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Die hundert hier versammelten Gedichte, die 1987 erstmals publiziert wurden, zeigen die ganze Meisterschaft von Robert Gernhardt. Ungemein heiter, in trockener und lakonischer Sprache schreitet er den ganzen Kreis des Lebens aus: verblasste Lust und Körperfrust, Heimatliebe und Toscanaglück, Dichterleid und Schicksalsmacht. Schelmisch umkreist Gernhardt die Unangenehmlichkeiten des angenehmen Lebens und fügt mit ungeheurer Leichtigkeit Vers an Vers. So spielerisch die Gedichte auch daherkommen, Gernhardt weiß um die lyrische Tradition, in der er steht. Souverän bedient er sich zuweilen der klassischen Formen, um Pointe auf Pointe zu setzen und den hohen Ton genüsslich zu parodieren.
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Seitenzahl: 54
Robert Gernhardt
Körper in Cafés
Gedichte
Fischer e-books
Kröten sitzen gern vor Mauern,
wo sie auf die Falter lauern.
Falter sitzen gern an Wänden,
wo sie dann in Kröten enden.
So du, so ich, so wir.
Nur – wer ist welches Tier?
Hallo, süße Kleine,
komm mit mir ins Reine!
Hier im Reinen ist es schön,
viel schöner, als im Schmutz zu stehn.
Hier gibt es lauter reine Sachen,
die können wir jetzt schmutzig machen.
Schmutz kann man nicht beschmutzen,
laß uns die Reinheit nutzen,
Sie derart zu verdrecken,
das Bettchen und die Decken,
Die Laken und die Kissen,
daß alle Leute wissen:
Wir haben alles vollgesaut
und sind jetzt Bräutigam und Braut.
Wer ist der Herr,
der rund und satt
da diese schöne
Dame hat?
Ich kann ihn nur
von hinten sehn.
Dem tut die schöne
Dame schön?
Sein Haar so grau,
sein Leib so dick -
die Dame wendet
keinen Blick.
Sie schaut ihn
innig an und lacht.
Ich frage mich, wie
der das macht.
Der Blick der Dame
hängt am Herrn,
der Herr da drüben
wär ich gern.
So dick wie er
und so ergraut,
so oh! belacht,
so ach! beschaut.
Schöne Fraun, die haben immer recht.
Sie mögen zwar böse sein, doch sie sind nie schlecht.
(Schöne Fraun und schlecht -
das wäre ja noch schöner!)
Schöne Fraun, die tun nicht immer gut.
Jedoch allein ihr Anblick! Wie gut der tut!
(Es gibt nichts Schöneres
als den Anblick schöner Fraun!)
Schöne Fraun, die sind das Schönste auf der Welt.
Und wir Männer sind der Mond, der den Hund anbellt.
(Daß sie uns auch noch den allerletzten Rest Verstand
rauben, das ist das Allerschönste an schönen Fraun!)
Schöne Fraun! Wer möchte sie nicht immer sehn!
Doch bleiben schöne Fraun gottlob nicht immer schön.
(Dann wird man endlich auch drei, vier Worte über
den Charakter dieser Biester verlieren können.
Bis dahin aber heißt es:)
Schöne Fraun etc.
Arr ju launsam tuneit?
Yes, I'm lonesome tonight.
Will ju hauld mi tuneit?
Yes, I will hold you tonight.
Schell ei order as ä texi?
Oh yes, order us a taxi.
Schell we gau tu ju orr tu mi?
Well, let's go to your place.
Batt wi kännt gau tu mi, eim merriet.
Good God! You should have told me earlier.
Ei treit tu. Batt epperentli
jorr Inglisch is verri pur!
Did you say: My English?
Nau. Ei sed: Jorr Inglisch.
My English? I really don't understand -
Wei daunt ju trei tu lörn Inglisch?
Es liegt was in der Luft,
ein ganz besondrer Klang,
der vielzuviel verspricht,
jedoch er hält es auch.
Heut nacht geht etwas um,
wer darauf hört, ist klug.
Wer's überhört, riskiert,
daß er den Kopf bewahrt.
Der Kopf ist klar und kühl,
die Nacht ist voll Geräusch.
Die Luft ist weich und warm,
wer kopflos ist, wird reich.
Ich habe ein großes Gefühl für dich.
Wenn ich an dich denke,
gibt es mir einen Schlag.
Wenn ich dich höre,
gibt es mir einen Stoß.
Wenn ich dich sehe,
gibt es mir einen Stich:
Ich habe ein großes Gefühl für dich.
Soll ich es dir vorbeibringen,
oder willst du es abholen?
Dreimal Ja und dreimal Nein
machen ein Vielleicht.
Kein Geh weg mehr,
noch kein Komm -
schön, wenn dir das reicht.
Mir reicht's nicht, damit du's weißt.
Gott, geht mir das auf den Geist,
dieses:
Ja, ja, ja, nein, nein, nein -
bleib bloß draußen, doch komm rein.
Mach dich klein
mach dich groß
laß mich ein
laß mich los.
Mach dich jung
mach dich alt
gib mir Schwung
gib mir Halt.
Mach mich an
mach dich fort
laß mich ran
sei nicht dort.
Tage gibt es, da ich mich entleere.
Ich zieh das voll durch. Gleich einer Blase,
die man ansticht, treib ich Stoff und Gase
aus. Durch alle Öffnungen fällt Schwere
Von mir ab. Der Leib wird eine Hülle,
die nichts hält. Da! Jetzt entweichen
auch Hirn, Herz und Seele und dergleichen,
bis nur Leere ist. Und das meint: Fülle!
Als dann die Lust kam, war ich nicht bereit.
Sie kam zu früh, zu spät, kam einfach nicht gelegen.
Ich hatte grad zu tun, deswegen
war ich, als da die Lust kam, nicht bereit.
Die Lust kam unerwartet. Ich war nicht bereit.
Sie kam so kraß, so unbedingt, so eilig.
Ich war ihr nicht, nicht meine Ruhe, heilig.
Da kam die Lust, und ich war nicht bereit.
Die Lust war da, doch ich war nicht bereit.
Sie stand im Raum. Ich ließ sie darin stehen.
Sie seufzte auf und wandte sich zum Gehen.
Noch als sie wegging, tat es mir kaum leid.
Erst als sie wegblieb, blieb mir für sie Zeit.
Dies Gelächter! Perlend fällt es
ab von spitzen Tönen in die
Tiefen, wo es nur noch gluckert
und verebbend endet, um doch
wieder neu emporzuschießen,
abzufallen, zu vergluckern,
dies Gelächter. Hätte ich es
ausgelöst, ich stimmte ein in
dies Gelächter. Doch es gilt mir.
Körper in Cafés verstehn es,
nicht zu sagen, was sie meinen.
Trinken cool aus großen Gläsern,
statt vollrohr in sie zu weinen,
Haben kein Problem mit Gesten,
da sie quasi null bedeuten:
Sich umarmen geht ganz easy,
man umarmt sich ja vor Leuten.
Aber dann in den vier Wänden
müssen Körper Flagge zeigen.
Voll hängt er in ihren Sielen
und die Hölle voller Geigen.
Sieben Zeilen, sieben nur,
reihn gleich einer Perlenschnur
schimmernd Wort an Widerwort:
Ich bin hier, und du bist dort
Ich bin Herr, und du bist Knecht
Ich bin gut, und du bist schlecht
Ich bin groß, und du bist klein
Ich bin Mensch, und du bist Schwein
Ich bin Nil, und du bist Styx
Ich bin alles, du bist nix.
Wie so oft schon wirft das Tischtuch
äußerst ungestalte Falten,
droht der hitzige Gesprächsfluß
unversehens zu erkalten,
greifen Hände schnell und fahrig,
fast schon zitternd, zur Karaffe,
kippt das Schweigen um in Klage,
wandelt sich das Wort zur Waffe:
Wie so oft schon, wenn vor dritten
zwei an ihrem Einssein litten.
Mein Mantel hat einen Gürtel.
Der ist immer da,
doch ich brauche ihn nie.
Der hängt von mir ab,
doch ich binde ihn nie.
Der ist nützlich und schmuck,
doch ich sehe ihn nie:
So wünsch ich mir meine Gefährtin.