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Wer Objekte, Produkte, Dinge hat, ist wertvoll. Wer keine hat, ist wertlos. Diese Erfahrung machte der britisch-österreichische Künstler Timothy Speed in vielen Jahren extremer Armut. Er entschied sich als Antwort darauf, die Physik umzuschreiben und nicht die Dinge zur Grundlage der Welt zu machen, sondern das »Nichts«. Dieser scheinbar kleine Kunstgriff hat erhebliche Auswirkungen auf die Strukturen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Speed greift mit seiner »Neuordnung« den Realitätsbegriff in Politik und Wirtschaft an, fordert eine Erweiterung der Objektivität, um endlich auch das individuelle Erleben der Menschen zu einer Grundlage gesellschaftlicher Entscheidungen zu machen. Zum ersten Mal wird Kreativität und Humanität als Ordnungsprinzip des Universums legitimiert und muss somit nicht mehr den Regeln des Marktes und der Objekte weichen. Auch formuliert er wichtige Mechanismen der Normierung, wie die Submergenz, durch die in modernen Gesellschaften individuelle Realität als essenzieller Lebensraum verschwindet. Sein Buch ist eine Selbstermächtigung des kreativen Menschen und liefert die lange verschütteten »physikalischen« Grundlagen jener Ordnung, die im kreativen Prozess lebendiger Organismen liegt. Durch seinen ungewohnten Ansatz, akademisches Wissen im künstlerischen Prozess und darüber hinaus im Leben selbst zu entwickeln, stärkt er die von der Norm abweichenden Individuen und macht eine neue Art des Gesellschaftsdesigns greifbar und notwendig. Timothy Speed lebt seit mehr als 20 Jahren Kapitalismuskritik, wie es sonst niemand tut. Er konfrontiert Konzerne und Regierungen mit der ganzen Persönlichkeit des unangepassten Individuums, wird von ManagerInnen und PolitikerInnen gefürchtet und zugleich geschätzt. Sein Widerstand ist ein Akt der kreativen Schöpfung.
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Seitenzahl: 313
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Inhalt
Wer Objekte, Produkte, Dinge hat, ist wertvoll. Wer keine hat, ist wertlos. Diese Erfahrung machte der britisch-österreichische Künstler Timothy Speed in vielen Jahren extremer Armut. Er entschied sich als Antwort darauf, die Physik umzuschreiben und nicht die Dinge zur Grundlage der Welt zu machen, sondern das »Nichts«. Dieser scheinbar kleine Kunstgriff hat erhebliche Auswirkungen auf die Strukturen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Speed greift mit seiner »Neuordnung« den Realitätsbegriff in Politik und Wirtschaft an, fordert eine Erweiterung der Objektivität, um endlich auch das individuelle Erleben der Menschen zu einer Grundlage gesellschaftlicher Entscheidungen zu machen. Zum ersten Mal wird Kreativität und Humanität als Ordnungsprinzip des Universums legitimiert und muss somit nicht mehr den Regeln des Marktes und der Objekte weichen.
Auch formuliert er wichtige Mechanismen der Normierung, wie die Submergenz, durch die in modernen Gesellschaften individuelle Realität als essenzieller Lebensraum verschwindet.
Sein Buch ist eine Selbstermächtigung des kreativen Menschen und liefert die lange verschütteten »physikalischen« Grundlagen jener Ordnung, die im kreativen Prozess lebendiger Organismen liegt.
Durch seinen ungewohnten Ansatz, akademisches Wissen im künstlerischen Prozess und darüber hinaus im Leben selbst zu entwickeln, stärkt er die von der Norm abweichenden Individuen und macht eine neue Art des Gesellschaftsdesigns greifbar und notwendig.
Timothy Speed lebt seit mehr als 20 Jahren Kapitalismuskritik wie es sonst niemand tut. Er konfrontiert Konzerne und Regierungen mit der ganzen Persönlichkeit des unangepassten Individuums, wird von ManagerInnen und PolitikerInnen gefürchtet und zugleich geschätzt. Sein Widerstand ist ein Akt der kreativen Schöpfung.
1 Die Neuentdeckung der Realität
2 Die Dreiteiligkeit
3 Die vertikale Ordnung
4 Die Beziehungs-Submergenz und
5 Knowing - Der lange Weg zu sich selbst
6 ANP - Das Alles-Nichts Paradoxon
7 Die Konstruktion der Werte
8 Die veränderte Haltung. Leben in der Konkretion
9 Die synästhetische Wissenschaften
10 Relevanzerleben in Realitäten
11 Darstellung oder Ausdruck? Die Erweiterung der Sphäre.
12 Das Erleben lernen, um präziser zu werden
13 MNO – Die physikalische Grundlage
14 MNO, Singularität
15 Das Boxing
16 Die allgegenwärtige Verdrehung der Pole
17 Die Rückkoppelung innerhalb der Singularität
18 Das Leib-Seele Problem und die menschlichen Sinnesorgane
19 Die Konstruktion der BetrachterIn
20 Das Realitäten-Auge
21 Realitätsverzerrung und Weltenkonstruktion
22 Schwarze Löcher, der Weltenbaum und warum Naturgesetze in nicht-realen Sphären dennoch funktionieren.
23 Kausalität oder Zirkularität
24 Gravitation und die Methodik der Synästhetischen Wissenschaft
25 Die Entstehung der Psyche und die konkrete Arbeit an der vertikalen Integration
26 Nachwort über den Autor
Ich sage, dies ist mein Erleben. Sie sagen, das ist falsch. Ich sage, dass es für mich keine Rolle spielt, ob es richtig ist oder falsch, weil ich es als real erlebe. Sie nehmen mich nicht ernst. Nicht ernst genommen zu werden, ist als existiere man nicht. So ist die Welt klar, aber die Menschen sind, ja die Menschlichkeit ist darin verschwunden.
Es ist eine Konsequenz des modernen Materialismus, der eine Grundlage des Kapitalismus ist, dass alles materieller Natur sein muss, weil es als ein Objekt definiert wird. Damit gemeint ist vor allem das Zusammenspiel zwischen Objekt und Betrachter, eine duale Beziehung, in welcher der Mensch gestaltet und zugleich gefangen ist. Im Vordergrund steht aber meist das Objekt, die Spaltung zwischen Ding und dem Betrachter in dessen Objekthaftigkeit und eben nicht die erlebte Beziehung.
Alles ist in unserer Welt ein Objekt, ein Produkt des Menschen, dessen Geist und dessen Handeln und selbst was wir nicht haptisch greifen können, wie das »Nichts«, ist Objekt und somit, wenn auch nicht immer materiell, durch die Verdinglichung stets in der Begrenzung und Definition örtlich beherrschbar. Die Kartografierung der Welt hat damit begonnen, diese als Ding darzustellen. Als eine mehr oder weniger runde Kugel, die keinen Zweifel daran lässt, sie existiere als fertiges Objekt, welches der Mensch in jedem Fall überschauen könne. Die Kartografierung der Welt ist vor allem ein Akt der Herrschaft.
Es hat viele Jahrhunderte gedauert, bis der Betrachter überhaupt als relative Position angenommen werden konnte und noch länger bis auch das Objekt selbst in dessen Dominanz fragwürdig wurde. Was in Grenzgebieten der Physik allmählich klarer erscheint und in psychologischen Betrachtungen beschrieben wurde, nämlich das Ende des mechanischmateriellen Weltbildes, hat die Politik und Wirtschaft jedoch bisher nicht erreicht. Das Politikmodell beruht noch immer auf der Herrschaft durch das Objekt, den Status, die feste Rolle, die Legitimation der Masse. Es ist Zeit intelligentere Ordnungsmuster aufzuspüren und in die Realität dieser Gesellschaft zu integrieren!
Damit gemeint ist der Versuch, die politischen Mechanismen näher an die Unmittelbarkeit des menschlichen Erlebens zu rücken und somit jene Abstraktion, die zu »nicht sehen«, die zu Ungerechtigkeit und Krise führt, welche nicht selten auf rein objektiver Betrachtung, Versachlichung und Entmenschlichung beruht, in einer ganz neuen Weise zu überwinden. Angesichts der Tatsache, dass in der Globalisierung die politischen Strukturen und Entscheidungsprozesse zunehmend größer dimensioniert werden und darum immer mehr Vielfalt sich einem Konsens, der Sache, somit der Verkürzung unterordnen muss, erscheint diese Frage zentraler denn je. Wie wird das »Menschsein« in den Strukturen, die heute überwiegend von scheinbarer technologischer Notwendigkeit bestimmt sind, »real« abgebildet?
Natürlich gibt es überall Versuche dem »komplexen« Menschsein gerecht zu werden. Man spricht beispielsweise von Diversity oder von Systemtheorie und versucht wiederum das, was kein Objekt ist, als ein Objekt zu behandeln. Natürlich weil es auch sprachlich schwierig ist, das nicht zu tun. Jedes Objekt aber ist eine Reduktion der Verhältnisse. Obwohl die Welt zunehmend durchlässiger und komplexer erscheint, ist selbst die Systemtheorie noch immer dem Ding verhaftet, denn auch das »System«, oder das »Feld« sind Versuche der Verdinglichung. »Das Leben« selbst, als komplexe Erfahrung, ist jedoch mehr als das und meine Frage hier lautet darum, wie das Wissen über die Welt aus der offenen noch nicht definierten Lebendigkeit selbst kommen kann und im Lebendigen, auch jenseits des verdinglichenden Begriffs »der Lebendigkeit«, als offener Prozess wirkt, ja ist, damit auch die Realität ein lebendiges, freies, soziales, sich ihrer selbst bewusst werdendes Ökosystem sein darf und als solches erkannt wird, noch ehe es benannt wurde. Ich meine damit, dass wir noch immer die Vorstellung von einer »reifen« Realität haben, von einer Realität, die im Fertigen erst real ist. Das Unfertige ist für den Menschen noch nicht real. Was aber, wenn wir dadurch zu viel ausblenden und das Fertige nur eine Simplifizierung ist, ausgelöst von menschlicher Psyche, vom Wunsch nach Abrundung, während die Realität als das »Echte« sich nur dort erschließt, wo etwas lebt, also nicht fertig ist, aber eben real. Sie sehen wie schwierig dies zunächst erscheint, in einer Welt, die kaum ein Verstehen, ein Kommunizieren ohne Benennung kennt. Diese Offenheit soll nicht nur als Vorstufe von Realität verstanden werden, sondern als die Realität selbst. Als die Ebene des Erlebens von Realität. Doch wie baut man darauf die Strukturen einer Gesellschaft, die heute überwiegend auf dem statischen Ding konstruiert sind?
Hier gilt es, radikal umzudenken. Dies steht natürlich im Widerspruch zu der Gewohnheit im modernen Leben, alles nur über die Abstraktion, die Vereinfachung übertragbar zu machen und darum das Leben den Anforderungen der Infrastruktur anzupassen, wie ich schon in dem Buch »Organic Television« beschrieb. Wenn das Lebendige selbst bereits die Realität ist, dann ist jede Sprache eine Entfremdung davon, wenn diese nicht gleichzeitig Lebensraum ist, also pulsierender Selbstausdruck. Sie erkennen jetzt vielleicht, was sich alles durch diese Betrachtung ändert. Es geht darum herauszufinden, wie Realität ist, wie sie kommuniziert wird, wenn man sich nicht von ihr distanziert und sie von »Außen« betrachtet.
Natürlich ist es in Zeiten der Globalisierung allen Seins eine scheinbar extreme Herausforderung, das Leben selbst und nicht dessen mediale Übersetzung zur Grundlage politischer, wirtschaftlicher oder gar wissenschaftlicher Entscheidungen zu machen. Und was soll das Lebendige sein? Auch dieses ist, obwohl die meisten Menschen intuitiv wissen, was ich damit sagen will, natürlich durch akademische Traditionen verschüttet und verklausuliert worden. Es ist ein Objekt geworden und keine Erfahrung.
Was ich hier versuche, indem ich das Wissen in diesem Buch fast vollständig in einem lebendigen Prozess aus mir selbst schöpfe, kann auch eine erhebliche Befreiung sein, die aber ihre Legitimation darin benötigt, dass diese Offenheit auch in Bereichen wie der Naturwissenschaft als Größe im Universum anerkannt wird. Wir verstehen viele Objekte. Die Nicht-Objekte jedoch sind bis heute verständlicher Weise weitgehend verborgen und im Denken selbst fehlt es noch an Konzepten und an Fähigkeiten, um beispielsweise in paradoxen Verhältnissen Wissen zu erarbeiten, welches nicht ausschließlich durch äußere Betrachtung entsteht. Zu sehr hat man sich an Vorstellungen, wie Richtig oder Falsch, orientiert. Die moderne Welt erscheint auch darum derart komplex, weil die Denkmuster auf kleinteiliger Abspaltung, auf Definition und Festlegung als Grundlage von Präzision beruhen und nicht auf der kreativen Intelligenz selbst. Musterkennung, also Intelligenz benötigt Assoziations- und Integrationsfähigkeit genauso wie das Vermögen Abgrenzungen zu formulieren und somit Objekte zu definieren. Die Strukturelle Schwäche des Denkens im Westen, im rationalen Paradigma, ist darin begründet, dass man der Intelligenz selbst, gerade in ihren kreativen Qualitäten, nicht vertraut, sondern sie durch Objektivität absichern will, was dazu führt, dass man die Intelligenz als hoch komplexe Lebensform oft behindert und ihr kreatives Vermögen als Schwäche sieht, weil diese Beziehungen herstellt und erweitert und sich nicht mit dem Objekt selbst begnügt. Somit aber werden, wie ich in diesem Buch aufzeigen will, erst höhere Ordnungsmuster erkennbar, die komplexere Lebensformen ermöglichen und mehr individuelle Freiheit. Oft wird behauptet der Westen sei ein Ort hoher Intelligenz, was eine Anmaßung ist. Es ist wichtig nach der Qualität dieser Intelligenz zu fragen und zu begreifen, dass hier oft schlicht Bürokraten die Intelligenz für sich gelabelt haben, indem sie das Denken Wissenschaft nennen, dem Regeln geben und Grenzen. Darum will ich, als Experiment, die Physik selbst, als die führende Disziplin in der Definition von Realität neu denken, neu erfinden, neu erleben, um was gemeint war, was ursprünglich mit Wissenschaft und objektiver Betrachtung gewollt war, nämlich näher an die Realität heran zu kommen, neu zu integrieren, in eine Welt, in der das Objekthafte nur ein Teilaspekt ist, innerhalb eines wesentlich feineren Realitätsverständnisses, welches auf einer »lebendigen Intelligenz« beruht, die nicht Distanz zur Welt sucht, um sie von außen zu sezieren, sondern Distanz, Kreativität und Öffnung integriert, um Mustererkennung und Lebensraum zu einer Einheit werden zu lassen. Denn Sie wissen, weil Sie leben.
Wissen über die natürliche Ordnung im Sozialen, Kreativen, menschlichen Verhalten, ist durch die Beschränkung auf die reine Objektivität in den Hintergrund geraten und wurde vielfach verloren. Darum können Probleme wie Terrorismus oder Armut meist nur als Objekte, nicht aber als dynamische Beziehungen verstanden werden. Das Erleben der Individuen ist nicht greifbar, hat scheinbar keine Relevanz. Das Kreative ist heute weit hinter der rationalen Ordnung zurück gefallen. Dies hat vielfach zu Ohnmacht, Alternativlosigkeit und Frustration in modernen Gesellschaften geführt. Auch zu wirtschaftlicher Schwäche. Die weichen Faktoren des Menschen werden nicht mit Ordnung assoziiert. Darum werden sie in Zeiten von Chaos auch nicht als Antworten betrachtet. Man kommt in der Politik nicht auf die Idee, ein Neuverständnis des Sozialen und Kreativen könnte in einer Weltwirtschaftskrise hilfreich sein. Man bleibt in jenen Denkmustern, die das Problem geschaffen haben.
Dieses verlorene Wissen sollte wieder eine wichtige Grundlage von gesellschaftlichen Strukturen und Entscheidungsprozessen werden. Statt im anderen Extrem Gesetze für eine Bevölkerung festzusetzen, weil man sie in Zielgruppen simplifiziert und zum Produkt von Machtstrukturen konstruiert hat. Ich rede nicht von Partizipation oder Beteiligung im konventionellen Sinne, was nur ein hilfloser Versuch ist, Demokratie in undemokratischen Strukturen zu simulieren, sondern möchte die Politik und Naturwissenschaft an das Realitätserleben der Menschen heranführen. Nicht umgekehrt.
Dass ich ausgerechnet die Physik an dieser Stelle umbaue, als Provokation, die tatsächlich ernster gemeint ist, als es zunächst vielleicht erscheint, macht Sinn, wenn man begreift, dass sich das systemische Leid heute häufig von der Unfähigkeit ableitet, das Erleben der Menschen jenseits ihrer Objekthaftigkeit in die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen zu integrieren, weil dieses Erleben als offene, unmessbare Qualität heute nicht als Realität legitimiert ist. Einfach gesagt; Solange das »Nichts« gegenüber der »Masse« in der Frage unterliegt, woraus die Welt gebaut ist, unterliegen auch jene deren Existenz die der Masse entgegengesetzten Qualitäten verkörpern. Dann wird die Realität und somit auch der freie Wille jenseits des Objektiven nicht in den politischen Entscheidungsprozessen abgebildet, oder es bleibt nur das scheinbar wilde, emotionale, reflexhafte Verhalten von Massen, die man darum zügeln und in vermeintliche Ordnung überführen muss, damit sie in der Wirklichkeit ankommen.
Der Titel dieses Buches »Die Physik der Armen« deutet bereits an, dass die Armut nach meiner Ansicht erst angegangen werden kann, wenn die Naturwissenschaft sich von ihrem Zwang zur Objektivität, also zur reinen Objektbindung löst und sich tatsächlich der erlebten und gelebten Beziehung zuwendet. Dazu ihre Methodik verändert und lernt den offenen Systemen so nahe zu kommen, dass es keine Modelle mehr sind, sondern »ausgedrückte« Lebensräume und die Trennung zwischen Beschreibung und unmittelbarem Erleben, also zwischen darstellbarem Wissen und hoch komplexem Wissen in einem lebenden Organismus übertragbar wird, statt wie bisher stark abstrahieren zu müssen, um überhaupt Wissen über Zustände allgemein zugänglich und vergleichbar zu machen. Der Anspruch die eine Wahrheit absichern zu wollen, würde dann einer veränderten Haltung gegenüber einer lebendigen Realitätserfahrung weichen, die dennoch nicht relativ ist, sondern für das Individuum ganz konkret. Dass der Realitätsbegriff sich vom Objekt zum Erleben verlagert, bedeutet nicht das Ende der Wissenschaftlichkeit, weil man das Erleben nicht beweisen kann, sondern schlicht eine wesentlich reifere, intelligentere Wissenschaft. Verschüttet ist aber die Sprache, verschüttet ist die Methodik im Sinne einer Kultur, welche die darin liegende Intelligenz sichtbar werden lässt. Eben diese gilt es, hier zu entwickeln, was ich nur schrittweise tun kann, da wir erheblich in die entgegengesetzte Richtung geprägt sind und ich zunächst in einigen Kapiteln grundlegende Missverständnisse bearbeiten muss.
Das Politische im Begriff der Objektivität, die Unterstützung von Herrschaftsmodellen durch die Verdinglichung und Versachlichung des Lebendigen, muss endlich als das, was es ist, entlarvt werden. Nämlich eine Verdrehung, wenn nicht gar die bedeutendste Verdrehung in der Geschichte der Menschheit. Nämlich die Vorstellung das Leben sei etwas wildes, etwas chaotisches, was bezwungen werden muss, um wahr zu sein, um der göttlichen oder institutionellen Definition von Wirklichkeit zu entsprechen. Auf der Suche nach dem »besseren« Leben, in dem der Mensch nicht mehr den Gewalten der Natur ausgesetzt ist, sondern nur noch der Gewalt des herrschenden Weltbildes.
Es ist Zeit zur Sensibilität und Vielschichtigkeit der menschlichen Existenzerfahrung vorzudringen und neu zu fragen, was die Welt ist, ja aus welcher Haltung heraus dieser Frage überhaupt begegnet werden kann, ohne dabei anderen Menschen oder Bevölkerungsschichten Unrecht zu tun. Das Politische wie das Wissenschaftliche sind heute zu primitiv. Es ist hier nicht meine Absicht eine neue Ideologie zu schaffen, sondern das Raster der Wahrnehmung zu erweitern, die tieferliegenden Kriterien der Weltgestaltung zu erforschen. Als die Antwort eines Individuums, auf die konkret erlebten Missstände, die von anderen Menschen möglicherweise völlig anders erlebt werden.
Um aber die Grausamkeit im Namen der kollektivierten, standardisierten Erschaffung von »besserer Welt« tiefer zu begreifen, muss der historisch entstandene Eindruck, das planbare Ding sei die Realität und das vermeintlich Chaotische, nicht Verstandene, Wilde und Gefährliche in mir, sei nicht ich, sondern das Tier im Menschen, hinterfragt werden. Das Unbekannte und somit »formlose« ist eben nicht das Primitive und Böse. Was nur den eigenen Instinkten folgt und spontanen Bedürfnissen. Ein bis heute gültiges Vorurteil gegenüber natürlichen und alternativen Ordnungen, ja gegen jede nicht etablierte Vorstellung von Welt, welches ich hier nur verkürzt erwähnen möchte. Die »Intelligenz im Prinzip des Offenen« wurde gegen die Gewalt der Abschottung und Bestimmung getauscht und über Generationen derart verzerrt dargestellt, dass der moderne Mensch heute allgemein der Ansicht ist, das »Chaos« sei das Gegenteil von Ordnung, die Emotionen hätten keinen strukturellen Sinn im Gegensatz zum rationalen Verstand und die Kreativität sei lediglich eine Methode zur Dekoration industriell vorgefertigter Welten und nicht die Grundlage lebender Organismen.
Der einfache Mensch, der nicht Adel war, oder eingeweiht, ging früher und geht auch heute noch durch eine ständige Erfahrung von Angst und existenzieller Bedrohung, die meist nicht von der Natur, sondern vom jeweiligen Herrschaftssystem ausgeht, die jene ablehnt, die in sich freier und »natürlicher« Ordnung folgen und ihnen vorwirft somit Gefahr für das Zivilisierte, das Wahre, das Geordnete zu sein. Wer keinen Job hat, ist nicht Teil der Ordnung, somit das Äquivalent eines »Wilden«, was auch immer ein Wilder, eine Wilde sein soll, ja welch dümmliche Vorstellung hier unhinterfragt reproduziert wurde. Somit galt es für den »normalen« Menschen eine Entscheidung zu treffen. Zwischen der Realität, in der ein Mensch sich in der scheinbar wilden Natur selbst begegnet, also authentische Emotionen, Gedanken und Wahrnehmungen hat und den vorgefertigten Erwartungen. Verschüttet wurde, was nicht domestiziert ist, somit den eigenen Schatten und Untiefen und einer Realität begegnet, die den König eben nicht milde stimmte, weil es diesem nicht das Gefühl gab, er hätte die Dinge in der Hand, wenn das Volk abweichende Emotionen, Gedanken oder Erkenntnisse hat. In Folge der Landreformen beispielsweise und dem Verbot sein Vieh überall weiden zu lassen, oder im Wald frei zu jagen, tauschte die JägerIn, die BäuerIn ihren Bogen, ihren Pflug gegen das Reagenzglas der Wissenschaft oder gegen den industrialisierten Job. Die Nützlichkeit wurde extern definiert und nicht mehr selbst erlebt. Diese Entfremdung ist sicherlich bereits von vielen, wie Karl Marx beschrieben worden und doch blieb das Gegenmodell, welches die Nützlichkeit im scheinbar Unnützen beschreibt, weitgehend verborgen. Denn die Welt der kreativen und offenen Räume, als Grundlage von Welt und Universum, konnte im Herrschaftsmodell der Objektivität nie zu anerkanntem Wissen werden. Dies zeigte sich auch im Kolonialismus und vielen anderen Machtstrukturen, die ich hier nur streifen kann, denen ich nicht immer im Detail und in der Komplexität gerecht werde.
Der Realitätsbegriff orientierte sich aber sehr oft an der künstlich geschaffenen Realität des Objektes, des materiellen Dings, des Empires und die Beziehung, in der das Wissen über die Vergewaltigung, das Unrecht, die Zerstörung der Ökosysteme steckte, blieb verschollen.
Für ein besseres Leben und den Verlust an Wissen über die Untiefen des eigenen Unbewussten, der eigenen Emotionen und inneren Bedürfnisse, entschied man sich für den »Fortschritt«. Diese vermeintlich bessere Ordnung jedoch blieb stets objektive Behauptung und alle Abweichung davon wurde im Bereich des Subjektiven, dort wo der Mensch noch wild und nicht berechenbar, darum für die Zivilisation wertlos ist, vergraben. Wertlos, weil der Wert dieses Wissens vielfach in der Geschichte zur Revolte geführt hätte, also zur Infragestellung der von oben definierten Realität, die stets im Widerspruch zur Realitätserfahrung der Leute stand. Die Erschaffung des besseren Lebens wurde als Objekt zum Fortschritt, der den Leuten stets verkauft, stets vorgesetzt wird und sich als Ordnungsgeber immer demokratischen Prozessen entzieht. Über den Fortschritt selbst wird nie frei entschieden, weil die Bevölkerung dadurch breites Wissen erarbeiten würde, mit sehr vielen Abweichungen und schließlich dahinter käme, dass der Urschmerz, der ganze Apparat, der einem heute sagt, das eigene Erleben sei nichts wert, in Schule, in Universität, in Wirtschaft, letztlich nur dazu diente die Entdeckung der individuellen, der konkreten Realität zu verhindern und die Simulation von vordefinierter Wirklichkeit zu stabilisieren. Auch heute gibt die Industrie vor, was die Zukunft ausmachen wird und dies wird nicht in offenen Prozessen behandelt, in denen die Bevölkerung gefragt wird, was sie wirklich will, wie sie die moderne Technologie wirklich erlebt, was diese mit ihr macht, wie sie auf die Gesellschaft wirkt. Selbst was notwendig ist, um überhaupt zu wissen was man will, bleibt im Dunkeln. Der freie Wille ist bis heute im Bezug zu Ordnungen der Natur kaum verstanden und scheint dennoch die behauptete Grundlage der westlichen Welt zu sein.
Natürliche, emotional geprägte Ordnungen, wie Familiensysteme oder lokale Loyalitäten zerfallen, als Folge des sich Abwendens vom authentischen Beziehungserleben. Das Objektive, die Vermarktung des Glücks ist hier die Entmündigung des Menschen in der Lebenserfahrung, weshalb es, wo die industriell vorgefertigte Realität des Arbeitsmarktes beispielsweise dominiert, auch keine Solidarität mehr gibt. Denn Solidarität stünde den Massenprodukten, der Massenarbeit im Wege, kämen dadurch schließlich abweichende Erfahrungen von Fortschritt, von Glück und Unglück ans Licht. Das Marketing hat die Solidarität ermordet, und gegen die Dinge ersetzt, die keine Beziehungen, keine Emotionen, keine Wahrnehmungen haben, sondern schlicht fertige Produkte sind. Die KonsumentIn lebt in vorgefertigter Erfahrung, in dessen Einhaltung sie durch den Kauf unbewusst einwilligt. Der Mangel an tatsächlicher Befriedigung, durch den Widerspruch zwischen Objekt und Sein, soll zu weiterem Kaufverhalten anregen. Niemals aber gelangt die KonsumentIn zur Forderung nach gelebter Beziehung. Versucht sie dies, richtet sie diese Erwartung an die Industrie, begegnet sie nicht nur im übertragenen Sinne einem automatischen Anrufbeantworter, für die man selbst nur Masse, also eine von Millionen KundInnen ist.
Verloren ging seitdem menschlicher und ökologischer Lebensraum und ein erhebliches Ökosystem.
Aber wo ist diese andere Ordnung, die den Menschen befreit? Wenn ich diese Frage stelle, entsteht sofort der Eindruck es müsse eine »Ordnung« sein, wie sie im Objektiven begriffen wird. Also ein eindeutiges Muster. Eine Klarheit. Hier gilt es grundlegend umzudenken. Ordnung war nie Ordnung. Klarheit war nie Ordnung. Ordnung ist nicht, wenn die Dinge in Reih und Glied stehen, sondern Ordnung ist Beziehungsfähigkeit. Und diese existiert nicht in den Objekten, sondern in deren Zwischenräumen, um es vereinfacht zu sagen. Darum kann Ordnung als Begriff niemals lebendige Ordnung abbilden. Ordnung ist also nicht etwas was hilft die Welt zu definieren, sondern nur der Verweis auf Intelligenz. Dann aber ist Ordnung zunächst die Frage wie mit dem Nicht-Objekt umzugehen ist, welches sich der Definition entzieht und nicht durch die Definition überwunden, ersetzt oder gar kontrolliert werden kann. Dann ist Ordnung im bürokratischen Sinne Anarchie gegenüber den Lebendigen, ja radikale Beziehungsverweigerung.
Die Neuentdeckung der Realität, als die eigentlichste humanitäre Geste, ist die Akzeptanz, dass die Ordnung von den offenen, kreativen und nicht kontrollierbaren Bezügen ausgeht und nicht von den Objekten und deren Grenzen. Die Objekte sind nicht das Gegenteil der Beziehungen, sondern die Objekte sind untereinander nur Spiegelungen und Polaritäten, die als Antworten zu sehen sind, auf das Nicht-Objekt. Ordnung und Schöpfung sind im Verhältnis zwischen Objekt und Nicht-Objekt zu erleben und Realität kann fortan nicht mehr dort definiert werden, wo es nur Objekte in der Formel gibt. Dies hat nicht nur physikalisch erhebliche Konsequenzen, wie ich noch ausführen werde, sondern bedeutet einen völlig anderen Umgang mit den Armen und Unterdrückten, den Entrechteten und Verfolgten, ja all jenen die abweichen und deren Ordnung bisher keinerlei Legitimation besaß, weil es nicht nach etablierter Klarheit aussah, sondern mit Dunkelheit assoziiert wurde, oder mit dem noch nicht perfekten, nicht fertigen.
Was ich in den nächsten Seiten versuchen will, ist nicht der Weg zurück in den Wald. Sondern die Reintegration intelligenter Systemstrukturen, eine Öffnung zwischen Objekt und Beziehung, die nicht zu den Magiern vergangener Zeiten führt, sondern zu einem echten Verständnis der sozialen, kreativen, geistigen und materiellen Notwendigkeiten eines lebendigen Organismus. Es geht darum, die Frage nach der Realität neu zu stellen und von der Politik zu fordern, sich dieser zu öffnen.
Die moderne Naturwissenschaft vermag die Welt ohne das Leid zu konstruieren und darum werden die sozialen, ökologischen und politischen Verwerfungen darin nicht ausreichend beschrieben, integriert und nicht als Auswirkung erkannt. Nur darum ist Burnout, Kinderarbeit sowie Umweltverschmutzung überhaupt möglich. Der große Teil des Unrechts, der Brutalität menschlicher Existenz ist objektiv nicht beweisbar und Tyrannei ist immer in der Lage Unrecht mit Hilfe der Objektivierung als legal darzustellen. Obwohl heute zunehmend mehr Menschen ein tiefes Unbehagen bezüglich der wirtschaftlichen und politischen Strukturen haben, ist es ihnen nahezu unmöglich dieses in objektiver Weise zu präsentieren, wodurch überall Ohnmacht und Gewalt herrscht. Der Status, das Objekt genügt sich selbst, kann die Realität auch ohne die komplexe Spezies Mensch konstruieren.
Die Naturwissenschaft sollte um die Beziehung als »Rendezvous mit dem Offenen« und somit um das Erleben (die Qualia) des Menschen als anzuerkennenden Realitätsraum erweitert werden. Damit gemeint ist nicht die empirische Betrachtung oder eine weitere Verdinglichung des Bewusstseins, sondern der Umgang mit der »Nicht-Objekthaftigkeit« der Welt, aus dem heraus lebende Organismen an ihren kreativen und sozialen Entstehungsgrenzen von der Erwartung abweichen und nicht berechenbar sind. Diese ungenauen, offenen, dunklen Zustände sind keine Fehler, sondern hier zeigen sich, wie ich aufzeigen will, intelligentere Systemstrukturen, die in der Projektion des Bürgertums schlicht zu Unrecht und im Sinne der Eliten entwertet wurden. Die Ordnung jenseits der Objekte ist nicht die primitive Ordnung, weil nur das Objekt real ist, das Andere, Magie, Illusion oder subjektive Befindlichkeit, sondern sie ist die wesentlich komplexere Ordnung, die bisher bewusst fehlgedeutet und falsch vermittelt wurde, weil dies Herrschaftsstrukturen erst möglich macht. Probleme wie Umweltzerstörung, soziale Unruhe, wirtschaftliche Schwäche hängen wesentlich mit den objektivierten Herrschaftsstrukturen in Wirtschaft und Politik zusammen. Man kann diese nicht mit Gewalt zerstören, ohne wie sie zu werden, aber es ist denkbar, ihnen die Deutungshoheit über die Realität zu nehmen.
Das Gute ist das Ding. Das Böse ist die Beziehung, die sich in den Verhältnissen zeigt, in den Wechselwirkungen, Schatten und Auswirkungen. Davon kann stets nur das Individuum berichten, aber nur der Institution und der institutionalisierten Sprache wird zugehört.
Bisher hatte das Individuum nur zwei Möglichkeiten. Subjektiv zu sein oder objektiv zu werden. Die Realität wurde stets zwischen diesen zwei Größen definiert. Diese Achse ist eine einseitige Aufforderung, der Mensch möge Objekt werden und sich schämen, subjektiv zu sein.
Bevor ich zu den Grundlagen einer anderen Physik komme, welche zu einer intelligenteren, humaneren Politik führt, möchte ich neue Qualitäten der Definition von Realität einführen, die ich in Anlehnung an die integrale und systemische Forschung »Integralität« nenne. Damit ist nicht der klassische, integrale Ansatz gemeint, der schlicht alles integriert und dabei der Konkretheit des Situationsgerechten oft nicht nahe genug kommt, somit auch wieder abstrahiert, was den Menschen passiv gegenüber dem »Alles« erstarren lässt. Sondern in meiner persönlichen Vorstellung von Integralität ist vor allem eine Dreiteiligkeit der Perspektiven, im Gegensatz zu einer dualistischen Betrachtung zwischen Subjekt und Objekt gemeint. Sämtliche dualen Kriterien einer Information, als Qualitäten einer Realität, wie die Vorstellung von Genauigkeit oder Ungenauigkeit, Perfektion oder Unperfektion werden erweitert und darin entlarvt, dass sie nichts »Abschließendes« über die Realität aussagen und die Realität sich durch sie nicht im Sinne des Menschen, sondern nur im Sinne der Objekte abbilden lässt.
Auch geht es nicht darum die Perfektion anzustreben, eine Eigenschaft die nur Objekte erfüllen können, sondern Erfahrungen damit zu sammeln, wie es ist im Unfertigen, im Offenen Realität zu akzeptieren, ja diese manchmal diffuse Erfahrung als Wirklichkeit zuzulassen, statt sie ständig als ein »noch nicht« oder »zu wenig« zu beschneiden, weil man die Ordnung darin schlicht noch nicht versteht, da es sich dabei nicht um ein fertiges Produkt handelt, heute aber nur das fertige Produkt ein realer Faktor ist. Die großen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse unserer Zeit bilden sich nicht als Fertigkeiten ab, sondern als Mysterien, als die Spitze von Eisbergen. Das Mysterium des Terrorismus. Die Frage woher der Hass kommt. Das Mysterium der wirtschaftlichen Verwerfungen. Umgehen können politische Systeme aber nur mit klaren Weltbildern, weshalb sie diese im Zweifel behaupten, um dominieren zu können und somit die eigentlichen Geschehnisse ins Dunkle verdrängen. Somit entsteht der Eindruck der Realität nicht gerecht werden zu können, ja von ihr dissoziiert zu sein und nur noch in einer Gesellschaft der Schlagwörter zu leben.
In einer unfertigen Welt nützt die klassische Wissenschaft in vielerlei Hinsicht oft wenig und es bedarf viel mehr der Fähigkeit unmittelbar zum Ausdruck zu bringen, was sich gerade zeigt, es im Offenen sehen, beschreiben, erleben zu können, damit man sich nicht durch sterile Methodiken des Verstehens vom Verstehen abschneidet. Es gilt die Politik der Schlagworte zu überwinden. Durch diese werden weder Konflikte richtig begriffen, noch Chancen erkannt. Ganz besonders wird der Mensch dadurch nicht Teil des Weltgeschehens, sondern bleibt außen vor.
Im Objektiven, im Fertigen, werden Probleme und Lösungen als etwas betrachtet was voneinander getrennt und gegensätzlich ist. Im Erleben jedoch ist das Problem oft etwas, was auf eine Weise erlebt wird, die eine Lösung von außen absurd erscheinen lässt. Denn im Problem liegt auch ein Empowerment, darf es aus sich selbst herausgelöst werden. Dafür muss aber die Definitionshoheit des Problems bei denen bleiben, die unmittelbar betroffen sind. Will ich überhaupt, dass mir geholfen wird? Heute wird wieder schnell nach denen gerufen, die vermeintlich genau wissen, was los ist. Das Politische muss aber in komplexen Welten, in denen sich nur die Spitzen von Eisbergen zeigen, in der Lage sein, eine Frage über längeren Zeitraum auszuhalten, ohne sofort eine Lösung zu fordern. Auch darum bedarf es anderer Kriterien als Objekt oder Subjekt, als Richtig oder Falsch. In lebendigen Systemen schafft Objektivität nur neue Probleme, weil das Unfertige ein Merkmal der Realität ist und kein Makel des Realitätsbegriffs. Dies zu ignorieren, hält zwar Machtstrukturen stabil, weil diese von behaupteten Lösungen leben, aber hält das reale Erleben der Bevölkerung unter der Oberfläche, wo es brodelt und zu neuen Krisen führt.
In dieser neu gefassten »Integralität« statt »Objektivität« tritt die erlebte Beziehung und das Erleben selbst, als Grundlage von Realität in den Vordergrund, mit dem sich die Objektivität als rein pragmatisches Mittel der technologischen Konstruktion oder des Objektbezuges neu integriert.
Die Objektivität war immer ein duales Gegenmodell zur Subjektivität und wird wie gesagt dem breiten Realitätserleben der Spezies Mensch nicht gerecht, weil wir keine in sich abgeschlossenen Objekte sind, sondern in der Lücke, im Nicht-Objekt verbunden. Was das genau bedeutet, wird später noch klarer werden.
Ebenso wenig taugt der Begriff der Intersubjektivität. Viel mehr ist ein sowohl als auch angebracht, um dynamische und lebendige Systeme neu verstehen zu können. Das Denken in Paradoxien, aus denen das Universum in vielerlei Hinsicht besteht, braucht eine Erweiterung des Denkens. Eine Befreiung vom Ideologischen, welches mit Paradoxie nicht umgehen kann. Der Vorstellung das beide Seiten recht haben könnten. Das die eine Reaktion die andere bedingt. Auch politischer »Realismus« kann dies nicht auflösen, sondern neigt stets zu weiterer Verdinglichung und Simplifizierung der Zustände, was die Konflikte nur überspielt, um selbst souverän zu erscheinen.
Mit Integralität und integralitärer Betrachtung ist wie gesagt das konkrete Erleben einer Beziehung, eines Bezuges gemeint, in dem sich im Gegensatz zu »Objekt-Subjekt« keine polare Struktur, sondern eine Dreiecksbeziehung aufzeigt. Die Beziehung ist nie nur dual und dazwischen eine Lücke, sondern viel mehr Schnittpunkt von drei Perspektiven oder Kräften. Schon darin sehen Sie, dass die klassischen Ordnungsprinzipien unserer Gesellschaft, zwischen den politischen Lagern links und rechts, hier keinen Bestand mehr haben, sprich neu integriert und geordnet werden. Die Objekt-Realität und deren Ordnung wird radikal durch andere Achsen der Realitätenmechanik ersetzt.
In der Integralität zeigt sich die Realität in einem Dreieck zwischen Erleben, Definition (Weltbild, Ding) und »freiem« Willen (Motivation, Ich). Es wird dadurch eine wesentliche Beziehungsarchitektur im Aufbau von Realität sichtbar. Das Subjekt steht nicht außerhalb der Realität, sondern bedingt diese. Es gilt nicht das Subjekt zu überwinden, sondern die Verdinglichung des Individuums, um die Bezugsachsen in ihrer Dynamik erlebbar zu machen.
Bedenken Sie, allein, dass in der Objektivität, das was jemand will, überhaupt nicht vorkommt und wie eine Situation erlebt wird, keinerlei Relevanz hat, um zu verstehen welch erhebliche Bedeutung ein neuer Realitätsbegriff auf der Basis von Integralität hätte.
Dies mag für Sie vielleicht als soziologisches Spiel einen Sinn ergeben, aber Sie mögen vermutlich noch nicht glauben, dass die Realität im physikalischen Sinne Begriffe wie »Wille« oder gar »Erleben« integrierbar macht. Das ist ein Irrtum. Ganz im Gegenteil. Wie ich noch aufzeigen will, ist, was wir als freien Willen bezeichnen nur die Repräsentanz von grundlegenden physikalischen Mechanismen, die aber bisher nicht verstanden werden konnten, weil das Universum des »Nicht-Objektes«, weil es nicht objektiv messbar ist, nicht von der Methodik der Physik erfasst werden konnte. Darum tut sie sich mit intelligenteren Denkmustern sehr schwer, die Kreativität als Grundlage implizieren und »Fehler« nicht als Makel betrachten, auf der Suche nach dem perfekten Ding und dessen Gesetzen. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wird hier die Physik durch Ansätze der Kunst zu intelligenteren Antworten geführt. Das ist für viele sicherlich ungewohnt.
Wie das folgende Bild darstellt, ergibt sich die Realität nicht mehr aus objektiver Betrachtung versus Subjektivität, sondern in einer ganz neuen und viel breiteren Beziehung. Diese ist nicht willkürlich, sondern beruht auf Naturgesetzen, die ich später noch ausführen werde und die sich nicht durch Messung erschließen, sondern durch eine reifere Form von Logik.
Phänomene wie Terrorismus, Armut oder Wirtschaftskrise werden durch Integralität erst in der Tiefe erfassbar, als die Dynamik von unterschiedlichen Realitäten. Geistes- und Naturwissenschaft kommen wieder zusammen, ohne dabei zur Metaphysik zu werden, sondern zu einer völlig neuen Kombination.
Für die Politik entsteht hier eine Methodik der integrierten »Problem-Lösungs Verschränkung«, damit die Situation aus sich selbst heraus Antworten entfalten kann, weil was »gewollt« ist und wie »erlebt« wird und integriert, statt vorgefertigte Antworten auf simplifizierte Problemfragen zu stülpen, die dann beispielsweise von der Gegenseite abgelehnt werden, bis der Druck derart zunimmt, dass Realität in einem versachlichten, verobjektivierten Kuhhandel umgesetzt wird, in dem meist beide Seiten verlieren. Dann geht es um mehr Land hier oder dort, um mehr Rechte hier oder dort, aber die Tiefenschichten bleiben verborgen, die Realitäten der Leute werden ausgeklammert und eben nicht als Chance zu einem emergenten Neuen integriert. Dies sollte aber jenseits des Politischen eben auch als physikalische Realitätenmechanik begriffen werden, um legitimiert zu sein.
In der Integralität geht es nicht darum, dass diese drei Achsen Wille, Objekt und Erleben den Raum schließen, damit man darin dann genau sagen kann, dass es sich um Realität handelt, sondern sie dienen dazu, den Raum offen zu halten. Die Integralität ist letztlich nicht die Abrundung der Welt, sondern der Versuch eine Brechstange in ein Wurmloch zu klemmen, damit dieses offen bleibt. Die Realität schwebt dann, wenn ich es im übertragenen Sinne bildlich ausdrücke, in einem leeren Raum und bildet sich nur in der Verschränkung dieser drei Achsen. Was will ein Mensch? Was ist gewollt? Wie sind die Objekte definiert und wie wird der Moment erlebt? Alle drei sind, bis auf das Objekt vielleicht, sehr offene Räume, aber zusammen führen sie zu einer Konkretion von Realität, die es in der Objektivität nicht gibt. Diese ist abstrakt und leugnet die Relevanz von Willen und Erleben, für das Entstehen von Realität.
INTEGRALITÄT - WILLE, ERLEBEN, DEFINITION
Der Fixpunkt, über den ich bereits vor über zehn Jahren in »Gesellschaft ohne Vertrauen« schrieb, entsteht als Schnittpunkt, als Anker einer temporären, in die Welt integrierten Realität, die in eine größere Architektur oder Geometrie eingebunden ist. Warum eingebunden? Weil der Wille Ausdruck einer Polarität zwischen Identität und Objekt ist, somit der Wille an die Welt andockt. Das Erleben ist ein Feedback und das Objekt ist das Erschaffen. Spielen diese Drei zusammen, ist der Mensch nicht mehr fest verortet, sondern nach allen Richtungen offen und dennoch Ausdruck der Welt. Der Mensch schreibt sich durch den Willen in die Welt ein und da dies ohne Erleben nicht geht, schreibt sich auch die Welt in den Menschen ein. Somit sind sie ein gemeinsames Ganzes. Eine enge Beziehung und somit eine Ordnung. Dies ist nicht nur ein psychologisches Moment, sondern reicht viel tiefer bis in die Entstehung von Atomen, Energie oder Raum und Zeit. Was sich im Psychologischen als Muster zeigt, ist nur eine Repräsentanz tiefer liegender Bezüge, die sich auch in physikalischen Abläufen spiegeln.
Nun vergleichen Sie meine Definition von »Wille« mit der Definition von Wille in der Demokratie und Sie werden sehen, wie viel primitiver und verschwommener das Verstehen in der Politik ist. Dabei möchte ich das Demokratische stärken und nicht schwächen. Mir geht es um eine Öffnung der Institutionen und ihrer Haltung gegenüber der Willensbildung, als noch immer weitgehend unverstandenem Prozess. Der Wille in der Politik ist aus jedem Kontext gerissen und künstlich konstruiert. Dies zeigt sich in der Methodik der Demokratie. Der Wille ist zu einem Abstimmungsverhalten verkommen, ohne ein lebendiger Prozess zu sein, der tief schöpft und individuell tatsächlich Unterscheidung erarbeitet. Wenn »Wille« etwas ist, woraus Welt direkt vom Individuum gebaut wird, ja nur vom Individuum persönlich erforscht werden kann, warum dann kommt man auf die Idee den Willen zu bündeln, zu kollektivieren und bei Wahlen zu sammeln, in denen der individuelle »Willen« abgegeben wird, weil scheinbar nur durch Angleichung des individuellen Willens die Welt auf zivilisierte Art gestaltet werden kann. Nein, es ist wichtig, dass der individuelle Wille konkret, in Einklang mit dem tatsächlichen Erleben und der eigenen Definition der Verhältnisse vom Individuum erforscht wird und als das was es ist, nämlich konkretes Leben, in der Summe der gelebten Beziehungen zur Grundlage der Gesellschaft heranwächst. Sonst kommt es in der Beziehung Mensch-Gesellschaft unweigerlich zu Entfremdung und das Individuum weiß nicht mehr was es will, weil alles vorher fest definiert ist und das Feedback zwischen dem Ich und der Welt, als unmittelbares Erleben abgewürgt wurde. Wie soll da ein Kontakt zur Realität in einer Demokratie, in einem System entstehen? Begreifen Sie, wie hier gerade die Grundlagen jener Ordnung erarbeitet werden, die über Jahrhunderte von jenen verdrängt wurden, die immerzu behaupteten, das Leben müsse besser werden und Kreativität, Autonomie und Selbstbestimmung sei eine Schwäche und keine Stärke. Das »Bessere« war immer die Behauptung eines Lagers und nie integralitär gemeint. Das »Bessere« ist nicht demokratisch. Denkt man hier radikal um und entwickelt Strukturen auf der Ebene des Individuellen statt des Kollektiven, muss sich der Mensch nicht mehr gegen das »Chaos« der Natur behaupten, um Wirklichkeit zu beherrschen, um sie gestalten zu können, sondern kehrt wieder in eine unmittelbare Feedbackstruktur zurück, in der Realität als Kreislaufsystem in einen pulsierenden Lebensraum verstanden wird. Individualismus und Gemeinwohl sind dann kein Widerspruch mehr, sondern bedingen einander.
Jedem Willen folgt ein Erleben und eine Definition und aus der Definition ändert sich Erleben und es kommt zu Veränderungen des Willens. In der modernen Politik wird der Wille über Marketing konstruiert und manipuliert und das authentische Erleben spielt keine Rolle. Eine ArbeiterIn hat vordefinierte Wünsche, Absichten, Probleme, die abstrahiert und objektiviert werden. Man verhandelt im Parlament eine Abstraktion. Die Macht über die Deutung der Zustände hat nur eine Obrigkeit.