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Wie der Geist den Körper braucht, um sich selbst zu offenbaren ... Der internationale Erfolgsautor Daniel Meurois überrascht mit einem Buch, das viele falsche Vorstellungen zu Tantra aus der Welt räumt und dem Leser im Gegenzug viele richtige Leitlinien an die Hand gibt, die ihn wachsen lassen. Die Medizin der 3 S führt unkompliziert in die Disziplin des Tantra ein, eine jahrtausendealte Philosophie, besser noch: ein spiritueller Heilprozess, der nicht nur den Körper, sondern auch den Geist mit einbezieht. Das Ziel? Die gelebte Einheit von Körper und Geist, von Sexualität und Spiritualität, die getrennt voneinander nichts erreichen können, zusammen aber das höchste Ziel: das Bewusstsein der Einheit. Ohne Tabus oder Scheinheiligkeit nimmt Daniel Meurois uns mit auf eine sinnliche Erkundungsreise hin zur Entdeckung einer immer umfassenderen, versöhnenden Liebe. Für eine klare und allumfassende Spiritualität, die sowohl unseren Körper wie unseren Geist führt, die vollkommene Freude und Gesundheit auf allen Ebenen bringt.
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Seitenzahl: 174
Daniel Meurois
Sexualität ~ Sinnlichkeit ~ Spiritualität
Eine Begegnung von Körper, Seele und Geist
Aus dem Französischen von Anja Schmidtke
Alle Rechte vorbehalten.
Außer zum Zwecke kurzer Zitate für Buchrezensionen darf kein Teil dieses Buches ohne schriftliche Genehmigung durch den Verlag nachproduziert, als Daten gespeichert oder in irgendeiner Form oder durch irgendein anderes Medium verwendet bzw. in einer anderen Form der Bindung oder mit einem anderen Titelblatt als dem der Erstveröffentlichung in Umlauf gebracht werden. Auch Wiederverkäufern darf es nicht zu anderen Bedingungen als diesen weitergegeben werden.
Copyright der Originalausgabe © by Daniel Meurois, 2023. Titel der Originalausgabe: »La Médecine des trois S. Sexualité, Sensualité, Spirituelité … Une rencontre corps, âme et esprit« Veröffentlicht in Partnerschaft mit Maurice Baldensperger und Francis Hoffmann GbR »Publish Vision« · www.publishvision.de · [email protected]
Copyright der deutschen Ausgabe © 2023 Verlag »Die Silberschnur« GmbH
ISBN: 978-3-96933-066-1eISBN 978-3-96933-929-9
1. Auflage 2023
Übersetzung: Anja Schmidtke
Gestaltung & Satz: Beeg | graphics, Kirchheimbolanden
Umschlaggestaltung: XPresentation, Güllesheim; unter Verwendung verschiedener Motive von © Pooretat moonsana, shutterstock.com
Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstr. 1 · 56593 Güllesheim
www.silberschnur.de · [email protected]
Für meine liebe Mouffe Salem,
deren Seele so rein und liebevoll war
wie ein Kristall …
Prolog: Für den Logos
1. TeilSEXUALITÄT
Kapitel I: Überblick
1Zwischen Kult und Desinteresse
2Die Entdeckung missachteter Erhabenheit
3Das Mysterium der Kundalini
4Der Prozess des Erwachens
Kapitel II: Die Pflege des Tempels
1Tantra
2Einfache, aber grundlegende Körperhaltungen
3Atemübung in vier Phasen
4Dreiecks-Übung
5Übung der drei Bandhas
6Die tiefe Natur der göttlichen Strömung
Kapitel III: Im Brautgemach
1Über die Natur des Begehrens
2Unsere Haut als Pforte
3Riten des Vertrautwerdens
2. TeilSINNLICHKEIT
Kapitel IV: Im Reich des Geruchssinns
1Der Grad unserer Verwurzelung
2Die Sprache des Goldes
3Was die Myrrhe sagt
4Die Höhenflüge des Weihrauchs
Kapitel V: Die Sinnlichkeit des Geschmacks
1Der Wein – Initiation nach Noah
2Das Brot – Initiation nach Maria
Kapitel VI: Auf der Suche nach dem Zweiten Blick
1Die Kunst zu sehen, ohne nur umherzublicken
2Die Gnade des Darshan
3Uns finden, indem wir uns verlieren
Kapitel VII: Die Zärtlichkeit der Berührung
1Die Hand und die Sprache der Seele
2Von den Lippen zur Stirn
3Die Würdigung der Füße
Kapitel VIII: Der Gesang der Stille
1Von der Milchstimme zur Sphärenmusik
2Wenn der Ton zu Lärm wird
3Der Weg des Nada-Yoga
3. TeilSPIRITUALITÄT
Kapitel IX: Vom Buchstaben zum Geist
1Spiritualität und Religiosität, Glaube und Gläubigkeit
2Die Furcht vor Autonomie
Kapitel X: Eine göttliche Erkundungsreise
1Vom Kosmischen zum Mikroskopischen und unendlich Kleinen
2Elemente einer Methode
Kapitel XI: Zum Abschluss Freude
Über den Autor
Vor einigen Jahren habe ich das Buch Advaita geschrieben, ein Werk, das sofort auf großes Interesse bei allen stieß, die auf der Suche nach einem kleinen Stück Land des Göttlichen in sich selbst waren, nach Seinem unauslöschlichen Abdruck. Es ist eine Suche, die uns meiner Ansicht nach einlädt, den wahren Schlüssel zu finden, der uns den Weg aus unseren menschlichen Irrungen und Wirrungen weisen kann.
Aber mit der Zeit und mit entsprechendem Abstand ging mir allmählich auf, dass Advaita eine Art Ergänzung oder Vertiefung sein wollte angesichts der verschärften, manchmal primären Dualität, von der unsere Gesellschaften immer mehr versklavt werden.
Tatsächlich ist der Kampf zwischen Körper und Geist überall im vollen Gange, selbst wenn bei uns im Westen, der immer mehr seine Identität verliert oder leugnet, der Geist nicht mehr besonders viel bedeutet gegenüber einer Materie, die einseitig verherrlicht wird, weil sie von ihrer essentiellen Natur und ihrem letztendlichen Ziel abgetrennt wurde.
Dieses Buch maßt sich natürlich nicht an, diesen Gegensatz aufzulösen, aber es möchte Wege zur Reifung aufzeigen, um das Leben und den Menschen unabhängig von den offensichtlichen Gegensätzen betrachten zu können, die uns von Tausenden Jahren des Unwissens verordnet wurden.
Denn es gibt keinen Zweifel: Das Fundament unserer Probleme als Spezies besteht im Unwissen über die erstaunliche, wunderbare “Dreiheit” von Körper, Geist und Seele, die eine Art Baum bilden, der durchaus Ähnlichkeit mit dem Baum der Erkenntnis haben könnte …
Auf den folgenden Seiten ist daher von Wurzeln, einem Stamm und seinen Ästen die Rede, deren Lebenssinn es ganz natürlich ist, eine Frucht entstehen zu lassen, an der nichts “Verbotenes” ist, wie man uns es immer glauben machen wollte. Nein, absolut nichts Verbotenes, ist sie doch die Frucht des Erwachens, der Wiedervereinigung mit dem Gedächtnis unseres Ursprungs.
Ist es ein Tabu, sich etwas zuzuwenden, das uns uns selbst zurückgeben könnte? In den Augen mancher scheint das so zu sein, aufgrund einer Angst, die aus einer Borniertheit entstanden und erblich geworden ist, und aufgrund unserer Unfähigkeit, aus einer Hypnose zu erwachen, die uns zwingt, uns im Kreis zu drehen, um einen völlig sinnlosen Krieg zu schüren und immer weiter fortzuführen.
Dieses Buch möchte daher versöhnend wirken und ein Angebot sein, an uns selbst zu “arbeiten”, auch wenn (wie ich es auch in Advaita erwähne) die Vorstellung von “Arbeit” uns oft eher davor zurückschrecken lässt.
Ich wende mich hierin an alle, die Mut im “beherzten” Sinne des Wortes und Willenskraft haben … oder vielleicht ganz einfach an alle, die es müde sind, sich auf ausgetretenen Pfaden immer weiter um ihre eigene Achse zu drehen, an alle Männer und Frauen, die erkennen, dass wir, um uns über die beiden offiziell gegensätzlichen Grundprinzipien zu erheben, die Kraft haben müssen, uns ein drittes vorzustellen, das Miriam aus Magdala “Das Voranbringende” nannte …
Daher der Baum, den ich weiter oben erwähnt habe, daher auch die drei “S” und ihre Medizin, das heißt die initiatorische Einweisung darin und ihre ”metamorphe” Umsetzung in die Praxis.
Das erste “S” steht ganz offenkundig für die Sexualität in Bezug auf den Körper und seine erst missachtete und dann besudelte Würde, eine Sexualität, die mithilfe eines tantrischen Ansatzes betrachtet und gelebt wird.
Das zweite steht für die Sinnlichkeit in Bezug auf die Seele, die Vermittlerin einer möglichen geheimen Rolle der Sinne und ihrer erhebenden, weil initiatorischen, Funktion.
Das dritte schließlich steht für nichts anderes als die Spiritualität, deren letztendliches Ziel es ist, das gesamte Wesen zu transzendieren, indem sie die beiden vorherigen – in allen Bedeutungen des Wortes – umarmt.
Wenn ich hier nicht noch ein viertes “S” nenne, das Sakrale, dann deshalb, weil ich mich bemüht habe, es zugleich greifbar und subtil in jedem Wort zum Ausdruck zu bringen, das aus meiner Feder geflossen ist.
Tatsächlich geht es ja immer nur um Es, das uns jeden Tag einlädt, es zu verwirklichen und zu pflegen …
Daniel Meurois
Erst kürzlich – kommt es einem glaublich vor? – find’ ich sie grübelnd, und warum? Sie stellt mir ganz naiv die Frage, ob zur Welt die Kinder kommen durch das Ohr!”1
Wenn ich hier ein Zitat von Molière als Einstieg in ein Buch über die Beziehung zwischen Körper, Geist und Seele wähle, dann deshalb, weil darin neben dem humoristischen, verspielten Aspekt bemerkenswerterweise ein Gedanke ausgesprochen wird, der einst in einer bestimmten christlich und römischen Literatur in Mode war. Heute wird man das natürlich verrückt und lächerlich finden, aber dennoch …
In der Religion – nicht in der Spiritualität – hatte die Vorstellung, der Körper und damit auch “das Werkzeug zu seiner Herstellung”, das Geschlecht, seien unweigerlich schmutzig, schon immer ihre Anhänger. Und auch wenn heutzutage niemand mehr die Behauptung wagen würde, Jesus sei durch Marias Ohr erschaffen worden, sind nach wie vor viele davon überzeugt, das Fleisch sei für alle Zeiten unrein und deshalb der ewige Feind des Geistes.
Die christliche Argumentation dazu ist schnell gefunden: Wenn der Körper und sein Ausdruck durch das Geschlecht nicht abscheulich wären, warum sonst hätte der Göttliche Atem, verkündet durch Erzengel Gabriel, dann Jesus durch den Schoß einer Frau auf die Welt kommen lassen, die trotzdem Jungfrau geblieben war?2 Ob wir gläubig sind oder nicht, unser kollektives Unbewusstes ist von all dem zutiefst geprägt.
Ich möchte hier gar nicht über komplexe theologische Begriffe streiten, sondern dazu einladen, einen Ausweg aus der Falle der kindlichen Dualität zu finden.3
Ohne linguistische oder philologische Pirouetten zu drehen, die uns nur zurück zu fragwürdigen, umstrittenen antiken Schriften führen würden, reicht schon etwas gesunder Menschenverstand, um zu verstehen, dass das Geistprinzip selbst unweigerlich eine Form herbeiruft und erzeugt, um sich manifestieren zu können. Und was ist Sich zu manifestieren anderes als zu Sein? Anderenfalls – verzeihen Sie mir, falls ich Sie damit schockiere – würde es doch nie etwas anderes geben als eine Art “große kosmische Onanie”, die sich ständig um sich selbst dreht und zum Ersticken verurteilt ist, bevor sie überhaupt begonnen hat, an einen einzigen Atemzug zu denken.
Das Bild vom Trunk und vom Kelch ist freilich so alt wie die Menschheit, sodass ich es nicht überstrapazieren werde, ohne vorher nicht einen anderen als traditionellen Blick auf die wahre Natur des Kelches zu werfen, darauf, was er sein sollte, und zumindest wie er eigentlich gesehen werden sollte.
Werden wir noch lange blinde Horden sein, die nichts weiter in ihm sehen als einen mehr oder weniger “dekorierten” Papp- oder Plastikbecher, der möglicherweise den besten Champagner enthalten soll?
Ich möchte Sie jedenfalls dazu einladen, einmal in Betracht zu ziehen, dass sein wahres “Material”, sein ursprünglicher Kristall, erst noch zu offenbaren und bewusst zu polieren ist, damit der “Spiritus” sich darin voll und ganz entfalten kann.
1Molière in “Die Schule der Frauen”, 1. Akt, 1. Auftritt. Auch Rabelais amüsierte sich über die Vorstellung und ließ Gargantua durch das linke Ohr seiner Mutter die Welt erblicken …
2Siehe “Das Evangelium nach Lukas”, I, 11-20 und 26-38.
3Siehe “Jesus – Die unbekannten ersten dreißig Jahre”, Kapitel 9, S. 125-126, vom selben Autor, Silberschnur Verlag.
Seit dem antiken Griechenland hat sich keine andere Epoche so dem Körper und der Schönheitspflege verschrieben wie unsere. Jeden Tag bekommen wir zu hören, unsere Haut habe “gesund auszusehen”, koste es, was es wolle, und man dürfe nicht die kleinste Falte und das geringste Anzeichen von irgendetwas Unerwünschtem darauf erkennen.
Wir versuchen, so gut wie möglich unsere Muskeln zu modellieren, nicht nur fürs Auge, sondern auch, um jederzeit Leistung bringen zu können, heißt es doch, Wettbewerb und die Jagd nach Extremen seien wichtige Voraussetzungen, um individuell Erfüllung zu finden. Die Gesellschaft honoriert sie, fasziniert vom schönen Schein und vom “Immer höher” und “Immer weiter”.
All das ist sicherlich respektabel, das streite ich gar nicht ab. Es ist sogar verständlich, denn bei intensiver körperlicher Anstrengung schüttet unser Gehirn körpereigene Endorphine aus, natürliche Hormone, die zum Wohlbefinden beitragen.
Andererseits kann ich aber auch nicht umhin festzustellen, dass immer eine Zeit kommt, in der trotz allem Falten im Gesicht entstehen oder Muskeln erschlaffen. Wir können noch so viel tun: Vor lauter Beschäftigung damit, ein Fahrzeug auf Hochglanz zu polieren oder den Motor an seine Grenzen zu bringen, vergessen die meisten von uns am Ende, wer es eigentlich gefahren hat und warum ihnen seine kostbare, komplexe Mechanik anvertraut wurde. Wenn wir uns zu sehr mit den oberflächlichen Körper- und Muskelfunktionen und ihrem krönenden Abschluss durch eine primäre Sexualität gleichsetzen, kann es leicht dazu kommen, dass wir uns nur auf sie beschränken und nicht Das sehen, was sich hinter ihren Masken verbirgt und vergebens zu rufen versucht: “Wer bin ich?”
Das Resultat? Leere. Kein Empfinden irgendeiner Lücke, sondern wirkliche Leere, die schwierig zu füllen ist. Dann erreichen wir gewissermaßen die “Endstation” einer Existenz und sagen uns: “Oh, da ist ja gar nichts.” Aber tatsächlich ist dem gar nicht so, sondern wir sehen nicht, weil wir es uns angewöhnt haben, nichts zu sehen und nichts oder kaum etwas zu begreifen.
Unser Fahrzeug ist durch alle möglichen Szenerien gefahren, aber der Fahrer am Steuer hat nur die kindlichsten Ausdrucksformen seines Egos verwirklicht, ohne zu wissen, warum er den Weg überhaupt eingeschlagen hat. Vielleicht um eine begrabene Enttäuschung zu vergessen oder um eine uneingestandene Aggression zu kanalisieren … Wir können immer einen Grund finden und ehrlich daran glauben.
Natürlich lässt sich nicht jeder von den Auswüchsen dieser Mode anstecken, die ich hier etwas karikiert habe. Aber ist die gegenteilige Einstellung konstruktiver? Mangelndes Interesse an der Pflege eines Körpers, der uns nicht geschenkt, sondern für die Zeit eines Lebens geliehen wurde, ist sicherlich nicht richtiger oder lobenswerter, als ihn übermäßig zu verherrlichen.
Wenn wir den physischen Körper unter dem Vorwand vernachlässigen, er sei nur Fleisch gegenüber Intellekt, Bewusstsein oder Geist, ist daran nichts bewundernswert, weil wir damit auf allem herumtrampeln, was das feine, unendlich kostbare Gleichgewicht namens Gesundheit ausmacht.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass aus diesem Gleichgewicht eine Form von Schönheit entsteht, die von den klassischen Gesetzen der Ästhetik unabhängig ist? Sich ganz einfach um einen gesunden Körper zu kümmern, ist schon an sich ein schönes Ziel – wenn auch manchmal eine Herausforderung –, das uns näher zum Warum der Suche führt, die im Mittelpunkt dieser Seiten steht.
Damit möchte ich auf die Erhabenheit des menschlichen Körpers zu sprechen kommen, also auf sein wahres Potenzial und die Rolle, die ihm wieder eingeräumt werden sollte, vor allen seinen Gelüsten, Abhängigkeiten oder Ablehnungen und Ängsten, die er erzeugt. Ich möchte also über die schwankenden, zyklischen Phänomene hinausgehen, denen er in unterschiedlichen Kulturen immer unterworfen war und die heutzutage im Westen zu einer übertriebenen, ungesunden Sexualisierung führen.
Das wird mich ganz natürlich dazu bringen, ihn vertikal zu betrachten und nicht (ohne damit ein einfaches Wortspiel zu beabsichtigen) horizontal, also nach dem Bild dieser schleichenden Energie, mit der er immer allzu leicht in Anspielung auf die “Schlange” der Sexualität verbunden worden ist, die seit der verfälschten Erzählung der Genesis verdammt und missverstanden wird. Nebenbei bemerkt beginnt auch sie mit einem S, und zwar nicht nur in der französischen Sprache.
Denn ja, der menschliche Körper lässt sich durchaus vertikal betrachten, also anders als nur auf seine animalischen Funktionen reduziert, die darauf ausgerichtet sind, seine Gelüste und Bedürfnisse vor allem zur Fortpflanzung zu befriedigen.
Es gibt ein Bild, das meiner Ansicht nach recht gut veranschaulicht, was der physische Körper ist oder vielmehr sein sollte. Es ist das Bild des Sprungbretts. Es ist horizontal, also symbolisch auf die Erde ausgerichtet, gleichzeitig aber dazu bestimmt, denjenigen, der seinen wahren Daseinsgrund kennt, in die Vertikale zu befördern. Wer also lernt, es anders als üblich zu nutzen, und nicht nur einen schönen Sprung damit bezweckt, der dem Gesetz der Schwerkraft gehorcht, kann sich “etwas anderes” daraus erhoffen. Denn der Körper und die Sexualkraft, durch die er in diese Welt geboren wird, können polarisiert werden, um die Gesetze der irdischen Anziehung zu sublimieren und so gemeinsam zu einem kostbaren Werkzeug des “Aufstiegs” zu werden.
Ist es eigentlich nicht genau das, was das Kreuz im Wesentlichen zum Ausdruck bringt? Ich weise darauf hin, dass ich hier nicht vom Kruzifix spreche, bei dem man vor allem an das Instrument einer Hinrichtung denkt, sondern von einem einfachen, ausgewogenen Kreuz, dessen Mittelpunkt, also dessen Herz, perfekt die zutiefst heilige Begegnung zwischen Erde und Kosmos veranschaulicht.
Auf dieser Entschlüsselungsebene des Archetypen des Kreuzes (des Herzens) ist das Grundprinzip des Menschen zu finden, das jeden dazu einlädt, sich durch das Meistern scheinbarer Gegensätze sich selbst zu offenbaren. Mit dem Grundprinzip des Menschen meine ich hier den Urkeim des Menschen oder auch die kristalline Saat des Göttlichen.
Wer wirklich versteht, was das bedeutet, kann entscheiden, eine gewaltige innere Revolution in Gang zu setzen, indem er den menschlichen Körper und seine sexuelle Energie als Begegnungsort zwischen dem aufnahmebereiten Mutterboden sieht, den das Fleisch als Offenbarer und Sprungbrett verkörpert, und der göttlichen Saat, die darin aufgenommen werden möchte.
Aber kommen wir noch einmal auf den Begriff der heiligen Begegnung zwischen Erde und Kosmos zurück, den ich eben bereits erwähnt habe.
Wer sich ein wenig für die vergleichende, jahrtausendealte Geschichte der großen Glaubens- oder Einweihungstraditionen unserer Welt interessiert, der denkt bei dieser Begegnung – die in Wirklichkeit in einer Verschmelzung mündet – sofort an Quetzalcoatl, eine der wichtigsten Gottheiten der Tolteken und Azteken auf dem südamerikanischen Kontinent. Quetzalcoatl bedeutet “gefiederte Schlange”. Deutlicher lässt sich die Vereinigung des “Schleichenden” und “Fliegenden” nicht beschreiben …4 Es ist eine Vereinigung, die umso durchdringender und transzendenter ist, als Quetzalcoatl bis in die Tiefen der Materie (die Unterwelt) hinabgestiegen sein soll, um dort die Erlösung der Menschheit einzuleiten. Ist die Analogie zum Christusbewusstsein, das am Kreuz befreit wurde, hier nicht offensichtlich?
Natürlich gibt es “Schlange und Schlange”, so wie es “Fleisch und Fleisch” gibt, je nachdem, ob man sie auf eine weltliche oder heilige Weise betrachtet. Während das “Fleisch Christi” in Form von Brot und Wein erlösend sein soll, ist die “Schlange” der sexuellen Energie in ihrer Erhabenheit keine einfache Natter, sondern eine Kobra, Trägerin einer Initiation.
Was tut eine Kobra, wenn sie “gereizt” wird? Sie richtet sich auf und flacht ihren Hals ab, als würde sie eine Art Flügel über ihrem Körper ausbreiten. Später werden wir noch sehen, worauf das hindeutet … Aber zuerst einmal muss ich darauf hinweisen, dass die Kobra auch Naja oder Naga genannt wird.
Dieser Name ist alles andere als unbedeutend, denn in den ältesten hinduistischen Texten sind Nagas Gottheiten, die mit Vishnu in Verbindung stehen und traditionell die Rolle von Vermittlern zwischen Himmel und Erde einnehmen. Wäre in diesem Sinne nicht der große Naga, der Vishnu auf seinem gewundenen Körper trägt, eine Art Merkur oder, um den Ausdruck zu wagen, “Hausierer” des Heiligen Geistes, der Christus zum Mittler zwischen dem “Himmlischen Vater” und der Menschheit macht?
4Einst sprachen die Alchemisten auf ihrer Suche nach dem “menschlichen Gold” des Bewusstseins von der Begegnung zwischen Mutter Erde und dem himmlischen Boten, dem Quecksilber, also Merkur, dessen berühmteste Attribute der Heroldstab und der Hahn (ein weiteres “beflügeltes Wesen”) sind.
An dieser Stelle ist es unerlässlich, uns mit der Lebensenergie selbst zu befassen und uns genauer anzusehen, was die Traditionen Kundalini nennen. Dennoch werde ich hier vom Mysterium der Kundalini nur ansprechen, was davon für uns nützlich, also konstruktiv sein kann, ohne in die Komplexität östlicher Traditionen einzusteigen, die andere lexikalische Begriffe und Sichtperspektiven verwenden.
Vereinfachen wir also die Dinge und rufen wir uns in Erinnerung, dass die Kundalini die unermessliche Macht lichtvoller, gewundener Natur ist, die an der Basis des menschlichen Körpers auf der Höhe des Kreuzbeins wohnt. Genauer beschreiben die alten Texte sie als in dreieinhalb Windungen zusammengerollt, in einer Art Schlaf begriffen, aus dem sie nur allmählich erwachen darf, um sich schließlich am Tag der großen Erweckung vertikal entlang der Körperachse aufzurichten. Ihr Feuer ist dazu bestimmt, hintereinander die sieben Chakren anzuregen und zu entfalten, die sich auf dieser Achse befinden und auf diese Weise zu Zugangstoren zu zahlreichen Bewusstseinsebenen werden.
Ob wir diese gewundene Macht schlafen lassen wie eine simple unterschwellige Kraft, die nur auf die Keimdrüsen einwirkt, oder ob wir die göttliche Kobra in ihr anerkennen, hängt natürlich ganz von uns selbst ab oder genauer von unserem Willen und unseren Bemühungen, zu einer immer größeren Seelenreife zu gelangen.
Meiner Ansicht nach lassen sich diese Bemühungen und diese feste Ausrichtung des Geistes mit einem Wort zusammenfassen: Liebe. Aber der Begriff der Liebe ist unermesslich, da stimme ich zu. Irgendwie ist er ja ein einziges “Sammelsurium” …
“Liebe machen” kann für einige nur den sexuellen Akt bedeuten, die bedeutungslose Befriedigung eines Impulses, eines Gefühls, und für andere wiederum der aufrichtige, tiefe Ausdruck schöner, wenn auch immer wieder schwankender Gefühle sein.
Aber bevor wir uns in die spirituellen, kosmischen Höhen der wahren Liebe schwingen, sollten wir da nicht erst einmal ihrer geschlechtlichen Ausdrucksform und Sprache gerecht werden, indem wir ein wahres Werkzeug darin erkennen, das vom Göttlichen erschaffen wurde?
Weiter oben sagte ich es schon: Wenn die Kundalini ihre Spirale allmählich entfalten muss, dann ist das nur auf der soliden Basis eines physischen Körpers möglich, der voll und ganz angenommen und respektiert wird.
Am Sinnbild des Baumes, dessen Stamm die Achse für die Schlange des Bewusstseins ist, lässt sich leicht erkennen, dass seine Wurzeln, die erst horizontal verlaufen und dann hinab in die Erde reichen, unerlässlich für ihn sind. Wir müssen lernen, sie zu würdigen, denn auf ihre geschlechtliche und ins Gleichgewicht gebrachte Natur wird sich die androgyne Natur der Kundalini am Ende stützen5.
Fassen wir nun einmal die “Dinge” in einer Sprache zusammen, die für alle (oder fast alle) verständlich ist, denn mir ist aufgefallen, dass dieser Bereich ziemlich unklar ist, selbst bei jenen, die felsenfest davon überzeugt sind, alles “genau zu verstehen”.
Zunächst einmal ist die Kundalini mit einer Spiralfeder vergleichbar, wie sie in der Uhrmacherei verwendet wird, um die Bewegung eines Pendels anzutreiben. Übertragen auf den Menschen stellt sich natürlich die Frage: Wer zieht diese Feder auf? Gott? Aber Wer ist Gott? Ohne sein Mysterium direkt ergründen zu wollen, richten wir unseren Blick erst einmal auf unser eigenes Bewusstsein oder gar auf unser Suprabewusstsein, je nach der Ebene unseres Schlafes, unserer Lethargie oder unseres Erwachens.