Mermaid: Erwachen - Josefine Gottwald - E-Book

Mermaid: Erwachen E-Book

Josefine Gottwald

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Beschreibung

Sie besaß einen Schild vor der Welt: Solange sie schmerz empfand, existierte sie. Als Nûri aus der Verbannung zurückkehrt, erkennt sie ihre Heimat nicht wieder: Ewige Nacht hat sich auf ihr Land gelegt, das Reich Untermeer ist kahl und tot. Zwischen den Trümmern der Festung gräbt sie in Erinnerungen und legt Stück für Stück ihre eigene Vergangenheit frei. Auf der Suche nach Wahrheit schwimmt Nûri durch die Meerwüste und weckt eine göttliche Macht, die das Merfolk wieder einen soll - doch der Zorn ihrer Schwester Grím brodelt so finster wie die Schlote um Bránborg, die uralte Hexenfeste. In der Tiefe des Grabens sinnt sie auf Rache, und ihre Verbündeten kennen kein Gefühl.

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Josefine Gottwald

MERMAID

ERWACHEN

 

 

IMPRESSUM

 

ISBN-13: 9783757923273

Deutsche Erstausgabe November 2019

Copyright © 2023 Josefine Gottwald

Schlachthofgäßchen 1 | 01796 Pirna | [email protected]

 

Umschlaggestaltung: Vivian Tan Ai Hua

Ornamente: Thomas Zahn | Logo: Jens Moldenhauer

Lektorat/Korrektorat: Textomio/Dresden

 

Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Titel

Widmung

Vorspann

Prolog

Erster Gesang Tiefe

Zweiter Gesang Schwärze

Dritter Gesang Stille

Epilog

Die Autorin

Von Josefine Gottwald empfohlen

Dieser Roman ist eine Verneigung vor Hans Christian Andersen.Gewidmet allen, die das Meer lieben.

 

Dann sollt ihr auf dem Grund der Welt leben, mit Schalen am Unterleib statt einer Haut. Nicht länger sollt ihr nach Vermehrung trachten, so neidisch auf eure Kinder seid ihr. Eure Gier wird sich euch als Kruste abscheiden und euch von innen zersetzen.

 

NASKURS FLUCH

Prolog

Dunkelheit und Nässe, eine feuchte Finsternis im Erdinneren. Irgendwo das Gleiten einer Bewegung: Die Kreatur kroch durch die Felshöhle.

Sie schlug ihre Zähne in den Fels; knirschend rieben sie über den Stein, ein verzweifeltes Kratzen, das sie Stück für Stück in die Freiheit zog. Ein tiefes Wissen trieb sie voran: Dieses Mal konnte die Strömung sie nicht in das finstere Loch zurückdrängen. Sie würde das freie Meer erreichen, denn etwas war anders als all die Jahre – sie hörte, wie jemand sie rief.

In der Einsamkeit hatte sie vergessen, wer sie gewesen war. Vor Schmerz hatte sie in der Schwärze verharrt, mit nichts als ihrem sterbenden Herzschlag. Einhunderttausend Gezeiten waren über sie hinweggegangen, ewige Wellen, die sie umspülten, um sie dann im Trocknen zurückzulassen.

Mit dem steigenden Wasser strömte ihr das eigene Blut in den Rachen. Sie wusste nicht, was salziger schmeckte, oder was schwärzer war in der Dunkelheit. Die Flut umspülte ihre aalglatte Haut, drang in ihre Wunden und ihren Verstand. Ihr Inneres schrie in der Stille, doch die Enge erlaubte ihr nur diese schweigsame Gestalt. Sie begann wieder, sich zu winden.

Das Salz rieb sich tiefer in ihre Haut und nährte die Furcht vor dem Weg. Vielleicht würde sie das Licht gar nicht ertragen, nach so langer Zeit in der Finsternis … Vielleicht würde sie auch kein Licht finden. Der bodenlose Abgrund der See mochte sie verschlucken und nie mehr ausspeien: Tiefe. Schwärze. Und endlich nichts als Stille.

Unbarmherzig zerrieb sie der Fels, versuchte, ihren Willen zu schwächen. Sie kämpfte, wappnete sich von innen – der Schmerz war von seltsamer Klarheit, er ließ sie ihren Leib spüren. Sie zwang sich, die Qual zu empfangen, und zog neue Kraft daraus. Alles, was sie fühlen konnte, zeigte ihr, dass sie noch lebte. In der Einsamkeit hatte die Angst sie zerfressen und dabei fast vernichtet. Jeder Versuch, in die Tiefe ihrer Erinnerung zu tauchen, hatte sie näher an den Rand des Wahnsinns gedrängt. Sie fühlte die Verzweiflung in ihren Adern wie Gift, das sie lähmen wollte.

Ihr Körper zeichnete hinter ihr eine Spur von blutigen Schuppen – ihren Weg in die Freiheit. Vor ihr lag das offene Meer. Aber das Wasser drang schon in die Höhle hinein, der Bann zog sie wieder zurück.

ann zog sie wieder zurück. Die Verzweiflung wuchs zu neuer Panik. Sie kroch schneller, schob sich voran, achtete nicht auf die Schmerzen. Wo war der Ruf, der leise Gesang, der sie bis hierher gebracht hatte?

Sie lauschte, atmete Wasser und Blut. Ein Krampf packte ihre Muskeln. Sie spürte die Erschöpfung, zwang sich, nach vorn zu sehen und fand etwas, das sie hielt: Wer immer diesen Bann gesprochen hatte, sie würde ihn dafür strafen. Irgendwo wartete ihre Heimat, sie musste sie sich nur zurückholen. Und die Stimme würde sie leiten.

Als sie den Gesang erneut vernahm, fühlte sie die wachsende Kraft. Sie hielt inne, atmete, dehnte sich aus. Ihr Körper verdrängte die Enge. Die Töne lockten sie sanft wie der Ruf eines früheren Lebens.

Hörrr zuuu

Ein Gurren und Zischen.

Nurrrrr

Tiefes Dröhnen, ein Vibrieren in ihrem Ohr.

Hörrr Nurrrrr

Ein Name? Sie kannte ihn nicht. Vielleicht war er in ihren Gedanken verstummt, ein Wort aus uralter Zeit, als sie noch Glück im Herzen und Unschuld in ihrem Leibe trug. Nun hatte es sie vor dem Tod bewahrt.

Nurrrriii

Sie blickte zum Ende der Höhle – auf das Schimmern –, sah eine Welle kommen und stemmte sich dagegen. Ihre Flosse vergrub sich im kalten Schlamm, klemmte sich zwischen die Felsen, als die See sich ihr Land zurückholte. Die Höhle füllte sich weiter, kalte Nässe umfing ihre Haut. Ihre Adern pulsierten so stark, dass sie wusste, es war die Wirklichkeit. Sie drängte das Gift zurück, das ihre Gedanken durchsetzte.

Nurrri

Sie spürte den tiefen Zorn in sich und besiegte die Schmerzen damit. Wieder horchte sie, wie ein Echo drang der Gesang an ihr Ohr. Rauschend füllten sich ihre Kiemen.

Nuri Nuri

Eine Stimme, so hell wie ein Leuchten in ihrem Verstand. Die Wellen wuschen Blut und Zweifel davon. Sie wollte antworten, öffnete die Kiefer, doch aus ihnen drang kein Laut.

Wer bist du?, fragte sie das Nichts. Warum rufst du nach mir?

Die Stimme wurde blass und entfernte sich.

Komm Nurrrr

Ein Lachen, das nicht endete. Sie glitt aus der Höhle heraus und dehnte ihren Körper dabei, holte sich ihre alte Gestalt zurück. Das verhornte Maul wurde weicher und formte ein tödliches Lächeln. Ihre Flossen wuchsen zu langen Armen, nur ihr Unterleib blieb der des Aals. Sie schlug kräftig mit dem Schwanz, drückte das Wasser fort und schwamm in Richtung der Stimme.

Komm komm, hallte es heiser.

Sie tauchte senkrecht hinab, folgte dem Ruf in die Tiefe. Dort würde sie Gerechtigkeit finden.

Schwester Schwester

Nun sang es fast fröhlich.

Nuri

Kehr heim!

Erster GesangTIEFE

Untermeer lag in ewige Nacht getaucht. Das Licht war von Angst erfüllt, flüsterte das Merfolk, es fürchtete sich vor der Tiefe und blieb zurück an der Oberfläche, sodass wer es wagte, zum Graben hinabzuschwimmen, nur seinem Instinkt trauen konnte.

Der Wächter spürte die Veränderung, noch bevor er sie sah. Jemand störte den Schlaf des Totenreichs, zu dem sein Land geworden war. Ein Schatten glitt vorüber, zu den Laternen am Eingang der Schlucht, als würde er von ihnen angezogen.

Der Wächter griff Hammer und Trommelblech, doch er zögerte mit dem Schlag. Einhunderttausend Fluten war kein lebendes Wesen in sein Land gedrungen. Er duckte sich hinter den Felsen und beobachtete die Gestalt.

Sie tastete sich an der Schnur entlang und betrachtete die Schwimmblasen, in denen leuchtendes Plankton lebte. Die Tiere flohen auf die andere Seite der Laternen, sodass es aussah, als wiche das Licht vor dem Wesen. Die Gestalt blieb im Dunkel.

Sie folgte der glimmenden Perlenschnur auf dem Pfad am Boden der Welt. Dichter Rauch aus den Erdspalten hüllte sie ein – der Nebelschleier um Bránborg, die uralte Hexenfeste, die dem tiefsten Punkt des Grabens entwuchs. Farblose Polypen wogten in der Strömung, als die Gestalt an ihnen vorüberschwamm. Sie hielt geradewegs auf die Burg zu.

Der Wächter sah auf das Trommelblech, doch der Moment war verstrichen. Etwas an dem Wesen hatte in ihm eine seltsame Hoffnung geweckt. Er folgte der Gestalt mit dem Blick, als sie tiefer in den Graben tauchte. Sie schwamm nicht mit Beinen wie er, sondern mit kräftigem Flossenschlag. Ihr Haar wogte um zierliche Hüften – oder war es ein Trugbild des Nebels? Sie schien ihn noch nicht zu bemerken, doch jede ihrer Bewegungen besaß eine verführende Kraft, wie ein Tanz, den sie nur für ihn aufführte. Er ließ das Werkzeug zu Boden sinken und knüpfte eine Laterne los, dann schwamm er hinterher.

Mit großen Zügen kam er voran, spannte die Häute zwischen den Zehen und drückte sich kraftvoll nach vorn. Doch er unterschätzte die mächtige Schwanzflosse; das Wesen entfernte sich rascher.

Sollte er rufen? He da! Wer dringt nach Untermeer, in das Land der nun traurigen Felswüsten? Doch er fürchtete, wenn er sie schreckte, entschwand seine Hoffnung mit ebenso schnellem Flossenschlag.

Die Gestalt hielt sich dicht an der Steilwand und richtete sich gerade auf, das Rückgrat wie ein Senkblei gestreckt und das Haupt hoch erhoben. Sie legte eine Hand an den Fels und betrachtete die Burg.

Jedes Mal, wenn der Wächter die Festung ansah, stockte ihm das Blut in den Adern. Das bernsteinfarbene Licht – die Erinnerung an goldene Zeiten – war einem kalten Glühen gewichen. In Bránborg regierte eine rohe Gewalt, das übrige Land war tot.

Eine Strömung trieb die Rauchwolken fort. Der fischförmige Leib schien angespannt, er verharrte in der Schwebe, nur die Spitze der Flosse züngelte. Entlang des grazilen Körpers, unter scharfen Hornplatten, verbarg sich die Seitenlinie. Sie nahm alle Einzelheiten der Strömungen wahr, den Fluss der Welt und jedes Leben, das sich heranwagte.

Zwischen den undulierenden Säumen glänzte eine feine Schuppenschicht, bedeckt von übernatürlichem Schleim, wie der Wächter ihn nur von zwei Wesen kannte – und von einem dritten, das nur noch die Sage beschrieb.

Ihr Haar wogte um das erhobene Haupt, es hatte in der Tiefe die Farbe verloren. Das Leuchten der Laternen war schwach und die Kreatur noch zu fern, um die Züge ihres Gesichts zu erkennen. Doch ihr Körper ließ keinen Zweifel daran, was für ein Wesen er vor sich hatte.

Schwimm ins Licht!, betete er tonlos, und hob die Laterne in fahriger Geste, um die Hoffnung zu bekräftigen, die sein Herz ergriff. Er ließ sich zu Boden sinken und landete in einer Wolke aus schwarzem Sand, finster wie der schweflige Qualm. Das Wesen erschrak und wirbelte herum, dabei trieb es eine Krabbe aus ihrem Loch: Ihr gezackter Panzer reflektierte das Licht, während sie seitwärts die Flucht ergriff. Die Gestalt drückte sich an die Felswand. Der Wächter verstand nicht, was sie fürchtete; instinktiv griff er seine Harpune – rostig vom Salz und stumpf, doch immerhin seine beste Waffe.

Die Kreatur hatte den Schreck überwunden. Ein Schauer durchfuhr ihre Glieder, und sie stürzte sich auf das Schalentier, schmetterte es gegen die Felsen, aber das Wasser dämpfte den Schlag. Ihre Krallen fuhren über den Panzer, dann griffen sie einen Felsbrocken und schlugen blind auf die Krabbe ein, bis ihr Leben in einer schwarzen Blutwolke wich.

Der Wächter regte sich nicht. Allmählich setzte sich der Sand, und die Gestalt ließ den Stein aus den Händen gleiten. Sie kauerte auf dem Boden, den Schwanz wie den einer Schlange gerollt, und saugte Wasser durch die Kiemen. Gierig hob und senkte sich der weiche Busen vor Anstrengung, der Anblick hielt den Wächter gefangen: Der Oberkörper des Wesens war unverhüllt, im Schein der Laternen glänzten die Fischschuppen zwischen den Brüsten. Die zarten Rundungen waren gerade so voll, dass sie seine Hände ganz ausgefüllt hätten. Die Höfe um die blassen Knospen hatte die Kälte zu kaum mehr sichtbaren Flecken geschrumpft – trotzdem wirkten sie auf ihn so lustvoll, dass er sie mit seinen Lippen berühren wollte. Er wehrte sich gegen den Drang, doch er wusste um ihre Macht. Alles an dieser Kreatur glich dem anbetungswürdigsten Wesen, das seine erblindenden Augen kannten, dem reizvollsten Geschöpf in den Tiefen der See. Man hatte ihnen Verse und Lieder gewidmet, doch sein Volk sang schon zu lange nicht mehr. Stille hatte sich über ihr Land gelegt, und stumm wie Fische waren sie geworden.

Die Gestalt schien die Krabbe vergessen zu haben und war in sich selbst versunken. In der Trance des rituellen Moments hob sie das Kinn und witterte in die Strömung. Langsam drehte sie den Kopf.

Der Wächter hielt den Atem an; seine Zehen krümmten sich, bis er schmerzhaft den Sand in den Schwimmhäuten spürte. Mit aufgerichtetem Oberkörper schlängelte sie auf ihn zu und fixierte ihn mit den Augen.

Er versuchte, ihrem Blick auszuweichen, sah auf die Wellenspur, die sie im Sand hinterließ. Sie schwamm um ihn herum, ihre Strömung riss ihn mit sich; er fühlte, wie er die Orientierung verlor.

Abrupt endete der wilde Tanz, die Gestalt schwebte reglos über dem Meeresboden. Als sie die Lippen öffnete, sah er Zähne wie Dolchklingen. Ohne Zweifel brachte dieser Biss ihm den Tod, wenn auch rasch und ohne Qual, im Vergleich zum lähmenden Schmerz der Berührung dieser Hände … Allein die Erinnerung versteifte seine Glieder. Er sah auf die zerschmetterte Krabbe zurück und spürte seinen Herzschlag.

Dann schaute er sie wieder an. Ihr funkelnder Blick brach das Licht – Augen mit geschlitzten Pupillen. Nicht umsonst führten sie die Schlange im Wappen Untermeers …

Er bezwang seinen Körper, nicht zu weichen, als sie ihm näherkam. Sie war das Geschöpf, das ihn retten würde.

Ihre Locken umwölkten sein Haupt, bei Licht nun flammend wie Korallen. Die kleinen Flecken in ihrem Gesicht – Poren, die seinen Puls orteten – betonten den Eigensinn ihrer Züge. Ihre Nasenflügel waren gebläht; sie zog die steilen Brauen zusammen und musterte sein Kleid aus einem einfachen Fischernetz, das sich um eine Brust voller Narben schlang. Dann den Waf engurt und die Harpune – und den ärmlichen Zustand von beidem.

Ihre Augen drangen in seinen Verstand, ergründeten, wer er war und woher die Narben stammten, lasen seine Ängste, aber auch die unbändige Wut, die ihn zum Anführer der Rebellion gemacht hatten. Sie saugte seine Erinnerungen aus ihm, als hätte sie keine eigenen. Stechender Schmerz durchfuhr seinen Geist. Er zitterte, aber er hielt ihr stand.

Sie hob eine Hand an sein Gesicht und berührte die Verletzung seines Auges, die ihm fast die Sehkraft genommen hatte.

»Majestät …«, sagte er rau.

Sie sprach im selben Moment. Ihre Stimme hatte den Klang eines singenden Schwertwals, sanftes Einlullen, das ihn erinnerte, wie leicht sie über ihn verfügen konnte.

»Du fragst dich, was mich zurück in den Graben holt …« Mit ihren Krallen strich sie über seine Stirn. »Wo das Gesetz der Oberfläche vergessen und die Freuden des Herzens ertränkt worden sind …« Er glaubte, ein Beben in ihrem Ton zu hören. »Verrate mir, Merman …« Sie zog ihre Brauen so hoch, dass sie die weiße Stirn zerfurchten. »Was ist mit meinem Land geschehen?«

Er dankte dem Schicksal für dieses Geschenk. Er wollte sich vor ihr verneigen, aber sie war ihm zu nahe.

»Hoheit … Göttliche Herrscherin …«

Sie lachte schnaubend. »Götter sind etwas für Menschen.«

Ernst erklärte er: »Eine grausame Macht hat das Land genommen. Sie hinterließ nichts als kahle Riffe …« Er wollte ihr sagen, wie wehrlos sie ohne ihre Hilfe gewesen waren, wie schmerzvoll sie versucht hatten, die Burg zu halten, als die Vielgliedrigen sie überrannten …

Sie presste ihre schmalen Lippen aufeinander, doch blinzelte nicht ein einziges Mal. Sie schien seine Kiemenspalte zu betrachten, ihr Blick glitt über seine Kehle – eine Stelle, die noch intakt an ihm war. Dann griff sie seine Schultern und drückte ihn hart in den Sand, sodass ihm nichts als zu knien blieb. Er sank bereitwillig nieder, aber er ließ sie nicht aus den Augen. Im Innersten fühlte er so viel Zuversicht, dass er sie anlächelte.

Sie knurrte finster und stieß ihn fort, dann streckte sie sich, wie nach langem Schlaf. Ihre Klauen teilten das Wasser.

»Endlich bin ich zurückgekehrt. Ich kroch durch Grotten und zerrieb meinen Leib, um hierherzukommen, nach Bránborg – in das tückische Nest meiner Heimat …« Der Wächter widersprach ihr nicht.

---ENDE DER LESEPROBE---