Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der einstige Herr der Welt, Jodaryon, kommt aus Ägypten zurück, aber er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Allerdings verdichtet sich der Verdacht, dass mit ihm irgendetwas nicht stimmt. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Der einstige böse Herrscher der Welt Bossus hat einen Riesendrachen geschaffen, der die Sonne vernichten soll, und nur Wasgos Drache Inflamma kann das verhindern. Zu allem Überfluss wird kurz darauf Wasgo von Luzifer in die Hölle entführt und die Menschheit scheint den Machtgelüsten des bösen Bossus hilflos ausgeliefert. Schon hat Bossus die Ewige Nacht wiederhergestellt und die Lage erscheint völlig aussichtslos... Einige Jahre später hat sich Wasgo, der einstige Herrscher der Bergwelt, in die hohen Berge auf einen Bauernhof zurückgezogen. Dort bietet er den letzten magischen Wesen der Welt, die Luzifer vernichten will, eine Zufluchtsstätte. Insbesondere will der Höllenfürst den Tod seines Enkels Wasgo, damit er die Menschen nach Lust und Laune terrorisieren kann. Mit Dämonen und Monstern greift er Wasgos Bauernhof an. Es entwickelt sich eine mörderische Schlacht und die Situation scheint für Wasgo und dessen Freunde ausweglos, denn Luzifer lässt nicht locker und mehr als einmal gelingt es ihm, Wasgo empfindlich zu treffen. Kann der weiße Magier seinen Großvater noch einmal Paroli bieten und dessen Pläne durchkreuzen? Oder wird die magische Welt untergehen?
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 587
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Michael Rusch, 1959 in Rostock geboren, ist von Beruf Rettungsassistent und lebte von 2013 bis 2017 in Hamburg, wo die ersten Bände der Fantasy-Reihe Die Legende von Wasgo entstanden sind. Jetzt lebt er in Lutterbek, in der Nähe der Stadt Kiel. Nachdem er zwischenzeitlich das Schreiben aufgegeben hatte, stellte er fest, dass es beim Verarbeiten von Schicksalsschlägen hilft. So entstand Ein falsches Leben, das zunächst im Selfmade-Verlag Lulu veröffentlicht wurde.
Danach wandte sich Rusch der Fantasy zu. Die ewige Nacht aus der Reihe Die Legende von Wasgo erschien im Januar 2014. Schon im September 2014 folgte der 2. Band mit dem Titel Luzifers Krieg. Es folgten am 1. Dezember 2015 und am 1. Januar 2017 die Bände 3 und 4 mit den Titeln Angriff aus dem Himmel und Bossus‘ Rache. Der letzte Band Wasgos Großvater erschien am 01.03.2018.
Nachdem Rusch Ein falsches Leben überarbeitet hatte, veröffentlichte er diesen Roman in zwei Bänden nochmals im Juli 2014 wie bis dahin alle seine bisherigen Romane mit dem AAVAA Verlag.
Am 28. Februar 2015 veröffentlichte Rusch seinen Roman Die drei Freunde in seinem Verlag Die Blindschleiche. Im Sommer 2019 entschloss er sich aus gesundheitlichen Gründen den Verlag aufzulösen und diesen Roman zu überarbeiten, den er mit BoD im Jahr 2020 neu veröffentlichte.
Auch Die Legende von Wasgo und Ein falsches Leben überarbeitete Rusch nochmals. Die Legende von Wasgo erschien in 2 Bänden mit BoD. Band 1 wurde am 1.01.2020 veröffentlicht und enthält die ersten drei und der vorliegende Band 2 die beiden letzten der ehemaligen 5 Bände. Ein falsches Leben erschien in einem Band unter dem neuen Titel Das Leben des Andreas Schneider ebenso im Jahr 2020.
Seinen ersten Horror-Roman Das Hochhaus veröffentlichte Rusch im Dezember 2020 Und seinen dystopischen Roman Der Wegbereiter im Juli 2021. Zurzeit arbeitet Rusch am 2. Band seines Romans Das Hochhaus.
Teil 4 Bossus Rache
Prolog
Der Zustand der Welt
Der Gesandte des Pharao
Bossus‘ Schergen
Mordermittlungen
Wichtige Gespräche
Regulus' Versteck
Düstere Schatten
Der Kampf beginnt
Der Kampf der Vampire
Luzifers Rückkehr
Sorge um Wasgo
Die Reise zum Höllentor
Die Drachen
Die Ewige Nacht
Wasgo, Luzifer und ein Wiedersehen
Der Heimkehrer
Beunruhigende Ereignisse
Der Kampf in Transsilvanien
Erfolge und Misserfolge
Die Vereinigung
Luzifer
Vorbereitungen
Der Kampf
Die Beisetzungen
Teil 5 Wasgos Großvater
Prolog
Tod und Verderben
Der ewige Kampf
Liebe
Clara
Teuflische Gedanken
Der Überfall
Trauer
Der Wanderprediger
Der Gast des Bauern
Der Untergang
Marias Eltern
Nachdenken
Feuerholz
Im Hof des Bergbauern
Ein nächtliches Gespräch
Sinclair und das Haus der Jodaryaner
Eine morgendliche Beratung
Wichtige Gespräche
Sinclair
Morgenstunde hat …?
Gewaltige Berge
Danksagung
Überall in der Bergwelt lebten die Menschen zufrieden und glücklich. Es gelang ihren beiden weisen Magiern Wasgo und Jodaryon, die Xyloten von der Erde zu vertreiben. Dank der beiden Zauberer herrschte ein weltweiter Frieden.
Jodaryon kehrte vor ein paar Tagen von seiner weiten Reise in den Süden in die Hauptstadt zurück. Aber der arme alte Zauberer, der mit seinem jungen Freund Wasgo so viel Gutes für die Menschen getan hatte, wurde auf seiner anstrengenden Reise krank. Seine magischen Kräfte hatten ihn verlassen, ständig wirkte er konfus. Sein Geist funktionierte nicht mehr so, wie es normalerweise bei einem gesunden Menschen oder Zauberer sein sollte. So hatte er doch tatsächlich vergessen, wo sich sein Gemach im Palast befand.
Auch zu Wasgos Eltern, Luziferine und Antares, benahm er sich immer wieder seltsam. Sogar Wasgo brachte nicht immer für seinen väterlichen Freund und Meister Verständnis auf.
Ja, Jodaryon hatte sehr viel vergessen. Es schien, als sei sein Erinnerungsvermögen teilweise erloschen. Nur ungenau und fehlerhaft erinnerte er sich an ein paar Dinge aus der Zeit, in der sie Bossus, den ehemaligen bösen Herrscher der Welt, gemeinsam bekämpft und besiegt hatten.
Wasgo war darüber sehr traurig und wollte seinem alten Gefährten helfen, doch leider bekam er zu Jodaryon kaum Zugang. Die Krankheit, die den alten Magier heimgesucht hatte, belastete das gute und freundschaftliche Verhältnis, das sie seit so vielen Jahren miteinander verband.
Was um alles in der Welt war nur geschehen? Wasgo saß in seinem Gemach auf seiner Schlafstatt. Es war draußen schon lange dunkel, die Nacht hatte die Bergwelt in ihre Gewalt gebracht. Der Mond schien hell durch das Fenster und ließ den jungen Mann nicht schlafen. Wasgos Gedanken wanderten zu Jodaryon und den letzten Ereignissen, die die Welt heimgesucht hatten.
Während seiner Wanderung in den Süden warnte Jodaryon die Menschen in der großen weiten Welt vor den Xyloten. So musste Wasgo den Kampf gegen diese bösen Wesen aus dem Himmel alleine aufnehmen. Jodaryon meinte, dass Wasgo keine Hilfe benötige, um die Erde von den Xyloten zu befreien, weil das ganz einfach sei.
Tatsächlich gelang es dem jungen Herrscher der Bergwelt nach einigen wenigen kriegerischen Akten, die fremden Wesen so sehr unter Druck zu setzen, dass sie freiwillig die Erde verließen. Einige Tage später kehrte Jodaryon in die Hauptstadt zurück.
Aber leider erkannte ihn in seinem Verhalten niemand wieder.
*****
Was war geschehen, dass sich Jodaryon so verändert hatte? Was hatte er erleben müssen, dass daran sein Geist und sein Körper krank wurden?
Der Körper Jodaryons kehrte vor einigen Tagen in die Hauptstadt zurück, aber nicht seine Seele. Seine letzte Wanderung hatte ihn in weitentfernte Länder bis nach Ägypten geführt. Dort wurde er am Kreuz hingerichtet und erlitt einen grausamen Tod unter einer gnadenlos grellen und brennenden Wüstensonne. Seine Warnungen vor den Xyloten hatten die Menschen nicht verstanden, jedenfalls nicht so, wie sie es sollten. Seine Botschaft musste der alte Zauberer den Bewohnern der Erde verschlüsselt überbringen. Niemand hätte ihm zur damaligen Zeit geglaubt, dass außerirdische Wesen die Erde besiedeln und die Menschheit ausrotten wollten. Deshalb hatte er die Menschen ermahnt, ihre Nächsten zulieben und zu achten wie sich selbst und sich in Zeiten der Not gegenseitig beizustehen.
Aber die Menschen hielten ihn für einen Prediger, einen Messias und schufen sich somit eine neue Religion. Dadurch fühlten sich die Herrschenden, also die Sklaven- und Statthalter, bedroht und lösten das vermeintliche Problem, wie sie schon unzählige andere dieser Art gelöst hatten: Sie nahmen Jodaryon gefangen, und da der alte Zauberer seine magischen Kräfte verloren hatte, konnte er nicht fliehen und starb den Märtyrertod.
In der Bergwelt erhielten die Menschen Nachrichten von einer neu entstandenen Religion, jedoch nicht von Jodaryons Tod. Das hatte Bossus in böser Absicht vereitelt.
Der ehemalige böse Herrscher der Welt, der während seiner Regierungszeit ein grausames Regiment geführt hatte, überzeugte Luzifer davon, dass es das Ende der Hölle und damit auch Luzifers Ende sei, wenn die Xyloten dauerhaft auf der Erde siedelten. Daraufhin erlaubte ihm der Höllenfürst, die Unterwelt unter der Bedingung zu verlassen, dass er die fremden Wesen mit Wasgo gemeinsam von der Erde verjagte.
Doch Bossus dachte keinen Augenblick daran, sich um die Xyloten zu kümmern, sondern heftete sich an Jodaryons Fersen. Mithilfe eines von ihm geschaffenen Waldgnoms spürte er den weisen Magier auf und nahm seinen Körper nach der Hinrichtung in seinen Besitz. Jodaryons Seele hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst ihren Körper verlassen, sodass Bossus leichtes Spiel hatte, sich dessen zu bemächtigen.
Danach sorgte der böse Magier dafür, dass keine Nachrichten über Jodaryon die Bergwelt erreichten. Deshalb waren Wasgo, Luziferine und Antares sowie alle Menschen der Bergwelt vollkommen ahnungslos von dem, was dem armen Jodaryon widerfahren war.
Bossus wollte wieder die Macht ergreifen, die Ewige Nacht sollte erneut über die Erde herrschen und diesmal bis in alle Ewigkeit, bis alles Leben auf der Erde abgestorben war! Aus diesem Grunde begab er sich in die Hauptstadt. Es gelang ihm, Wasgo und seine treuen Anhänger zu täuschen, und so glaubten die Menschen, dass Jodaryon zu seinem Freund Wasgo zurückgefunden habe. Aber sie sollten eine böse Überraschung erleben.
*****
Bossus befand sich in Jodaryons Gemach. Bisher lief alles bestens. Wie er erwartete, schöpfte keiner dieser hinterwäldlerischen Trottel aus der Bergwelt auch nur den leisesten Verdacht, sodass Bossus seinen Plan, die Welt zu erobern, weiterverfolgen konnte. Nur tat es ihm jetzt leid, dass er seinen treuen Helfer, den Waldgnom Tolpedius Tollrasius, getötet hatte. Nachdem dieser zufällig in einer Baumhöhle auf Jodaryon traf, wähnte sich Bossus am Ziel seiner Träume und glaubte, für den kleinen Waldgnom keine Verwendung mehr zu haben. Einige Zeit hatte ihm Tolpedius Tollrasius gute Dienste geleistet und ihn mit wertvollen Informationen versorgt, das musste Bossus durchaus zugeben. Später blies er ihm kurzerhand das Lebenslicht aus.
Bossus stand am Fenster seines Gemaches, das eigentlich Jodaryon gehörte, und dachte angestrengt nach. Endlich kam er auf die Lösung seines Problems. Es war doch ganz einfach: Was er schon einmal getan hatte, konnte er auch ein zweites Mal tun! Die einzige Schwierigkeit bestand darin, dass niemand im Palast von seinen magischen Taten oder, anders ausgedrückt, von seinen Untaten, erfahren durfte.
Schnell verdunkelte Bossus seine Fenster, damit nichts von dem, was gleich in seinem Gemach geschehen sollte, an die Öffentlichkeit drang. Seine Gedanken bewegten sich um sein großes Ziel, dem er alles andere unterordnete, sogar seine Angst, die er tatsächlich verspürte, seit er sich im Palast eingenistet hatte. Wenn ihn jemand durchschaute! Und die Zauberkräfte dieses Wasgo … Aber fort mit diesen dummen Gedanken! Jetzt ging es nur darum, dass er seine Mission beendete. Sollten doch seine Soldaten mordend durch das Land ziehen, was interessierte das ihn! Der Zweck heiligte die Mittel!
Aber vorsichtig, vorsichtig … Nicht auszudenken, wenn etwas schiefging!
Zwar war er ein Zauberer und konnte sich mithilfe seiner magischen Fähigkeiten gut verteidigen, aber auf einen Zweikampf mit Wasgo wollte er es lieber nicht ankommen lassen. Das war viel zu riskant! Nicht dass Bossus' Seele zu Luzifer in die Unterwelt, also in das Fegefeuer, zurückkehren musste! Was würde sich der Alte da unten kaputtlachen! Nein, lieber kontrollierte Bossus ein zweites und drittes Mal die Fenster seines Gemachs, damit nur nichts von dem an die Öffentlichkeit drang, was er sogleich in seinem stillen Kämmerlein tat.
Solange sich Bossus in Jodaryons Gemach aufhielt, fühlte er sich sicher. Er ging zur Feuerstelle und suchte in der alten Asche nach einem noch nicht vollständig verbrannten Holzkloben und einige Spane, die zum Anfachen eines Feuers geeignet waren. Er fand ein großes Stückchen Holz, das er sich von allen Seiten genau besah. Der Kloben, den er suchte, musste eine ganz bestimmte Form haben, die dieses verkohlte Holzstück nicht hatte. Deshalb landete es aus seiner Hand heraus abseits am Rande der Feuerstelle. Er fand einen zweiten Kloben, doch den warf er sofort zu dem anderen hinüber.
„Gibt es denn in diesem Schweinestall nicht einmal ein brauchbares Stück Holz!?“, schimpfte Bossus vor sich hin. Ein dritter Holzkloben fand seinen Weg in die rechte Hand des bösen Magiers und nur einen Augenblick danach zu den beiden anderen von ihm aussortierten Hölzern. Doch endlich entdeckte er einen viereckigen Holzkloben, der seinen Ansprüchen genügte.
„Na, bitte, es geht doch“, knurrte er.
Er fand auch mehrere Spane, die nicht vollständig verbrannt waren. Vier davon steckte er in die Taschen seines Umhanges, worin auch schon der Holzkloben verschwunden war. Jetzt brauchte er nur noch einige Steine. Die sollte es im Hof des Palastes geben! Da es schon Nacht war, rechnete Bossus nicht damit, im Palast oder in dessen Hof einer Menschen- oder Magierseele zu begegnen. Er verließ sein Gemach und huschte zur Treppe hin, leise schlich er die Stufen herunter und gelangte unbemerkt ins Freie.
Die Temperaturen waren merklich gesunken, mehr, als er vermutet hatte. Kalt war es. Schweinekalt. Auf seinem Rücken spürte er plötzlich eine Gänsehaut. Eng schlang er seinen Umhang um sich herum und machte sich auf die Suche nach den passenden Steinen. Da sollte doch einer von den vielen Steinen, die hier überall herumlagen, eine bestimmte Größe und runde Form besitzen! Zwei weitere sollten länglich, aber genauso groß wie der runde Stein sein. Und schließlich brauchte er noch zwei ovale, etwas kleinere Steinchen.
Schnell fand der böse Magier das Gesuchte und verbarg seine Funde ebenso wie die Hölzer in seinem weiten Umhang. Jetzt aber schnell zurück in sein Gemach! Als er die Tür zum Palast öffnete, überraschte ihn Wasgo, der ihm plötzlich gegenüberstand. Was hatte denn der hier herumzugeistern? Sollte nicht auch ein Zauberer um diese Zeit schlafen?
Auch der Herrscher der Bergwelt war überrascht, fasste sich aber als erster. Er begrüßte Bossus, in dem er Jodaryon vermutete. „Hallo, mein Meister, zu dieser nachtschlafenden Zeit bist du noch auf den Beinen?“
„Oh, ja, ähm …, ich konnte nicht schlafen!“ Bossus wusste nicht, wie er sich Wasgo gegenüber verhalten sollte. Den hätte er lieber tot als lebend gesehen. Auf jeden Fall war es kein Fehler, wieder den senilen Alten zu spielen.
„Geht es dir besser?“, wollte der junge Zauberer wissen.
„Ein bisschen.“ Das kam so kläglich, dass Bossus beinahe losgelacht hätte.
„Kann ich etwas für dich tun, Jodaryon?“
„Nicht nötig ...“
„Soll ich dich in dein Gemach zurückbringen?“
Bossus war genervt von Wasgos Fragerei. „Was sollen diese vielen Fragen!?“
„Ich mache mir Sorgen um dich, schließlich sind wir Freunde.“ Wasgo verlieh seiner Stimme einen sanften Klang.
„Nicht nötig!“, knurrte Bossus erneut.
„Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, mein Freund.“
„Gute Nacht!“ Bossus antwortete lauter, als er es beabsichtigt hatte. Er war froh, endlich weitergehen zu können, und wollte durch die Tür in den Palast verschwinden.
Doch in diesem Augenblick hörte er Wasgos Frage. „Frühstücken wir morgen früh wieder gemeinsam?“
Gibt der Bengel denn gar keine Ruhe mehr? Bossus war voller Grimm. Entsprechend gereizt fiel seine Antwort aus: „Bei wem? Bei dir oder bei mir?“
„Aber Jodaryon, wir essen doch gemeinsam in der Palastküche!“ Wasgo war von der Antwort des falschen Jodaryon überrascht.
Augenblicklich merkte Bossus, dass er einen Fehler begangen hatte. So klopfte er mit der Faust einige Male gegen seinen scheinbar verwirrten Kopf und verfiel danach wieder in seinen kläglichen Altmännerton. „Ach, so, ja, natürlich, und wann wollen wir uns treffen? So gegen acht Uhr morgens?“
Ungläubig sah Wasgo ihn an. „Hast du denn auch das vergessen? Wir treffen uns immer, wenn die Sonne aufgeht.“
„Lässt sich der nervige Bengel heute überhaupt nicht abschütteln?“, dachte Bossus böse. „Ich werde pünktlich da sein!“ Mit diesen Worten verschwand er beinahe fluchtartig in den Palast. Froh darüber, wieder allein zu sein, eilte er die Treppe zu Jodaryons Gemach empor. Als er die Tür schloss, atmete er erleichtert tief durch. Das hätte beinahe ein böses Ende genommen! Bossus ermahnte sich wie schon so oft in den letzten Tagen, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Die allerkleinste Unachtsamkeit konnte zu seinem Tode führen! Und der sollte nach Bossus Willen doch noch eine Weile auf sich warten lassen. Schließlich nahm er erst vor kurzer Zeit den Körper seines ärgsten Widersachers in Anspruch. Den wollte er noch lange behalten! Wenn nur das verdammte Täuschen und Versteckspielen nicht so schwer wäre! Sonst erteilte er stets aller Welt Befehle, wie es ihm passte, haute dazwischen, oder schüchterte alle um ihn herum ein. Hier musste er ständig auf der Hut sein, nicht vorzeitig entdeckt zu werden. Das war eine Anstrengung! Aber nichts gab es umsonst im Leben, auch für einen Zauberer nicht, wusste Bossus. Mühsam beruhigte er sich und ging zum Tisch, der sich in der Mitte seines Gemachs befand.
Dort breitete er die verschiedenen Hölzer und Steine aus. Danach holte er aus der Feuerstätte ein wenig Asche, streute diese auf den Tisch und ordnete die Steine und die Holzstückchen auf ihr so an, dass eine kleine Figur entstand.
Danach griff Bossus zu seinem Messer, welches er unter dem Umhang verbarg. Damit schnitt er sich die Haut an seinem linken Unterarm auf. Dicke Blutstropfen quollen aus der frischen Wunde hervor und fielen auf die auf dem Tisch liegende Asche.
Es schien, als wenn sich die Asche entzündete. Grauer Rauch entstand. Dieser stieg auf, verteilte sich im Raum und wurde allmählich immer dichter. Voller Inbrunst rief Bossus: „Ich, Bossus, befehle allen Mächten der Finsternis, mir einen Waldgnom zu schaffen. Euch zu Ehren will ich die Ewige Nacht wieder über die Erde herrschen lassen.“
Nun waberte pechschwarzer Qualm von der Asche empor. Der falsche Jodaryon erkannte kaum noch die Hand vor seinen Augen. Es roch nach verkohltem Holz. Der Rauch stieg Bossus in Nase und Augen, die zu tränen begannen. Laut rief er: „Ich rufe die Mächte der Finsternis an! Ich befehle euch, gebt mir meinen Waldgnom zurück!“
Endlich zog sich der Rauch, der sich im Gemach verteilt hatte, über den Tisch zusammen. In ihm entstand schemenhaft ein kleiner menschenähnlicher Körper, der sich auf den Tisch absenkte. Die Konturen dieses Körpers traten aus dem Rauch immer deutlicher hervor, bis der sich in nichts auflöste. Nun stand vor Bossus ein Waldgnom, der dem ersten täuschend ähnlichsah.
Aus großen grauen Augen sah der Gnom Bossus an, die fast die gesamte obere Hälfte seines Gesichtes einnahmen. Dicke buschige Brauen befanden sich über ihnen. Lange, zottige und drahtige Haare standen vom Kopf des etwa 30 Zentimeter großen Wesens wirr ab. In seinem Gesicht traten die Jochbeine übergroß hervor, wulstige Lippen befanden sich zwischen roten, eingefallenen Wangen. Aus seinem Gesicht ragte eine lange Hakennase heraus, die lang wie seine Arme und nach unten gebogen war. Er hatte einen runden und buckligen Rücken und dicke, kurze Beine, mit überdimensionalen Füßen. Mit einem schlug er im Takt auf den Tisch. Bossus war mit seinem Anblick zufrieden.
„Du bist mein Waldgnom, ich habe dich geschaffen und du wirst mir dienen!“, sagte Bossus in scharfem Ton.
„Wer sagt das und springt mit mir um, als sei ich sein Sklave?!“ Der Gnom schrie seinen Herrn böse an.
„He, nicht so frech, sonst kann ich dich töten, so wie ich deinen Vorgänger auch getötet habe!“
Als der Gnom diese Worte hörte, beschloss er, dem Mann, der um so vieles größer war als er selbst, zu gehorchen. Aber dass der ihn bedrohte, merkte er sich. Sich töten lassen, wollte der Gnom nicht! Somit zwang er sich zu einem respektvollen Ton. „Was kann ich für dich tun?“
„Du bist Tolpedius Tollrasius und mein Diener! Hast du das verstanden?!“
„Ja, Herr.“ Der Gnom sprach leise und unterwürfig.
„Also höre meine Befehle und führe sie aus!“
„Ja, Herr.“
„Du wirst überall auf der Erde meine Soldaten zusammentreiben und ihnen von meiner Rückkehr erzählen. Sie sollen in den Wäldern Transsilvaniens auf meine Befehle warten. Bald, sehr bald werden sie genug zu tun bekommen, denn wir erobern die Welt und die Ewige Nacht wird wieder über die Erde herrschen!“
„Sehr wohl, Herr!“ Bossus griff nach Tolpedius Tollrasius und führte dieses von ihm mit schwarzer Magie geschaffene Wesen an seinen Mund und blies ihm durch die Nase seinen Atem in den kleinen buckligen Körper. Danach stellte er ihn auf den Tisch zurück. „Mit meinem Atem gab ich dir magische Kräfte. Die darfst du anwenden, wann immer es dir notwendig erscheint. Und nun geh und treibe mir meine Soldaten zusammen!“
Wasgo war ein viel beschäftigter Mann. Es gab wichtige Staatsangelegenheiten zu erledigen, die er nicht aufschieben konnte. Heute zum Beispiel kam ein Gesandter aus einem sehr mächtigen südlichen Land, das sich Ägypten nannte, zu einem Staatsbesuch. Es war nicht der Pharao, aber in seinem Land war er ein überaus angesehener und bedeutender Statthalter.
Das Jahr näherte sich seinem Ende und die Temperaturen lagen unter dem Gefrierpunkt. Die Berge überzog eine weiße Pracht, nur in den Tälern ging das Leben unbeschwert weiter. Trotzdem wagte sich der Gesandte des Pharos in die Bergwelt. Sein Weg führte ihn über die höchsten Gipfel der riesigen und majestätisch wirkenden Berge. Sein Pfadfinder suchte für die Reisenden einen neuen beschwerlichen Weg. In den hohen Bergen in Eis und Schnee Wege zu finden, war er nicht gewöhnt, auch hatte er Angst, eine Gletscherspalte zu übersehen, in die er hineinstürzen konnte. Deshalb überredete er seinen Herrn, dem Herrscher der Bergwelt einen Boten zu schicken und ein Lager aufzuschlagen. Der Bote sollte Wasgo um einen Bergführer bitten, der sie abholen und sicher in die Hauptstadt bringen sollte.
Wasgo empfing den Boten des fremden Gesandten aus dem Süden und auf diese Weise erfuhr er von dem bevorstehenden Staatsbesuch. Der Bote berichtete, dass der Statthalter von dem in der Bergwelt herrschenden Wetter überrascht wurde. Am Tage war es in den Tälern noch warm, doch nach Einbruch der Dunkelheit fielen die Temperaturen um beinahe 20 Grad ab. Dicke Schneeflocken tanzten vom Himmel herab und überzogen die Berge und die Wälder scheinbar wie aus einer unsichtbaren Hand mit einer riesigen weißen Decke.
Noch nie in seinem Leben hatte der Statthalter Schnee gesehen. Zunächst war er begeistert und glaubte, auf dem weichen, weißen Teppich unbeschwert umherlaufen zu können. Doch plötzlich verlor er den Halt unter seinen Füßen. Der Temperatursturz sorgte dafür, dass sich die Luftfeuchtigkeit in Form von kleinen Wassertröpfchen auf der Erdoberfläche absetzte und dort zu Eis erstarrte, das vom Neuschnee verdeckt wurde. Plötzlich wurde es spiegelglatt und so rutschte der Gesandte auf einer Eisscholle aus und verlor das Gleichgewicht. Überrascht gab er dabei mit rudernden Armen und strampelnden Beinen unartikulierte Laute von sich und schlug mit seinem Gesäß hart auf den Boden auf. Der Sturz verursachte ihm am Steiß starke Schmerzen. Mit einem Aufschrei verstummte er. Seine Versuche, das Gleichgewicht zu halten, wirkten auf die zuschauenden Diener aus seinem Gefolge sehr lustig. Einige seiner Begleiter konnten ihr Lachen nicht zurückhalten.
Das war zu viel für den Statthalter. Über einen Gesandten des Pharos durfte niemand lachen! Für diese öffentliche Bezeugung fehlender Achtung und der Verweigerung des ihm zustehenden Respektes bestrafte er die Soldaten mit Arrest. Die Strafe sollte sofort nach erfolgter Rückkehr in die Wüste vollstreckt werden.
Jedoch wurde dem Gesandten durch sein schmerzendes Hinterteil bewusst, dass es viel zu riskant war, durch die fremde winterliche Bergwelt zu reisen. Auch deshalb folgte er dem Rat seines Pfadfinders und ein Bote sollte den Herrscher dieser Gegend aufsuchen und ihn um Hilfe bitten. Niemand der Reisenden sollte sich bei dem kräftezehrenden Marsch verletzen oder gar in einer Gletscherspalte den Tod finden.
*****
Bossus stand am Morgen gut gelaunt auf. Er wusste, dass sein Waldgnom in Transsilvanien seine Söldner suchte, die sich in den tiefen Wäldern dieser Gegend verborgen hielten.
Die Menschen Transsilvaniens mieden diese Wälder, denn wer sich darin verirrte, lief Gefahr, am Abend nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Zunächst glaubte man, im Wald seien viele Vampire, die die umliegenden Dörfer überfielen und die Menschen zu Ihresgleichen machten. Später hieß es, dass die Schergen des bösen Bossus dort ihr Unwesen trieben. Aber ob es Vampire oder Soldaten des ehemaligen bösen Herrschers der Welt waren, spielte für die Transsilvanier keine Rolle, sie wollten weder mit den einen noch mit den anderen zu tun haben.
Kaum beendete Bossus seine morgendliche Toilette, als er telepathische Signale empfing. Der Zwerg, so nannte der böse Magier im Geheimen den Waldgnom abfällig, nahm Verbindung zu ihm auf.
„Was willst du schon zu dieser frühen Morgenstunde von mir?“, fragte Bossus gereizt.
Tolpedius Tollrasius antwortete: „Mein Herr und Gebieter, ich bin in den Wäldern Transsilvaniens und habe einige deiner Söldner gefunden.“
„Dann sprich mit ihnen, dass sie sich für den nächsten kommenden Kampf bereithalten sollen. Suche alle meine Söldner zusammen und sorge dafür, dass die einzelnen Gruppierungen einen Anführer haben, der mit ihnen kriegerische Übungen durchführen kann.“
„Es sind aber nicht sehr viele von deinen Leuten übrig. Die Vampire haben deinen Männern zu schaffen gemacht und ihre Anzahl stark dezimiert. Eine Armee hast du in Transsilvanien nicht mehr.“
Bossus tobte. Sein Plan beruhte darauf, dass er sich mithilfe seiner Schergen nach und nach die Ländereien eroberte, die er brauchte, um die vollkommene Macht wieder an sich reißen zu können. Dieser nichtsnutzige und respektlose kleine Zauberer, der sich Wasgo nannte, musste vernichtet werden, wenn die dunklen Wolken aufziehen und für alle Zeiten die Welt verdunkeln sollten. Was bedeutete dieser Name Wasgo eigentlich? Das konnte Bossus nicht ergründen und so glaubte er, dass nicht nur der Name, sondern auch der Herr der Bergwelt im besten Fall gar keine Bedeutung hatte. Nicht für die Welt, nicht für ihn, überhaupt für niemanden. Wenn er diesen hundsgemeinen und brutalen Dummkopf erst einmal abserviert hatte, würde niemand mehr an ihn denken. Dann war dieser Schwachkopf für immer vergessen. Ja, das war es.
Nun vereitelten diese dummen Vampire seinen Plan. Trotzdem wollte er, dass sich die Söldner sammelten und in Kriegsspielen übten, um zum richtigen Zeitpunkt für kriegerische Handlungen fit zu sein. Der Waldgnom versprach, dafür zu sorgen.
Bossus unterbrach die telepathische Sitzung. Er wollte sich mit Wasgo zum Frühstück treffen. Wer wohl noch dabei sein würde? Bestimmt die Eltern dieses unbedeutenden Zauberers. Noch hatte dieser Wicht keinen Verdacht geschöpft.
Der dumme Herrscher der Bergwelt, wie Wasgo von Bossus auch genannt wurde, glaubte in der Tat, dass Jodaryon zu ihm zurückgekehrt sei. Der böse Magier ließ Wasgo in den Glauben, dass Jodaryon seine magischen Fähigkeiten vollständig verloren habe und halb schwachsinnig geworden sei.
Und Antares, dieser einfältige Möchtegernzauberer, stellte sowieso keine Gefahr für ihn dar, für ihn, den größten und mächtigsten Magier, den die Welt je gesehen hatte.
Nur Luziferine schien ihm sehr wachsam zu sein. Ob sie sogar einen Verdacht hegte? Immerhin bewegte sich Bossus manchmal anders, als Jodaryon das getan hatte. Doch bisher war es dem bösen Magier gelungen, Luziferines Ahnungen zu zerstreuen.
Er hatte Jodaryon durch seinen ersten Waldgnom beobachten lassen. Dadurch erfuhr er so viel über ihn, dass Bossus glaubte, alles über den weisen Zauberer zu wissen, was für ihn wichtig war, damit er sich aus Versehen nicht selbst verriet. Nur so konnte er die Welt täuschen und die Ergreifung der Macht vorbereiten. Ach, wie dumm waren Wasgo und seine Anhänger doch!
*****
Der Herrscher der Bergwelt hatte einen gesunden Appetit. Er schnitt sich mit einem großen scharfen Messer eine dicke Scheibe von einem Brot ab, tunkte es in die Soße und biss ein gutes Stück davon ab. Danach kaute er einige Male auf dem Brot herum, nahm ein großes Stück Fleisch von einer Hirschkeule in die Hand und biss herzhaft hinein. Das heutige Frühstück war üppig und kräftig. Es sollten einige Stunden vergehen, bis der Herrscher der Bergwelt wieder eine Mahlzeit zu sich nehmen konnte.
Der junge Mann sah seinen vermeintlichen Freund ins Gesicht und überlegte, ob er Jodaryon dem Gesandten des Pharos entgegenschicken konnte. Sein alter Freund schien gut erholt zu sein, auch wenn er ab und an immer noch etwas vergesslich und kauzig wirkte. „Ich bin so froh, dass du wieder gesund bist und es dir gut geht. Würdest du mir einen großen Gefallen tun?“
„Aber selbstverständlich, ich erfülle dir jeden Gefallen, den du möchtest.“ Bossus alias Jodaryon bemühte sich, kläglich und senil zu erscheinen.
„Ich brauche dich, mein Freund! Gestern am Abend ist aus dem Süden ein Gesandter des Pharos zu mir gekommen ...“
„Pharao? Was ist das?“ Bossus tat verwirrt.
„Der Herrscher von Ägypten, das ist ...“
„Ach, so, Ägypten“, murmelte der falsche Jodaryon und klopfte sich mit der Faust gegen die Stirn. „Mein alter Kopf, du weißt ja … Aber was kann ich für dich tun, mein Wasgo?“
„Was dieser Gesandte hier bei uns will, weiß ich noch nicht. Aber in den Bergen ist der Winter eingebrochen.“
„Schon wieder, wie die Zeit vergeht, wenn man alt wird ...“, murmelte Bossus.
„Irgendwo zwischen dem Hauptkamm und dem Eisberg hat er sein Lager aufgeschlagen. Er bittet uns um Hilfe, um sicher in unsere Stadt zu kommen. Du, Jodaryon, kannst dem Gesandten schnell und zuverlässig helfen. Deshalb bitte ich dich, sein Lager aufzusuchen und ihn sicher in den Palast zu geleiten.“
„Wenn ich den Weg finde … Weißt du, Wasgo, es ist nicht schön, wenn man alt und vergesslich wird! Aber ich tue mein Bestes. Soll ich den Boten des Gesandten mitnehmen?“
„Nein, ich glaube, der würde dich bei der Suche nach dem Lagerplatz nur behindern. Ohne ihn wirst du schneller sein.
*****
Luzifer lungerte auf seinem Thron in seinem Audienzsaal und langweilte sich zu Tode. Was war aus der einstmals so stolzen und angsteinflößenden Hölle geworden!
Wie kam es dazu, dass seine Macht so entsetzlich gelitten hatte? Warum musste er sich in die Angelegenheiten der Erdenwelt einmischen? Statt feixend zuzusehen, wie sich die Bewohner da oben ihre eigene Hölle schufen! Luzifer war ratlos.
Alle seine Versuche, die Verhältnisse teufelgefällig zu verändern, schlugen jämmerlich fehl. Bis auf ein paar kleine Erfolge, die nicht der Rede wert waren, musste Luzifer überall nur Schimpf und Schande einstecken. Er verlor fast alle seine Monster, er selbst wurde von Jodaryon und Wasgo besiegt und von der Erde verbannt, ja, er wurde sogar von diesen vermaledeiten Zauberern schwer verletzt. Die hätten ihn glatt getötet, wenn sie das nur gekonnt hätten. Aber was sie erreicht hatten, war so gut, als wenn sie ihn, den großen und edlen Luzifer, ihn, den mächtigen Höllenfürsten, umgebracht hätten.
Nun, das konnten sie zum Glück nicht, dieses verhinderte die mystische Fügung, aber doch war es ihnen gelungen, seine Macht erheblich einzuschränken. Na, ja, aber das konnten sie nur für eine bestimmte Zeit erreichen, solange sie noch lebten.
Selbst diesen Bossus musste der Höllenfürst Luzifer wieder gehen lassen. Aber der hatte wenigstens dafür gesorgt, dass die im Himmel wohnenden fremden Wesen, die die Erde besetzen und die Menschen ausrotten wollten, besiegt und dahin zurückgejagt worden waren, wo sie herkamen. Das wenigstens glaubte Luzifer.
Immerhin war Bossus noch ein zweites Mal erfolgreich. Er hatte Jodaryon getötet. Nach langer Zeit wieder einmal eine erfreulich schlechte Nachricht: Jodaryon war endlich, endlich tot! Sein zweitschlimmster Feind war endlich geschlagen, konnte ihm, den großen Höllenfürsten, nicht mehr schaden. Hoch lebe Bossus, der Bezwinger Jodaryons. Bloß: Wo, verdammt noch mal, war nur die Seele des verhassten alten Zauberers abgeblieben? Die hätte doch schon längst wieder ihren Platz im Fegefeuer einnehmen müssen! Aber nirgendwo gab es eine Spur von ihr! So eine Gemeinheit! Nicht die kleinste Freude hatte man mehr als Teufel!
Soweit Luzifer wusste, hatte Bossus Jodaryon besiegt und war danach in dessen Körper hineingeschlüpft. Aber wie lange sollte das noch weitergehen? Immerhin war Luzifer davon überzeugt, dass Bossus der einzige und richtige Magier war, der die Macht auf der Erde in seinem, Luzifers Sinn ausüben konnte. Diese Gewissheit verbesserte seine Laune endlich wieder. Bei der bevorstehenden Machtergreifung durch Bossus wollte der teuflische Geselle dem bösen Magier helfen, wo und wann immer er es konnte.
*****
Sinclair war besorgt. Er spürte, dass sich der Zustand der Welt veränderte. Das Böse begann, seinen Machteinfluss auf die Erde auszudehnen. Was konnte er, der Herr der Vampire, tun, um seinen Freunden zu helfen? Wie konnte er Wasgo und Jodaryon im abzusehenden Kampf gegen Bossus und Luzifer unterstützen?
Die Vampire waren einstmals wegen Ungehorsams von Luzifer, dem Höllenfürsten, aus der Unterwelt verbannt worden. Seitdem nahmen sie auf der Erde eine besondere Rolle ein. Sie waren keineswegs gutartige Wesen, benötigten sie doch, um existieren zu können, Menschenblut. Mit Katzenblut kamen sie notfalls für eine begrenzte Zeit auch über die Runden.
Aber bösartige Wesen waren sie ebenso wenig. Sie gehörten zu den Wesen der Finsternis und damit zu den sogenannten Untoten. Ein Vampir lebte nicht, aber tot war er auch nicht. Und doch konnten sie entscheidend in das Weltgeschehen eingreifen.
Es gab Zeiten, in denen sie Verbündete der Menschen waren, dann wiederum führten sie einen regelrechten Krieg gegen sie. Luzifer hatte die Vampire zu diesem Krieg gezwungen. Durch Wasgos Hilfe konnte er aber beendet werden.
Sinclair hatte in der letzten Nacht eine Vision. Dunkle Wolken hingen am Himmel und ließen die Sonnenstrahlen nicht zur Erde hindurch. Jodaryon starb und wurde beerdigt. Luzifer kehrte auf die Erde zurück und besuchte Bossus, der die Herrschaft über die Welt an sich gerissen hatte.
Wasgo wurde seinen magischen Kräften beraubt und wie einst Jodaryon in einem undurchdringbaren Dickicht in einem tiefen, beinahe nachtdunklen Wald gefangen gehalten. Der böse Zauberer Bossus setzte die Menschheit seiner Willkür und seinem Terror aus. Antares und Luziferine flogen auf dem Rücken eines Drachens auf den Gipfel eines riesigen Berges zu. Warum sie das taten, erschloss sich Sinclair nicht.
Die wenigen Elfen, die es noch gab, vernichtete Bossus. Regulus, der Herr der Elfen, war der erste seines Volkes, er wurde vor den Augen seiner Untertanen grausam in einem Feuer verbrannt. Danach wurden die anderen Elfen ins alles vernichtende Feuer geworfen, bis auch der letzte Elf endgültig vom Antlitz der Erde verschwand.
Und nach den Elfen widmeten sich Bossus und Luzifer den Vampiren, mit denen sie eine offene Rechnung hatten!
Nein! Das durfte niemals geschehen! Aber was sollte Sinclair dagegen tun? Er war ratlos und beriet sich mit seinen Vampiren.
Es fiel Bossus nicht leicht, so zu tun, als verhalte er sich Wasgo gegenüber ruhig und loyal. Er musste vorsichtig sein, in allem, was er tat. Schließlich musste er seine Rolle als Jodaryon bis in die kleinste Nebensächlichkeit hinein völlig glaubhaft spielen. Niemand durfte Verdacht schöpfen, niemand.
Immerhin bescherte Jodaryons Körper dem bösen Magier gegenüber Wasgo einen Vorteil. Der junge Herrscher der Bergwelt glaubte, seinen engsten Freund und Berater bei sich zu haben, vertraute ihm und verriet ihm viele Geheimnisse, die niemand außer Wasgo selbst und der wahre Jodaryon wissen durften. Überhaupt schien Wasgo in seiner jugendlichen Naivität und Vertrauensseligkeit arglos zu sein. Viele geheime Informationen verriet er seinem Feind, ohne das zu ahnen. Somit gewann Bossus einen Vorteil nach dem anderen. Der junge Magier ging schweren Zeiten entgegen, in denen sein Leben in Gefahr war.
Bossus nutzte jede Chance, um an geheime Nachrichten heranzukommen, mit denen er sein großes Ziel schneller und leichter zu erreichen hoffte. Wie lange hatte er auf eine Gelegenheit warten müssen, diesem grünschnabeligen, blauäugigen Jüngelchen direkt Schaden zufügen zu können! Und jetzt wurde ihm eine entscheidende Gelegenheit dafür auf dem Silbertablett serviert. Er, ausgerechnet er sollte den Gesandten des Pharos sicher zum Palast geleiten. Er ganz alleine! Besser hätte es gar nicht kommen können, da brauchte er auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Da konnte der echte Bossus endlich wieder einmal hervorkommen, ganz ohne Maske.
Was wollte der Gesandte des Pharos in der Bergwelt? Für Bossus war das nicht schwer zu erraten. Im Grunde konnte es nur um die neue Religion gehen, über die in den letzten Wochen so viele Menschen sprachen. Das Jodaryanertum breitete sich in der Welt aus. Das Jodaryanertum! Das fehlte noch, dass Wasgo darüber Einzelheiten erfuhr. Alleine schon der verräterische Name: Jodaryanertum! Wenn Wasgo davon Wind bekäme, dann wäre es für Bossus vorbei. Diesmal endgültig.
Bossus' Plan war es, ohne jeden Widerstand die Macht an sich zu reißen. Er wollte Wasgo in einem günstigen Moment gefangen nehmen und töten. Einen Krieg konnte er sich nicht leisten. Dafür war er zu schwach. Seine Machtinstrumente, mit denen er damals die Ewige Nacht aufgebaut und erhalten hatte, waren entweder vernichtet oder in Wasgos Hände gefallen. Die Seherkugel hatte er selbst in einem Anfall von blinder Wut an eine steinerne Wand geworfen, sodass sie in tausend kleine Stücke zerbrach. Das magische Fernrohr und andere Instrumente wurden gemeinsam mit dem Schrein des Bösen von Jodaryon, Wasgo und Antares mit den Strahlen der Liebe und des Lebens vernichtet. Bossus selbst verlor seine irdische Existenz. Und wenn der alte, eingebildete Luzifer nicht so einfältig gewesen wäre, ihn auf die Erde zurückzulassen ...
Er durfte im Kampf gegen Wasgo nicht unterliegen! Eine solch günstige Gelegenheit wie der Angriff der fremden Wesen aus dem Himmel, die sich ausgerechnet auf der Erde ansiedeln wollten, kam ganz bestimmt kein zweites Mal. Was hatte er dem dummen Luzifer damals erzählt! Dass die Existenz des Teufels und der gesamten Unterwelt auf dem Spiel stand! Und als Bossus dem alten Höllenfürsten versprach, Wasgo beim Kampf gegen die Außerirdischen zu unterstützen, war Luzifer endgültig bereit, zu allem ja und amen zu sagen, was Bossus vorschlug.
Er und sich mit Wasgo zusammentun! Zum Lachen, wie leicht sich Luzifer übertölpeln ließ! Bossus dachte keine Sekunde daran, das zu tun. Lieber verfolgte er Jodaryon und bemächtigte sich dessen Körper, um Wasgo täuschen zu können. So wollte er die Macht über die Welt erneut an sich reißen, um sie nochmals mit der Ewigen Nacht verdunkeln zu können. Dabei musste er sich auf seine Zauberkünste verlassen und durfte Wasgo keinesfalls unterschätzen. Dieser Bursche, der es sich offenbar in den Kopf gesetzt hatte, Bossus' Lebenswerk in Schutt und Asche zu legen, verfügte mittlerweile über weitaus größere magische Fähigkeiten als seinerzeit, als er sich zusammen mit dem alten Jodaryon mit ihm angelegt hatte. Sogar von vampirischen Fähigkeiten hatte der Bursche geschwafelt, oder steckte tatsächlich mehr als nur Geschwafel dahinter? Zuzutrauen wäre ihm wahrlich alles. Und wenn er damals schon Bossus vernichtend schlagen konnte, konnte er das jetzt erst recht! Ob es nicht vorsichtiger und klüger wäre, sich mit Luzifer zu verbünden? Er und Luzifer, wenn sie beide gemeinsam Wasgo und die Bergwelt in einen Krieg verwickelten …
Doch jetzt war er auf den Weg zum Gesandten des Pharao. Wie freute er sich, dass Wasgo ihm erlaubte, den Lagerplatz der unangemeldeten Staatsgäste ohne ihren Boten aufzusuchen! Und wie viel Mühe gab er sich, seinem vermeintlich senil gewordenen Freund Jodaryon ihren Aufenthaltsort idiotensicher zu erklären! Bossus hörte ihm gar nicht richtig zu. Wozu auch! Er wäre doch ein lausiger Zauberer, wenn er den Gesandten mit seinem Gefolge nicht ohne Wasgos Erklärungen gefunden hätte!
Lärmend und zugleich bibbernd vor Kälte lagen die Besucher aus Ägypten auf einem von der Hauptstadt weit entfernten Berg im Schnee und verunreinigten ihn mit ihrem Müll und ihren Exkrementen. Hätte das doch nur der dämliche Herrscher der Bergwelt sehen können! Der wäre doch bestimmt beim Anblick von diesem Dreck verursachenden Haufen von stinkenden Menschenleibern aus dem Süden aus allen Wolken gefallen.
Der Hauptmann der Leibwache des Statthalters meldete ihn an und führte ihn schnell zu seinem Herrn. Bossus behielt seinen Pelz an, den er in einer Truhe in Jodaryons Gemach gefunden hatte und der jetzt sein Gesicht fast verdeckte. Bei der herrschenden Eiseskälte fiel eine solche Tarnung nicht auf. Die Ägypter hätten vielleicht Augen gemacht, wenn sie Bossus' Ähnlichkeit mit Jodaryon bemerkt hätten ...
Respektvoll richtete Bossus das Wort an den fremden Mann. „Mein ehrenwerter Herr Gesandter, mein Herr, der Herrscher der Bergwelt, schickte mich zu dir, damit ich dich sicher in unsere Hauptstadt und zu ihm in den Palast geleite. Ich soll dir von ihm die besten Grüße ausrichten und dir mitteilen, dass er sich auf deinen Besuch freut. Wenn er dir zu Diensten sein kann, will er dir gerne deine Wünsche erfüllen. Auch ist er darauf gespannt, was dein Erscheinen bei uns zu so einer widrigen Jahreszeit ausgelöst hat. Es müssen wohl in der Tat sehr gewichtige Gründe sein, die deinen Herrn dazu bewogen haben, dich auf eine so gefährliche und beschwerliche Reise zu schicken. Den Göttern sei Dank, dass du bis hierher wohlbehalten angekommen bist.“
Der Angesprochene antwortete: „Ich danke dir für den herzlichen Empfang und deine Hilfe. Heute ist es zum Weiterreisen schon zu spät. Deshalb werden wir morgen bei Sonnenaufgang unseren Weg fortsetzen. Wann werden wir in eurer Hauptstadt ankommen?“
*****
Am frühen Morgen brachen sie auf. Die Sonne kletterte über die Berge, als sich die kleine Kolonne mit Bossus an der Spitze in Bewegung setzte. Der Himmel strahlte blau, die Sonne stand tief am Himmel, sodass sie die Reisenden gefährlich blendete.
Bossus plante, wie er vorgehen wollte, sollte seine wahre Identität durch diesen unerwünschten Besuch erkannt werden. Aber er hoffte, das rechtzeitig verhindern zu können. Dass der Gesandte ihn erkennen könnte, damit rechnete Bossus nicht. Aber sollte im Palast ein Notfall eintreten, wollte der böse Magier vorbereitet sein.
Bossus konzentrierte sich auf den Weg. Die Gletscher waren gefährlich vereist und spiegelglatt, sodass man schnell ausrutschen konnte. Vor allem musste er auf die tückischen Gletscherspalten achten. Auch er lief Gefahr, in eine hineinzustürzen, wenn er nicht achtsam genug war. Verdunkelungen im Schnee oder Eis wiesen auf so eine Gletscherspalte hin. Bemerkte er eine, musste Bossus den Gesandten und dessen Begleitung davor warnen.
Auch jetzt erkannte er vor sich eine etwas breitere Stelle, in der der Schnee etwas dunkler schien als ein paar Meter davor. Eigentlich war das für Bossus eine gute Gelegenheit, die Gesandtschaft des Pharao für alle Ewigkeiten loszuwerden. Er brauchte sich nur etwas zurückzuhalten und zu hoffen, dass der Schnee und das Eis nicht sofort nachgaben, wenn die ersten Männer des Herrn aus dem Süden den sicheren Bereich des Gletschers verließen. Was musste das für ein schönes Schauspiel sein, wenn das Eis unter den Füßen der ungebetenen Gäste zunächst zu knirschen begann, und danach mit einem lauten Krachen zerbarst, um endlich in viele kleine und auch größere Brocken in die Tiefe zu fallen! Die Menschen hätten nicht die geringste Chance, den rettenden Rand der Gletscherspalte zu erreichen. Mit vor Schreck verzerrten Gesichtern und lauten Angstschreien würden sie mit dem zerbrochenen Gletschereis in die Tiefe gerissen, nachdem der Boden unter ihren Füßen nachgegeben hätte und verschwunden wäre.
Aber Bossus entschied sich dagegen. Wie hätte er Wasgo erklären sollen, dass die Gäste bei solch einem Unfall ums Leben gekommen sein sollen, während er als einziger das Unglück überlebte? Zumal alle Menschen und Zauberer doch glaubten, dass er Jodaryon sei. Nein, wohl oder übel musste er die Menschen aus dem Süden sicher in die Hauptstadt bringen. Auch im Palast des Herrschers der Bergwelt konnte einem Gast allerlei widerfahren ...
*****
Endlich näherten sie sich am späten Abend des zweiten Tages den Toren der Stadtmauer. Gerne wollte der Gesandte des Pharao eine Pause einlegen, aber Bossus überzeugte ihn von der Ungefährlichkeit des Weges und versprach, in etwa einer Stunde die Stadt und nur wenige Minuten später den Palast zu erreichen. Die Tiere könnten im Palast besser versorgt werden als in den Bergen unter freiem Himmel. Und ihm, dem Statthalter und Gesandten des Pharao, werde es guttun, in einem Gemach zu übernachten, das seiner würdig sei. Auch das Gefolge des hohen Herrn konnte im Palast in den für sie eingerichteten Unterkünften besser nächtigen und sich aufwärmen. Voller Bosheit dachte Bossus dabei, dass es der Gesandtschaft bald viel wärmer werden sollte, nämlich bei Luzifer in der Unterwelt.
Ohne Probleme erreichten sie ihr Ziel. Bossus ermahnte die Reisenden aus dem südlichen Land, keine lauten Geräusche zu verursachen, außer den notwendigen zum Versorgen der Tiere. Auch Gespräche sollten leise geführt werden, um den Herrscher der Bergwelt nicht aufzuwecken. Am nächsten Morgen werde dieser die Gäste empfangen und willkommen heißen. Der Herr Wasgo sei ein viel beschäftigter Mann, der seine Ruhezeiten brauchte.
Einige Diener des Palastes eilten herbei und begrüßten achtungsvoll den alten Magier. Danach halfen sie den Gästen, so gut sie es konnten, die Tiere in einen Stall zu bringen, sie dort zu tränken und zu füttern. Das Gefolge des Gesandten wurde in für sie vorgesehene Kammern untergebracht und zu einem üppigen Nachtmahl eingeladen. Den Statthalter des Pharao hingegen führte der falsche Jodaryon in ein edles Gemach.
Während sich der hohe Gast in seinem Quartier umschaute, richtete Bossus das Wort an ihn. „Herr, wenn du noch eine Bitte oder einen Wunsch hast, dann benutze bitte die Klingelglocke auf deinem Nachttisch. Ein Diener wird sie hören und dir deine Wünsche erfüllen.“
„Das ist sehr nett von dir. Ich danke dir für deine Mühen, aber jetzt will ich schlafen gehen. Morgen wird der Tag sicherlich nicht einfacher werden als der heutige.“ Müde gähnte der Statthalter.
„Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, edler Herr!“ Bei diesen Worten drehte Bossus seinen Kopf zur Seite. Eine Ratte erregte seine Aufmerksamkeit, die auf dem Fußboden an der Wand entlang huschte. Die Kapuze seines Umhangs rutschte von seinem Kopf und gab das Antlitz Jodaryons den Blicken des Statthalters preis. Das bemerkte Bossus erst, als es schon zu spät war.
Der Ägypter blickte überrascht zu ihm. „Dich kenne ich doch! Moment mal, woher kenne ich dich nur?“
„Nein, edler Herr, ich versichere dir, dass wir uns noch nie begegnet sind.“ Bossus log nicht, denn er war dem Mann noch nie begegnet.
Aber der starrte ihn, also Jodaryons Körper, fassungslos an. Konnte das sein! Diesen Alten hatte er vor einigen Wochen hinrichten lassen! Er selbst hatte die Prozession begleitet und an dem Spektakel der Hinrichtung teilgenommen. „Aber natürlich sind wir uns schon einmal begegnet! Erst vor ein paar Wochen! Aber …, aber nein, es ist unmöglich, wenn du derjenige wärst, den ich meine, dann könntest du doch jetzt nicht hier sein ...“
„Sicherlich verwechselst du mich, edler Herr.“ Bossus Ton klang demütig. Aber vor Entsetzen schwitzte er aus allen Poren.
„Nein, nein, das kann nicht sein, das kann nicht sein! Ich habe dich doch kreuzigen lassen! Und jetzt treffe ich dich hier! Wie, wie …“ Schlagartig realisierte der Gesandte, dass er es mit einem Betrüger zu tun hatte, und griff mit einer Hand hastige zur Klingelglocke.
Doch Bossus reagierte schneller, als es dem Gesandten lieb sein konnte. Er richtete den Zeigefinger eines Armes direkt auf die Brust des Gastes. „Du bewegst dich nicht!“
Wie zu Stein erstarrt, stand der Mann aus dem Süden vor ihm. Der Magier fragte: „Was willst du von Wasgo?“
Der Gesandte stand stumm und reglos vor Bossus. Dieser verstand, dass er seinen Stillstandszauber teilweise aufheben musste, damit der Gesandte sprechen konnte. Das tat er mit einem Wort. „Sprich!“
„Es geht um wichtige Staatsangelegenheiten, die dich nicht zu interessieren brauchen!“
„Was mich interessiert, musst du schon mir überlassen. Außerdem bist du nicht in einer Situation, die es dir erlaubt, mich hochnäsig und eingebildet zu behandeln.“
„Was erlaubst du Dir!“ Der Gesandte wurde vor Wut rot im Gesicht.
„Falls du es noch nicht begriffen hast, befindest du dich in meiner Gewalt. Ich bin der Herr, der über dein Leben entscheidet! Also antworte mir!“ Bossus Stimme klang hart.
„Was unterstehst du dir, du Tölpel?“
„Reg dich nicht so auf, sondern antworte mir! Sonst bist du des Todes! Luzifer, der Höllenfürst, wird sich freuen, wenn er deine Seele im ewigen Fegefeuer schmoren sieht. Denn wohin sonst soll deine schwarze Seele hinkommen?!“
„Sei nicht so frech zu mir, sonst …“
„Sonst was? Antworte mir! Warum willst du den Herrscher der Bergwelt sprechen? Warum hat dich der Pharao zu ihm geschickt?“
„Es sind geheime Botschaften des Pharao an den Herrscher der Bergwelt. Lieber sterbe ich, als sie dir zu verraten!“
„Wenn du nicht in dieses Land gekommen wärst, hätte niemand deine Geheimnisse erfahren. Also kannst du auch sterben! Es ist unwichtig für den Verlauf meines Planes. Du hinderst mich nicht daran, ihn umzusetzen!“ Der Statthalter aus dem Süden konnte seinen Blick nicht von Bossus abwenden. Ungläubig sah er ihn an. Doch Bossus fuhr fort. „Du hast recht, diesen Körper hast du kreuzigen lassen. Doch bewohnte Jodaryons Seele ihn. Ich nahm ihn mir, nachdem Jodaryons Seele ihn verlassen hatte.
Ah, ich sehe schon, du glaubst mir nicht. Dann will ich dir zeigen, wer ich bin. Ich bin Bossus! Ich habe die ewige Nacht geschaffen und werde sie wieder über diese Welt herrschen lassen. Ich bin der Herr der Ewigen Nacht, der Herrscher der Welt, ich bin Bossus, der größte und mächtigste Zauberer, den die Welt je gesehen hat!“
Noch einmal nahm das Gesicht des Gesandten einen anderen Ausdruck an. Er konnte sich noch gut an die Ewige Nacht erinnern, daran, dass Bossus‘ Schergen die Welt drangsaliert und terrorisiert hatten. Willkürlich wurden die Menschen damals verhaftet, gefoltert und hingerichtet. Es gab nur ein einziges Gesetz. Und das hieß: Kein Mensch hatte ein Recht, aber dafür eine Pflicht. Diese verlangte, Bossus zu dienen, sich ihm unterzuordnen und zu unterwerfen. Begehrte jemand dagegen auf, wurde er mit Folter und Tod bestraft.
Bossus lachte und streckte seine Hand abermals dem Mann aus dem Süden entgegen. „Sterben sollst du. Deine Seele holt sich der Teufel, das hat er mir soeben versprochen. Denn der Teufel und ich sind gute Freunde. Ha, ha, ha …“
Das Lachen Bossus‘ klang in den Ohren des Statthalters wie Hohn. Angst beschlich ihn. Er sah einen Strahl aus Bossus' Hand auf sich zukommen. Dann sah und hörte er nichts mehr.
Auch wenn er erst vor wenigen Tagen von seinem Herrn geschaffen worden war, fand sich der Waldgnom Tolpedius Tollrasius in den Wäldern Transsilvaniens gut zurecht. Mit einer Größe von kaum 30 Zentimetern stellte auch das dichteste Buschwerk für ihn kein Hindernis dar. Freilich kam er dabei nicht sehr schnell voran, solange er sich nur auf seine Füße verließ. Aber sein Herr hatte ihm magische Fähigkeiten verliehen, die ihn in die Lage versetzten, große Entfernungen sehr schnell zu überwinden.
Hätte jemand den Waldgnom Tolpedius Tollrasius nach seinem Befinden gefragt, so hätte der Winzling darauf nicht antworten können. Und doch war es diese Frage, mit der er sich zurzeit beschäftigte. Irgendwie musste er sich doch fühlen! War er unglücklich? Oder enttäuscht? Oder vielmehr übellaunig oder gar glücklich? Was war das, glücklich sein?
Er war erst ein paar Tage auf dieser Welt und musste noch sehr viel lernen. Von Bossus hatte er in diesem Punkt nichts zu erwarten. Von dem würde er nur Befehle empfangen, die er auszuführen hatte. Und wehe, er konnte einmal eine Aufgabe nicht zur vollen Zufriedenheit seines Herrn und Meisters lösen. Oder er weigerte sich, einem Befehl Folge zu leisten! Bossus hatte doch von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, was ihm dann blühte! Sein Leben war nicht mehr wert als das einer Fliege an der Wand.
Nun, töten würde ihn niemand. Auch nicht Bossus. Als magische Gestalt, die Bossus ins Leben gerufen hatte, musste er seinem Schöpfer dienen. Aber so einfach wie seinen Vorgänger sollte der ihn nicht übertölpeln!
Trotzdem stand er unter Zwang. Ob es ihm passte oder nicht, er musste dem Willen des bösen Magiers gehorchen. Dem war er unterworfen. Fliehen konnte er nicht. Bossus würde ihn zu jeder Zeit aufspüren und ihm den Garaus machen.
Jetzt wusste Tolpedius Tollrasius auch, wie er sich fühlte. Schlecht gelaunt und überhaupt nicht glücklich. Bossus war brutal und machte gewiss nicht viel Federlesens mit ihm. Wenn er auch winzig war, wollte er sich notfalls schon verteidigen! Er musste Bossus dienen, vorerst, leider auch um jeden Preis. Aber er wollte leben, aber auch das um jeden Preis! Dafür war er bereit, Dinge zu tun, die ihm als Diener eines Zauberers nicht zustanden. Zumal eines Zauberers, dem er seine Existenz zu verdanken hatte.
*****
Der Wald wurde dichter und das Gras am Erdboden höher. Der Waldgnom war so klein, dass er nicht über die Grashalme blicken konnte. Plötzlich erbebte die Erde.
Große Menschen wirbelten mit schweren Schritten die Erde um den Gnomen herum auf. Von einem zum anderen Moment lief Tolpedius Tollrasius Gefahr, von Menschen zertreten zu werden. Wenn er nicht verletzt oder gar getötet werden wollte, musste er schnell handeln.
Schnell orientierte er sich und erkannte Männerbeine, die in Gamaschen steckten, wie sie Soldaten trugen. Tollrasius atmete in seiner Hast erleichtert auf, denn er glaubte, weitere Söldner seines Herrn gefunden zu haben. Mit magisch verstärkter Stimme rief er laut: „Alles stillgestanden! Alles hört auf mein Kommando!“
Abrupt blieben die Männer stehen, da sie es gewohnt waren zu gehorchen, wenn sie eine befehlsgewohnte Stimme vernahmen. Sie sahen sich um und konnten niemanden entdecken, der ihnen den Befehl gab. Verwirrt sahen sie sich gegenseitig an.
„Was war das denn?“, fragte einer der Männer.
„Wir sollen stillstehen!“, antwortete der Zweite.
„Aber ich sehe niemanden, der uns befehlen könnte!“, entgegnete der Dritte. Die anderen blieben stumm.
„Gehen wir weiter“, meinte der Zweite mit gesenktem Tonfall, als hätte er Angst, dass ihn, außer seine Kameraden, noch jemand hören könnte.
„Also, los, weiter!“, befahl nun der Erste.
„Stillgestanden, habe ich gesagt!“ Eine mächtige Stimme donnerte zwischen den Grashalmen hervor.
Verwirrt und ratlos glotzten die Männer um sich. Doch dann sahen sie auf einen Mann aus ihren Reihen. Mit genervtem Gesichtsausdruck raunte ein Mann böse: „Mark, das ist nicht lustig, du Witzbold! Du solltest wissen, wann du deine Scherze machen darfst und wann nicht. Das hier geht nun zu weit!“
„Aber ich war das gar nicht!“ Verteidigte sich Mark.
„So, wer soll das dann gewesen sein, ein Grashüpfer vielleicht?“, fragte der Hauptmann der Gruppe.
„Das weiß ich doch nicht, ich kann niemand sehen!“ Mark war beleidigt.
Ein weiterer Mann wiederholte die Frage. „Na, wer war das eben?“
„Ich!“ Der Gnom rief aus Leibeskräften.
Mark war wütend und hatte genug. Jemand hielt sie zum Narren und seine Kameraden machten ihn dafür verantwortlich. „Wer ist ich? Wo bist du?“
Der Waldgnom rief mit donnernder Stimme zurück. „Na, wo soll ich schon sein? Hier unten natürlich!“
„Wo unten?“ Einer der Männer schaute dumm auf den Boden.
„Na, hier im Gras. Seht nach unten, dann erkennt ihr mich!“ Tolpedius Tollrasius sah sich um und fand einen Stock. Mit dem schlug er dem neben ihm stehenden Mann brutal gegen den Knöchel.
Vor Wut und Schmerz jaulte der Kerl auf und blickte in die Richtung, aus der ihm jemand den Schmerz zufügte. Staunend blieb er stumm. Aber dann sagte er überrascht: „Da, im hohen Gras ist tatsächlich ein kleiner Mann, der hat mich geschlagen!“
Nun konnte der Winzling sich in Sicherheit fühlen. Die Männer suchten mit den Augen das Gras ab und fanden ihn. Der Hauptmann fasste sich zuerst. „Wer bist du denn?“
„Wir haben einen gemeinsamen Herrn. Der schickt mich zu euch, damit ich euch seinen Befehl überbringe.“
„Was für einen Befehl?“, wollte Mark wissen.
„Ihr sollt euch sammeln und den Zweikampf und Kampf mit Waffen üben!“
„Wir haben aber keinen Herrn mehr, der ist vor vielen Jahren ums Leben gekommen. Sein Befehlsstand verschwand mit einem riesigen Knall. Das hat der nicht überlebt“, meinte ein Mann.
Fabrizius, der Tollrasius' Stock zu spüren bekommen hatte, beugte sich zu dem Gnomen herunter und hob ihn hoch. Der strampelte mit den Armen und Beinen. „Setz mich sofort wieder herunter, aber schnell, und bitte so, dass ihr mich alle sehen könnt.“
Während er schimpfte, sah er sich schnell um und zählte dreizehn Männer. Fabrizius gehorchte. Kaum stand der Gnom wieder auf seinen Beinen, wiederholte er Bossus' Anweisungen noch einmal.
„Dann lebt unser Herr doch noch?“, fragte jemand.
„Aber ja, und er ist gesund, sieht nur anders aus als früher!“
„Wir sollen uns sammeln und Kriegsspiele üben?“, fragte der Hauptmann.
„So ist es!“, bestätigte der Waldgnom.
„Dann gehen wir zu unserer Höhle und bereiten alles vor“, befahl der Hauptmann dieser ungeordneten Männerhorde. Danach wandte er sich an Tolpedius Tollrasius. „Kommst du mit uns?“
„Ich suche weitere Männer und werde sie zu euch führen.“
„Sehr viele Männer wirst du nicht mehr finden.“
„Aber ich suche trotzdem weiter. Eigentlich müsstet ihr tausende Männer sein. Wo sind die alle hin?“
„Hier gibt es viele Vampire. Die holen sich unsere Leute!“
*****
Einige Tage später stieß der kleine Waldgnom zu den Männern, die er zuerst angetroffen hatte, und inspizierte eine Waldlichtung, auf der Zelte standen. Auch zwischen den Bäumen standen welche. Das Lager war groß genug, sodass es über eintausend Männern Platz bot. Tag für Tag spürte Tolpedius Tollrasius versprengte Schergen auf, die seinem Herrn verpflichtet waren und führte sie zum Lager. Somit stieg die Anzahl von Bossus Männern stetig an. Täglich führten sie von morgens bis zum späten Abend Kriegsspiele durch.
Das Lotterleben der Schergen war beendet. Sie bereiteten sich auf eine Schlacht vor. Wolken türmten sich am Himmel auf. Aber noch konnte die Sonne sie am Tage vertreiben. Doch in der Nacht erkannten die Menschen den Mond und die Sterne nicht mehr. Die Ewige Nacht warf ihre finsteren Schatten voraus.
Heute suchten Wasgo, seine Eltern, der vermeintliche Jodaryon und einige Regierungsmitglieder nicht die Küche des Palastes zum Frühstück auf. Ausnahmsweise fanden sie sich im Speisesaal ein. Wasgos Magen knurrte, denn gewöhnlich frühstückte er bei Sonnenaufgang im Kreise seiner Familie und engsten Berater.
Jetzt war es erheblich später, denn sie hatten einen wichtigen Staatsgast im Haus. Es wäre unschicklich, den alleine das Essen einnehmen zu lassen. Der Gesandte des Pharao sollte die Gastfreundschaft des Herrschers der Bergwelt genießen. Aber wo blieb der hohe Gast? Er sollte mit seinem Gefolge schon längst an Wasgos reichgedeckter Tafel sitzen!
Das Staatsoberhaupt der Bergwelt wurde ungeduldig. „Jodaryon, du hast doch dem Gesandten gestern Abend gesagt, wann wir frühstücken wollen?“
„Aber selbstverständlich, Wasgo! Ich habe ihm sogar gezeigt, wo er hinkommen soll. Ich wundere mich, wo er bleibt. Es ist ungehörig von ihm, sich über eine Stunde zum Frühstück zu verspäten! Denkt er denn gar nicht daran, dass wir seinetwegen hungern müssen?“
„Es ist wirklich sehr ungewöhnlich“, pflichtete ihm Wasgo bei. Doch dann klingelte er mit einer Glocke nach seinem Kammerdiener. Dem gab er die Anweisung, den Gesandten des Pharao in seinem Gemach aufzusuchen und ihn zum Frühstück zu bitten.
Nach wenigen Minuten, in denen Wasgo mit den Anwesenden in einem Gespräch vertieft war, stürzte der Kammerdiener polternd in den Speisesaal hinein.
Wasgo wollte den jungen Mann zurechtweisen, aber er bemerkte, dass dieser vollkommen aufgelöst war. Der Kammerdiener stammelte: „Bitte, Herr, bitte, ich kann nichts dafür, bitte Herr, ich, …, ach, … Herr, schlimm, … ähm, … der Gesandte …, ach, so ein Unglück, …“ Der junge Mann verstummte, ihm standen die Tränen in den Augen. Er wusste von anderen Kammerdienern, dass der Überbringer schlechter Botschaften in anderen Ländern oft auf grausame Weise hingerichtet wurde, und jetzt fürchtete er um sein Leben.
„Nun beruhige dich und berichte langsam, was geschehen ist! Hole ein paar Male tief Luft und entspanne dich!“ Wasgo versuchte, dem Mann seine Angst zu nehmen.
„Ach, Herr ...“ Der Kammerdiener keuchte. Die Anwesenden ahnten, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste, denn der Mann war vor Aufregung und Angst völlig außer sich. Unbewusst knetete er mit seinen Händen an seinem Umhang und alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Endlich brachte er keuchend seine Nachricht hervor. „Herr, der Gesandte des Pharao ist tot. Herr, ich glaube, er wurde ermordet.“
Wasgo war fassungslos. Hier, in seinem Palast, war ein Mord geschehen! Und das nicht an einem einfachen Menschen, es war ein Mord an einem hohen Staatsgast. Ein Mord war schlimm, auch an einen einfachen Menschen. Aber wenn es sich bei dem Ermordeten um eine hochgestellte Persönlichkeit wie den Gesandten des Pharao handelte, konnte das zu ernsthaften internationalen Konflikten führen, sogar zu einen Krieg. Ein direkter Krieg mit dem fernen Ägypten war nicht zu befürchten, aber trotzdem … Jedenfalls musste der Pharao unverzüglich von dem Mord benachrichtigt werden.
Der Gast aus dem fernen südlichen Ägypten wurde im Palast getötet. Aber wo sollte der sicher sein, wenn nicht im Palast des Herrschers? Wasgo eilte mit Jodaryon und dem Ersten Minister in das Gemach des Ermordeten, um zu sehen, was genau passiert war. Sie fanden den Gesandten tot auf seiner Matratze liegend vor. In seiner Brust steckte ein Dolch. Nur sehr wenig Blut war aus der Wunde ausgetreten. Der Tote hatte blau angelaufene Lippen und Fingernägel. Etwas stimmte an diesem Ort nicht. Fieberhaft überlegte Wasgo, was nicht zusammenpasste. Dabei begutachtete er den Leichnam und bemerkte, dass an der Leiche ein Indiz nicht passte. Aber welches? Angestrengt dachte er nach. Er ahnte, dass der Ermordete nicht in seinem Bett gestorben war. War er überhaupt erdolcht worden?
Mithilfe eines Zeitzaubers wollte Wasgo erfahren, was genau vor einigen Stunden in diesem Gemach geschah.
Aber im nächsten Augenblick stutzte er. Sein Gesicht wurde noch nachdenklicher. Lag hier nicht magische Energie im Raum? Hier war gezaubert worden! Endlich bemerkte er, was an dem toten Gesandten nicht stimmte.
Der Mann lag mit einem Dolch in seiner Brust auf seiner Schlafstatt. Der Täter wollte, dass der Entdecker des Toten glaubte, dass dieser erstochen worden sei. Aber der junge Magier war davon überzeugt, wenn das Opfer noch gelebt hätte, als der Dolch in ihn eindrang, dass aus der Stichwunde mehr Blut ausgetreten sein müsste, weil sein Blutkreislauf noch normal funktionierte. Da der Tote aber fast kein Blut verloren hatte, musste er schon tot gewesen sein, als ihm das Mordinstrument in die Brust gerammt wurde.
Außerdem passten die blauen Lippen und Fingernägel nicht zu einem Mord durch Erstechen. Wasgo wusste, dass die blauen Hautverfärbungen nur bei Erstickungsopfern auftraten. Das bedeutete: Der Gesandte war nicht erstochen, sondern erstickt worden.
Zudem spürte Wasgo die magische Energie im Zimmer. Ein guter Zauberer merkte so etwas sofort! Die einzige logische Erklärung war, dass der Gesandte durch einen Zauberer getötet worden war. Aber im ganzen Palast gab es außer ihm nur noch zwei weitere Zauberer: sein Vater und Jodaryon! Sollte einer von denen etwa …? Im nächsten Augenblick verfluchte sich Wasgo für diesen Gedanken. Nein, das war vollkommen unmöglich, vollkommen undenkbar!
Aber wer denn dann? Hatte sich ein anderer Zauberer Zutritt zum Palast verschafft?