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Drei Hommagen an drei große deutsche Dichter: Goethe, Heine, Brecht Robert Gernhardt singt uns in fremden Zungen ein neues Lied auf die großen Klassiker deutscher Dichtung. Hintersinnige und lustige Parodien, die zudem Lust machen, die Originale neu zu entdecken – gedichtet vom einem Autor, der inzwischen selbst zu den Klassiker der deutschen Literatur gehört.
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Seitenzahl: 53
Veröffentlichungsjahr: 2016
Robert Gernhardt
In den drei Zyklen dieses Buches dichtet Robert Gernhardt im jeweiligen Tonfall dreier großer Stimmen der deutschen Literatur: Heinrich Heine, Bertolt Brecht und Johann Wolfgang Goethe. Fernab jeder platten Parodie, unerwartet lustig und mit spürbarem Respekt hat Robert Gernhardt den verehrten Dichtern spöttische Hommagen gewidmet. Ein großes Lesevergnügen, das zudem Lust auf die Lektüre der Originale weckt.
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LIED DER BÜCHER ODER [...]
I Linker Flügel
I Prolog im Himmel
II Anfrage
III Zögern
IV Vorsatz
V Er beginnt die Lektüre
VI Er liest im »Buch der Lieder«
VII Erinnerung
VIII Er liest »Die Nordsee«
IX Er liest »Verschiedene«
X Er variiert ein Thema von Heinrich Heine
XI Er liest »Deutschland. Ein Wintermärchen«
XII Er liest den späten Heine
XIII Erkenntnis
XIV Einsicht
XV Heimkehr
XVI St. Heine
XVII Epilog in Frankfurt
O-MEI/BUCH DER WINDUNGEN
II Scharnier
Verzeichnis der Namen
Über das Lachen
Über den Widerstand
Über die Ausbeutung
Über die Kritik
Über Kunst und Leben
Über das Verbessern
WÜRSTCHEN IM SCHLAFROCK ODER [...]
III Rechter Flügel
15. September
Im Kostümverleih
16. September
Mondfinsternis in Montaio
18. September
Morgenstimmung 9 Uhr 30
Abendgedanken
Mondaufgang
19. September
Sonnenaufgang 7 Uhr
Morgenstimmung 9 Uhr 15
Morgendlicher Ausgang
Mittagsruhe
Überraschender Aufbruch und Anflug über die Po-Ebene auf Lugano
Über die Alpen nach Zürich
21. September
Rückflug mit der Crossair
23. September
Vor dem Weinfeld
Unverhoffte Landesfarben
Abendgang
24. September
Morgengedanken
Zwei Getreue
Aufforderung zur Teilnahme
Mittägliche Rast
Vom Klebstoff
Gleich und Ungleich
25. September
Nachtbild
Sommerlich warm
Vom Pfirsich
Mittagsruhe
Vom Wein
Verfrühtes Dunkel
26. September
Unvertrauter Schmerz
Morgenlektion
Unmögliche Reise
Zweierlei Winzer
Abendgang 18 Uhr
Abendgang 18 Uhr 15
27. September
Morgendlicher Fund
Sonnenblumen
Tadel des Schönen
Lob des Irrtums
In der Weinhandlung Montagnani in Gaiole in Chianti
Zweierlei Fischer
Mittagsimbiss vor der Taverna del Pescatore
Am See
Beim Anblick der Putenfarm auf dem abendlichen Chianttkamm
28. September
9 Uhr Morgens: 18 90 % 1026
Dunstiger Morgen 9 Uhr 30
Morgendliche Fallen
Trotz
Lob der Achtundzwanzig
Begegnung in Gaiole in Chianti
Neue Tankstelle vor Radda in Chianti
Mittagessen in der Taverna del Pescatore
29. September
Morgenstimmung 9 Uhr 30
Er ruft sich zur Ordnung
Dichter und Vogel
Versucher zum Ersten
Lob des Lebens
Die Erziehung der Olive
Abendruhe
30. September
Schlaflos um 2 Uhr 30
Schlaflos um 4 Uhr 30
Ja und Amen 9 Uhr 30
Trauriger Dichter
Lob des Ergriffenseins
Talwärts nach Montevarchi
Bergwärts nach Gaiole in Chianti
Vorschlag zur Güte
Versucher zum Zweiten
Störung
Von den Wölfen
Ergebung
Beispiel Bella zum Ersten
Gute Nacht
1. Oktober
Morgenstimmung 9 Uhr 30
Beispiel Bella zum Zweiten
Vorfreude auf den Morgengang
Tote Hose
Ugo geht
Alte Künste
Versucher zum Dritten
Lob der Wärme
Versucher zum Vierten
Guter Vorsatz
Rückfall und Versucher zum Letzten
Nachmittag 16 Uhr
Abendgang 17 Uhr
Beispiel Bella zum Letzten
Abendfütterung 18 Uhr
Abendstimmung 19 Uhr
20 Uhr. Der Kostümverleih mahnt
Bibliographische Notiz
LIED DER BÜCHER ODER JUNI MIT HEINE
Als im achtzehnten Jahrhundert
Gottes Blick zur Erde schweifte,
Sah er auch den deutschen Michel,
Und ihn schmerzte dessen Blödheit.
Also sandte er ihm Geister,
Michels Ungeist zu erleuchten:
Schickte Lichtenberg und Wieland,
Schickte Kant ihm, schickte Lessing.
Darauf schickte er ihm Geister,
Michels Seele zu veredeln:
Schickte Goethen ihm und Schiller,
Schickte Kleist und Hölderlin.
Alsdann schickte er ihm Geister,
Michels starres Herz zu rühren,
Schickte Tieck sowie die Schlegels,
Den Brentano und Novalis.
Als am Ende des Jahrhunderts
Gott sein Wirken überblickte,
Sah er, daß zum Bildungswerke
Michel noch ein Meister fehle:
Einer, der erleuchten konnte.
Einer, der zu bilden wußte.
Einer, der die Herzen rührte
Kurz, ein Meister aller Klassen.
Gott ging dran, den Lehm zu kneten,
Da begab es sich, daß jemand
Scheinbar zufällig vorbeikam
Und ihn listig frug: Was wird das?
Jemand mit zu grünem Hütchen,
Dessen allzulange Feder
Jedermann signalisierte:
Mit dem Kerl ist nicht zu spaßen.
»Das? Das wird der letzte Meister,
Den ich, um mein Werk zu krönen,
Meinem deutschen Michel schicke,
Zu veredeln sein Gemüte.
Dieses hohe Ziel im Auge,
Back ich in den Lehm, was immer
Bildend ist, bedeutend, rührend,
Herzbewegend und erleuchtend.«
»Also die bewährte Mischung«,
Sprach der Grüne scheinbar arglos,
»Sie wird unsern Michel sicher
Auf den Pfad der Tugend leiten.
Aber«, sann er scheinbar für sich,
»Was taugt solcher Pfad, wenn ihm nicht
Beigesellt ist der des Zweifels,
Der der Lust und der Verführung?
Schick dem Michel keinen Lehrer,
Davon sandtest du schon viele.
Schick ihm lieber einen Prüfer,
Ihm mal auf den Zahn zu fühlen.
So, wie wir den Hiob prüften,
So, wie wir den Faust versuchten,
So laß uns den Michel triezen:
Zeig mal, was du so gelernt hast!
Schick dem deutschen Michel jemand,
Der ihm vormacht, wie ein Jude
Dazu fähig ist, ihn singend
Mühelos zu überdeutschen.
Schick dem braven Michel jemand,
Der ihm die Reveille trommelt,
Ihm das Beispiel der Franzosen
Freiheitsdurstig um die Ohrn schlägt.
Schick dem frommen Michel jemand,
Der ihm Hellas’ Götter predigt,
Dabei ungescheut bekennend,
Daß er’s Fleisch dem Marmor vorzieh’.
Schick dem über allem schweren
Michel einen, der ihm beibringt,
Daß der Ernst der Erdenschwere
Recht betrachtet nur ein Witz ist.
Schick dem guten Michel jemand,
Der ihn lehrt, sein Mitmensch müsse
Erstmal satt sein, dann ergebe
Sich das Gutsein schon von selber.
Schick den Gegenwartsverhimmlern
jemanden, dem gar nichts heilig.
Schick den Menschheitstraumbeglückern
Jemand, der die Zukunft schwarz malt.
Schick den Priestern den Genießer,
Schick den Spießern den Apostel,
Den Philistern schick den Künstler –
Schick dem Michel den Versucher: