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Weihnachten mit Robert Gernhardt Die schönsten, komischsten und nachdenklichsten Gedichte, Geschichten und Zeichnungen von Robert Gernhardt zum Fest: eine neue Auswahl aus der unerschöpflichen Fundgrube des Gernhardtschen Werks.
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Seitenzahl: 87
Robert Gernhardt
Weiße Weihnacht an der Côte d'Azur
Herausgegeben von Johannes Möller
FISCHER E-Books
Als aber in der finsteren Nacht
die junge Frau das Kind zur Welt gebracht,
da haben das nur zwei Tiere gesehn,
die taten grad um die Krippen stehn.
Es waren ein Ochs und ein Eselein,
die dauerte das Kindlein so klein,
das da lag ganz ohne Schutz und Haar
zwischen dem frierenden Elternpaar.
Da sprach der Ochs: »Ich geb dir mein Horn.
So bist du wenigstens sicher vorn.«
Da sprach der Esel: »Nimm meinen Schwanz,
auf daß du dich hinten wehren kannst.«
Da dankte die junge Frau, und das Kind
empfing Hörner vorn und ein Schwänzlein hint.
Und ein Hund hat es in den Schlaf gebellt.
So kam der Teufel auf die Welt.
I
In Engelszungen sang
der schlesische Cherub.
Wer fällt ihm hier ins Wort?
Ein Mensch? Der Beelzebub?
II
Mensch, rede nicht von Gott.
Was ist von Gott zu sagen?
Er siegte, sah und kam,
um uns ans Kreuz zu schlagen.
Mensch werd’ vor Gott nicht weich,
denn Gott ist mit den Harten.
Kaum wurde Adam bleich,
schon flog er aus dem Garten.
Vor Gott ist alles eins.
Sein Nehmen ist ein Geben:
Er gibt den Tod und nimmt
im Gegenzug das Leben.
Mach dir nur einen Reim
auf beide, Mensch und Gott:
Du findest kein’ auf Mensch
und erntest für Gott Spott.
Ihr Menschen, lernet doch
von Wiesenblümelein:
Gott hat euch ausgesät,
und ihr geht dennoch ein.
Die Ros’ ist ohn’ Warum,
kein Zweifel an ihr naget,
denn da ist ja der Mensch,
der ihr das Darum saget.
Wo Gott ein Feuer ist,
so ist mein Herz ein Herd,
auf welchem er sein Supp’
kocht, abschmeckt und verzehrt.
Warum daß Gottes Geist
wie eine Taub’ erscheint?
Er tut’s, weil er damit
den Fuchs zu tarnen meint.
Gott ist mein Stab, mein Licht,
mein Pfad, mein Ziel, mein Hirt,
mein Kind, das all das glaubt
und darob selig wird.
Gott spricht nur immer Ja,
der Teufel immer Nein:
Drum ist der Mensch verdammt,
der Schiedsrichter zu sein.
Nichts dünkt mich hoch zu sein,
ich bin das höchste Ding,
weil auch Gott ohne mich
sich selber ist gering.
III
»Mensch werde wesentlich« –
wer solches sagt, der irrt.
Er sorge vielmehr, daß
sein Wesen menschlich wird.
24.12. Das WimS-Weihnachtsfest – wie immer im engsten Kreis der weltweiten WimS-Gemeinde gefeiert – wird auch dieses Jahr zu einem vollen Erfolg. Atemlose Spannung herrscht, als Chefredakteur Zirfeld die Weihnachtsgeschichte vorliest. »Wie geht’s weiter?«, wollen alle wissen und »Was wird aus dem Kind!?«
Und so liest Zirfeld denn weiter – bis zum bitteren Ende. Da fällt es anfangs allen schwer, in echte Festtagsstimmung zu kommen, doch als die Geschenke ausgepackt werden, sind alle trüben Gedanken verflogen. Und wie immer sind es nicht die kleinen, persönlichen, sondern die großen Geldgeschenke, die allen am meisten Freude bereiten.
Das als Anregung für Sie, liebe Leser, wenn Sie uns zum nächsten Fest etwas bescheren wollen, was wir stark hoffen.
Pilsator meint:
(In der folgenden Glosse gibt unser Kolumnist die Meinung der Redaktion wieder. Sie deckt sich nicht immer mit seiner eigenen.)
In dieser Zeit, da die Tage kürzer, die Nächte dunkler und die Frauen kühler werden, sitze ich abends gerne vor dem Fernschreiber. Und wenn der dann so recht ordentlich vor sich hin bullert und zischt, dann greif ich mir wohl die eine oder andere heiße Nachricht heraus, etwa die hier: »NEUE SATZZEICHEN. Neue verbindliche Satzzeichen hat die Satzzeichen-Kommission im Bundesgrammatik-Ministerium erarbeitet. Die Neuregelung sieht vor …« Na, schau’n wir mal, was sie vorsieht. Neu ist zum Beispiel das AUSFRAGEZEICHEN. So sieht’s aus es soll in Zukunft den Ausfragesatz stärker vom normalen Fragesatz trennen, das »Wie geht’s?« vom »Wie in drei Teufels Namen kommt der nackte Mann in unseren Sexualkunde-Atlas, Elsbeth Nicht schlecht.
Neu ist ferner das KOLON, das so ausschaut und das Semikolon ablösen soll; ich bin dafür, weil ich Halbheiten noch nie mochte.
Ebenfalls neu und brauchbar sind die beiden ANMEIERUNGSZEICHEN, das Anmeierungszeichen unten ≈ und das Anmeierungszeichen oben ≈, die dem Leser klarmachen sollen, wann, wo, wie lange und wie oft er in einem Text angemeiert wird. Also: ≈ Es begab sich aber zu der Zeit, da Cyrenus Landpfleger in Syrien war, daß ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt etc. …≈
Weniger befreunden kann ich mich mit dem OPANKENSTRICH, , der die Versfüße gliedern soll. Nun, ich bin freilich auch kein Dichter, das ist nicht mein Bier.
Und was schließlich das KOMMA-RÜBER betrifft, jenes merkwürdige sperrige , das lediglich den Satzfluß überbrücken und dem Leser das Überschreiten ermöglichen soll – na, ich weiß nicht, ich weiß nicht. Denn denselben Zweck soll in Zukunft ja auch der HOPPELPUNKT erfüllen, , und ein Satzzeichen dieser Art sollte eigentlich genügen. Ganz abgesehen davon, daß ich Sätze grundsätzlich überfliege. Aber es soll ja auch Leute geben, die sich das nicht leisten können. Und nun etwas ganz Anderes: Gestern fragte mich jemand, auf Grund welcher Lautverschiebungsgesetze das altgriechische Wort für Fuchs, Alopex, sich zum deutschen »Fuchs« gewandelt habe. Sie wissen es nicht? Ich wußte es auch nicht, passen Sie auf: Die Vorsilbe »Alo« fällt ab, der Rest ist einfach: ≈ Pex, Pix, Pax, Pux, Fuchs ≈.
Doch ich sehe, wie gerade ein Rebhuhn an meine Scheibe klopft, ich muß schießen. Gute Nacht, liebe kleine Leser, gute Nacht!
Ich fand sie in der Weihnachtsausgabe des ›Göttinger Tageblatts‹, war vom ersten Satz an gefesselt und in der Mitte ganz und gar bezaubert, als der Verfasser, der verdiente Pastor Johannes Schiller, derart abrupt die längst fällige Kurve vom neckischen Beispiel zur frohen Botschaft kratzte, daß es mich fast vom Frühstückssessel gehauen hätte – aber lesen Sie selbst:
»AUSSCHAU HALTENEs ist eigentlich eine Schweinerei, meinte der junge Mann, als er meiner Frau sein Päckchen überreichte. Etwas befremdet packte sie aus und lachte dann vergnügt: Ein brauner Holzteller mit einem größeren Holzschweinchen für Salz und einem kleineren für Pfeffer! Damit läßt sich am Frühstückstisch allerhand Spaß treiben; ob man die Schweinchen nun auf die Hinterfüße stellt und miteinander tanzen läßt, ob man sie hinter dem Brotkorb versteckt und den anderen danach suchen läßt. Neulich hatte ich sie gedankenlos weggestellt und entdeckte sie auf ihrem Holzteller, nebeneinandersitzend und mit ihren schwarzen Punktaugen nach oben schauend. Mir war es, als stünden sie staunend auf dem Hirtenfeld zu Bethlehem, auf dem die Klarheit des Herrn aufleuchtete und dann wieder wich. Das heißt, sie wich ja gar nicht …« genausowenig übrigens wie das Schweinchenpaar, das im Fortgang der Predigt zwar erst mal der Bibel, Ambrosius von Mailand und Jochen Klepper weichen muß, am Ende jedoch erwartungsgemäß wiederauftaucht:
»Da sollte man das ›Ausschau halten‹ nicht nur spielerisch mit den beiden Holzschweinchen darstellen …«
Nein, sollte man nicht. Überall ist Wunderland, noch in dunkelster Nacht kann der hellste Nonsens erblühen: Ausschau halten!
24.4. Wegen Terminschwierigkeiten kann die WimS-Weihnachtsandacht erst heute stattfinden. Trotzdem ist selbst das geschäftige Mucksmäuschen still, als Leihbischof Klamm den Klappaltar entert und also beginnt: »Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzet werde – jaa, so beginnt die Weihnachtsgeschichte. Was wollen uns diese Worte sagen? Da ist Augustus, ein großmächtiger Mann, ja, ein Kaiser gar. Und was befiehlt der? Befiehlt er, daß alle Welt heruntergeputzt werde? So wie es heute ja leider Mode geworden ist? Nein. Er gebietet ausdrücklich, ›daß alle Welt geschätzet werde‹. ›Aber, aber‹, – so höre ich nun euch, liebe Zuhörer sagen ›Ist es denn überhaupt möglich, alles und jedes zu schätzen?‹ Und hören wir nicht gerade heute allenthalben Sätze wie diesen: ›Ich schätze es gar nicht, wenn man mir Rotwein über die Hose gießt?‹ Nun, meine Lieben, wer so denkt …«
»Schätze, das reicht!« schreit da Chefredakteur Zirfeld dazwischen.
»Herr Zirfeld, ich frage mich …« setzt Klamm an, »Gegenfrage«, brüllt Zirfeld, »Welches Getränk ist seit der Währungsreform nicht teurer geworden? Das Freibier, von dem ich übrigens ein Glas im Nebenzimmer habe auffahren lassen, das nun …« Und – hast du nicht gesehen? – leert sich die Kapelle. Kannst du auch gar nicht gesehen haben, lieber Leser, warst ja nicht dabei. Tja, Pech für dich, denn es wurde noch ein groooßer Weihnachtsabend …
Zu den drei heiligsten Königen wurden dieses Jahr König Gustav der Sechste Adolf, König Frederik von Dänemark und der König der Wüste gewählt. Mit dieser Ehrung ist das unkündbare Recht verbunden, kleine Heilande zu beschenken.
daß die heiligen Drei Königinnen ihren Männern die Sache mit dem Stern, dem diese monatelang hinterherlaufen mußten, bis an ihr Lebensende nie so recht geglaubt haben?
Triftigere Fragen wirft ein Packen völlig tendenzfreier Zeichnungen auf, die allesamt um ein und dasselbe Thema kreisen: um die Heiligen Drei Könige. Ich weiß weder, wie es begann, noch wodurch es ausgelöst wurde, doch eines Tages hatten wir[*] es: das Heilige-Drei-Königs-Fieber.
Der Keim lag vermutlich in der Luft. Die führenden Cartoonisten jener Tage liebten es, irgendein möglichst lebensfernes Thema möglichst oft und unter striktem Verzicht auf Worte zu variieren – der Franzose Chaval den Stierkampf, der Österreicher Paul Flora den Pegasus, der Engländer Hoffnung die Orchestermusiker –, doch kommt es mir so vor, als atmeten unsere Heilige-Drei-Königs-Variationen einen teils welthaltigeren, teils dreisteren Geist als das Gros unserer Anregungen.
Welthaltiger, da wir die Heiligen Drei Könige entweder in der uns vertrauten Szenerie einer Eckkneipe agieren (Abb. 1) oder sie unsere Männerphantasien realisieren lassen (Abb. 2