Die Krieger des Horns: Blutmond - Josefine Gottwald - E-Book

Die Krieger des Horns: Blutmond E-Book

Josefine Gottwald

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Beschreibung

In Coastville ist Frieden eingekehrt, aber bald muss Piper erkennen, dass der Schein nur trügt. Ein Waldgeist und Dinas Visionen warnen die Krieger vor der Rache der Vampire. Doch schneller, als sie es verhindern können, werden zwei der Einhörner entführt, und die Freunde reisen auf ihren Spuren durch ein Tor zwischen den Welten in ein Reich der Magie. Sie müssen die Einhörner finden, bevor sie an Lilith ausgeliefert werden können, denn die Herrscherin der Vampire kennt keine Gnade ... In den Ewigen Welten treffen die Krieger auf neue Feinde, aber auch unerwartete Verbündete. Der zweite Band des vierteiligen Fantasy-Zyklus »Die Krieger des Horns« entführt den Leser in eine Welt voller Magie und Fantasie – und düstere Bedrohungen.

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Inhalt

Titel

Prolog

I Piper

II Brendan

III Dina

IV Piper

V Joice

VI Dina

VII Gillian

VIII Piper

IX Joice

X Andy

XI Piper

XII Robin

XIII Dina

XIV

XV Andy

XVI Brendan

XVII Piper

XVIII Gillian

XIX

XX Piper

XXI Robin

XXII Andy

XXIII Brendan

XXIV

XXV Dina

XXVI Joice

XXVII Piper

Personenverzeichnis

Die Autorin

Fortsetzung folgt ...

Wie alles begann ...

Josefine Gottwald

DIE KRIEGER DES HORNS

BLUTMOND | Band 2

 

 

Ein Figurenverzeichnis findet sich am Ende des Buches!

 

IMPRESSUM

 

ISBN-13: 9783757923556

Überarbeitete Ausgabe 2023

Copyright © 2005, 2014, 2023 Josefine Gottwald

Schlachthofgäßchen 1 | 01796 Pirna | [email protected]

Umschlaggestaltung: Tobias Roetsch, GTGraphics.de

Lektorat/Korrektorat: Jana Isabella Treuter

 

Alle Rechte vorbehalten.

Prolog

 

Da sind sie! Auf leisen Sohlen schleiche ich auf die düstere Hütte zu. Kinderlachen dringt mir entgegen.

Ich hätte mir denken können, dass ich sie hier finden würde – hier, wo sie uns zuerst suchen werden! Sie müssen verschwinden, wir müssen verschwinden!

Ich stürze hinein.

„Was macht ihr noch hier drin?“

Zwei grüne Augenpaare starren mich erschrocken an. Hexenaugen.

„Wir folgen deinen Anweisungen.“

In zerlumpter Kleidung und mit nackten Füßen knien sie auf dem Boden über einem alten Buch.

„Steht auf, wir müssen hier weg! Wir sind hier nicht mehr sicher! Schnell!“

Sie springen auf die Beine. Das rote Haar fällt ihnen über die Schultern; seit Tagen haben sie sich nicht gekämmt. Wir sind auf der Flucht.

Eilig klopfen die kleinen Hände den Staub von den Kleidern. Unschuldige Gesichter blicken mich an.

Ich nehme sie bei den Händen und führe sie in den Wald hinaus; die Tür bleibt offen stehen. Sie würden sie ohnehin einrennen, ohne zu zögern.

Die Finsternis umschließt uns wie ein Mantel, der uns verbergen will. Aber der Schein trügt. Durch die Wipfel funkelt der Vollmond.

„Schneller!“

Wir stolpern auf eine Lichtung.

„Wohin?“, fragen die Zwillinge. Der Wald dreht sich um mich, als ich hastig in alle Richtungen blicke. Das Blut rauscht in meinen Ohren. Wohin? In der Ferne spüre ich ihr Kommen. Immer näher. Immer schneller. Die Scheiterhaufen brennen bald; ich kann den Rauch schon riechen.

Ein leiser Wind streicht durchs Geäst und flüsternd fällt das Laub um uns herum. Ihr seid verloren!, heulen die Bäume.

Lucias Hand zittert. „Spürt ihr sie auch?“, wispert sie.

Hada starrt mich erschrocken an. Dann beginnt sie zu beten. „Rette uns, Traketa! Oder wir sind alle verdammt. Sie kennen kein Erbarmen!“

„Wo sind die Besen?“, fahre ich sie an. „Wir müssen fliegen!“ Die Kinder schütteln die Köpfe. Sie haben sie zurückgelassen. Ich umfasse die kleinen Hände fester. „Dann gehen wir in die Klosterruine! Es steht jetzt leer, nicht wahr? Dort können wir uns verstecken! Sie werden sicher nicht in ihrem ehemaligen Unterschlupf nach uns suchen! Los doch!“

Die großen Augen starren mich an. Es sind Katzenaugen, stelle ich fest. Ihre Pupillen sind wie schmale Schlitze und sie blitzen heimtückisch.

Ich wende mich ab und ziehe sie wieder hinter mir her. Es sind Traketas Adepten, ich muss sie in Sicherheit bringen, und wenn es mein eigenes Leben kostet. Es reicht, wenn eine von uns übrig bleibt, um die Aufgabe zu vollbringen; nur eine von uns genügt ...

Die knorrigen Äste schlagen uns ins Gesicht, als wir weiter und weiter laufen; das tote Laub fliegt raschelnd vor unsere Füße.

„Der Wald ist gegen uns“, flüstert Hada, aber ich werfe die Hände nach vorn und verdränge das Dickicht mit einem uralten Wort. Die Bäume ächzen unter dem Zauber und ziehen ihre peitschenden Zweige zurück.

„Weiter!“, rufe ich und schicke die Mädchen voraus.

Sie gehen nur zögernd, als misstrauten sie dem Frieden, und ich schiebe sie beinahe vor mir her.

Auf der nächsten Lichtung kann ich die Spitze des Kirchturms ausmachen; wir nähern uns quälend langsam.

„Ihr müsst schneller laufen!“, befehle ich. „Hört ihr sie nicht?“

Ihre Lippen zittern. Natürlich hören sie sie. Das Heulen in der Ferne, das aus allen Richtungen beantwortet wird.

Hada an meiner Hand murmelt abwesend: „Sie sind da.“

„Los doch!“, schreie ich verzweifelt und zerre an ihren Armen. Unsere Beine fliegen beinahe, als ich endlich die Mauer erkenne. Von Ranken umschlungen wächst sie in den Himmel empor. Meine Nägel brechen an dem harten Gestein, ich zerre an den Pflanzen, aber sie geben nach und reißen. Die Mädchen sind wie gelähmt.

„Das schaffen wir nicht!“, entscheide ich. „Wir müssen zum Tor!“

Ein tiefes Grollen trifft mich bis ins Mark. Aus dem Dickicht dringt ein Knurren, nur wenige Schritte entfernt. Die Mädchen stehen da wie versteinert. Ich blicke an der Mauer entlang. Es ist zu weit!

Wir rennen um unser Leben. Aus meinem Mantel werfe ich roten Staub auf den Weg hinter uns, der letzte Rest, den ich besitze. Ich bete, dass der Wolf nicht darüber hinwegsetzt, aber als er den Waldboden berührt, heult er gequält auf. Ich sehe fast vor mir, wie sich seine Pfoten verdrehen, sobald sie den Staub berühren, wie seine Gliedmaßen brechen.

Hada atmet im Laufen auf; sie hat es auch gehört.

Aber Lucia ergreift meine Hand fester. „Das Tor ist aus Eisen!“, erinnert sie mich. „Was tun wir, wenn es verschlossen ist?“

„Wir müssen es riskieren!“, entscheide ich. „Es ist unsere einzige Chance.“

Hinter uns höre ich den Wolf winseln und nach seinem Rudel rufen. Ich wage einen Blick zurück. Panisch treibe ich die Mädchen noch stärker an.

„Was hast du gesehen?“, fragt Hada. Ich antworte ihr nicht. Das Entsetzen verschlägt mir die Sprache. Wenn ich es ihnen sage, werden sie aufgeben.

Endlich endet die Mauer. Das Tor ist ebenso hoch, aber einen Spalt weit steht es offen. Es könnte gerade reichen; mein Herz macht einen Sprung. Aber ich muss mich konzentrieren.

„Hände an den Körper!“, ermahne ich.

Hada geht voran. Lucia bückt sich nach einem Stock.

„Was tust du?“ Meine Stimme überschlägt sich beinahe. Hastig schiebe ich sie durch die Öffnung. Blitzschnell dreht sie sich herum und mit dem Stock zieht sie das Tor zu sich heran. Nur ein Stein liegt jetzt noch dazwischen und hindert sie, es vor mir zuzuschlagen. Hada hat ihn dort platziert.

Schockiert starre ich die beiden an. Ich begreife nur langsam, viel zu enttäuscht bin ich von ihrem Verrat.

Ihre Minen sind hart, aber ihre Augen blitzen.

„Du bist hartnäckig, Sophy, das kann man nicht abstreiten!“, sagt Lucia und umklammert den Stock wie im Krampf. Mit der anderen Hand tastet sie nach ihrer Schwester.

„Wir haben alles versucht, um dich aufzuhalten“, erklärt Hada leise. „Aber nun muss es eben so sein.“

Ich bin noch immer viel zu verstört, um zu antworten. Beinahe mitfühlend fährt sie fort: „Du musst nicht sterben, Sophy.“ Wie beiläufig wandert ihr Blick in den Wald hinter mir.

Ich wirbele herum und schaue zurück. Sie haben uns eingeholt. Nein, mich haben sie eingeholt. Es müssen mehr als zwei Dutzend sein. Überall in der Schwärze glühen ihre Augen. Jetzt heulen sie nicht mehr, sie knurren voller Vorfreude und Gier nach meinem Fleisch.

Ohne zu überlegen schleudere ich den Mädchen einen Zauber entgegen, der sie zu Boden werfen soll. Die Enttäuschung und die Panik in mir sind so stark, dass ich ihnen wahrscheinlich das Rückgrat breche, aber das nehme ich in Kauf.

Hada schiebt einen Arm vor ihre Schwester und fängt meine Worte ab, bevor ich zu Ende spreche. Mit gekrümmten Fingern wirft sie mir meinen eigenen Hass entgegen; ihr Gesicht ist finster und kalt.

Mein Mund steht offen vor Erstaunen. Erst im letzten Moment kann ich ausweichen, als mich der Schlag ihrer Magie trifft. „Das ist nicht möglich ...“, flüstere ich. Aber dann kehrt meine Wut zurück. Ich mache einen drohenden Schritt auf die beiden zu, auch wenn uns das Tor noch immer trennt. „Was wollt ihr?“, fahre ich die Mädchen an.

Lucia lächelt und kostet den Moment aus. „So ist es richtig, vertragen wir uns noch einen Moment! Vielleicht könnten wir ja das Tor für dich öffnen, wenn du uns eine nützliche Information gibst. Und wenn sie nicht so nützlich ist, nun dann musst du wohl auf deinen kleinen Silberdolch vertrauen ...“

Das Knurren hinter mir raubt meine Konzentration. Schnell wende ich mich um, aber ich bereue es im selben Moment. „Was wollt ihr?“, brülle ich panisch. Ich versuche, meine Kräfte zu sammeln, aber es sind zu viele. Zu viele.

„Sag uns, wer das Licht von Traketa besitzt!“, verlangt Lucia, zu wissen.

Fassungslos starre ich sie an. „Das Licht? Ihr wollt das Licht? Aber ich zeige euch, wer es hat! Wir rächen uns an ihrem Mörder und holen es uns gemeinsam!“

Lucia schnaubt verächtlich. „Sag uns, wer es hat, oder du stirbst!“

Wut brodelt in meinem Inneren. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. „Ihr glaubt, dass ihr gegen mich ankommt? Ich kann das Tor aufwerfen, wenn ich es will und dann werdet ihr mich um Gnade anflehen!“

„Dann tu es“, sagt Hada ungerührt. „Das Eisen schwächt dich, du kannst es nicht öffnen, solange wir es geschlossen halten.“

Ich beiße vor Ärger die Zähne zusammen. Ich begreife nicht, was sie planen, aber ich versuche, es zu verbergen. Fieberhaft überlege ich, wie ich sie überlisten kann.

Langsam schleichen die Wölfe näher. Einer von ihnen ist nur einen Sprung entfernt und leckt sich die Lefzen vor Verlangen. Seine Augen sind voll Wahnsinn und ich spüre, dass sie alle in einen Rausch verfallen, sobald sie das erste Blut riechen.

„Das Licht, Sophy!“, erinnert mich Hada. Sie war immer die Ruhigere von beiden, denke ich fast schon melancholisch. Ich habe sie fast aufgezogen, als ob sie meine Kinder wären. Und dann habe ich ihnen einmal zu oft vertraut ...

Aus der Dunkelheit nähern sich Schritte. Die schwarzen Kreaturen weichen zurück, als eine Gestalt an ihren Reihen vorüberwandert. Ihr Gang ist fest, aber von arroganter Gelassenheit. Um die Stiefel spielt ein Mantel, den man schon seit Jahrhunderten nicht mehr trägt.

Damit haben die Mädchen nicht gerechnet, hoffe ich – eine Karte, die ich zu meinen Gunsten spielen muss. Unauffällig gleiten meine Hände in die Taschen.

„Hier also verstecken sich die Hexen“, sagt der Vampir ruhig. „Guten Abend, meine Damen.“

Die Mädchen zeigen ihm die Zähne und fauchen, als ob sie wilde Katzen wären.

„Aber wer wird denn gleich unfreundlich werden?“, lacht der Vampir. „Es läuft doch alles perfekt.“

Unsicher blicke ich zurück zu den Hexen. Lucia erhebt das Wort, das sadistische Lächeln wieder auf ihren Lippen, nur eine Spur aufgeregter. Auch sie haben Angst.

„Unsere Abmachung gilt, Crain“, erklärt sie. „Ihr bekommt sie, wenn sie nicht mit uns spricht.“ Sie macht eine lange Pause, in der der Vampir ihren Gedanken fortführt: „Und tut sie es doch, dann bekommen wir euch alle.“ Die Mädchen beißen die Zähne aufeinander, aber sie widersprechen nicht.

„Was?“ Schockiert blicke ich in ihre Augen. „Was soll das? Und wem soll das helfen?“ Fieberhaft denke ich nach. Was kann sie zu so einem Pakt hinreißen? Verzweiflung? Aber waren sie nicht immer sicher bei mir? Oder ist es Gier? Eine Belohnung, die ihnen jemand anderes versprochen hat? Die Macht, die sie sich erhoffen, wenn sie Traketas Mörder zur Strecke bringen? Vielleicht denken sie, dass das Licht dann auf sie übergeht. Aber sie wissen längst nicht alles.

„Wir glauben nicht, dass du Traketa verraten wirst, Sophy“, erklärt Hada kühl. „Nicht einmal im Angesicht des Todes. Vielleicht ist es für dich ein Anreiz, wenn du uns auch sterben siehst. Vielleicht erhoffst du dir sogar eine Chance zu fliehen ...“

Die Wölfe schnappen ungeduldig in die Luft, in ihrer geduckten Haltung drängen sie sich noch dichter zusammen; einige winseln vor Anspannung und freudiger Erwartung. Ihr Anführer gebietet ihnen mit einer Bewegung Einhalt, aber allmählich spüre ich auch seine Ungeduld.

„Wir fragen dich nur noch einmal!“, droht Lucia und schlägt demonstrativ mit dem Stock gegen die Stäbe. Ein Wolf jault auf und dreht sich unruhig um sich selbst.

Auf meine Lippen stiehlt sich ein triumphierendes Lächeln. „Ihr wisst doch nichts!“, sage ich verächtlich. Ich spüre die Verwirrung der Mädchen, aber ich lasse ihnen keine Zeit zu reagieren. Ich ziehe die Hände aus meinen Taschen und werfe eine Hand voll Silberdornen auf das Rudel. Gleichzeitig zische ich ein kurzes, grausames Wort und banne sie aus einem Kreis, der um mich herum in blauen Flammen auflodert.

Die Wölfe winseln erschrocken und die, die ich treffe, jaulen auf, als die metallenen Spitzen sich durch ihr Fleisch fressen. Sie hören überhaupt nicht auf und obgleich sie rasend sind vor Wut, wagen sie sich nicht an das Feuer. Die ersten von ihnen brechen kraftlos zusammen, die anderen versuchen voll Panik zu fliehen.

Sogar der Vampir weicht ein Stück zurück. „Das ist genug!“, brüllt er herrisch und zeigt endlich sein wahres Wesen.

Ich will entgegnen, dass mich sein Befehl nicht beeindruckt, aber plötzlich schlingt sich etwas von hinten um meinen Hals, zieht sich zu und reißt meinen Körper gegen die Stäbe. Ich schreie, als das Eisen meinen Rücken berührt. Schwelend brennt es sich in meine Haut und meine Kleider. Ich rieche verkohltes Haar und halte den Kopf vor Angst ganz reglos, um der Schlinge an meinem Hals zu entgehen.

Hadas Hand ist ebenfalls verbrannt. Voll Hass starrt sie mich an, als ich vorsichtig zur Seite blicke, um zu erfahren, was geschehen ist.

Ihre Fäuste straffen ein Seil, das sie in einer geschickten Bewegung durch das Tor und um mich herumgeführt hat. Ein Teil ihrer Haut ist ebenso verkohlt wie meine und ich sehe, wie sie die Zähne vor Schmerz zusammenbeißt.

„Ich glaube, du hast deine Chance verspielt!“, knurrt Lucia und stößt mit dem nackten Fuß den Stein aus dem Torspalt. Als es zuschlägt, kreische ich, aber ich weiß im selben Moment, dass es die ganze Zeit nur eine falsche Hoffnung war.

Ich befehle meine Würde zurück, für Traketa.

„Was glaubst du, wie lange es gedauert hätte, bis sie gemerkt hätten, dass deine Flammen kalt sind?“, flüstert Hada dicht hinter mir. „Täuschung und Maskerade, ein paar einfache Taschenspielertricks – zu mehr bist du nicht fähig?“

Ich schnaube, noch immer beinahe regungslos. Beinahe.

„Die Hände vor den Körper!“, befiehlt der Vampir. „Oder ich lasse sie dir sofort abreißen!“

Ich tue, was er sagt.

„Das Licht, Sophy! Wer hat das Licht?“, versucht es Hada noch einmal.

Ich bekomme kaum noch Luft und krächze: „Ihr hättet mich niemals durchgelassen!“

„Weißt du, du hast uns alles beigebracht, was wir von dir erfahren können“, erklärt Hada. „Alles, was wir brauchen, um den Plan in die Tat umzusetzen – auf unsere Art. Wozu brauchen wir dich noch?“

„Also verbündet ihr euch mit den Blutsaugern? Unseren Erzfeinden, denen wir zu verdanken haben, dass wir so lange auf unsere Chance warten mussten, endlich an die Magie der Einhörner zu kommen? Und nun, da wir stark genug sind und gemeinsam kämpfen können, wollt ihr mich verraten und an sie ausliefern?“

Ihre Antwort ist nur ein Schnauben. Nur der Vampir tritt demonstrativ in die kalte Asche meines Bannkreises.

Lucia fragt höhnisch: „Wie möchtest du sterben, Sophy? Auf eine langsame Art?“

Der Vampir grinst. „Wenn die Wölfe satt sind, kannst du noch tagelang brennen, Hexe!“

Die Angst lähmt mich. „Aber noch viel lieber hättet ihr uns alle“, flüstere ich.

Ich schicke ein letztes Wort zu Traketa, das sie um Verzeihung bittet. Dann sage ich ihnen, was sie wissen wollen.

Die Mädchen nehmen sich nicht die Zeit, die Information zu kommentieren. Beinahe gleichzeitig lassen sie los und laufen um ihr Leben.

Der Vampir brüllt wütend; die Wölfe greifen an.

Ich reiße das Seil von meinem Hals und springe fort von den Stäben. Genau in das knurrende Rudel.

Meine Hände suchen nach dem Amulett der Krieger. Aber es ist fort. Sie haben es mit sich genommen, genau wie Traketas Essenz, das Letzte, was von ihrem sterblichen Körper übrigblieb. Ich bin verloren, wird mir bewusst, aber ich kann nicht mehr denken vor Wut und Angst.

Die Wölfe zerren an meinen Kleidern. Einer springt an mir hoch und wirft mich zu Boden. Ich sehe nur blitzende Zähne, wilde Augen. Der Schmerz trifft mich überall gleichzeitig. Ich flehe um Gnade. Um Hilfe. Aber meine Schreie ersticken in den Wipfeln.

IPiper

 

Irgendwo hinter den Hügeln geht langsam die Sonne auf. Ein dünner Nebelschleier liegt über der Prärie, als wir hinaus in die weite Graslandschaft reiten. Um mich herum sieht alles gleich aus und ich erinnere mich selbst, dicht bei der Gruppe zu bleiben, um den Anschluss nicht zu verlieren. Danny erzählte einmal, dass sich ab und zu Cowboys verirren und nicht mehr nach Hause finden. Aber wahrscheinlich darf man darauf nicht viel geben, wenn es von ihm kommt ...

Als ich nach Andy rufe, bilden sich kleine Atemwölkchen vor meinem Mund und ich bin froh, dass mir seine Mutter doch den Poncho einreden konnte, der mich nun wärmt. Es ist kaum zu glauben, dass die Sonne in wenigen Stunden erbarmungslos auf uns herunterbrennen wird.

Andy hält sein Pferd an und wartet auf mich. Ich lasse Luna ein Stück traben, um zu ihm aufzuschließen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragt er und zieht seinen Hut tiefer in die Stirn. Bis eben hat er sich noch mit seinem Vater unterhalten, Señor Davis, der die Reiter anführt und dem die Ranch gehört, auf der ich arbeite.

„Ich bin froh, dass ihr mir dieses wollene Ding angezogen habt!“, lache ich. „Ich wusste gar nicht, wie kalt es um diese Zeit hier draußen noch ist!“

„Meine Mutter wird sich freuen, das zu hören“, sagt er mit einem Lächeln. Dann lenkt er Dragón dichter an mich heran und ergänzt: „Vielleicht sollten wir öfter so früh ausreiten; da ist das Land noch ruhig und niemand vermisst uns ...“ Er macht eine Pause. „Es ist natürlich logisch, dass du die Prärie im Morgengrauen nicht kennen lernen kannst, wenn wir immer nur in den Sonnenuntergang reiten.“ Er zwinkert mir zu. Dann beugt er sich zu mir herüber und versucht, mich zu küssen. Ich muss mich in die Bügel stellen, um ihn zu erreichen, und ich stoße einen kleinen Schrei aus, als unsere Pferde sich voneinander entfernen und ich beinahe das Gleichgewicht verliere. Andy hält mich mit einem Arm fest, die Zügel führt er locker in der linken Hand. Wir sehen uns an und müssen beide lachen; dann küssen wir uns noch einmal.

Ich spüre deutlich Dannys bohrenden Blick im Rücken. Bei den vielen Vorschriften, die er mir macht, könnte man fast glauben, er hält sich für meinen Vater. Am liebsten würde er mir auch den Umgang mit Andy und Robin und die Arbeit auf der Davis Ranch verbieten. Es gibt ja auf unserer eigenen Ranch genug zu tun, hält er mir immer wieder vor – in solchen Situationen ist es tatsächlich einmal unsere Ranch … Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, für ihn die Ställe auszumisten; dafür fühle ich mich in den Monaten, die meine Mutter und ich jetzt bei ihm wohnen, viel zu wenig zu Hause. Hin und wieder erwische ich mich bei dem Gedanken, lieber zu Andy zu ziehen; und wahrscheinlich geht das an meiner Mutter nicht ganz vorbei, schließlich verbringe ich jeden freien Moment bei der Familie Davis. Ein bisschen hilft es mir, zu vergessen und nicht mehr an die Dinge zu denken, die Mom wahrscheinlich niemals verstehen würde. Wie könnte sie auch: Untote, die Blut saugen, magische Pferde, schwarze Magie – das alles ist so unrealistisch, dass ich es manchmal selbst nicht glaube. Aber wir haben es alle erlebt.

Als ich mich von Andy selbst im Sattel kaum lösen kann, sagt Danny irgendetwas hinter meinem Rücken, worüber die Männer, die mit ihm reiten, schallend lachen müssen. Ich kann mir denken, welcher Art diese Bemerkung war und rolle nur mit den Augen. Meistens versuche ich so zu tun, als würde es mich überhaupt nicht interessieren, was er sagt. Aber natürlich verletzt es mich trotzdem.

Robin spornt seinen Hengst zu einem kurzen Sprint an und schließt zu uns auf. Er sitzt so gerade im Sattel von Destino, als wäre er mit ihm verwachsen.

Ich muss beinahe schmunzeln bei seinem stolzen Blick. Er schnaubt wie ein wütender Stier, als er sagt: „Perdón, dass ich euch störe, aber ich laufe Amok, wenn ich es noch länger mit diesen Burros aushalten muss! Wie schaffst du das nur, Querida? Du bist zu bemitleiden!“

Ich versuche, gelassen zu antworten. „Ich verbringe einfach so viel Zeit wie möglich mit euch!“

Die beiden tauschen einen Blick und Robins Züge entspannen sich. Die übertriebene Sorgenfalte verschwindet von seiner Stirn, als er sieht, dass es mir gutgeht. Sofort tritt das vieldeutige Lächeln wieder in sein Gesicht und er schüttelt den Kopf, während er mich ansieht, als wäre ich unfassbar für ihn. Manchmal glaube ich, die beiden wissen gar nicht, wie gut mir ihre Anwesenheit tut. „Ich glaube, ohne euch würde ich sterben!“, gestehe ich, und Robin lacht, weil er es für einen Scherz hält.

Andy hält noch immer meine Hand, während wir nebeneinander herreiten. Die drei weißen Pferde in einer Reihe sehen aus wie aus einer Show, ihr Fell glänzt in der Morgensonne, Mähne und Schweif wippen bei den ausgreifenden Bewegungen und ihre blauen Augen strahlen so viel Weisheit aus, dass jeder von ihrem Bann ergriffen wird, ohne zu wissen, was es ist, dass diese Pferde so faszinierend macht. Wenn ich versuche, mich genau zu konzentrieren, fühle ich das Leuchten, das von ihrer Stirn ausgeht. Gemeinsam mit unseren Freunden besitzen wir die sechs letzten Einhörner, die es gibt. Wahrscheinlich sind auch sie ein Grund, weshalb ich es schaffe, Dannys Launen zu ignorieren.

Er sagte, Luna würde mir nur Ärger bringen. Und zu viel kosten. Es stimmt, sie ist wählerisch bei den Kräutern, die sie frisst, und empfindlich gegen Nässe und Zug. Aber ihre Seele ist meiner so tief verbunden, dass ich glaube, ohne sie nur noch ein halber Mensch zu sein. Sie versteht all meine Gedanken und schafft es immer wieder, mir Mut zu machen oder mich zu beruhigen.

Während wir im versammelten Trab durch die Prärie schaukeln, beobachte ich Robin und Andy und versuche zu ergründen, was sie beschäftigt. Luna erkennt meine Sorge sofort und richtet ihre Ohren nach links und rechts zu den anderen Einhörnern, um ihnen ihre Aufmerksamkeit zu widmen.

Geht es ihnen gut?, frage ich sie in Gedanken, ohne dass meine Freunde es hören können.

Sie nickt mit dem Kopf, als ob die Fliegen sie stören würden; dabei schnaubt sie beruhigend. Sie verarbeiten es nach und nach. Im Moment haben sie genug Ablenkung, aber sie werden trotzdem noch Zeit brauchen.

Jetzt nicke ich, obwohl sie es nicht sehen kann. Ich würde so gerne mehr tun, denke ich, und Andy blickt mich unvermittelt an, weil ich seine Hand gedrückt habe. Als er mich fragt, ob alles in Ordnung ist, bin ich froh, dass er nicht die Gabe des Gedankenlesens besitzt. Wenn ich versuche, über die Geschehnisse im Wolf Forest zu reden, wird er meistens schweigsam oder tut, als wären seitdem schon Jahre ins Land gegangen. Dabei sind es gerade mal ein paar Monate ...

„Dort sind sie!“, ruft Jeremy Davis plötzlich nach hinten und deutet auf einen Hügel, wo er seine Herde entdeckt hat. Die Mustangs, die dort bis eben noch gegrast haben, heben aufmerksam die Köpfe, als wir uns nähern – unschlüssig, ob sie flüchten oder warten sollen.

Andy schnalzt mit der Zunge und wir schließen zu seinem Vater auf.

Anstatt sein Pferd zum Galopp anzuspornen, springt Señor Davis aus dem Sattel, lässt die Zügel auf den Boden fallen und läuft der Herde zu Fuß entgegen.

Nach kurzem Zögern wiehert die Leitstute, freudig, ihn erkannt zu haben. Dann gerät Bewegung in die Herde: Wie ein roter Blitz schießt der Leithengst um seine Stuten herum und rast geradewegs auf Jeremy zu. Seine Mähne fliegt, als er sich einen Weg durch den dünnen Nebel bahnt, die Nüstern sind vor Aufregung gebläht und die Augen geweitet. Erst kurz vor Señor Davis hält der Hengst abrupt an; hinter ihm legt sich der Staub.

Andy lacht, als er sieht, wie angespannt meine Züge waren. Er drückt meine Finger und erklärt: „Das ist Zorro, der beste Hengst, denn wir bisher hatten, wir züchten seit vielen Jahren mit ihm. Er ist der Stammvater aller wilden Fohlen!“

„Es sieht nicht einfach aus, ihn zu zähmen!“, sage ich lächelnd.

„Das ist eine lange Geschichte mit meinem Vater und ihm ...“

„Jetzt sind ja zum Glück noch Ferien, da haben wir viel Zeit für lange Geschichten!“ Ich grinse zufrieden.

„Zeit, die du sinnvoll in deine Schulausbildung investieren wirst!“, berichtigt eine Stimme hinter mir. „Anstatt sie mit deinen zugewanderten Freunden zu verschwenden!“ Er wird leiser und wirft einen schnellen Blick auf Señor Davis, unter dessen Kommando er steht.

Robin und Andy sehen entsetzt aus, aber bevor sie etwas sagen können, drehe ich mich im Sattel zu Danny um.

„Ich freue mich wirklich über dein Angebot, mir Nachhilfe zu erteilen! Aber ich dachte, du musst meiner Mutter das Reiten beibringen? Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass ich mich mit deiner Hilfe von einem A auf ein A+ verbessere ...“

„Ich glaube, wir brauchen Piper dringender als die Algebra“, sagt Andy lächelnd. „Ohne ihre Hilfe müssten wir einen Teil der Pferde unausgebildet verkaufen.“

„Dass du sie dringend brauchst, ist mir klar!“ Danny grinst selbstgefällig. „Ich kann mir eine Menge Talente vorstellen, die Piper für dich unentbehrlich machen!“

Andy antwortet ruhig. „Ich glaube nicht, dass Sie ihr in diesen Dingen etwas vorschreiben können.“

„Ich hoffe nur, ihr bezahlt sie auch entsprechend!“

„Ach, hören Sie doch auf, Piper ständig so blöd anzumachen, sonst werden Sie sich irgendwann im Staub der Prärie wiederfinden!“

„Du willst mir drohen, Mexikaner?“ Er zischt das Wort so scharf zwischen den Lippen, dass es mich an das Rasseln einer Klapperschlange erinnert, die sich zum Kampf aufstellt.

„Bitte, lasst es gut sein!“, sage ich mit so viel Langeweile, wie ich aufbringen kann, und berühre Andy an der Schulter, um ihn zu beruhigen.

Aber nach einem kurzen Blick auf Señor Davis, der noch mit Zorro beschäftigt ist, reitet Danny noch ein Stück näher an uns heran und flüstert gerade laut genug, dass wir es hören können: „Geht dahin zurück, wo ihr hergekommen seid, verdammte Ausländer! Ihr seid kein Umgang für meine Familie!“ Er spuckt vor uns auf den Boden und sieht mir voll Hass in die Augen. „Genauso wenig wie du!“

„Also jetzt reicht es!“ Robin wendet seinen Hengst in einer Sekunde auf der Stelle und steht Danny gegenüber, der Mühe hat, sein Pferd zu bremsen.

„Was mischst du dich da ein?“ Dannys Augen funkeln angriffslustig. Aber Robin hält seinem Blick stand.

Während Danny nach den passenden Worten sucht, um uns weiter zu provozieren, macht sein Schimmel plötzlich einen Satz zur Seite und steigt erschrocken auf die Hinterhand. Danny war nicht gefasst auf diese Situation, verliert die Steigbügel und rutscht aus dem Sattel. Er klammert sich noch immer an die Zügel, als er auf dem Rücken im Sand landet.

---ENDE DER LESEPROBE---