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Viele der Gedichte und Bildergeschichten aus dem 1981 erstmals erschienenen »Wörtersee« sind längst zu Klassikern der Gegenwartsliteratur geworden: »Bilden Sie mal einen Satz mit Garant – Der Hase trug den Kopfverband, seitdem er an die Wand garant.« Immer wieder zitiert, sind sie eingegangen in den deutschen Sprachschatz wie die Sketche und Cartoons von Loriot.
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Seitenzahl: 74
Robert Gernhardt
Wörtersee
Gedichte
FISCHER E-Books
Sonne und Mond sind mein einziger Verkehr.
Vielleicht noch das Feuer,
vielleicht noch das Meer.
Alfred Mombert
Die große Menge wird mich nie begreifen,
die Pfeifen.
R. G.
Als Ausnahmen merk dir genau:
der Milchmann, doch die Eierfrau.
Volksmund
Was wollen die Schwäne uns sagen?
Wir leben und schweben
wir kreisen und weisen
wir finden und binden
wir ketten und retten
wir halten und walten
wir schlichten und richten
wir sind überhaupt ganz tolle Vögel –
das wollen die Schwäne uns sagen.
Oja! Auch ich war in Parih
Oja! Ich sah den Luver
Oja! Ich hörte an der Sehn
die Wifdegohle-Rufer
Oja! Ich kenn’ die Tüllerien
Oja! Das Schöhdepohme
Oja! Ich ging von Notterdam
a pjeh zum Plahs Wangdohme
Oja! Ich war in Sackerköhr
Oja! Auf dem Mongmatter
Oja! Ich traf am Mongpahnass
den Dichter Schang Poll Satter
Oja! Ich kenne mein Parih.
Mäh wih!
Welch ein Surren, welch ein Glänzen,
oben fliegt ein Ufo, Mann!
Extraterrestrische
Intelligenzen
setzen zur Landung an!
Tiefer zieht es, immer tiefer,
Vater, was ein Flugobjekt!
Ist geformt wie eine Kiefer –
weiß der Himmel, wer drin steckt!
Gott, jetzt ist das Ding gelandet!
Langsam öffnet sich ein Spalt –
nein, was für ein fremdes Wesen
unmenschlich und unbeschreiblich
weder männlich, weder weiblich
nie gesehen, nie gelesen
sich dort in den Ausstieg krallt:
Hilfe!
Immer wieder zieht der alte
Schäfer an der Weidenflöte
Immer wieder
Immer wieder hofft er sehnlichst
endlich einen Ton zu hören
Immer wieder
Immer wieder sagt sein Weib ihm
blasen müsse er, nicht ziehen
Immer wieder
Immer wieder winkt der Alte
kreischend ab und zieht aufs neue
Immer wieder
Wer hat ein Alibi für mich?
Ich brauche eins für morgen,
da soll ich es um 12 Uhr 10
der Königin besorgen.
Die Königin ist klein und rund,
der König groß und eckig.
Dem, den sein Mißtraun auch nur streift,
geht es entsetzlich dreckig.
Um 12 Uhr 10 bin ich bestellt.
Ich trau mich gar nicht, hinzugehn.
Es sei, ich hätt’ ein Alibi.
Wer sah mich morgen, 12 Uhr 10?
Ein Couplet
Und da wirste geborn
und da fühlste dich klein
und da ließest du alles am liebsten gleich sein
und sagtest »Tschüss Alte, tschüss Alter« –
doch dann sind da die Falter.
Und denen krabbelste nach,
denn die sind so schön bunt,
und …
Und nu biste schon größer
und nu liebste schon wen
und die, die du liebst, will nich mit dir gehn
und du sagst dir: »Mach Schluß jetzt, Mensch Walter!«
doch dann ist da der Falter.
Und dem rennste nach,
denn der ist so schön bunt,
und …
Und denn biste ein Mann
und denn läuft es nicht so
und denn biste oft traurig und nur sehr selten froh
und denn blätterste schon mal im Psalter –
doch da ist noch ein Falter.
Und dem gehste nach,
denn der ist so schön bunt,
und …
Und dann wird dein Haar grau
und dann fühlste dich alt
und dann siehste sie plötzlich, diese Gestalt
und du fragst dich: »Wo kommt die Gestalt her?
Mensch, die ist doch kein Falter!«
Und dann folgst du ihr doch
mit verstummendem Mund
und …
Seht ihn an, den Texter.
Trinkt er nicht, dann wächst er.
Mißt nur einen halben Meter –
weshalb, das erklär ich später.
Seht ihn an, den Schreiner.
Trinkt er, wird er kleiner.
Schaut, wie flink und frettchenhaft
er an seinem Brettchen schafft.
Seht sie an, die Meise.
Trinkt sie, baut sie Scheiße.
Da! Grad rauscht ihr drittes Ei
wieder voll am Nest vorbei.
Seht ihn an, den Hummer.
Trinkt er, wird er dummer.
Hört, wie er durchs Nordmeer keift,
ob ihm wer die Scheren schleift.
Seht ihn an, den Dichter.