Ostergeschichte - Robert Gernhardt - E-Book

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Robert Gernhardt

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Beschreibung

»Das glaubt mir kein Mensch! Wahnsinn!« Kein Zweifel – er war's. Der ältere Herr, der da am Ostersonntag an der Theke der Eckbar »Segafredo« in Rom einen Prosecco nach dem anderen trank, war der Papst. Und er, der Lokalreporter Peter Maski, hat mit ihm geredet, eine geschlagene Stunde lang, wobei der Papst kein Blatt vor den Mund genommen hat.

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Seitenzahl: 37

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Robert Gernhardt

Ostergeschichte

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Inhalt

[Ostergeschichte]

»Das glaubt mir kein Mensch! Wahnsinn!« Seit zehn Minuten schon war sein Gesprächspartner gegangen, doch Maski konnte sein Glück immer noch nicht fassen. Das ihm! Das mußte gefeiert werden! »Noch un … uno …«, er wies eindringlich auf sein leeres Glas, mürrisch holte der Barmann die Prosecco-Flasche aus dem Kühlschrank und schenkte ein. Randvoll, wie es hier der Brauch zu sein schien, da der schweigsame Alte auch all die vorhergehenden Gläser randvoll eingeschenkt hatte. Oder war es die unaufdringliche Autorität des Gesprächspartners gewesen, die den Barmann derart großzügig hatte einschenken lassen? Und hatte sich etwas von dieser Ausstrahlung auch auf Maski übertragen, auf ihn, den Provinzjournalisten, der immerhin zwei geschlagene Stunden mit ihm, dem Stellvertreter Christi auf Erden, geredet hatte? Freiweg geredet, querbeet, über Gott und die Welt sozusagen?

Maski schaute sich um. Außer einem bärtigen Greis, der über seinem Plastiktischchen eingeschlafen war, dem Barmann, der gelangweilt die Espresso-Maschine reinigte, und der gähnenden Kassiererin war niemand in dem kahlen Raum. Und außer ihm natürlich, Peter Maski, der nun fieberhaft in den Innentaschen seines Jacketts nach Kugelschreiber und Notizblock suchte. Da!

Hoffentlich schließen die nicht gleich, dachte er und: Hoffentlich kriege ich das alles noch zusammen, und: Das glaubt mir kein Mensch! Wahnsinn!

Erleichtert nahm er wahr, daß ein später Kunde eintrat und den Barmann ins Gespräch zog, rasch nahm er an einem der lieblos im grell erleuchteten Lokal verteilten Tischchen Platz, schon hatte er die ersten Worte hingeschrieben, »Ich wäre wohl niemals auf die Idee gekommen, zu Ostern nach Rom zu fahren, aber meine Frau« – da merkte er, daß es so nicht ging. Viel zu privat im Tenor, vollkommen ohne Biß in der Schreibe, überhaupt nicht die Story, die er erzählen wollte, nein: erzählen mußte!

Selbstvergessen biß er sich in die Hand.

Aufgeregt fuhr sich Maski durch die Haare, selbstvergessen biß er sich in die Hand. Der Schmerz ernüchterte ihn. Nein, er träumte nicht, und er hatte die vergangene Stunde ebenfalls nicht geträumt. Er, der Lokalreporter Peter Maski, hatte mit dem Papst geredet, und der, Karol Wojtyla, hatte dabei kein Blatt vor den Mund genommen. Er hatte vielmehr – ja, was hatte er eigentlich alles gesagt? Maski setzte erneut an:

»Wer jemals zu jenen Glücklichen gezählt hat, die dem Ostergottesdienst des Papstes auf dem Petersplatz beiwohnen durften, der« – wieder stockte er. Das klang denn doch verteufelt nach dröger Allerweltsgeschichte, nach touristischem Stimmungsbericht und religiösem Feuilleton, während er doch eine knallharte Story zu verkaufen hatte, und was für eine! Eine, die viel zu schade war für das ›Wetzlarer Tagblatt‹, bei welchem er arbeitete, eine, die eigentlich in den ›Stern‹ gehörte oder gar in den ›Spiegel‹. Ja – warum denn nicht den ›Spiegel‹? Er müßte die Geschichte lediglich astrein auf den Punkt bringen, das war das Problem. Das Drauflosschreiben mochte beim ›Blättche‹ gerade noch angehen, beim ›Spiegel‹ war supercoole Profischreibe angesagt. Und in Gedanken ging er daran, erst einmal all das auszusortieren, was an Facts nicht unbedingt in die Story gehörte: Daß er, der Protestant, auf Bitten seiner katholischen Frau seinen einwöchigen Osterurlaub in Rom verbracht hatte, daß er nur widerstrebend mit ihr zur Ostermesse auf den Petersplatz gegangen, dann aber doch von dem ihm so fremden Schauspiel beeindruckt worden war, daß er am Abend des durch Besichtigungen ausgefüllten Ostersonntags noch irgendwo einen Schluck hatte trinken wollen, während seine Frau –

Maski überlegte. Wie war das denn gelaufen? Erst hatten sie in dieser Trattoria in der Nähe der Piazza Navona gegessen, dann hatte er seine Frau auf die andere Tiberseite gebracht, bis zum kleinen Hotel direkt gegenüber der Vatikan-Mauer, und dann war er noch mal losgezogen.

Losgezogen? Na ja. Die meisten Bars hatten am Ostersonntag geschlossen, und so war er in diesem tristen Ecklokal gelandet, auf einen Absacker, länger wollte er sich in dieser ungemütlichen Bar nun wirklich nicht aufhalten – doch dann war es passiert.

»Ich hatte gerade gezahlt, als der Papst reinkam«, schrieb Maski, strich das Geschriebene jedoch sofort wieder durch. Derart flott und ohne alle Vorausinformation ging es nun auch wieder nicht. Als jemand, der den Journalismus von der Pike auf gelernt hatte, wußte er um die Wichtigkeit der vier großen W’s, die zu Beginn eines Berichts zuallererst geklärt werden mußten: Wann, Wo, Wer, Was. Vollkommener Unsinn, die Story sofort druckreif runterschreiben zu wollen! Ja, war er denn ein blutiger Anfänger? Erst mal mußte er die Facts notieren, Herrgottnochmal! Also:

Wann? Am 30.3.1986, am Abend des Ostersonntags.