Die Schleier der Salome - Eric Berg - E-Book

Die Schleier der Salome E-Book

Eric Berg

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Beschreibung

Ein opulenter historischer Roman über das außergewöhnliche Leben einer faszinierenden Frauengestalt.

Es ist einer der dunkelsten Tage Judäas! Aufgrund einer Weissagung lässt König Herodes alle männlichen Kinder des Landes ermorden. Es ist auch der Tag der Geburt von Prinzessin Salome. Trotz der blutigen Vorzeichen wächst die Prinzessin behütet im Palast ihres Großvaters auf und setzt durch, dass sie entgegen aller Traditionen am Unterricht durch die Rabbiner teilnehmen darf. Sie träumt von einem Leben jenseits des goldenen Käfigs und kämpft für die Rechte der Frauen. Doch die Zeiten sind unruhig, Gerüchte von einem Messias machen die Runde. Am Hofe herrschen Intrigen und Neid. Und als sie sich verliebt – eine verbotene Liebe, die sie geheim halten muss –, ist nicht nur ihr Ruf, sondern auch ihr Leben in Gefahr ...

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Buch

Es ist einer der dunkelsten Tage Judäas! Aufgrund einer Weissagung lässt König Herodes alle männlichen Kinder des Landes ermorden. Es ist auch der Tag der Geburt von Prinzessin Salome. Trotz der blutigen Vorzeichen wächst die Prinzessin behütet im Palast ihres Großvaters auf und setzt durch, dass sie entgegen aller Traditionen am Unterricht durch die Rabbiner teilnehmen darf. Sie träumt von einem Leben jenseits des goldenen Käfigs und kämpft für die Rechte der Frauen. Doch die Zeiten sind unruhig, Gerüchte von einem Messias machen die Runde. Am Hofe herrschen Intrigen und Neid. Und als sie sich verliebt – eine verbotene Liebe, die sie geheim halten muss –, ist nicht nur ihr Ruf, sondern auch ihr Leben in Gefahr …

Autor

Eric Berg zählt seit vielen Jahren zu den beliebtesten deutschen Autoren und begeistert Kritiker und Leser immer wieder aufs Neue. Neben seinen erfolgreichen Kriminalromanen überzeugt er als Eric Walz mit opulenten historischen Romanen wie seinem gefeierten Debütroman »Die Herrin der Päpste«.

Historische Romane von Eric Berg / Eric Walz

Die Herrin der Päpste · Der Schleier der Salome · Die Giftmeisterin · Die Sündenburg · Die Sternjägerin

Glasmalerin Antonia Bender: Die Glasmalerin · Die Hure von Rom · Der schwarze Papst

Die Porzellan-Dynastie: Die Blankenburgs · Das Schicksal der Blankenburgs

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Eric Bergals Eric Walz

Der Schleier der Salome

Historischer Roman

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Copyright © 2009 by Blanvalet, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Umschlaggestaltung und -motiv: Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com (Corri Seizinger, e55evu) LH ˑ Herstellung: sam E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN: 978-3-641-30251-1V001

www.blanvalet.de

Für Christian

Prolog

An dem Abend, an dem die Frau geboren wurde, die von ihrem Volk sowohl bewundert als auch gehasst, von Propheten bekämpft und in den Schriften verachtet wurde und die ihrem Land eine letzte, kurze Blüte inmitten des Zerfalls bescherte, empfing König Herodes eine für ihn wichtige und höchst erfreuliche Botschaft.

»Die Kinder sind tot.«

»Alle?«

Der Offizier zögerte einen Moment, die Antwort kam ihm nur schwer über die Lippen. Doch ein Blick seines Königs ließ ihn die Sprache schnell wiederfinden. Er schluckte. »Alle.«

Stille breitete sich im Großen Saal der Festung Masada aus. Niemand von der königlichen Familie rührte sich. Nur das Licht der Fackeln zuckte, von den Wänden reflektiert, im Raum umher.

Herodes legte den Kopf in den Nacken, als versuche er, Widerspruch und Verrat im Raum zu wittern. »Schön«, sagte er schließlich. »Gut gemacht. Damit ist die Gefahr gebannt, die von dem unbekannten Säugling ausging.«

»Ja, mein König«, bestätigte der Offizier zähneknirschend. »Der Messias ist tot.«

Herodes drückte seinen wuchtigen Körper ruckartig aus dem Thronschemel hoch. »Der Feind der Königreiche ist tot«, brüllte er den Mann vor ihm an. »Niemand hat von einem Erlöser gesprochen, vom Messias. Die Prophezeiung meines Sternendeuters besagte, dass …«

Herodes keuchte. Er griff sich an den massigen Unterleib und an die Brust, dann setzte er sich wieder und schickte den Offizier aus dem Raum. »Heute«, fuhr er leiser fort, »ist ein Feind des Königreiches geboren worden, und zwar irgendwo auf dem Weg des wandernden Sternes, den wir seit einigen Tagen auf der Strecke zwischen Masada und Bethlehem am Himmel sehen. Deshalb mussten alle Säuglinge auf dieser Strecke sterben.«

Archelaos, Herodes’ ältester Sohn, beobachtete, dass niemand Anzeichen von Entsetzen oder Traurigkeit über diese grauenhafte Nachricht vom vielfachen Kindesmord zeigte. Er war mit den Gewohnheiten an diesem Hof und im Umgang mit seinem Vater Herodes nicht vertraut, da er erst vor wenigen Tagen hierher zurückgekehrt war, nachdem er neun Jahre in Rom erzogen worden war. Dort herrschten Recht und Ordnung. Kaiser Augustus regierte das Imperium mit strenger Hand, aber umsichtig. Was für ein Gegensatz war dazu Judäa: Ein Massenmord an Säuglingen! Archelaos war der Schreck ins Gesicht geschrieben. Mit seinen dürren, zittrigen Fingern hob er den Weinkelch zum Mund und trank hastig.

»Was schaust du so dämlich?«, fragte Herodes. »Hat man dich in Rom verhätschelt? Oder passt dir irgendetwas nicht?«

Archelaos bemerkte, dass sein Vater ihn argwöhnisch beäugte. Es war gefährlich, das Misstrauen des Königs zu erregen. Archelaos’ ältere Brüder waren schon vor Jahren wegen nie bewiesener Gerüchte über Verschwörungen hingerichtet worden, und er selbst könnte leicht der Nächste sein, denn er hatte noch drei jüngere Brüder, die bereitstanden, seinen Platz als Nachfolger auf dem Thron des Heiligen Landes einzunehmen. Also riss er sich zusammen und spülte seinen Schrecken mit einem weiteren Schluck Wein hinunter. Wie üblich beruhigte ihn der Rebensaft schnell. Er hörte auf zu zittern und schaffte es sogar, seinen Vater anzulächeln.

»Nein, Vater. Ich war nur überrascht. Das ist alles.«

»Es war nötig, den Befehl zu geben«, erklärte Herodes. »Ein König hat die oberste Pflicht, seine Herrschaft zu sichern. Nichts anderes. Vernachlässigt ein König diese Pflicht, ist sein Leben keine Drachme wert. Der Feind der Königreiche war mein Feind. Unser aller Feind. Darum musste er sterben, bevor er gefährlich werden konnte. Ich habe es für meine Söhne getan, vor allem für dich, Archelaos, denn du bist jetzt der Älteste.«

Archelaos fühlte sich unwohl, da sein Name mit dem Mord an kleinen Kindern in Verbindung gebracht werden sollte. Was, wenn sich das bis zu seinen Freunden in Rom herumspräche? Die würden ihn für einen Barbaren halten und niemals wieder einladen.

»Nicht wahr, ihr alle seid mir dankbar für meine Weitsicht?«, gellte Herodes und blickte in die Gesichter seiner Söhne, die unterschiedlicher nicht sein konnten.

Archelaos konnte mit keinem seiner Brüder etwas anfangen, wie er nach seiner Ankunft festgestellt hatte. Antipas war trotz seiner erst achtzehn Jahre bereits dick und unförmig und beugte häufiger den Rücken vor seinem Vater als die Sklaven. Er war ein Widerling. Philipp wiederum, mit fünfzehn der Jüngste, war blass und schweigsam wie eine Figur aus Elefantenholz, und seine matten Augen spiegelten die ganze Humorlosigkeit seines Wesens wider.

Im Vergleich zu ihnen, fand Archelaos, war er der Einzige, der den Titel Prinz verdiente.

»Moment«, rief Herodes. »Einer von euch fehlt. Alle meine Söhne sollten hier sein, um mir zu danken und sich mit uns zu freuen. Archelaos, wo ist Theudion?«

Archelaos war froh, dass sein Vater endlich ein anderes Thema gefunden hatte. Es lag ihm nicht, lange über ernste Dinge zu reden. Bei den Reichen und Edlen in Rom gab es ein Spiel, wonach derjenige, der als Erster ein ernstes Thema zur Sprache brachte, drei Becher Wein nacheinander und ohne abzusetzen trinken musste. An den hunderten geselligen Abenden war ihm diese Strafe nur ein einziges Mal auferlegt worden. Jemand hatte ihn gefragt, welche Späße es am Jerusalemer Hof gebe, woraufhin er in ein allzu langes Lamento über die Freudlosigkeit des dortigen Hoflebens verfiel. »Früher war mein Vater ein lustiger Mensch«, erklärte er seinen Freunden, »der jede Woche wenigstens zwei Feste gab, und alle seine Kinder durften bis spät in die Nacht daran teilnehmen, so jung sie auch waren. Meine Familie machte Ausflüge, zum Beispiel zu den blühenden Gärten Jerichos, wo ich und meine acht Geschwister Faltern nachjagten und auf Ölbäume kletterten, oder zum See Genezareth, wo mein Vater Herodes selbst, bis zu den Knien im Wasser stehend, Netze auswarf und Fische fing. Doch eines Tages ließ er meinen ältesten Bruder auspeitschen und befragte ihn nach einer angeblichen Verschwörung. Obwohl mein Bruder nichts zu sagen wusste, peitschte man weiter und weiter. Bis er starb. Und danach war nichts mehr wie vorher. Unser Leben wurde eng und …«

»Haha, verloren«, unterbrach einer seiner Freunde lachend. »Du musst drei Becher Wein trinken. Du warst zu ernst.«

Er trank sie, und danach gewöhnte er sich schnell an die römische Art zu leben, an Wein und Heiterkeit und lange Nächte, die ihn alles Gemeine und Schlechte vergessen ließen. Er sprach nie mehr über Jerusalem.

Und jetzt, wo er sich wieder bei Hofe befand und seinen Vater ständig sah, hätte er am liebsten die Augen geschlossen, die Hände auf die Ohren gepresst und sich vorgestellt, im Kreis der lustigen Senatorensöhne zu sitzen. Das Leben an diesem Hof machte ihn ganz krank.

Archelaos ergriff schnell die Möglichkeit, über seinen Bruder Theudion zu reden, und gewann ein wenig seine natürliche Heiterkeit zurück. »Ja, hast du es denn vergessen, Vater?«, schmunzelte er. »Theudion läuft wie ein Besessener durch die Gänge, krank vor Sorge, und sein Gesicht ähnelt mehr denn je dem eines Geiers, ganz eingefallen, nur die riesige Nase ragt unerschütterlich hervor. Ich habe ihn eben noch gesehen, kurz bevor wir uns hier wegen … nun ja«, beendete Archelaos seinen Redeschwall.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Herodes mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Wovon redest du, Kindskopf? Und hör auf zu grinsen, das ist ja nicht auszuhalten.«

Archelaos trank einen weiteren Schluck Wein. »Theudions Frau, deine Schwiegertochter, Herodias … erinnerst du dich nicht?«

Herodes sah angestrengt aus, so als fiele es ihm schwer, sich an Herodias zu erinnern. Sein Gedächtnis ließ merklich nach, und seine Familie war groß: Kinder aus neun Ehen, zahlreiche Schwiegerkinder, Neffen, Nichten, Enkel, Großneffen, Schwägerinnen … Fast jedes Jahr kam ein neues Mitglied hinzu und ein anderes ging. Frauen wurden geheiratet und wieder in die Wüste geschickt, Leben und Tod feierten gleichermaßen ihre Feste am herodianischen Hof, und selbst Archelaos hatte Mühe, diese vielen Namen und Nasen auseinander zu halten.

»Was ist mit ihr?«, fragte Herodes ungeduldig.

»Sie liegt im Kindbett.«

»Im …« Herodes stockte der Atem. Er stemmte sich langsam aus dem Thronschemel. »Heute? Wieso erfahre ich das erst jetzt?«

Archelaos versuchte, dem Blick standzuhalten. Was hatte er denn nun schon wieder falsch gemacht? Es war schwierig für ihn, sich den plötzlich wechselnden Launen seines Vaters anzupassen. Aus Unsicherheit antwortete er auf die Weise, die er aus Rom kannte – mit einem Scherz.

»Herodias ist Monate lang mit einem Bauch herumgelaufen, als habe sie drei Bälle und eine Gans verschluckt, und du, Vater, hast es nicht bemerkt?«

Herodes blies die Backen auf. »Dass sie heute niederkommt, das, du bartloser Dummkopf, habe ich nicht gewusst. Weißt du denn nicht, was das möglicherweise bedeutet? Keiner von euch?« Sein Blick blieb auf Antipas haften. »Du auch nicht?«

»Vielleicht, Vater«, antwortete Antipas zögerlich, »wenn du es uns erklären würdest …«

Antipas krümmte unter dem Gebrüll des Herodes den Rücken wie unter einem Peitschenhieb.

»Das werde ich auf der Stelle tun«, schrie Herodes. »Folgt mir.«

Theudion blickte hinaus in die Nacht. Das Salzmeer, in dem kein Fisch und keine Pflanze leben konnte, lag ausgestreckt wie eine Leiche vor ihm. Er hasste dieses tote Gewässer. Helles Mondlicht reflektierte vom Gestein des Berges, auf dem die Festung Masada erbaut war, und verlieh dem Wasser einen rötlichen Schimmer. Die Sterne des Firmaments glitzerten auf der spiegelglatten Oberfläche.

Und doch war das Salzmeer nichts anderes als eine Verlängerung der Ödnis, von der es umgeben war – und ein Symbol für die tödliche Macht des Herodes. Denn sein Vater hatte in den dreißig Jahren als König von Judäa an den Ufern des Salzmeeres einen Gürtel von Festungen errichtet, von denen Masada die größte war, die gewaltigste und unbezwingbarste, ein Manifest seiner Herrschaft. Die Mauern ragten fünf Mann hoch unmittelbar vor dem Abgrund auf, so dass von dort niemand eindringen konnte. Nur ein einziger Pfad wand sich den Berg hinauf, so schmal, dass nicht einmal zwei Esel nebeneinander gehen konnten. Jahr um Jahr waren die Gesteinsblöcke von Tieren und Sklaven hinaufgeschafft worden, jeder Einzelne eine Herausforderung und Gefahr. Tausend Kamele, Pferde und Menschen waren den steilen, hundert Meter hohen Felsen hinuntergestürzt, bevor ganz oben der letzte Stein gesetzt war. Masada nannte sich Festung, es war jedoch eine Stadt nur für Herodes, eine Anlage mit Sälen, Hallen und Gärten, Türmen und Lagerräumen sowie mit Quartieren für Hunderte von Soldaten. Mit erbitterter Kraft war der Berg besiegt worden. Man riss ihn innerlich auf, schlug riesige Quader aus ihm heraus, bohrte tiefe Löcher in ihn hinein und nutzte diese Wunden nun als unterirdische Getreidesilos und Brunnenschächte. Masada konnte nicht ausgehungert werden und nicht verdursten, und seine Mauern konnten nicht stürzen. Masada ließ jeden zurückschrecken, der diese Festung bekämpfen wollte, aber es ging das Gerücht um, dass der Berg sich eines Tages für die erlittenen Qualen rächen werde.

Da Theudion seinen Vater hasste, hasste er auch Masada und das Tote Meer. Warum musste sein ersehntes erstes Kind ausgerechnet hier das Licht der Welt erblicken?

Herodias’ Schreie klangen einsam, noch war kein Sohn da, der sie im Schreien ablöste. Theudion konnte es kaum abwarten, ihn auf dem Arm zu halten. Gott, es musste ein Sohn werden. Er würde bei ihm alles anders machen, als es in seiner eigenen Kindheit gewesen war und bis heute anhielt. Neunzehn schreckliche Jahre! Sein Junge sollte eine glücklichere Jugend erleben, dafür wollte er sorgen und um das hatte er den Herrn gebeten.

Schritte hallten durch die Gänge heran. Noch bevor Theudion sehen konnte, wer sich ihm näherte, spürte er seinen Vater. Wie immer in solchen Augenblicken zogen sich seine Organe zusammen, und sein Herz klopfte heftig.

Die gewaltige Gestalt seines Vaters stand vor ihm, die Familie im Gefolge.

»Nun?«, fragte Herodes.

Theudion wunderte sich über das Interesse seines Vaters; ein ›Nun‹ war mehr, als man erwarten konnte. Nicht einmal bei der Geburt seiner eigenen Kinder hatte Herodes – wie in anderen Familien üblich – im Vorraum gewartet, sondern er war anderen Beschäftigungen nachgegangen. Manchmal, so die Gerüchte, schlief er bei einer Frau, wenn eine andere gerade in den Wehen lag. Und jetzt dieser Aufwand für ein Enkelkind?

»Sie hat es noch nicht überstanden«, berichtete Theudion.

»Weiß man schon das Geschlecht des Kindes?«

»Woher soll ich das wissen? Es ist jedem Mann verboten, die Geburt zu stören.«

Herodes ging ohne ein weiteres Wort an Theudion vorbei und öffnete die Tür, die zum Geburtsraum führte. Er ignorierte ebenso Theudions Proteste wie auch die entsetzten Mienen der Ammen und Helferinnen. Ein Mann, noch dazu der Schwiegervater, gehörte nicht hierher. Doch wer konnte es wagen, dies auszusprechen! Einige der Frauen warfen Decken über die schamhaften Stellen der werdenden Mutter.

Herodias blieb nur der Moment eines Lidschlages, um zu erfassen, dass ihr Schwiegervater, ihr Gemahl, ihr Schwager und noch einige mehr sie bei der Geburt beobachteten, dann wurde sie erneut vom Schmerz gepackt und wölbte schreiend ihren Körper hoch.

»Du beleidigst Herodias«, rief Theudion und stellte sich vor Herodes, um ihm die Sicht zu erschweren, doch dieser Versuch schlug fehl. Theudion war dünn wie sein Bruder Archelaos, wenn auch aus anderem Grund. Während Archelaos fast nur Wein zu sich nahm und deshalb ausgemergelt wirkte, ernährte Theudion sich vorwiegend von geistiger Nahrung. Er las täglich etwa sechs Stunden in den heiligen Schriften und versenkte sich morgens, mittags und abends je eine Stunde ins Gebet. Gegen seinen Vater wirkte er wie eine Ziege vor einem alten Elefanten. Das Einzige, worin er seinen Körper mit dem von Herodes messen konnte, war die Länge und Dichte des schwarzen Bartes, der Wangen und Kinn vollständig bedeckte.

Herodes schob ihn einfach zur Seite. »Mach dich nicht lächerlich«, brummte er. »Ich habe schon weitaus verführerischere Weiber als deine Frau gesehen.«

Antipas dachte anders darüber, denn er sah zum ersten Mal eine nackte Frau. Er schob sich, unbemerkt von den anderen, die nur für den Zwist zwischen Vater und Sohn Augen hatten, nahe an das Bett der Herodias heran und starrte sie an. Ihr Gesicht gefiel ihm nicht, denn es war feucht, aufgedunsen und gerötet von den Qualen der Geburt, Brust und Bauch waren mit Laken bedeckt. Anders die Arme, sie waren weiß und glatt und wurden zu beiden Seiten von Ammen gehalten, als wären sie an ein Kreuz geschlagen. Und die Schenkel, so prall und …

Plötzlich packte Theudion ihn am Kragen und zerrte ihn zur Seite. »Du Kröte! Hast du keine Ehrfurcht vor meinem Weib?«

»Was Vater darf, darf ich auch.«

»Antipas«, rief Herodes ihn zur Ordnung, woraufhin Antipas den Rücken krümmte. »Ja, Vater?«

»Du hast mich doch vorhin gefragt, warum die bevorstehende Niederkunft der Herodias mich interessiert. Nun will ich es dir sagen, euch allen sagen.« Herodes’ linker Arm beschrieb eine weit ausholende Geste, während sein rechter langsam unter sein Gewand schlüpfte. »Die Prophezeiung besagt, dass heute ein Feind der Königreiche geboren werde.«

»In Bethlehem«, stimmte Antipas ein.

»Nein, nicht ganz.«

Eine Frau trat aus dem Pulk des Gefolges hervor: Akme, die Schwester des Königs. Als sie ihre Hand hob und damit Herodes’ bärtige Wange streichelte, klimperten ihre schweren goldenen Armreife, um die sie von den anderen, weiblichen Mitgliedern der herodianischen Familie beneidet wurde. Sie lächelte Herodes mit jenem Ausdruck an, den er offenbar schätzte und den andere an ihr fürchteten. Hatte sie nicht ebenso gelächelt – so ging das Gerede –, als sie ihrem Bruder die angebliche Verschwörung seiner ältesten Söhne zutrug und ihnen damit die Schlinge knüpfte? Als sie einige der Frauen des Königs der Verbannung in die Wüste zutrieb? Nie war jemand dabei, wenn sie ihr Netz webte, und gerade darum war sie allen unheimlich.

Was sie diesmal zu sagen hatte, konnte allerdings jeder der Anwesenden unterschreiben. »Niemand hier versteht, worauf du hinauswillst, Herodes. Deine Sorge um das Königreich, die Prophezeiung, die Kinder von Bethlehem, dein Befehl, das alles konnten wir noch nachvollziehen. Warum wir nun jedoch hier bei deiner Schwiegertochter stehen …«

Ein langgezogener Schrei der Herodias unterbrach Akme und lenkte die Aufmerksamkeit für einen Augenblick wieder auf die Tatsache, dass jeden Augenblick ein wunderbares Ereignis stattfinden würde.

»Es ist so weit«, rief eine der Ammen, und sofort lief jede der Frauen los, um die nötigen Hilfsmittel herbeizuholen. Der Geruch von Blut klebte in der Luft.

Langsam und sorgfältig, als säße er zu Gericht, erklärte Herodes: »Der genaue Wortlaut des Astrologen besagt, dass der Feind zwischen Bethlehem und Masada geboren wird. Er könnte also auch hier zur Welt kommen.«

Sein rechter Arm löste sich aus den Falten seines Gewandes, und seine Faust hielt einen Dolch umklammert, den Herodes zur Sicherheit immer bei sich trug. Wie ein Wind zog nun ein vielstimmiges Aufheulen durch den Raum, ein Gemisch aus Angst, Schrecken und ungläubigem Entsetzen.

Theudion rührte sich einige Augenblicke lang nicht von der Stelle, dann stürzte er sich auf Herodes, doch dieser warf ihn zurück und befahl Antipas, seinen Bruder festzuhalten.

Herodes beugte sich zum Gesicht seiner Schwiegertochter hinunter, die ihn mit großen Augen anstarrte. Der Schmerz erfasste immer wieder ihren Leib, sie versuchte, Worte zu formen, die ihr in der Kehle stecken blieben, und sie warf ihren Kopf auf dem Kissen hin und her wie ein stummes, heftiges Nein.

»Solltest du einen Knaben gebären«, raunte Herodes ihr zu, »so ist er des Todes, bevor er den ersten Atemzug machen kann.«

Herodias rang nach Luft. Ihr Unterleib schien zu zerreißen, ihr Kopf zu zerspringen. Auf ihren Lippen spürte sie den Atem des Herodes.

»Wenn es hingegen ein Mädchen ist, so soll es leben, denn eine Frau kann niemals das Königreich bedrohen. Bemühe dich also, Herodias, dass es ein Mädchen wird. Bemühe dich um deinetwillen.«

»Du bist ein Verbrecher«, schrie Theudion. Seine Augen waren wie glühende Kohlen. »Ein wahnsinniger Mörder. Ich hasse dich, Herodes, alle Welt hasst dich.«

In diesem Moment stieß Herodias einen gewaltigen Schrei aus, um gleich darauf zu verstummen. Kurz danach ertönte ein zweiter Schrei. »Es sind zwei Kinder«, rief die Amme. »Gelobt sei Gott.«

Herodes beugte sich steif über seine Schwiegertochter. Schließlich trat er einen Schritt auf die Amme zu, die die Neugeborenen, in eine Decke gewickelt, auf dem Arm hielt. Schweigend schlug er die Decke zurück. Seine Hand krampfte sich um den Dolch.

Nachdem Herodes mit seiner Gefolgschaft wieder im Thronsaal war, schritt er die Wandmosaike ab, die im flackernden Licht all das lebendig werden ließen, was er in seinem Leben erreicht hatte. Da war sein Schlachtensieg über die vor ihm herrschende Hasmonäerdynastie, die er mit Stumpf und Stiel ausrottete, um seine eigene Herrschaft zu manifestieren. Gleich daneben sein Treffen mit Kaiser Augustus auf Rhodos, nach dessen Sieg über Kleopatra. Herodes war zuvor mit der ehrgeizigen Königin vom Nil verbündet gewesen, wechselte nach deren Niederlage jedoch bedenkenlos die Seite, um einer Eroberung Judäas durch das Römische Imperium zuvorzukommen. Weitere Mosaike zeigten die Einweihung der Stadt Sebaste, eine von vielen Gründungen, die den neu erworbenen Reichtum Judäas verkörperten; weiterhin die Anlage riesiger Gewürzhaine bei Jericho, deren Duft nicht nur über das halbe Land zog, sondern auch römischen Kaufleuten gefiel. Gleich daneben der Ausbau der gigantischen Festung Masada, in der sie sich jetzt befanden, mit dem Land zu Füßen, das Gott den Juden zugewiesen hatte. Und schließlich das Beste und Vollkommenste, das er geschaffen hatte: der Tempel des Einen Gottes, der wie die Pyramiden der heidnischen Ägypter für die Ewigkeit gebaut war. Der Tempel war das Herz und die Seele der Juden – ihr Kopf war er selbst, Herodes. Alles geschah nach seinem Willen.

Der heutige Tag war ein Beispiel dafür. Er hätte die männlichen Nachkommen Theudions ohne Zögern getötet, doch das war nicht nötig geworden. Eines der Kinder, ein Junge, war bereits blau und kalt zur Welt gekommen. Das andere, ein Mädchen, war kränklich und schwach.

»Es wird später schwierig sein, sie zu verheiraten«, brummte er und blickte dem Säugling in die Augen. »Sie hat etwas Glanzloses.«

»Gib sie mir zurück«, forderte Theudion.

»Einen Moment noch. Ich werde ja wohl meine Tochter im Arm halten dürfen.«

»Ich bin der Vater.«

»Ich weiß, dass du das glaubst. Aber ist dir nie der Gedanke gekommen, dass Herodias und ich …«

Theudion erbleichte. »W-was sagst du da?«, stammelte er.

Herodes lachte und lachte. »Ein Scherz, mein Sohn. Wie kann jemand, der so widerspenstig ist wie du, immer wieder auf meine Scherze hereinfallen? Du liest zu viele fromme Bücher, sage ich dir. Das vernebelt den Geist.«

Theudion knirschte mit den Zähnen und nahm das Mädchen seinem Vater aus den Armen.

»Übrigens«, fügte Herodes hinzu. »Ich will, dass sie nach meiner Großmutter benannt wird.«

»Nein«, erwiderte Theudion trotzig und schickte sich an, den Saal zu verlassen.

»Du wirst sehen, dass es nach meinem Willen geht, wie immer. Sie wird nach meiner Großmutter benannt werden. Sie wird Salome heißen.«

Als Theudion verschwunden war, ließ Herodes sich auf einen Schemel sinken. Er war bester Laune, wie immer, wenn er einen Sohn getroffen und besiegt hatte. Er wusste genau, was jetzt in Theudion vorging – Fromme waren allzu leicht zu durchschauen. Gott, so dachte Theudion, hatte ihm den ersehnten Knaben vorenthalten, weil er, Herodes, diesen sonst ermordet hätte. Obwohl er den Knaben nicht angerührt hatte, würde Theudion ihm die Schuld an dessen Tod geben. Oh, wie sehr würde der Hass auf ihn wachsen! Und wie oft würde das Mädchen vorgeworfen bekommen, dass es überlebt hatte, während der Bruder elend zugrunde gegangen war! Was für eine Zukunft konnte ein derart kränkliches und unerwünschtes Kind schon haben?

Er schickte sein Gefolge und die Familie hinaus, außer seiner Schwester Akme, die stets an seiner Seite blieb. Dann ließ er seinen persischen Astrologen kommen. »Wie lautet das Horoskop für meine jüngste Enkelin?«, fragte er ihn.

Der alte dunkelhäutige Mann in seinem nachtblauen Gewand trat vor den König und hielt ihm ein Pergament vor, auf dem Punkte und wirre Linien gezeichnet waren. »O König, mächtige Gestirne stehen zu dieser Stunde miteinander im Wettstreit. Ich deute Stärke und Zorn, List und Vernunft, Widerstand und Hingabe, doch ich kann nicht erkennen, welche Seite obsiegen wird. Sie wird zerrissen sein und Zerrissenheit bringen. Sie ist zu Großem geboren, doch mächtige Gegenkräfte stemmen sich gegen sie und könnten sie zu Fall bringen. Sie wird Unruhe erzeugen. Ihr schlimmster Feind ist sie selbst.«

Herodes lehnte sich zurück und blickte seine Schwester amüsiert an. »Endlich mal wieder eine typische Herodianerin.«

Erster Teil: … und schütte Deinen Zorn über sie

ERSTER TEIL

… und schütte Deinen Zorn über sie

1

Durch den Königspalast zog ein leichter Wind, der nach Frühling roch, und Salome lugte, nachdem sie die Gemächer ihrer Eltern verlassen hatte, zwischen zwei Säulen hindurch in den zartblauen Morgenhimmel. Von welchem Gang, welcher Säulenhalle und welcher Balustrade des erhöht stehenden Palastes man auch blickte, immer sah man in die Weite der Welt, und das gefiel Salome. Nach Norden, Süden und Osten dehnte sich die Stadt Davids und Salomos aus, die heute die Stadt des Herodes, ihres Großvaters, war: die Heilige Stadt Jerusalem. Aus der Menge der braunen und gelben Häuser ragten vereinzelt halbrunde Theater und ein ovales Amphitheater auf, ein Hippodrom, der Hügel Golgatha, die Festung Antonia und gleich daneben – alles überragend und gar nicht weit vom Palast entfernt – der Tempel des Einen Gottes, der in seinem weißen Marmor glänzte, als sei er aus Licht erbaut. Und diese ganze, wunderbare Stadt wurde von einer Mauer eingefasst wie ein Juwel von einem silbrigen Reif. Tausende Händler saßen am Rand der ungepflasterten Gassen und boten in großen Säcken ihre Waren feil: Weihrauch, Myrrhe und Zimt, Getreide, Feigen und Sharonfrüchte, Öl und Honig … An warmen Tagen zogen die Düfte bis zum Palast hinauf.

Nach Westen hingegen erstreckte sich die teils steinige, teils von Zedern bewaldete Hügellandschaft, die kein Ende zu haben schien. Von den Karten, die manchmal im Palast herumlagen, wusste Salome jedoch, dass sich irgendwo hinter diesen steinernen Wellen ein blaues Meer verbarg und dass sich an dessen Ufer Städte wie Perlen auf einer Schnur reihten, eine jede mit einem schöneren Namen als die andere: Askalon, Ashdod, Apollonia … Jeden Morgen verschwanden zwei oder drei Kamelkarawanen hinter den Hügeln, und nicht selten wünschte Salome, mit ihnen bis zum Meer reisen zu können.

Mehrere laute Trompetenstöße ließen Salome zusammenzucken. Nicht das Geräusch erschreckte sie, sondern seine Bedeutung. In diesem Moment wurde einem Lamm im Innenhof des Tempels die Kehle durchschnitten, sein Blut von den Priestern aufgefangen und der Altar damit bespritzt. Der Gedanke daran, dass eines der niedlichen Tiere, die sie auf Ausflügen in die Umgebung stets umarmte, vor Angst schreiend auf einem Marmorblock festgehalten wurde und in dem Moment verstummte, wo ihm der Schnitt … Ein weiterer Trompetenstoß erschallte. Sie hielt sich die Ohren zu, und als sie die Hände sinken ließ, hörte sie die Psalmgesänge der Gläubigen vom Tempel wie ein dunkles Murmeln herüberhallen.

Heute war passah, der Gedenktag zur Befreiung der Juden von der ägyptischen Knechtschaft. Jerusalem war voller Pilger, ebenso die Höfe des Tempels bis zu den Ausgängen. Aus ganz Judäa strömten die Juden herbei, auch aus Persien, Ägypten, Syrien und Armenien. Über der Heiligen Stadt trieb der schwere, modrige Gestank des Fettes, das den Lämmern entnommen worden war und nun in offenen Feuern verbrannte.

Salome verzog ein wenig den Mund. Diesen Teil des Feiertages mochte sie nicht. Erst heute Abend, wenn die große Familie zum Festschmaus zusammenkam, beschwingte Musik aufgespielt wurde, alle durcheinander redeten und Kinder wie sie mit kleinen Gaben beschenkt wurden, würde sie passah wieder mögen. Zwischen Mandelgebäck, ungesäuertem Brot, Fruchtmus und gedünstetem Huhn mit Datteln ließen sich die Geschenke genießen. Nur das gekräuterte Lamm rührte sie nie an, allem Drängen ihres Vaters zum Trotz.

Sie blickte sich um, sah aber niemanden. Herodes, der großen Versammlungen stets misstrauisch gegenüberstand, hatte fast seine gesamte Palastgarde auf die Straßen der Unterstadt geschickt, und die Familie und die Bediensteten nahmen zum großen Teil an den Zeremonien teil, so dass Salome sich ziemlich allein vorkam. Nur ihre Mutter hatte sich lustlos in ihre Gemächer zurückgezogen.

Doch das war kein Problem. Im Palast des Herodes gab es reichlich Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Da waren Fischteiche, deren bunten Bewohnern Salome stundenlang zuschauen konnte, Ölbäume zum Klettern, weite Säulenhallen und unheimliche, endlose Kellergewölbe zum Versteckspielen. Mit wem Salome sich die Zeit vertrieb, konnte sie vorher nie wissen. Sie streifte einfach durch die vielen Gänge und Hallen, bis sie ein anderes Kind traf. Ob es nun ein entfernter Vetter war, die Tochter eines Beamten oder der Enkel der alten Waschfrau, spielte dabei keine Rolle. Sie durchschaute die Familienverhältnisse und den unübersichtlichen, riesigen Palast nicht und hatte keine Ahnung, mit wem sie sich die Zeit vertrieb. Heute war es anders, denn sie traf auf Berenike, ihre liebste Gefährtin. Berenike war irgendwie mit ihr verwandt.

»Komm mit«, rief ihre gleichaltrige Freundin fast atemlos und zupfte sie am Ärmel ihrer Tunika. »Da vorne passiert etwas!«

»Was denn? Wo denn?«, fragte Salome erfreut, denn sie vermutete ein außergewöhnliches Ereignis, und die waren ihr immer die liebsten.

»Kann ich nicht sagen.« Berenike schüttelte betroffen den Kopf. »Du musst selber sehen.«

Salome rannte an der Balustrade entlang, so schnell sie konnte.

»Warte!«, rief Berenike und versuchte, ihr zu folgen. »Nicht so rasch, Salome. Du sollst dich doch nicht anstrengen.« Wie fast immer, mahnte sie vergeblich.

Als sie an einer Ecke angelangt waren, von wo aus sie einen besonders guten Blick auf den Tempel des Einen Gottes hatten, streckte Berenike den Arm aus und rief: »Da!«

Salomes Blick folgte der Richtung. Über dem Tor, das zum Inneren Bezirk des Tempels führte, hatte, seit Salomes Großvater König geworden war, ein bronzener Adler geprangt, doch nun waren drei Männer dabei, ihn mit schweren Hämmern und Schwertern zu zerschlagen. Sie schienen nicht in königlichem Auftrag zu handeln, denn ein Dutzend Wachen stürmte heran, und es kam zu einem kurzen Gefecht, bevor die Männer überwältigt wurden. Die Hälfte des linken Adlerflügels, eine Kralle und der Schnabel lagen zertrümmert am Boden, der Rest war nur noch ein Mitleid erregendes Überbleibsel der Größe und Macht, die der schwere, dunkle Vogel zuvor verkörpert hatte.

Salome war ein wenig enttäuscht. Wofür hatte sie sich dermaßen abgehetzt? Sie keuchte schwer, und alle paar Atemzüge musste sie kurz und trocken husten. Seit sie denken konnte, erging es ihr so, egal, was man dagegen unternahm. Die Ärzte mit den langen Bärten konnten ihr ebenso wenig helfen wie die Priester mit den noch viel längeren Bärten. Nicht anstrengen, nicht aufregen, das war das Ergebnis der Weisheit eines Dutzends Gelehrter. Ihre Eltern nahmen es hin. Als Prinzessin von Judäa musst du dich nicht anstrengen, und als Frau nicht aufregen, mahnte ihr Vater sie manchmal. Doch Salome wollte das Gegenteil. Sie wollte sich anstrengen, sie wollte sich aufregen. Sie hatte ein Recht darauf, und nur weil ihr dieses Recht von Gott oder sonstwem verwehrt wurde, war sie nicht bereit, darauf zu verzichten.

Die drei Männer wurden von den Soldaten abgeführt. Alles war viel zu schnell vonstatten gegangen, fand Salome, und schlimmer noch, sie verstand überhaupt nicht, was vonstatten gegangen war.

»Schön«, sagte sie und sah Berenike unschlüssig an. »Ein toter Vogel liegt nun noch toter am Boden. Und was jetzt?«

Berenike schüttelte die dunklen Locken, die Salome manchmal an die Garnrollen von Schneiderinnen erinnerten. Jedes Haar auf Berenikes Kopf schien seinen festen, vorbestimmten Platz zu haben, und Salome war froh, dass ihre eigenen schwarzen Haare viel zu dünn dafür waren, denn ihre Mutter hätte sie sonst ebenso herrichten lassen. So durfte sie sie nach hinten kämmen und dort mit einem farbigen Seidenband zusammenbinden. Am liebsten hätte sie die Haare zwar offen getragen, aber ihre Mutter meinte, dann würde sie noch elender aussehen als ohnehin, und verbot es.

»Das war nicht einfach ein Adler«, wusste Berenike zu berichten. »Mein Vetter Kephallion sagt, Großvater hat ihn dort aufhängen lassen. Der Adler versinn … versinnbild …« – Berenike versuchte angestrengt, sich an den genauen Wortlaut zu erinnern – »ver-sinn-bild-licht die römische Präsenz.«

Das mochte stimmen. Wann immer die Familie zum Mahl beisammen saß – jede Woche zum Ruhetag, dem shabbat, und an den wichtigsten anderen Feiertagen –, schwärmte Herodes von seiner Freundschaft mit dem Octavianus Augustus, dem Herrn des Römischen Imperiums. Dieser hatte die Dynastie des Herodes sogar ehrenhalber in die julische Herrscherfamilie aufgenommen, und einige seiner Verwandten stellten die Paten für Mitglieder der herodianischen Familie. Über formelle briefliche Höflichkeitskontakte gingen diese Patenschaften zwar nie hinaus, die symbolische Bedeutung war dennoch nicht zu unterschätzen.

»Mein Vetter Kephallion sagt außerdem«, erklärte Berenike weiter, »dass Herodes unser Land Judäa verrät, wenn er einen römischen Adler vor den Tempel hängt. Fast alle Juden hassen unseren Großvater deswegen, und auch, weil er sich in vielen Dingen nicht an die vorgegebenen Gebräuche unserer Ahnen hält. Wo wir hier wohnen, das ist kein jüdischer Hof, sondern eigentlich ein römischer. Und das ist nicht im Sinne unseres Herrn, sagt mein …«

Salome zog eine Grimasse. »Mein Vetter Kephallion, mein Vetter Kephallion. Immer dasselbe.«

Berenike senkte traurig den Kopf, und Salome tat es sofort Leid, dass sie ihrer Freundin wehgetan hatte. Wenn Berenike nur nicht ständig alles nachplappern würde, was sie von ihrem zwei Jahre älteren Vetter vorgesagt bekam.

»Jedenfalls«, meinte Salome, »ist das noch kein Grund, den schönen Adler kaputtzuschlagen.«

»Doch, der Adler ist eine bildliche Darstellung, und Darstellungen sind uns Juden von Gott nicht erlaubt worden, sagt mein … habe ich gehört«, berichtigte Berenike.

Hinter einer Ecke kam eine Gruppe Männer hervor, denen Herodes voranging. Offenbar hatte er wegen des Vorfalls die Zeremonien im Tempel verlassen. Der König musste sich auf einen Sklaven stützen, um bei seiner schweren Gestalt noch selbst gehen zu können. Er verzog schmerzhaft das Gesicht, biss die Zähne zusammen und kniff bei jedem Schritt die Augen zu. Nur die Kraft seiner Stimme hatte er noch nicht eingebüßt.

»Ich will, dass die drei Lumpen auf der Stelle hingerichtet werden«, rief er. »Sie sollen hängen, so dass es alle sehen. Keine Gerichtsverhandlung, das ist nicht nötig, denn ihr Verbrechen ist das schlimmste überhaupt und bedarf keines Beweises.«

Einer der Schreiber sah den König erwartungsvoll an.

»Hochverrat, du Narr«, schrie Herodes, sichtlich empört, dass er das schlimmste aller Verbrechen überhaupt benennen musste. »Was sie getan haben, war kein Anschlag auf den Tempel, es war ein Anschlag auf mich. Verschwörer allesamt, Abtrünnige, Eidesbrecher, Aufrührer …« Herodes unterbrach die Aufzählung der Eigenschaften der drei Zerstörer des Bronzeadlers und hielt inne. Fast hätte er die beiden Mädchen übersehen.

Mühsam humpelte Herodes einige Schritte zurück und baute sich vor Salome und Berenike auf. Er beugte sich zu den Mädchen hinab und richtete sich dann wieder auf. »Joazar«, rief er.

Der Hohepriester löste sich aus der Mitte der Gruppe und trat neben Herodes. Wie immer in solchen Momenten bildeten sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn. »Ja, mein …« Er räusperte sich, um weiterreden zu können. »Ja, mein König?«

Herodes sah den Hohepriester an, was diesen noch nervöser machte, und deutete fragend zu Salome und Berenike hin.

Jetzt verstand Joazar. »Oh, die mit dem Haarband ist deine Enkelin, Theudions einziges Kind. Und die mit den Locken ist die Enkelin deines verstorbenen Bruders, mein König.«

»Sie wird einst eine hübsche Frau werden«, bemerkte Herodes. Er ließ offen, welche von beiden Mädchen er meinte, doch die meisten konnten es sich denken. Berenikes Gesicht war wie aus Elefantenholz geschnitzt, auffallend hell, glatt und schimmernd, ihre Augen groß und zauberhaft, ihre Bewegungen schon in diesem zarten Alter frauenhaft anmutig. Salome hingegen sah immer aus, als habe sie gerade eine schlimme Krankheit überstanden. Ihr Haar schien auf dem Kopf festgeklebt, ihre Haut zeigte bisweilen rote Flecken, und ihre ganze Erscheinung wirkte unschön. Ihr Blick aus geröteten Augen flatterte meist unruhig umher, so dass es schien, sie wolle unsichtbare Schmetterlinge einfangen. Das Einzige, was die beiden Mädchen äußerlich gemeinsam hatten, war ihre etwas zu große, typisch herodianische Nase, deren Wurzel weit oben an der Stirn lag, und die schlanke Figur.

Herodes nickte zufrieden: »Wenn ich noch drei Jahre hätte, würde ich sie zur Frau nehmen.«

Hier hätte Joazar sofort protestieren müssen, denn nach mosaischem Gesetz waren Verbindungen mit Enkelinnen verboten. Den König jedoch kümmerte das mosaische Gesetz wenig, umso mehr kümmerte Joazar sein eigenes Leben, und er beschränkte sich daher auf ein kaum sichtbares Heben seiner Augenbrauen. »Und welche, mein König?«

Herodes lächelte, was in den letzten Jahren äußerst selten geworden war. »Diejenige, die weniger Ärger macht«, rief er, woraufhin die Männer einheitlich lachten. »Frauen sind nicht dazu gemacht, Ärger zu stiften. So würde ich also die mit den Locken nehmen. Sie ist vielleicht ein wenig zu vornehm, doch so sind Frauen nun einmal, wenn sie einen prachtvollen Körper haben. Die andere – das sehe ich auf einen Blick – ist wie ihr Vater. Die macht nur Kummer, die würde ich nicht wollen. Außerdem sieht sie unheimlich aus, findet ihr nicht? Als wäre etwas in ihrem Kopf nicht in Ordnung.«

Erneut brach die Gefolgschaft in Gelächter aus, das Herodes sichtlich genoss.

»Ich würde dich auch nicht wollen«, sagte Salome unbekümmert und verstand überhaupt nicht, weshalb die Miene ihres Großvaters sich plötzlich wieder verdunkelte.

»Du unverschämte Göre. Weißt du nicht, dass sich so eine Bemerkung nicht für dich geziemt?«

Salome kannte die Bedeutung des letzten Wortes nicht, wollte es aber vor Berenike, die so viele Begriffe wusste, nicht zugeben. Daher antwortete sie diplomatisch: »Ich habe nur dasselbe getan wie du, Großvater. Das kann doch nicht falsch sein.«

Einige Männer lachten nun auch über diese Bemerkung, und das brachte Herodes noch mehr auf. Er zog Salome an ihrem Ohr heran und rupfte ihr mit der anderen Hand an den Haaren. »Da siehst du, was bei uns mit vorlauten Frauen gemacht wird. Ich sollte dir deine hässlichen dünnen Haare abscheren lassen und …«

Herodes hielt plötzlich inne, krümmte sich und fasste sich an den Bauch. Durch sein Gewand drang Blut. »Das Geschwür ist wieder aufgeplatzt«, rief Joazar und winkte den Arzt herbei. »Bringt den König in den Schlafraum. Rasch.« Salome wurde zur Seite geschubst. Die Beamten ließen Pergamente und Federn fallen und stützten den König, manche riefen Befehle, andere stoben davon. Herodes krallte seine Hände in die Schultern und Arme derer, die ihn so vorsichtig wie möglich auf die weißen Kacheln des Palastbodens legten. Er war jetzt kaum noch Herr seiner Stimme, doch schließlich brachte er einige verkrampfte Laute hervor.

Während Berenike ängstlich zurückwich, trat Salome näher an den König heran. Sie sah, wie sein Blick in alle Richtungen flackerte und der Mund Worte zu formen suchte. »Ich … ich will … «, stammelte er in das Durcheinander um ihn hinein. Joazar hielt sein Ohr dicht an sein Gesicht und wich im nächsten Moment wieder zurück. Mit einer Urgewalt, die ihm in diesem Moment niemand zugetraut hätte, rief der König: »Richtet die drei Verschwörer hin. Sofort. Sie sollen sterben, bevor ich selbst sterbe.« Dann kamen Sklaven mit einer Trage und brachten Herodes fort.

Salome und Berenike sahen den Männern nach, die zwischen Säulen und Pilaster verschwanden. Schnell wurde es wieder friedlich, und nur das Gezwitscher der Vögel erfüllte die Frühlingsluft.

»Er tut mir Leid«, sagte Berenike mit belegter Stimme. »Wir sollten für ihn beten.«

Salome wunderte sich über dieses Mitleid. Alles, was sie bisher bei ihrem Großvater erlebt hatte, waren Wutausbrüche, Flüche und Trunkenheit. Außerdem, so hatte sie erfahren, hätte er sie beinahe umgebracht, damals, kurz nach ihrer Geburt, und die Vorstellung, dass der dicke, jähzornige Mann bereits den Dolch über sie gehalten hatte, machte ihn in ihren Augen nicht sympathischer. Alle Menschen hatten Angst vor ihm, die Familie, die Priester, die Diener und das Volk, einfach jeder. Nur ihr Vater nicht, der Herodes widersprach, wo er konnte. Für Theudion gab es nur die Thora, das Buch Gottes, die ihm Licht und Luft war. Kein Geld und kein Mensch und nicht einmal sein eigenes Leben bedeuteten ihrem Vater so viel wie die Worte des Herrn, die er in sorgfältig zusammengelegten Schriftrollen in einer schweren Truhe aufbewahrte.

»Ich werde nicht für Großvater beten«, entgegnete Salome und fragte seufzend beim nächsten Atemzug: »Was wohl aus den drei Männern wird, die den Adler abgeschlagen haben?«

»Sie werden aufgehängt«, erwiderte Berenike. »Das ist die Strafe für Hochverrat, sagt mein Vetter Kephallion.«

Salome sah Berenike ebenso verwundert wie verärgert an. »Wieso weiß Kephallion so viele Dinge und ich nicht?«

»Er bekommt Unterricht.«

»Den will ich auch.«

Berenike kicherte amüsiert. »Du bist doch kein Junge, Salome. Nur Jungen bekommen Unterricht von den Rabbinern. Das ist« – Berenike überlegte scharf – »Tradi … Tradition.«

Salome kniff die Lippen zusammen, bis sie bleich wurden.

»Das werden wir ja sehen«, rief sie und rannte davon.

Zur gleichen Stunde lag Herodias auf der römischen Marmorbank und nippte bei jedem Atemzug an dem Wein, auf dessen Oberfläche weiße Rosenblüten schwammen. Sie stützte ihren Kopf in die rechte Hand und betrachtete abwechselnd die Spiegelungen im Wein, die verschönernde Arbeit der Sklavin an ihren Füßen und den polierten Glanz des Marmorbodens. Sie hatte schon vor geraumer Zeit alle Webteppiche aus dem Gemach entfernen lassen, obwohl Theudion, ihr Gemahl, diese als jüdische Handwerksarbeit sehr schätzte. Doch ihr waren sie zu rustikal, zu gemein. Sie war doch keine Beduinenfrau oder Krämersgattin, sie war eine Prinzessin von Judäa!

Ihr Blick fiel auf eine Stelle an der Wand, und sie fragte sich, ob sich nicht genau dort ein großer, silberner Wandteller gut machen würde, vielleicht mit einem Spiegel darin. Doch selbst wenn, dachte sie und seufzte leise, die Summe, die Theudion für ihren Unterhalt von seinem Vater bekam, reichte hinten und vorne nicht.

Sie leerte den noch halbvollen Kelch in einem Zug und schluckte auch die drei Rosenblütenblätter hinunter. Hieß es in Ägypten nicht, Rosen könnten Schönheit verleihen? Sie versuchte, den Kelch auf dem kleinen Tisch neben der Bank abzustellen, doch ihr Arm war zu kurz, und so ließ sie den Kelch einfach fallen. Die Sklavin hob ihn auf, ohne dass Herodias ein Wort hätte sagen müssen. Herodias drehte sich auf der Bank herum und stützte den Kopf nun in die Linke.

»Ich war mit dem einen Fuß noch nicht ganz fertig, Herrin«, sagte die Sklavin.

In einem Tonfall, als sei sie kurz vor dem Einschlafen, antwortete Herodias: »Wen kümmern schon meine Füße? Es sieht sie ja doch keiner.«

»Sagtest du mir vor einigen Tagen nicht, Herrin, dass eine deiner Schwägerinnen dich heute besuchen wird?«

Herodias merkte auf. Tatsächlich, die Sklavin sprach die Wahrheit. Die junge Frau des Antipas würde heute ihren Anstandsbesuch bei ihr absolvieren. Sie stammte aus dem benachbarten Wüstenland Nabatäa, eine arabische Heidin also, sehr schön, doch ein wenig zu dürr, fand Herodias. Außerdem ließ ihr Geschmack, was Kleidung betraf, sehr zu wünschen übrig. Herodias erhob sich. »Lass das mit den Fußnägeln«, befahl sie der Sklavin. »Lege mir die blassgelbe Tunika und das mit Perlen besetzte Tuch heraus. Während ich mich anziehe, steckst du mir die Haare auf. Aber höher als sonst, hörst du?«

Beim Namen des Unaussprechlichen Gottes, sie würde ihrer Schwägerin zeigen, wer die schönste Frau des Palastes war. Es reichte schon, dass diese neue Wichtigtuerin größere Gemächer als sie bewohnte. Neun Räume, unglaublich! Dazu kam, dass die Beamten sie besonders untertänig behandelten und jeden ihrer Wünsche binnen Stunden erfüllten, während Herodias manchmal zwei Tage darauf warten musste. Dabei war dieses Weib eine Fremde und nur durch Heirat mit dem drittältesten Sohn des Herodes eine Prinzessin geworden, während sie schon von Geburt an zur herodianischen Familie gehörte und außerdem die Frau des zweitältesten Sohnes war. Die neun Räume hätten eigentlich ihr zugestanden, stattdessen musste sie sich mit sieben zufrieden geben.

Im Schlafgemach stellte Herodias sich vor das Spiegelglas und hielt sich das Kleid vor. Zarte Töne standen ihr besonders gut, denn ihre rosige Haut, ihr leicht rundlicher Körper und die seidig rotblonden Haare würden von kräftigen Farben nur unvorteilhaft erdrückt. Sie wusste, dass ein Kleid immer nur ein Diener sein sollte, dazu erschaffen, die Schönheiten, Verlockungen und Rundungen ihres Körpers zu betonen. In dieser zartgelben, anschmiegenden Seide war sie für jeden Mann begehrenswert, und genau das wollte sie ihre Schwägerin wissen lassen. Rasch strich sie noch ein wenig von dem sündhaft teuren persischen Karmesin auf die Lippen, denn diese waren allzu schmal und bedurften eines deutlichen Akzents, und dabei übte sie mit ihren Kulleraugen den treuherzigen Blick, mit dem sie ihre Schwägerin empfangen würde.

»Was tust du da?«

Herodias wandte sich nicht zu ihrem Mann um, der unbemerkt hereingekommen war, sondern schenkte ihm nur einen Blick durch das matte Spiegelglas. »Ich nenne es Schönheit schaffen«, erklärte sie.

»Und ich nenne es Falschheit. Hör auf damit.«

Herodias’ Lippen zitterten. »Warum? Was soll ich denn den lieben langen Tag sonst tun, außer mich pflegen?«

»Du könntest mir einen Sohn schenken«, schlug ihr Theudion mit harter Stimme vor. »Dazu bist du offenbar nicht in der Lage – oder willens. Also hast du auch keine Schönheit verdient.« Er riss ihr das Gewand aus den Händen und trat mit seinen Sandalen darauf herum, bis es schmutzig und zerrissen war. »Jetzt kannst du es flicken, du wolltest doch etwas tun.«

Theudion setzte sich, ohne sie weiter zu beachten, an den Schreibtisch, nahm sich Pergament und begann zu schreiben, wie er es jeden Morgen bis zum frühen Nachmittag tat. Er beschäftigte sich mit nichts und niemand anderem als der thora. Die Abschrift, an der er derzeit saß, war seine vierundachtzigste.

Herodias hob das zerstörte Gewand auf und wischte damit ihre Tränen von den Wangen. Verlangte sie denn zu viel, wenn sie schön sein wollte? War es eine Sünde, sich Zufriedenheit zu wünschen? Und lag es denn an ihr, dass sie keine Kinder mehr bekam nach diesem grauenhaften Erlebnis bei Salomes und des toten Knaben Geburt? Am Tage begehrte sie nichts sehnlicher als ein weiteres Kind, um das sie sich kümmern konnte, das ihr ein wenig Abwechslung in den luxuriösen, aber immer gleichen Alltag des Palastes bringen würde, und in der Nacht, wenn Theudion auf ihr lag und sich mühte, wenn er ihr einen Klaps versetzte und »Streng dich an« rief, träumte sie von anderen Männern. Ganze Arenen voll von stämmigen, schamlosen, lüsternen Männern waren ihr im Schlaf bereits begegnet, und sie hatte sich unter ihrem Eindruck bisweilen dermaßen im Bett geräkelt, dass Theudion schon misstrauisch geworden war. Die Träume waren stärker als sie, sie konnte sie nicht kontrollieren. Mit einem Mann badete sie nackt in Wannen voll Gold und Perlen, mit einem anderen trieb sie es auf dem Thronschemel des Königs und mit einem dritten gar im Allerheiligsten, im Zentrum des Tempels, wo die Bundeslade stand, das Geschenk Gottes an die Israeliten. Das waren frevlerische Träume, gewiss, doch seit kurzem schämte sie sich ihrer nicht mehr. Sie waren ihre letzte Freude.

»Vater, Mutter«, rief Salome und stürmte in das Gemach hinein. »Ich weiß etwas, das euch interessiert, ganz bestimmt.«

»Wie du wieder aussiehst.« Herodias schüttelte den Kopf. Dass Salome sich nicht unwohl fühlte, so wie sie herumlief. Gewiss, sie konnte ja weder etwas für ihre Hautausschläge noch für die reizlosen Haare und den bei der geringsten Anstrengung auftretenden Husten, mit dem sie spätestens in sechs Jahren jeden Mann vergraulen würde. Aber wie Herodias immer sagte: Selbst einem Olivenstumpf kann man noch ein hübsches Kleid überziehen und damit Würde verleihen. Ihrer Tochter jedoch schien es gleichgültig zu sein, wie sie auf andere wirkte. »Deine Tunika ist verrutscht. Du hast auch die falschen Sandalen dazu an. Und das Seidenband hängt lustlos wie ein Trauerflor an deinem Haar herunter. Hat dich jemand in diesem Aufzug gesehen?«

»Berenike. Und Großvater.«

Herodias wechselte einen stummen Blick mit ihrem Mann. Seit Monaten stieg die Spannung, denn Herodes’ körperlicher Verfall war offenkundig, und es wurde gemunkelt, er verfasse beinahe wöchentlich ein neues Testament, in dem Fürstentümer, Paläste, Titel, Ämter, Schätze und vor allem der Goldreif des Königs munter vom einen zum anderen gereicht wurden. Herodes’ Erbe zu werden war ein Glücksspiel. Und nun das! Es ging dem Alten also wieder besser.

»Also«, fragte Theudion ungeduldig. »Was wolltest du uns erzählen?«

Salome schürzte leicht trotzig die Lippen. »Erst muss ich euch noch etwas anderes sagen. Berenike weiß viel mehr als ich, weil sie ihren Vetter Kephallion hat, der ihr andauernd neue Sachen erzählt. Ich will auch klug werden.«

Theudion runzelte die Stirn. »Wozu?«

»Um besser zu verstehen, was vorgeht. Um die Welt zu verstehen.«

»Ich erkläre dir die Welt: Dein Großvater ist ein gottloser Tyrann, der seine Familie und sein Volk unterdrückt. Mehr musst du nicht wissen.«

»Ich möchte mitreden können.«

»Mitreden! Wie stellst du dir das vor?« Er blickte sie ein wenig verächtlich an. »Wenn du etwas wissen willst, wende dich an Kephallion. Er gibt dir sicher ein paar Brocken seines Wissens ab.«

»Ich mag ihn nicht. Er ist kein netter Junge und stößt uns immer herum. Außerdem will ich keine Brocken. Ich will Unterricht an der Schule.«

Herodias lachte auf, als habe jemand einen Witz erzählt. Natürlich fand auch sie es für eine Frau unabdingbar, viel zu wissen, das Wichtige jedoch lernte man nicht von alten, verstaubten Lehrern, nämlich die Kunst der Schönheit, der Verführung und der Illusion, kurz, die Kunst, sich einen reichen, möglichst mächtigen Mann zu angeln.

Theudion fixierte seine Tochter mit Falkenaugen. »Es ist nicht Brauch, Mädchen an der Schule zu unterrichten.«

»Dann soll Großvater den Brauch ändern.«

»Das kann er nicht.«

»Ich könnte ihn fragen.«

Theudions Augen blitzten. »So weit kommt es noch, dass du mit dem Feind des Volkes zusammenarbeitest. Jeder untersteht den Bräuchen, auch du. So steht es in der thora, darum musst du dich fügen. Du musst dich sogar gern unterwerfen, ja, frohlocken musst du.«

Nach Frohlocken war Salome überhaupt nicht zumute. Sie grübelte einen Moment, dann sagte sie: »Wie soll ich die Bräuche befolgen, wenn ich sie nicht kenne? Um sie kennen zu lernen, brauche ich Unterricht wie Kephallion.«

Theudion öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Eine leichte Röte stieg ihm ins Gesicht. »Nein«, sagte er, »das musst du verstehen.«

»Ich verstehe es nicht«, beharrte Salome und stampfte mit dem Fuß auf. »Was ich weiß, sage ich dir nur, wenn ich Unterricht bekomme.«

Ruckartig stand Theudion auf und sprang mit einem Satz zu Salome. Er packte sie mit seinen dürren Händen an den Schultern und rief: »Niemals wieder wirst du in diesem Ton zu mir sprechen. Ich habe wahrlich genug Geduld mit deiner anmaßenden Art bewiesen. In etwas mehr als einem Jahr wirst du zwölf Jahre alt und dann im religiösen Sinne mündig sein, und da erwarte ich, dass du den Worten des Herrn folgst. Was du wissen musst, bringe ich dir bei, weitere Ansprüche hast du nicht zu stellen. Du bist« – er versuchte gar nicht erst, den Satz, der ihm auf der Zunge lag, zurückzuhalten – »du bist eben nur ein Mädchen. Gott weiß, dass ich selbst es gerne anders hätte.«

Nach diesen Worten wandte er sich wieder seiner Schreibplatte zu. »Und nun erzähle, was du erlebt hast«, fügte er mit wieder ruhiger Stimme hinzu.

Salome senkte den Kopf. Nach diesem Ausbruch ihres Vaters und der abgeschlagenen Bitte um Unterricht war ihr jede Lust vergangen, das Erlebnis in allen Farben auszuschmücken. Knapp berichtete sie: »Drei Männer haben den Adler am Tempel kaputtgemacht. Großvater hat befohlen, alle drei töten zu lassen. Dann ist er zusammengebrochen und hat geblutet.«

Theudion erhob sich langsam von seinem Schemel. Erneut tauschte er einen Blick mit Herodias, doch diesmal schienen sie verschiedene Gedanken zu hegen. »Es geht zu Ende mit ihm«, sagte Herodias mit großen, begierigen Augen.

»Ja, und der alte Tyrann will dieses Ende zu einem weiteren Fanal machen. Wie viele Menschen sollen noch unschuldig sterben, weil er sich verfolgt glaubt? Diese drei Männer haben nur ein kleines Verbrechen begangen. Sie verdienen den Tod nicht, ebenso wenig wie die Kinder von Bethlehem oder meine hingerichteten Brüder diesen Tod verdienten.«

Herodias berührte ihren Mann am Arm, um ihn zu beschwichtigen. Sie kannte seine Vorliebe für einen Eklat und wusste, dass ihnen diese Eigenschaft bisher nur Nachteile gebracht hatte. Warum wohl musste sie mit sieben Räumen vorlieb nehmen, während Antipas und seinem anmaßenden Weib zwei Räume mehr zur Verfügung standen!

»Das will er bestimmt nicht hören«, stellte sie fest.

»Niemand will das hören«, bestätigte er. »Umso wichtiger ist, dass es trotzdem jemand ausspricht.« Er schritt eilig zur Tür.

»Nicht, Theudion«, rief sie hinter ihm her. »Vielleicht stirbt er ja, bevor das Urteil vollstreckt wird. Du machst uns nur unglücklich. Bleib hier.«

Doch ihre Worte waren nur Luft. Theudion knallte die Tür hinter sich zu, und Herodias blieb zurück und ballte die Hände zu Fäusten. Sie legte den Kopf in den Nacken, atmete einige Male tief durch und stieß voller Wut und Verachtung die Luft wieder aus den Lungen. Dann sah sie ihrer Tochter in die Augen, die wie fast immer leicht gerötet waren.

»Er ist töricht, das war er schon immer«, sagte sie. Sie streichelte ihrer Tochter nachdenklich über die dünnen Haare und meinte schließlich: »Zum Glück hast du nichts von ihm, sonst wärst du nie auf den Gedanken gekommen, etwas, das jemand anderer von dir haben will, von dem, was du haben willst, abhängig zu machen.«

Das war wirklich schlau von Salome, dachte Herodias. Auch wenn es diesmal bloß um unnützen Unterricht gegangen war – ihre Tochter hatte vielleicht Talente, die bisher verborgen geblieben waren.

»In dieser Welt müssen wir Frauen zusammenhalten, Kleines. Wir haben nur wenige Möglichkeiten, und die müssen wir geschickt nützen. Männer erfüllen unsere Wünsche, und je mehr Männer wir haben, umso mehr Wünsche werden uns erfüllt.«

Salome lächelte sie mit einem Ausdruck an, als sei sie mit jedem Wort einverstanden.

Wie Schatten standen die vier Brüder in dem düsteren Raum und warteten auf den Tod ihres Vaters. Sie waren in ihre weiten Gebetsmäntel eingehüllt, wie es der Brauch vorsah, und bildeten zusammen mit den etwas abseits stehenden Würdenträgern der Beamtenschaft die chewra qadischa, die Heilige Gesellschaft, die nach alter Überlieferung den Sterbenden in seinen letzten Stunden begleitete und ihn nach seinem Tod zur Bestattung vorbereitete. Jenen Teil ihrer Aufgabe würden die Königssöhne freilich nur symbolisch übernehmen, die Bediensteten übernahmen die Arbeit.

Vier cohenim, Priester aus dem Tempel des Einen Gottes, standen an den Bettflanken und hielten die Kessel, aus denen der Rauch der Myrrhe quoll. Trotz dieses reinigenden Harzes erfüllte bestialischer Gestank, der einem kaum Luft zum Atmen ließ, das Gemach. Archelaos, Antipas und Philipp schützten sich mit feuchten Tüchern gegen die üblen Ausdünstungen des Geschwürs, das Herodes heute oder morgen umbringen würde. Nur Theudion hielt stand, so wie er es immer getan hatte: mit hoch erhobenem Kopf und vor der Brust verschränkten Armen.

»Herr, wir rufen dich um Hilfe!«, murmelte der alte Hohepriester abseits jeden Lichts in einer Ecke. »Du, der Beschützer, stelle dich nicht taub. Wenn du uns schweigend von dir weist, dann ist keine Hoffnung mehr. Höre uns, wenn wir dich rufen, wenn wir zu dir um Hilfe schreien und betend unsere Hände entgegenstrecken zum innersten Raum deines Heiligtums hin …«

Jeder der Brüder wusste, wie unsinnig das Gebet war. Natürlich glaubten sie alle mehr oder weniger an den Einen Gott und seine Kraft, doch mit dem Glauben des Herodes war es nicht weit her, und es hätte gewiss eines wesentlich frommeren Juden bedurft, um in einem solch hoffnungslosen Fall noch Rettung durch den Herrn zu erwarten. Hier betete niemand wirklich, hier zählte jeder nur noch die Atemzüge des Kranken.

»Herr, wir suchen bei dir Zuflucht; enttäusche uns nicht. Rette uns, wie du es versprochen hast. Erhöre uns, hilf uns schnell! Sei uns ein …«

Der Hohepriester verstummte, als er sah, dass Herodes den Kopf hob. Der König stützte sich auf seine Ellenbogen und richtete sich erstaunlich mühelos auf. Stirn und Wangen waren aufgequollen, und die Haut war aschgrau, fast transparent. Es war das Gesicht eines Menschen, der nicht mehr in diese Welt gehörte. Herodes ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass er noch lebte.

»Sind die drei Männer …« Er röchelte. »Sind sie hingerichtet worden, wie ich befohlen habe?«

Der Hohepriester trat einen Schritt zum Bett und verneigte sich leicht. »Sie wurden bei Sonnenuntergang hingerichtet.«

Herodes röchelte erneut. »Sie sollen die ganze Nacht am Galgen bleiben.«

Wie eine Klinge sausten Theudions Worte durch den Sterberaum. »Das ist verboten. Das Gesetz besagt, dass niemand über Nacht gehängt bleiben dürfe, um das Land nicht unrein werden zu lassen.«

Jeder der Männer wusste nur zu gut, wie Recht Theudion hatte. Er hatte das Gesetz Gottes und damit des Volkes Israel nach Wort und Sinn korrekt wiedergegeben. Aber keiner sprang Theudion zur Seite.

Herodes schien die ganze Kraft, die ihm geblieben war, in seine Stimme zu legen. »Sie bleiben, wo sie sind, bis sie verfaulen«, presste er hervor, dann fiel er auf das Kissen zurück. Mühsam sog er die stickige Luft ein, und es dauerte eine Weile, bis sein Atem den normalen Rhythmus wiederfand.

Theudion trat aus der Reihe seiner Brüder nach vorne und bedachte seinen Vater mit einem verächtlichen Blick. »Noch im Tod verschlingst du Leben, Herodes. Du stirbst, wie du gelebt hast. Als Scheusal.« Ohne eine weitere Geste an Herodes und die anderen zu verschwenden, drehte Theudion sich um und ging zum Erstaunen aller hinaus. Er hatte die chewra qadischa verlassen.

Herodes’ Atem ging schneller als zuvor. Einige Augenblicke verstrichen, ehe der König mit einer kleinen Bewegung seines Zeigefingers andeutete, einen Befehl geben zu wollen.

»Sofer«, rief er den amtlichen Schreiber mit seinem Titel herbei. Der Gerufene trat mit einer Tafel neben ihn und beugte sein Ohr zum Mund des Königs. »Neufassung meines letzten Willens«, diktierte Herodes, und das plötzlich gestiegene Interesse seiner Söhne bereitete ihm eine letzte Wonne. »Hinaus auch mit euch«, rief er. »Ihr könnt eure Gier morgen befriedigen.«

2

Die Sonne brannte heiß auf jene Anhöhe nieder, die sich wie eine Pyramide aus der Ebene südlich von Jerusalem erhob. Das Land war hier weit unfruchtbarer als in allen anderen Gegenden des Königreiches. Es gab keine Palmenhaine wie um Jericho, keine sattgrünen Weiden wie zwischen Joppe und Lydda und keine blühenden Gärten wie in Askalon oder Hebron. Kleine Sandwirbel tanzten über den kargen Boden, verschwanden und tauchten an anderer Stelle wieder auf, und trockene Winde heulten tags wie nachts die Hänge auf und nieder. Niemand wollte hier leben. Die Erde ernährte kaum die wenigen, ausgemergelten Bergziegen, selbst die Wolken eilten über die Ebene hinweg. Sie regneten sich im Süden bei Askalon und Hebron ab, zogen, von warmen Winden getrieben, weiter nach Nordosten, sammelten dort über dem Salzmeer und dem Jordan neue Kraft und segneten dann wieder Jericho mit ihrem Nass. »Der Herr hat diese Stelle an den gefallenen Engel verloren«, sagten die Leute seit jeher.

Vielleicht hatte König Herodes gerade aus diesem Grund der Ebene eine besondere Ehre zugedacht. Vor zwanzig Jahren hatte er angefangen, Fuhrleute und Handwerker hier zwangsweise anzusiedeln, und um diese ernähren zu können, machte er auch Bauern ansässig und befahl ihnen, der rissigen Erde etwas Weizen abzutrotzen. Ein Bauwerk sollte entstehen, ein Bauwerk, das nur er benutzen würde, niemand sonst. Als es fertig gestellt war, wurde den neuen Siedlern befohlen, dort zu bleiben bis zu dem Tag, an dem sie ein letztes Mal von Herodes benötigt würden, und so warteten die Menschen dieses Ödlands seit zwanzig Jahren auf die Ankunft des Königs. Heute nun kam er endlich, um sie abzulösen und für immer auf dem Gipfel der Anhöhe zu bleiben, im Herodeion, seinem Grabmonument.

Pauken schlugen zum Schritt der tausend Männer und Frauen, Priester, Beamten und Soldaten, die ihren König auf seinem letzten Weg begleiteten. Akme, die Schwester des Königs, ging der Prozession voran. Eigentlich stand ihr dieses Recht nicht zu, und es hatte sie auch niemand darum gebeten. Sie hatte dennoch diesen Platz eingenommen und damit ihren Neffen Archelaos als ältesten Prinzen von dieser ehrenvollen Aufgabe verdrängt. Vierzig Jahre lang war sie im Schatten des Königs gestanden, nun warf sie ihren Schatten auf seine Söhne.

Akme stieg die Stufen im Innern des Herodeions hinab. Sie fand es merkwürdig, dass jemand sich einen Berg als Grabstätte aussuchte, um sich dann doch tief in die Erde scharren zu lassen, aber ihr Bruder hatte zeitlebens viele skurrile, ja, törichte Einfälle gehabt. Gerade seine Eigenschaft, kreuz und quer und ohne Zusammenhang zu denken, mal seinem Verstand und mal den Astrologen zu vertrauen, war ihr stets zugute gekommen. So hatte ihr Herodes jeden Unsinn geglaubt, den sie ihm erzählte. Eigentlich ein Witz: Er hatte jedem misstraut, außer ihr, dabei hätte er niemandem misstrauen müssen – außer ihr.