Die Macht der Farben: Bedeutung und Symbolik - Harald Braem - E-Book

Die Macht der Farben: Bedeutung und Symbolik E-Book

Harald Braem

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Beschreibung

Harald Braem, 1944 in Berlin geboren. Studien: Visuelle Kommunikation, Psychologie und Marketing. Bei Young & Rubicam im Team der lila Milka-Kuh; als Creative Director bei Compton/Saatchi & Saatchi für internationale Werbekampagnen verantwortlich. Von 1981 bis 2000 Professor für Farbenlehre und Farbpsychologie an der FH/University of Applied Sciences in Wiesbaden. Mitglied des Expertenstabes im Bundesverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. Dozent an der Gutshofakademie Frielendorf. Unter seiner Mitwirkung entstanden zahlreiche Radio – und TV-Sendungen zum Thema (u. a. Terra X „Die Magie der Farben“, 2015, ZDF). 2005 wurde die Dokumentation „Farbpsychologie. Entdecken Sie Ihre Wohlfühlumgebung“ von Rainer Wälde mit dem World Media Award ausgezeichnet.

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Die Macht der Farben
Impressum
Vorwort
Die Macht der Farben
Die Geschmäcker sind verschieden – wie verschieden sind sie wirklich!
Die Farben
Die Farbe Rot
Die Farbe Blau
Die Farbe Gelb
Die Farbe Grün
Die Farbe Orange
Die Farbe Violett
Die Farbe Braun
Die Farbe Schwarz
Die Farbe Weiß
Die Farbe Grau
Die Farbe Silber
Kaleidoskop der Farben
Kann man Farben riechen, schmecken, fühlen?
Heilen mit Farben
Weitere Untersuchungen über Farben
Schnelle Wahrnehmung von Farben
Beliebtheit von Farben
Farbenwahl von Kranken
Bevorzugung von Farben
Farbe, Schrift und Lesbarkeit
Symbolische Zuordnung von Farben
Astrologische Zuordnung von Farben
Alchimistische Zuordnung von Farben
Mystische Zuordnung von Farben
Schlussbemerkung
Literaturhinweise
Autor

 

 

Harald Braem

 

 

Die Macht der Farben

Bedeutung & Symbolik

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Elvea Verlag

1. Auflage 2020

 

Lektorat der Originalfassung: Harald Braem

Satz: Uwe Köhl

Grafikgestaltung: Barbara Baer

Coverbild: Dimitris Kolyris

 

Deutsche Erstausgabe:

Die Macht der Farben

© 1985 by Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig, München (1. – 9. Auflage)

 

Die Macht der Farben. Bedeutung und Symbolik

© 2012 by Amalthea Signum Verlag, Wien (10. Auflage)

Vorwort

Als die erste Fassung von ›Die Macht der Farben‹ 1985 in Deutschland erschien, war das Buch als Arbeitsinstrument für meine Studenten an der FH/University of Applied Sciences Wiesbaden gedacht und auf die Fachrichtungen Kommunikation, Design, Architektur und Innenarchitektur ausgerichtet. Es sollte eine leicht verständliche Einführung in das spannende Gebiet des noch jungen Wissenschaftszweigs Farbpsychologie sein. Danach folgten – zusammen mit dem Kulturinstitut für interdisziplinäre Forschung und meinem inzwischen leider verstorbenen Freund und Kollegen Prof. Dr. Dr. Harald Brost (Institut für Farbe, Licht und Raum) – mehr als 20 Jahre praktische Forschung und Erprobung in den Bereichen Marketing, PR und Werbung, Medizin, Psychologie, Mode, Sport, Politik sowie Freizeit- und Unterhaltungsindustrie. In der Quintessenz wurden dabei wichtige Erkenntnisse von Johann Wolfgang von Goethe, Johannes Itten, Professor Max Lüscher, Heinrich Frieling, Warden, Flynn und anderen Farbforschern auf verblüffende Weise bestätigt und wissenschaftlich untermauert.

›Die Macht der Farben‹ berührt sämtliche Bereiche des privaten und gesellschaftlichen Lebens und unterliegt einer ständigen Kontrolle und Aktualisierung durch die tägliche Praxis. Wir alle erlebten zum Beispiel den furchtbaren Schock vom 11. September 2001 und die farbliche Trendwende der freiheitlich-demokratisch orientierten Welt in West und Ost (!) von Rot zu Blau, was sich unter anderem in der Farbgestaltung zahlreicher Produkte – am deutlichsten sichtbar in der Automobilindustrie – widerspiegelt. Die neue Gefühls- und Bewusstseinsmatrix der globalen, mobilen Gesellschaft heißt offensichtlich Blau. Unternehmen, die ihre Corporate Identity und das Corporate Design bereits auf Blau ausgerichtet hatten, erlebten – trotz der natürlichen Grenzen des Wachstums – Kompetenzstärkung, Umsatzsteigerung und überproportionale Gewinne. In vielen Bereichen vom Sport bis hin zu TV-Nachrichtensendern wird Blau vom Konsumenten als Treuegarantie verstanden, wie es auf ähnliche Weise bereits mit den UNO-Blauhelmen und den Eurocops geschieht. Blau steht für Lebensqualität, Freiheit und Zufriedenheit und ist mittlerweile die absolute Lieblingsfarbe aller modernen Menschen von Tokio über Berlin bis New York. Das Geheimnis scheint in der unendlichen Vielfalt an Farbtönen zu liegen. Jeder Mensch kann sein eigenes Blau finden …

Orange – von Natur aus der lebhafte, quirlende Gegenpol zum eher ruhigen Blau – wurde seiner Rolle als körperbezogener Sympathieträger gerecht. Denken wir kurz an die orangene Revolution in der Ukraine, für die eine lachende Rocksängerin mit viel Sexappeal zur Ikone wurde. Oder an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihren Wahlkampf im orangenen Kostüm gewann. Nach dem Sieg trug Frau Merkel – der traditionellen Farbcodierung einer christlichen Lobby entsprechend – wieder das strenge, abgrenzende Schwarz. Orange kann also – zumindest vorübergehend – für rasche Veränderungen genutzt werden. Wir sehen immer häufiger irgendwo in der Welt orangene Fahnen wehen. Sie sind bereits zum internationalen Symbol für friedlichen Paradigmenwechsel geworden. Mit Orange kann man Bewegung schaffen, auf sympathische Weise Verhalten ändern und motivieren, aber mit Blau länger regieren, denn Blau verkörpert die Sehnsucht nach Ordnung, Treue und Zuverlässigkeit, nach einer unantastbaren Instanz.

Beide Farben scheinen sich gegenseitig zu bedingen. Aus diesem Grund stellen sie in vielen Sportarten die ideale Kombination für siegreiche Trikots dar. Natürlich schaffen das die Farben nicht allein, sie unterstützen nur ein Bestreben. Letztendlich entscheiden Leistungen, in der Politik wie im Sport, um langfristig Glaubwürdigkeit zu erreichen.

Ob es sich um ADS- oder Indigokinder handelt, die lila Milka-Kuh, Greenpeace oder das mediterrane Wohndesign des Papstes, Frauenpower, Teppichfarben, gelb getönte Sonnenbrillen der coolen Smiley-Generation, Trikots bei der Fußball-WM, der Tour de France oder um die Neugestaltung eines Büros … Die Macht der Farben scheint überall zu wirken, nach festen Regeln und voraussagbaren Gesetzmäßigkeiten zu funktionieren. Und: Die Macht lässt sich gezielt nutzen. Um es noch einmal zu betonen: ›Die Macht der Farben‹ wurde nicht als Kommentar zu bestimmten Ereignissen geschrieben, sondern genau umgekehrt: Die Dinge passierten einfach und bestätigten die zuvor gemachten Aussagen.

Kein Wunder also, dass nach und nach national und international die Medien aufmerksam wurden und ihren Fokus auf spezielle Phänomene der Farbpsychologie richteten. Das Buch wurde zum Dauerbestseller, in zahlreiche Sprachen übersetzt (kürzlich auch in russisch, chinesisch und koreanisch) und war Grundlage vieler Radiosendungen und TV-Berichte (TerraX, ZDF). Höchste Zeit also, dass alle Informationen zum Thema Farbpsychologie nun auch für den englischen Sprachraum verfügbar gemacht werden.

Auch diesmal wieder – das wird Sie vielleicht im ersten Moment etwas erstaunen – wurde bewusst auf Bildmaterial verzichtet. Beim Lesen werden Sie feststellen, dass in diesem Fall tatsächlich schöne Fotos überflüssig sind. Denn die besten Bilder entstehen immer im eigenen Kopf. Nämlich in Ihrem. Dieses Buch lädt zu einer Entdeckungsreise ein und möchte anregen, neue Bilder zu sehen, uralte Muster zu erkennen und bisher nicht geahnte Zusammenhänge festzustellen. Wenn das passiert, habe ich einen kleinen, bescheidenen Beitrag zur Bewusstseinserweiterung geleistet.

Harald Braem

Nierstein 2020

 

Die Macht der Farben

Was wir auch tun, ob wir uns für ein neues Auto oder ein Kleid entscheiden, ob wir im Supermarkt einkaufen oder eine Wohnung einrichten, beim schnellen Orientieren im Straßenverkehr ebenso wie beim geruhsamen Betrachten eines Fotobandes oder beim Auswählen von passenden Weihnachtsgeschenken – ständig haben wir es mit der geheimen Macht der Farben zu tun. Farben prägen, kontrollieren und steuern wirkungsvoll und nachhaltig unser gesamtes Denken, Fühlen und Handeln. Und besonders dann, wenn wir am wenigsten darauf achten.

Kann diese Aussage so stehenbleiben? Sind nicht gerade Farben etwas äußerst Subjektives, etwas, das mit individuellem Geschmack und mit Mode zu tun hat? Reagiert nicht jeder Mensch anders und auch wir von Situation zu Situation verschieden?

Natürlich spielt das subjektive Empfinden eine wichtige Rolle. Ebenso der persönliche Geschmack, Reiz und Ablehnung, Nachahmungstrieb und bewusstes Abgrenzen davon, individuelle Note und Mode. Aber wenn wir meinen, das wäre schon alles, verwechseln wir Ursache und Wirkung. Wir reden dann über Resultate und Erscheinungsformen, über die Oberfläche einer Sache: also, die weitaus mehr Tiefgang besitzt, ja deren Wurzeln oft bis weit in die Vorzeit der Menschheit hineinreichen.

›Archetypisch‹ nennen wir solche Eigenschaften, man könnte auch von ›Urprägungen‹ sprechen. Die Tiefenpsychologie (besonders C. G. Jung) hat auf diesem Gebiet eine Menge wissenschaftlicher Arbeit geleistet und erstaunliche Zusammenhänge zutage gefördert. Wir fangen als Mensch eben nicht mit der Geburt beim Punkt Null an wie ein ›unbeschriebenes Blatt‹, das nur darauf wartet, von Umwelt und Gesellschaft ›beschrieben‹ zu werden. Nein, wir tragen in uns, im genetischen Code unserer Zellen und in den alten Zentren unseres Gehirns, Restbestände der gesamten Menschheitserinnerung, die sich in Verhaltensweisen und Reflexen, in Denkstrukturen, Bildern und Träumen äußern. Zu diesen Urprägungen gehören auch die Farben. Genauer: die Gefühle, die ursprünglich damit identifiziert, und die kulturellen Anmutungsqualitäten, die im Laufe der Zeit mit den Farben verbunden wurden.

Wem dies jetzt zu theoretisch klingt, dem möchte ich an dieser Stelle ein paar konkrete Beispiele präsentieren, die schlagartig deutlich machen, was gemeint ist und die aufzeigen, wie eng die Wirkung von Farben mit biologisch-chemisch-physikalischen und psychisch-seelischen Vorgängen in unserem Körper verbunden sind.

Beispiel I: Der Streichholzschachtel-Test

Bereiten Sie unbeobachtet vor dem Test eine Streichholzschachtel auf folgende Weise vor: Leeren Sie die Schachtel und schreiben Sie auf die Innenseite folgende Wörter: Hammer, Geige/Gitarre, Rot. Danach füllen Sie die Schachtel wieder mit Streichhölzern, damit sie das richtige Gewicht erhält und auf gewohnte Art klappert. Wenn Sie eine Testperson gefunden haben, erklären Sie ihr: »Dies ist ein Konzentrations-Test, bei dem es auf Geschicklichkeit ankommt.« Nehmen Sie die Streichholzschachtel zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand, führen Sie mit der Hand eine Drehung aus und übernehmen Sie die Schachtel mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Bei jeder Übernahme und Drehung wird der Drehvorgang laut mitgezählt.

Das sieht ganz einfach aus und ist es auch. Aber bezweifeln Sie lauthals, dass Ihr Testpartner dazu fähig ist, konzentriert und ruhig im gleichmäßigen Rhythmus die Schachtel zu drehen und dabei laut und deutlich zu zählen.

Natürlich wird Ihr Testpartner widersprechen.

Lassen Sie es ihn vorführen. Siehe da – es funktioniert. »Gut«, sagen Sie nun, »das klappt ja ganz gut. Aber ich bezweifle, dass du dich richtig konzentrieren kannst. Ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen, die du spontan, ohne nachzudenken, beantworten sollst. Es sind keine echten Fragen, eigentlich nur immer ein Reizwort, das ich in den Raum werfe, und du antwortest genauso schnell mit einem Wort, das dir dazu einfällt. Du wirst sehen, wie schnell du aus dem Dreh- und Zähltakt gerätst.«

Jetzt protestiert die Versuchsperson und gibt sich besondere Mühe, zu beweisen, wie gut sie sich konzentrieren kann. Lassen Sie sie bis sechs oder sieben zählen und fragen dann blitzschnell:

»Werkzeug?« »Hammer«, antwortet die Testperson in fast 90 % aller Fälle. Gelegentlich, aber selten, kommt auch »Zange« als Antwort. Lassen Sie weiterdrehen. Bei zwölf oder dreizehn fragen Sie: »Musikinstrument?«

Und wieder kommt ebenso spontan die Antwort:

»Geige«. Sollte es sich um eine jüngere Testperson handeln, kann auch »Gitarre« als Antwort folgen. In den sechziger und frühen siebziger Jahren war noch etwa zu 90 % Geige als Antwort zu erwarten. Heute hat sich das Verhältnis zu etwa 60 % Geige und 40 % Gitarre verlagert. Andere Instrumente werden extrem selten genannt und stellen dann meist das Instrument dar, das der Betreffende selbst spielt oder für ihn von außergewöhnlicher Bedeutung ist.

Bei der dritten Blitzfrage »Farbe?«, die bei etwa zwanzig, einundzwanzig kommen kann, lautet die Antwort zumeist (in etwa 80 % aller Fälle)

»Rot«, manchmal auch »Blau« (etwa 20 %). Andere Farben werden nahezu nie genannt.

Bedanken Sie sich bei Ihrer Testperson, nehmen Sie die Schachtel, schütten Sie den Inhalt aus und lassen Sie das dort bereits aufgeschriebene Testergebnis selbst vorlesen. Die Verblüffung ist jedes Mal groß, der Überraschungseffekt auf Ihrer Seite.

Was ist hier geschehen!

Ganz einfach: Je mehr ein Mensch mit äußerlichen Dingen beschäftigt ist (hier: Konzentration auf Drehen und Zählen), desto weniger hat er Kontrolle über sein Unterbewusstsein. Aus diesem Urreservoir an Gefühlen, Zeichen und Bildern tauchen nun ›archetypische‹, urtypische Begriffe auf. Es sind also keine überlegten Antworten, sondern wie Instinkte schnell abrufbare, griffbereite Programme. Der Hammer ist eben seit der Erfindung des Faustkeils das Handwerkszeug Nr. 1 und mit der Entwicklung der Menschheitsgeschichte aufs engste verbunden, Geige und Gitarre (zumindest in unserem Kulturkreis) die populärsten Instrumente, und Rot die älteste Farbe.

Die älteste Farbe? Was soll das nun wieder bedeuten? Waren nicht alle Farben von Anfang an gleichzeitig da?

An dieser Stelle keine Antwort. Näheres hierzu erfahren Sie sehr ausführlich im Kapitel ›Die Farbe Rot‹.

Beispiel 2: Das Herz

Geben Sie einer x-beliebigen Testperson eine Auswahl Buntstifte, Filzstifte oder Farbtuben und fordern Sie sie auf, ein Herz zu malen. Es wird immer ein rotes, nie ein blaues, gelbes oder grünes sein.

Rote Herzen sind üblich, man ist sie gewohnt? Richtig. Aber machen Sie den gleichen Test doch bitte einmal mit Kleinkindern, die weder einen Anatomieatlanten, Transplantationen, Herz und Kreislaufmittel noch Liebessymbolik kennen. Ohne eine Sekunde zu zögern greifen sie zur roten Farbe.

Natürlich ist das kein ›Urwissen‹. Es ist ihnen irgendwann einmal von der Mutter oder dem Vater gezeigt worden. Aber es reichte ein Blick, um die Richtigkeit des Gezeigten zu erkennen und das ›Urprogramm‹ wiederzuentdecken. Ich muss in diesem Zusammenhang immer wieder an Katzenjunge denken, denen die Mutter in Nullkommanichts und mit drastischem Beispiel beibringt, wie man sich ›stubenrein‹ verhält. Eine ›Vorführung‹ genügt und das Urprogramm aller Katzen funktioniert.

Beispiel 3: Die merkwürdigen Kisten

Ein Transportunternehmer in den USA wunderte sich darüber, dass sich seine Arbeiter an bestimmten Tagen häufiger beschwerten und auffallend früher als sonst Ermüdungserscheinungen zeigten. Dem Sachverhalt nachgegangen, stellte sich heraus, dass an diesen Tagen ausschließlich dunkle Kisten getragen werden mussten. Das Verblüffende bei der Angelegenheit war nur, dass das Gewicht der Kisten exakt mit dem identisch war, das an anderen Tagen in helleren Kisten getragen wurde.

Einbildung, Autosuggestion?

Die amerikanischen Psychologen Warden und Flynn gingen dem Phänomen nach und ließen das Gewicht gleich schwerer, aber verschieden farbiger Packungen schätzen.

Dabei wichen sie im Test bewusst von relativ bekannten, ›erlernbaren‹ Maßeinheiten (also ein Pfund oder ein Kilo) ab und wählten eine ›abstrakte‹, schwer nachvollziehbare, nämlich eine 3-Pfund-Packung.

Das Ergebnis klingt beinahe unglaublich: Jede Farbe wiegt anders.

Das Ergebnis:

Weiß (als Ausgangsrelation) 3,0 Pfund

Gelb (bereits geschätzt auf) 3,5 Pfund

Grün 4,1 Pfund

Blau 4,7 Pfund

Grau 4,8 Pfund

Rot 4,9 Pfund

Schwarz (fast verdoppelt) 5,8 Pfund

Man kann sich vorstellen, dass diese Ergebnisse weder geheim blieben, noch bleiben konnten oder sollten. Im Gegenteil: Sie wurden von der Industrie begeistert und erfolgreich aufgegriffen werden doch mittels einfacher Farbgebung plötzlich doppelte Böden, Schein- und Trickpackungen überflüssig, die bisher mit aufgeblähtem Volumen mangelnden Inhalt wettmachen sollten. Und selbst bei gleicher Größe und Gewicht vermittelt eine dunkle Packung eben, dass ihr Inhalt kompakter, konzentrierter, massiver und gewichtiger, also wertvoller ist.

Wie gesteuerte Farbgebung nicht nur das Gewicht, sondern auch Geschmack, Geruch, Konsistenz, Qualität, Haltbarkeit, Frische usw. manipulieren kann, lernt heutzutage ein GraphikDesign-Student im Grundstudium. Ebenso wie man durch die richtige Farbkombination Dinge verändern kann, z.B. großes kleiner, schweres leichter, bitteres süß etc.

 

Sind Farben also geheime Verführer!

Viel mehr als das! Farben greifen direkt, massiv und vom klaren Denken weitgehend unkontrolliert in biochemische und biophysikalische Prozesse des menschlichen Körpers ein, beeinflussen Herzschlag, Puls und Atemfrequenz, erhöhen oder mindern den Blutdruck, lassen Verletzungen langsamer oder schneller heilen, erzeugen Hitze, Kälte, Hunger, Durst, Ruhe, Angst und Aggression.

Mittlerweile wissen die meisten Ärzte und Krankenhäuser um diese Dinge, berücksichtigen sie in ihrer Therapie, müssen sich Designer, Architekten und Innenarchitekten bereits in der Entwurfsphase auf solche grundsätzlichen Gegebenheiten einstellen.

Ein Vergleich der Farben Rot und Blau in Bezug auf ihre körperlichen Auswirkungen beim Menschen verdeutlicht das Gesagte.

Beispiel 4: Der Rot-Blau-Gegensatz

Rot Blau

Atmung rascher Atmung langsamer

Puls und Blutdruck Puls und Blutdruck

steigen fallen

Herzschlag Herzschlag

beschleunigt verlangsamt

 

Insgesamt bedeutet dies: Der Anblick roter Farbe erregt und aktiviert, der von Blau beruhigt alle Körperreaktionen.

Noch deutlicher wird dies bei Untersuchungen, die das subjektive Kälte- bzw. Wärmeempfinden messen. Der Kontrast zwischen kalt und warm umfasst eine Spanne von ca. 13° Celsius.

Beispiel 5: Kälte- und Wärmeempfinden

In einem blau-grün gestrichenem Raum stellt man schon bei etwa 15° Kälte fest, im orangefarbenen erst bei 2°. Ein völlig neuer Aspekt zum Thema Energiesparen!

Spaß beiseite, dass sich der Mensch dieser Tatsachen und Hintergründe bewusst ist, spiegelt deutlich und zutreffend der Volksmund wieder. Dort stehen als Synonyme für Blau Eis und für Rot Feuer. Eisblau und feuerrot machen plastisch, beinahe körperlich spürbar deutlich, welche Eigenschaften der Mensch von jeher den Farben zuordnet.

Fassen wir zusammen:

Über Farben und ihre Wirkungen zu reden, ist keine Geschmacksfrage, über die sich streiten lässt, obwohl dies – oberflächlich gesehen – im Einzelfall so zu sein scheint. Farben sind vielmehr ›visualisierte Gefühle‹ (nach Prof. Max Lüscher, dem Erfinder des bekannten Lüscher-Farb-Tests). Mehr noch: Farben sind eng mit den archetypischen, also vorgeschichtlichen, Erfahrungen der Menschheit verknüpft und bewirken klar erkennbare und messbare Zustände.

Welche überaus gewichtige Rolle Farben als Signal, Gestaltungselement, Verhaltenssteuerung und Manipulationsinstrument spielen, wird deutlich, wenn wir daran denken, dass etwa 80% aller Informationen optischer Natur sind. Die Welt ist nicht nur bunt – sie ordnet und steuert durch die Wirkung der Farben ihre Bedeutung für den Menschen.

Aufgabe dieses Buches, das sich bewusst nicht als ein weiteres Fachbuch für Farbenlehre versteht, ist es, das Schwergewicht weniger auf Theorie und dafür mehr auf nachvollziehbare, ›spürbare‹ Praxis zu legen. In Form eines populärwissenschaftlichen Lesebuches spricht es gerade den Laien an, will für ihn die ›geheime Macht der Farben‹ transparent machen. Es werden daher also keine komplizierten physikalischen Sachverhalte behandelt, sondern Blicke hinter die Kulisse der Psyche riskiert. Bewusst wird versucht, sich an prähistorische ›Ursituationen‹ heranzutasten, um herauszufinden, warum der Mensch damals so auf unterschiedliche Farben reagierte und sich heute kaum wesentlich anders verhält.

Es wird in diesem Buch auf kulturelle Situationen ebenso eingegangen, wie auf geschichtliche Ereignisse, die Mode (also bewusstes Nachahmen) hervorriefen. Und auf die Sprache des Volksmunds, die in vielerlei Hinsicht wie ein Seismograph funktioniert.

Dabei werden Assoziationen ebenso zugelassen wie Widersprüche, denn nichts erscheint mir für Bewusstseinserweiterung einengender und schädlicher als stromlinienförmige Grundgesetze, die geglaubt – und schlimmer noch – unreflektiert auswendig gelernt werden müssen.

Nein, Leben und Erfahrung sind fließende Prozesse, bei denen Umwege und Abschweifungen nicht nur nützlich, sondern ausdrücklich erwünscht sein müssten. Will man zu reifen, gewachsenen Ergebnissen kommen, so sollten tunlichst viele Facetten und Aspekte ein und derselben Sache angesehen, so viele Blickwinkel wie möglich in Betracht gezogen werden.

Schließlich gehört zur Wissenschaft eine gehörige Portion Phantasie und die Bereitschaft, sich faszinieren zu lassen, will sie farbig und deutlich werden; sonst bleibt sie so, wie das Sprichwort sagt: »Grau, grau ist alle Theorie.«

Wir aber haben es im wahrsten Sinne des Wortes mit einer ›farbigen‹ Wissenschaft zu tun. Eine, die uns zudem deshalb so plastisch vorkommt, weil sie uns auf Schritt und Tritt tagtäglich im Alltag begegnet.

Wenn dieses Buch erreichen sollte, im Umgang mit Farben den Blick zu schärfen, zu sensibilisieren und bewusster zu machen, dann hat es bereits seinen Zweck erfüllt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Neugier, Spaß und verwertbare Informationen bei dieser Spurensicherung in Sachen Farbe.

Die Geschmäcker sind verschieden – wie verschieden sind sie wirklich!

Die meisten Menschen, die zum ersten Mal etwas von Farbpsychologie hören, entgegnen sofort: »Das ist ja alles furchtbar interessant, aber auf mich trifft das nicht zu, ich habe meinen eigenen, persönlichen Geschmack.« Das klingt fatal nach den stereotypen Aussagen, die man ebenfalls immer wieder zu hören bekommt:

»Die Masse mag ja so sein, aber ich bin Individualist und denke da ganz anders.«

Oder: »Die Masse reagiert eben auf Werbung, ich nicht.«

Interessant, wie sehr hier Selbstüberschätzung zugrunde liegt. Man hält sich selbst offenbar für ein einzigartiges, völlig eigenwilliges Wesen, das in seiner Entscheidung – im Gegensatz zur manipulierbaren Masse – vollkommen autonom und unbeeinflussbar ist. Individualität ist ›in‹, die Masse wird abgewertet, sie unterliegt einem unreflektierten Verhalten, mit dem man sich nicht identifizieren möchte.

Da so aber nahezu alle denken, haben wir es mit einer riesigen Menge von Menschen zu tun, die sich für Individualisten halten und in dieser Einschätzung massenhaft übereinstimmen, also letztendlich doch wieder eine Masse bilden.

Natürlich gibt es so etwas wie einen ›persönlichen‹ Geschmack, aber man darf davon ausgehen, dass er nicht einmalig auf der Welt ist, sondern viel häufiger mit dem ›persönlichen‹ Geschmack einer großen Anzahl anderer Menschen übereinstimmt, als wir in unserer Individualitäts-Sucht wahrhaben wollen.

Tests und großangelegte Befragungen geben darüber deutlich Auskunft und relativieren die Beschwörungsformel ›persönlicher Geschmack‹ erheblich, nämlich zum Geschmack einer bestimmten, überschaubaren Gruppe innerhalb der Gesellschaft.

Ferner muss man sich ernsthaft die Frage stellen, was dieser sogenannte ›persönliche Geschmack‹ eigentlich sein soll. Wenn man nämlich sein Zustandekommen genauer untersucht, stellt sich heraus, dass er lediglich die für Individualität gehaltene Mischform vieler bereits vorhandener Faktoren und Prägungen ist.

Die meisten davon sind dem ›normalen‹ Menschen gar nicht bewusst. Nehmen wir den ›persönlichen Geschmack‹ einmal analytisch auseinander:

Da finden wir zuerst die Mode, den gesellschaftlichen Geschmack, oder besser: die gesellschaftliche Ausrichtung bestimmter, klar erkennbarer Interessengruppen in der Gesellschaft. In der Wechselwirkung dazu bildet sich der ›persönliche Geschmack‹ heraus, je nachdem ob wir das, was andere tun bejahen oder ablehnen. Oft beschränkt sich dabei das ›persönliche‹ bereits auf eine Mischung von verschiedenen Elementen unterschiedlicher Moderichtungen.

Wie aber kommt Mode zustande? Auch sie fällt ja nicht vom Himmel, sondern ist Fortsetzung, Ablehnung oder Wiederaufgreifen bereits vorhandenen gesellschaftlichen Geschmacks bzw. der sich daraus ergebenden Mischformen.

Jeder Mode liegt eine gewisse bewusste oder unbewusste Symbolik zugrunde, die sich im Laufe der Zeit, sozusagen historisch, gebildet hat. Vieles dieser Symbolik, besonders die ursprüngliche Entstehungsgeschichte einzelner Symbole, liegt aber für uns heutigen Menschen im Dunkel, ja entspringt womöglich dem kollektiven Unterbewusstsein, jenem geheimnisvollen Reservoir an Menschheitsträumen und -ängsten, an Märchen, Sagen und Mythen.

Es ist in jedem Fall anzunehmen, dass all diese Vorstellungen und Empfindungen des kollektiven Unterbewusstseins auf Urerlebnissen beruhen.

Solche Urerlebnisse nennen wir Ur-Engramme, Ur-Eindrücke oder archetypische Situationen.

Um sich an ihre Wurzeln heranzutasten, bedarf es außer geschichtlicher, sozialwissenschaftlicher und psychologischer Kenntnisse eines großen Maßes an psychohistorischer Intuition.

Am Ursprung angekommen, stellen wir fest, dass wir nichts außergewöhnlich Neues verkörpern, sondern lediglich das jüngste Glied einer durch Jahrmillionen hindurch aufgefädelten Kette sind.

Gerade im Zusammenhang mit Farben und deren Wirkung auf den Menschen, stoßen wir aber auch noch auf weitere Gegebenheiten, die die Zauberformel vom ›persönlichen Geschmack‹ erschüttern – nämlich auf die physiologische Bedingtheit, also auf körperliche Reaktionen, die vom biologischen Aufbau des Menschen verursacht werden und herzlich wenig mit individueller Meinung oder Geschmack zu tun haben. Über die physiologische Wirkung der Farben wird u. a. in den einzelnen Kapiteln die Rede sein, speziell noch einmal aus medizinischer Sicht im Kapitel ›Heilen mit Farben‹.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Farben in der Tat – wie Lüscher es nennt – »visualisierte Gefühle« sind, oder, profaner ausgedrückt: Reizerscheinungen des Nervensystems, die je nach Veranlagung angenehm oder unangenehm wirken.

---ENDE DER LESEPROBE---