weiter durch die Läden. Mir ist die Lust am Stöbern gehörig vergangen, zumal Milli in jedem Laden allen möglichen Kleinscheiß kauft und sich demonstrativ den Kassenbon aushändigen lässt. Sie weiß genau, dass ich neidisch bin und mir ein Zehner-Set Glitzer-Gelstifte nicht mal eben leisten kann. Nicht, wenn ich mir von Mamas zwanzig Euro endlich ein richtiges Marken-Shirt kaufen will- und nicht wieder eins von C&A. Aber als wir dann in dem kleinen Szene-Laden stehen, bekomme ich endgültig schlechte Laune: Von meinen paar Kröten kann ich mir hier höchstens einen Gürtel oder ein Top kaufen! Für den coolen VANS-Kapuzenpulli bräuchte ich mehr als dreimal so viel.
Wenn du das Gefühl hast, mit deinem Geld nicht klarzukommen, führe ein halbes Jahr lang konsequent ein „Haushaltsbuch“ (Heft oder am PC), in dem du alle Einnahmen (Taschengeld, Geldgeschenke, Job) und Ausgaben (Süßkram, Kino, Handy) notierst. So bekommst du einen guten Blick für deine Finanzen. Teile dir dein Geld ein (wochenweise oder für bestimmte Events) und setze dir ein bestimmtes Sparziel (iPod, Mountainbike), für das du regelmäßig Geld zurücklegst. Lege dir ein eigenes Sparbuch für solche Zwecke an! Hier noch ein paar Spartipps:
· Bücher und CDs ausleihen statt kaufen.
· Rabatte, Aktionen und Zehnerkarten nutzen (im Schwimmbad, Kino, Eisbahn).
· Geschenke selbst basteln (persönlicher und günstiger).
· Pausenbrot statt Pausenkiosk (gesünder und billiger).
· Handykosten im Auge behalten (Klingeltöne downloaden, SMS usw.). Mach dir klar, was wie viel kostet!
„Komm, mach dir nichts draus“, meint Milli jetzt versöhnlich und hängt einen karierten Steppblouson wieder zurück. „Die führen eh nicht unsere Marken.“ Das sagt sie mit Seitenblick zu einer ziemlich lässigen Streetstyle-Tussi, die sich mindestens zehn unterschiedlich geschnittene Jeans aus den Fächern zieht. Weiter hinten im Laden steht ein dunkelhaariges, komplett in Schwarz gekleidetes Mädchen mit einem total blassen Gesicht. Die habe ich doch schon mal irgendwo gesehen …?!
Dankbar nicke ich meiner Freundin zu, froh, dass sie scheinbar wieder die Alte ist. Normalerweise ist Milli eher so der Typ Natural Girl, fröhlich, sportlich und unkompliziert, die Nummer heute kenne ich sonst nicht an ihr.
„Wollen wir noch zu H&M?“, fragt sie mich, als wir die Rolltreppe runterfahren. „Oder wollen wir gucken, was die Jungs im MediaMarkt machen?“
„Weiß nicht …“, antworte ich ausweichend. „So richtig Lust habe ich nicht mehr.“ Seufzend denke ich an meine zwanzig Euro, die ich jetzt wohl in meiner Spardose versenken werde. Für Kapuzenpulli oder Klassenfahrt, mal sehen.
„Freu dich, dann hast du Geld gespart … Hoppla!“ Milli ist mit einem weiß gekleideten Typen zusammengestoßen. Ein Schwall Cola ergießt sich über ihre Jacke. Auch die Hose des Jungen hat ein paar Sprenkel abbekommen.
„Ey, kannst nicht aufpassen, ey, oder was!“, macht der sie auch gleich heftig an. „Jetzt ist meine Cola alle, die bezahlst du mir!“ Der Typ trägt eine weiße Beanie und funkelt sie aus dunklen Augen provozierend an. Sofort stehen seine beiden Freunde neben ihm: cool gestylt, Goldkettchen und alle in weißen Klamotten.
„Voll krass, kannst Reinigung löhnen, ey“, sagt der eine, ziemlich klein und korpulent. Er hat seine Hände in den Hosentaschen vergraben und guckt feixend zwischen Milli und mir hin und her.
„Mal langsam, ja?“, faucht Milli. „Wenn hier einer was bezahlt, dann der, weil der meine Jacke versaut hat.“ Sie schält sich aus ihrer klitschnassen Jacke und wringt den Ärmel aus. Ich sehe, wie der Kleine dabei schadenfroh grinst.
„Willst Ärger, odwas?“ Jetzt baut sich der Cola-Typ vor ihr auf. Ich zucke leicht zusammen, immerhin ist er zwei Köpfe größer als Milli und scheint hier der Obermacker zu sein. Wie kommen wir bloß aus dieser Nummer wieder raus? Von den Passanten, die an uns vorbeihetzen, ist wohl wenig Hilfe zu erwarten. Wenn jetzt die Jungs da wären …
Blöde Typen, die nur auf Ärger aus sind, trifft man häufiger, als einem lieb ist. Meide nach Möglichkeit solche Situationen, gehe im Ernstfall nicht auf Konfrontation, sondern ziehe dich zurück. Vorbeugen kannst du, indem du darauf achtest, dass nie jemand auf die Idee kommt, du könntest ein Opfer sein. Das heißt, indem du immer überall mit ordentlich viel Selbstbewusstsein auftrittst. Signalisiere nach außen, dass du breitbeinig im Leben stehst und dich so schnell keiner aus der Bahn wirft.
· Lass dich nicht provozieren!
· Im Zweifelsfall gehe weg und bring dich in Sicherheit.
· Fühlst du dich zu sehr bedroht, bitte einen Erwachsenen laut und deutlich um Hilfe.
„Komm, lass gut sein!“ Ich zupfe Milli möglichst unauffällig am Arm. „Das gibt nur Stress.“
„Boaey, Alte, geht’s noch?“ Der Cola-Typ breitet jetzt grinsend seine Arme aus. „Mit uns kriegste nur Stress, wennde nich nett bist!“ Dabei fuchtelt er wild gestikulierend mit seinen Händen herum. Seine Kumpels dagegen starren uns weiterhin einfach nur an und finden sich dabei wohl obercool.
„Dann sind wir halt nett und sagen jetzt höflich auf Wiedersehen“, antwortet Milli schlagfertig mit ihrem süßesten Lächeln. Ihre Stimme zittert kaum merklich dabei. „War schön, euch kennenzulernen.“ Sie nickt noch mal in seine Richtung, dann nimmt sie meine Hand und zieht mich eilig fort.
Schlagfertig sein, im richtigen Moment die passenden Worte finden, das wünschen sich viele, und es gibt sogar Seminare, da kannst du das als Ping-Pong-Technik richtig trainieren. Besser aber als auswendig gelernte Sätze ist, wenn du dir eine souveräne Haltung für blöde Situationen aneignest, also höflich und respektvoll reagierst und dich gar nicht lange auf Provokationen – auch verbale! – einlässt. Denn wenn du nicht den richtigen Ton findest, kann das ruck, zuck nach hinten losgehen. Dennoch: Lass dir nichts gefallen, wehr dich, sei kein Opfer! Mit einem simplen „selber“ lässt du jeden Stänkerfritzen locker stehen. Und mit diesen Abwehrstrategien kannst du Großmäuler lässig verblüffen:
Durch Übertreibung: Setze der fiesen Bemerkung noch eins drauf, etwa: „Du stinkst“ – „Warte, bis ich die Schuhe ausziehe!“
Durch Ironisieren: Mache eine lockere Bemerkung, die zeigt, dass dir der Angriff egal ist: „Du hast deine Klamotten doch von Aldi!“ – „Logisch, und die Schuhe von Kik.“
Durch Kontern: Deine Antwort lässt den anderen schlecht dastehen: „Du bist fett!“ – „Dann passen wir ja gut zusammen!“
Durch Verwirrung: Einfach das Thema wechseln: „Du bist voll dumm.“ – „Aber das reimt sich doch gar nicht!“
Durch Leerlauf: Ziehe einen möglichst absurden Nutzen aus der Bemerkung: „Du hast einen dicken Hintern!“ – „Da brauche ich wenigstens kein Kissen!“
Achtung: Das geht nur, wenn keine Gewalt im Spiel ist! Bei gewaltbereiten Fieslingen hilft nur eins, nämlich ignorieren und so schnell wie möglich abhauen.
„Voll krasse Tusse, ey!“, höre ich die Typen noch im Weggehen rufen. Nachdem wir außer Sichtweite sind, rennen wir los wie die Bekloppten, bloß raus aus dem Einkaufscenter.
„Oh Mann, ich kann nicht mehr.“ Milli lehnt sich kreidebleich an einen Baum in der Fußgängerzone. „Ich kenn die, die stänkern gerne mal rum, aber trotzdem, man weiß ja nie ….“
„Du warst echt voll mutig“, meine ich anerkennend. Mir selbst ist immer noch ganz komisch.
Wie hätte ich reagiert, wenn die mich in die Mangel genommen hätten?
Eine Weile stehen wir gedankenverloren herum, völlig alleine und doch mitten unter Tausenden Menschen, die an uns unbeteiligt vorbeilaufen: mit vollen Einkaufstüten, mit dem Handy am Ohr, mit quengelnden Kindern an der Hand … Da weht eine sanfte Geigenmelodie zu uns herüber, Mozarts Kleine Nachtmusik, wenn ich mich nicht täusche, und bringt uns auf andere Gedanken. Ein Mädchen, etwa in unserem Alter, hat sich drei Bäume weiter mit seinem Geigenkasten aufgebaut und wiegt sich versonnen zur Musik im Takt. Einige Passanten bleiben stehen und lauschen verzückt, auch ich habe eine feine Gänsehaut, weil es sich so schön anhört. Die meisten lassen Münzen in den Kasten klimpern, ich meine sogar, den einen oder anderen Schein zu sehen.
Hey, das wär’s! Ich stelle mich demnächst mit meiner Gitarre auch hier hin und spiele mein Winz-Repertoire rauf und runter.
Hab zwar erst ein paar Stunden gehabt, aber ein kleines Liedchen bringe ich schon zusammen. Wäre doch gelacht wenn ich nicht auf diese Weise mein spärliches Taschengeld aufbessern könnte!
Natürlich „spenden“ Milli und ich keinen Cent, dafür gönnen wir uns ein Schokoladen-Crêpe. Danach fühlen wir uns wieder glücklich und in der Lage, unsere Jungs zu treffen. Doch als wir im MediaMarkt in der Spieleabteilung ankommen, hocken da nur Yannis und Juri mit missmutigen Gesichtern vor der Playstation. „Sebastian ist schon zu Hause“, sagt Juri, ohne unsere Frage abzuwarten. „Dem ging es nicht gut …“ Er gluckst rum und ich denke mitleidig mindestens an Durchfall oder so was.
„Leider hat er jetzt eine Uhr weniger“, meint Yannis lapidar.
„Aber unser Sebastilein hat ja dank Papilein genug.“
„Hä? Kann vielleicht einer mal genauer erklären, was los ist?“
Ich schiebe mich neben Yannis auf den Hocker.
„Da waren so Typen, mit denen hatte er Ärger“, erzählt Juri. „Weil er mit dem einen in der Tür zusammengestoßen ist, aus Versehen.“
Ich wechsele mit Milli einen vielsagenden Blick. „So Typen mit Goldkettchen und in Weiß, die einen auf Hip-Hop-Gangsta machen?“, frage ich alarmiert.
„Nee, ein Großer und ein Kleiner, sahen eigentlich eher normal aus, ich glaube, die sind auch an unserer Schule“, meint Juri achselzuckend.
„Die waren sofort drauf und haben ihn bequatscht und bedroht, bis er seine Uhr hergeben musste“, fährt Yannis fort. „Er hatte überhaupt keine Chance gegen die.“
„Diese teure Sportuhr, die er erst neulich von seinem Vater aus den USA mitgebracht bekommen hat?“, vergewissere ich mich. „Aber die ist doch mindestens zweihundert Euro wert!“ „Tja“, grinst Juri nur. „Hätte er halt nicht so angeben müssen, selber schuld.“
„Hättet ihr halt verhindern müssen“, mache ich ihn an. Ich weiß nicht, was Juri daran so komisch findet. „Ihr könnt doch nicht zulassen, dass so Typen ihm einfach die Uhr abnehmen! Ihr müsst zur Polizei, Anzeige erstatten!“ Ich bin jetzt auf hundertachtzig. Doch Juri winkt nur müde ab.
Räuberische Erpressung ist eine Straftat, die du dir nicht gefallen lassen musst. Je nach Schwere des Falls und des entstandenen Schadens, und erst recht, wenn Waffen im Spiel sind, solltest du bei der Polizei Strafanzeige erstatten. Wenn du die Täter auch noch kennst bzw. weißt, auf welche Schule sie gehen, sind die Chancen gut, dass sie gefasst werden.
„Wenn du die gesehen hättest … die hatten sogar ein Messer“, sagt Yannis ernst. „Mit denen war nicht gut Kirschen essen, ich war froh, dass wir weit genug weg standen.“