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K wie Krankheit, K wie Krebs, K wie Krieg – Robert Gernhardt stellt helle und schnelle Gedichte zu zwei düsteren Themen vor: zu seiner Krebserkrankung und zum Irak-Krieg. Widmete er sich in »Herz in Not« den Schmerzen am Herzen, so flicht er nun einer anderen Volkskrankheit einen Gedichtkranz: »Krankheit als Schangse«. Denn: Wenn einer eine Chemo macht, dann kann er was erzählen. – Was hingegen aus dem Weißen Haus und aus Bagdad berichtet wurde, das greift Robert Gernhardt in seinen Sonetten auf, die vor und während des Irak-Kriegs entstanden sind: »Krieg als Shwindle«. Krankheit und Krieg setzt der Dichter Kritik und Kunstverstand entgegen. Sein unerschrockener Humor sorgt dafür, dass ein weiteres K nicht zu kurz kommt: Komik.
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Seitenzahl: 40
Veröffentlichungsjahr: 2012
Robert Gernhardt
Die K-Gedichte
Fischer e-books
In memoriam Volker Kriegel
Erst kam der berühmte
Schuß vor den Bug.
Zuvor war ich dumm,
hernach war ich klug.
Dann folgte der klassische
Schlag ins Kontor.
Darauf war ich klüger
als jemals zuvor.
Undenkbar, daß solch einem
blitzklugen Mann
noch irgendein Tod
etwas anhaben kann.
Als säh ich meinen Hund
zum letzten Mal,
blick ich dem Hund in seine
treuen Augen.
Als sähe mich mein Hund
zum ersten Mal,
blickt er zurück, als sucht er
Treu in meinen Augen.
Als gäbe es auf dieser Welt
kein letztes Mal,
blick ich dem Hund voll Treu
in seine Augen.
Als ginge es dem Hund
ums nächste Mahl,
fragt mich sein Blick: Mein Herr,
meint »Treu« nicht einfach »Fleischwurst«?
Ich ging auf einem Seil dahin
Mir schien es eine Straße
Mit frohem Mut und heitrem Sinn:
Ich bin auf guter Straße!
Was dann geschah? Ich weiß es nicht
Wuchs ich? Verging die Straße?
Die Jahre änderten die Sicht:
Doch reichlich eng, die Straße!
Auf schmalem Steg geht's nicht so gut
Ist der noch eine Straße?
Bei jedem Schritt sinkt mir der Mut:
Das ist doch keine Straße!
Ich geh auf einem Seil dahin
Das wird nie wieder Straße
Wirkt wie ein Faden licht und dünn:
Wann lieg ich auf der Nase?
Habe nichts gegen das Altern.
Wie sollte ich da etwas
gegen den Tod haben?
Hat ja auch sonst niemand etwas
gegen das Altern.
Hat ja auch sonst niemand etwas
gegen den Tod.
Alterten sie sonst alle?
Stürben sie sonst alle?
Da werde ich doch wohl keine
Ausnahme machen:
Habe gar nichts gegen das Altern.
Habe schon gar nichts gegen den Tod.
Am Donnerstag wird zugelangt
Am Freitag wird ums Heil gebangt
Am Samstag wird viel Wein getankt
Am Sonntag wird noch leicht geschwankt
Am Montag wird mit Gott gezankt
Am Dienstag wird dem Herrn gedankt, denn erst
am Mittwoch geht's unter das Messer.
O Mensch, halt ein vorm Krankenhaus.
Gehn dem einmal die Kranken aus,
dann greift man auch auf dich zurück,
und du verbleibst dort Stück für Stück.
Das präludiert mit etwas Darm,
dann schneidet man sich langsam warm
an Leber, Venen und Arterien -
so'n Krankenhaus kennt keine Ferien.
Greift nach den Alten, nach den Jungen,
nach deren Mägen, deren Lungen,
nach deren Lymphen, deren Zellen,
nach offnen wie versteckten Stellen,
nach Herz und Brust, nach Hirn und Hoden,
und bringt dich das nicht unter'n Boden,
dann doch auf Null. Was folgt daraus?
Mensch, halt dich fern vom Krankenhaus!
Einer sagt: Wir müssen schneiden.
Einer weiß: Ich muß jetzt leiden.
Einer sagt: Jetzt kommt der Schnitt.
Einer denkt: Da machst was mit.
Einer hat was rausgeschnitten.
Einer hat nicht ausgelitten.
Einer ist der Scheidende.
Einer ist der Leidende.
Einer war der Schneidende.
Einer bleibt der Leidende.
Kein rasender Schmerz,
kein brennender.
Eher
ein schlendernder Schmerz,
ein glimmender.
Aber
ein Schmerz ist ein Schmerz
bleibt ein Schmerz.
Und weil,
was da schlendert,
auch rasen kann,
und weil,
was da glimmt,
auch zu brennen vermag,
deshalb
behandle das planlose
Schlendern des Schmerzes
sowie
seines Glimmens
zielloses Tun
voller
Vorsicht und Nachsicht,
Rücksicht und Einsicht,
so wie
du einen Vulkan
behandeln würdest,
ein Raubtier,
ein Kind.
Tagsüber erträgt er ihn.
In der Nacht zerschlägt er ihn.
Kurz und klein, in tausend Teile,
daß ihm auch nicht einer heile.
Kommt der Morgen, sieht er stumm
um den Nachtzerhau herum
und beginnt gleich nach dem Wecken
damit, ihn zurechtzustecken,
bis das Puzzle, und das reicht,
halbwegs dem Zerschlagnen gleicht.
Dieser spielt des Tags Patient,
einen, den man kennt und nennt,
dem man hilft und dem man rät,
wie's ihm fortan besser geht.
Gähnend hört der Dämon zu,
denn bald geht man ja zur Ruh,
was für ihn heißt: Ab zur Kammer
der diversen Vorschlaghammer.
Prüfend wiegt er die Geräte:
Ob's heut nicht der kleine täte?
Wie auch immer: Bis zum Tagen
wird dann wieder zugeschlagen.
Nicht aus Bosheit. Mit Bedacht.
Tag ist Tag, und Nacht ist Nacht.
Frau Sorge traf am Krankenbett
des Gernhardt den Herrn Kummer.
»Herr Kummer, das ist aber nett!
Wir wolln den Gernhardt-Schlummer
nicht störn, doch wenn er mal erwacht,
läuft die bewährte Nummer:
Sie kümmern sich, daß er sich sorgt,
ich sorge für den Kummer.«
Von Wand und Frau,
von Tass' und Mann,
von allen blickt dich
Goethe an.
Blickt starr auf all
die kranken Leute:
»Grüß Gott! Wie fühlen wir
uns heute?«
Blickt von der Tass'
auf mich und sinnt:
»Wie geht es dir, mein
liebes Kind?«
»Bin weder Kind
noch lieb. Sollst wissen:
Mir geht's heut morgen
echt besch…«