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Zwischen winterlichem Weihnachtszauber und dunkler Silvesternacht kommt ein dunkles Geheimnis ans Licht - mit tödlichen Konsequenzen. Der erste Verlust sitzt den sechs Jugendlichen noch tief in den Knochen. Jan schießt sich lieber mit Drogen ab, als Verantwortung zu übernehmen und gerät dabei ins Visier des Dämonen Malcolm. Dessen Plan, die Quelle der Magie zu rauben, führt zu gefährlichen Experimenten, die die Sechs an den Rand des Todes bringen. Was sie jedoch nicht wissen, die größte Gefahr geht von einem der ihren aus. »Die Verwandlung« ist der 3. Band der actionreichen Urban Fantasy Serie »Ashuan«.
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Ashuan 1.3
Janna Ruth
© November 2018 Janna Ruth
www.janna-ruth.com
Jana Mittelstädt
67 Montgomery Avenue
Karori, Wellington 6012
NZ - New Zealand
Lektorat: Sabrina Weisensee
Covergestaltung: Marie Graßhoff
Ashuan Band 3
Episode 9: ZauberrauschEpisode 10: Die VerwandlungEpisode 11: Ein Hauch von WeihnachtszauberEpisode 12: Frohes Neues Jahr! (Teil 1)
Nachwort & DanksagungAndere Werke
Ashuan 1.1 - Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?Im Bann der zertanzten Schuhe
Staffel 01 – Episode 09
Malcolm taucht nachts auf einer Lichtung mitten im Harzer Forst auf. Während er sich umsieht, beginnt er, die Magie um sich herum wahrzunehmen. Wie ein grüner Fluss entspringt sie auf der Lichtung und fließt in sich kreuzenden Bahnen in verschiedene Richtungen davon. Tropfen der Magie hängen grünglitzernd in den Bäumen fest.
Ein gieriger Ausdruck tritt in Malcolms Gesicht und er taucht seine Hand in die Quelle. Jedoch bleibt nicht ein Tropfen an ihr hängen, als er sie wieder hinauszieht. Kurz verzieht er die Mundwinkel, dann macht er sich an die Arbeit.
Malcolm: Ich kriege dich schon noch.
An fünf verschiedenen Bäumen brennt er mit seiner Energie komplexe magische Symbole in die Rinde. Dann zeichnet er mit Salz und Asche einen Kreis auf die Lichtung, der die Symbole mit einschließt. Zufrieden beobachtet er, wie die Bahnen der Magie langsam konzentrisch im Inneren fließen, statt sich in den Wald zu ergießen. Aus dem Nichts beschwört er einen mehr als handgroßen Doppeltetraeder aus Kristall. Den unteren Tetraeder gräbt er in der Mitte des Kreises ein, dort, wo die Magie entspringt, und betrachtet sein Werk. Nach und nach zieht sich der Magiefluss in den Kristall zurück, der daraufhin grün zu leuchten beginnt. Um ihn herum fallen Blätter von den Bäumen, bis die Äste gänzlich kahl sind.
Als die Magie vollkommen versiegt ist, gräbt Malcolm gierig die Magiefalle aus. Kaum hebt er den Kristall in die Höhe, zerspringt dieser jedoch in seiner Hand. Die Splitter zerschneiden sein Gesicht und seine Hände und die Magie fließt zurück in ihre Ursprungsform. An den Zweigen beginnt es zu knospen. Fluchend wirft Malcolm die Überreste in den Wald.
Ein heftiger Wind kommt auf, der Salz und Asche verstreut. Als er sich gelegt hat, ist Malcolm verschwunden. Am Rand der Lichtung, wo die Stücke des Kristalls noch liegen, beginnt die grüne Magie sich zu sammeln. Statt in viele verschiedene Richtungen zu fließen, begibt sich ein einzelner Strom nach Grünthal.
Am folgenden Tag haben sich die Sechs auf der Lichtung versammelt. Von der Magie um sie herum nehmen sie nichts wahr. Die Stimmung ist gedrückt und Samantha steht mit verschränkten Armen etwas abseits von der Gruppe. Fabian sieht aufmunternd zu ihr hinüber, doch sie schüttelt den Kopf, und so widmet er seine Aufmerksamkeit wieder Rachel, die am Boden kniet und ein kleines Kästchen in der Hand hält. Darin befinden sich einige wenige Erinnerungsstücke an Rudy. Lucille legt ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.
Rachel: (Wispert.) Goodbye, Rudy.
Sie schließt das Kästchen und vergräbt es mit viel Umsicht im Boden. Liebevoll streicht sie die Erde glatt. Dann atmet sie tief durch und erhebt sich. Lucille bückt sich, um eine Blume auf der kleinen Gedenkstätte abzulegen.
Fabian: (Räuspert sich und spricht etwas unbeholfen zum Boden.) Du warst ein toller Kerl und ein guter Freund. Auch wenn du nur kurz bei uns warst, werden wir dich vermissen.
Eine Weile steht jeder in Gedanken versunken auf der Lichtung. Dann lächelt Rachel und geht auf Samantha zu.
Samantha: Es tut mir wirklich furchtbar leid, Rachel. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Rachel: Du brauchst nichts sagen.
Sie tritt vor und schließt Samantha in die Arme, welche sich steif wie ein Brett macht. Tränen kullern ihr über die Wangen, die sie sofort peinlich berührt wegwischt, als Rachel sie loslässt.
Rachel: Rudy wird immer in meinen Träumen sein. Er ist nicht verschwunden.
Samantha: (Erstickt.) Das klingt schön.
Fabian: Es war nicht deine Schuld, Sammy.
Er will einen Arm um sie legen, doch Samantha wendet sich hastig ab und geht einige Schritte in den Wald. Fabian öffnet den Mund. Bevor er etwas sagen oder ihr nachlaufen kann, nimmt Rachel jedoch seine Hand. Stattdessen ist es Matt, der wie selbstverständlich zu Samantha geht und leise mit ihr redet. Fabians Blick verdüstert sich, als Samantha sich wenig später von Matt in die Arme nehmen lässt.
Jan: (Schnaubt.) Typisch. Für ein Mädchen kehrt er den großen Gefühlsdusel raus.
Lucille: Lass es gut sein!
Jan schnaubt und sagt nichts mehr. Gegenüber löst sich Samantha auf einmal von Matt und bückt sich. Zwischen den Blättern sprudelt grüne Magie aus der Erde.
Samantha: Was ist das?
Matt schaut sie nur verwirrt an und es scheint, als könnte er nichts davon sehen. Samantha erhebt sich wieder und verfolgt, wie die Magie unter ihren Füßen ins Tal hinabfließt.
Lucille: Was ist was?
Samantha: (Wendet sich ab und schüttelt entschlossen den Kopf.) Nichts. Ich dachte, ich hätte was gesehen.
Sie ignoriert den Magiefluss und macht sich auf den Heimweg. Lucille sieht irritiert zu Matt, welcher daraufhin nur die Schultern zuckt und ihr folgt. Fabian seufzt schweren Herzens.
Fabian und Lucille sitzen in einer Freistunde zusammen. Während Lucille an ihren Mathehausaufgaben arbeitet, fixiert Fabian ein Wasserglas und lässt das Wasser frustriert auf- und absinken. Seine eigenen Aufgaben liegen ungelöst vor ihm.
Lucille: (Sieht auf.) Du wirst langsam besser.
Fabian: Ach, Quatsch.
Lucille: Du kannst es ja gerne leugnen, aber ich stelle mir das schwer vor, das Wasser so kontrolliert zu bewegen.
Fabian: Ist aber ganz einfach. Ich mache nichts anderes als sonst auch.
Er greift nach dem Glas und trinkt es aus. Lucille beobachtet ihn dabei.
Lucille: Ist alles in Ordnung? (Fabian sieht sie fragend an.) Ich meine, bei dir zuhause?
Fabian: (Verwirrt.) Ja, alles gut. Von den blöden Hausaufgaben hier abgesehen. Bei dir?
Lucille: (Stöhnt.) Die Aufgaben sind reine Schinderei. (Lässt sich ablenken.) Linda geht mir mal wieder mächtig auf die Nerven. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass ich nun, da ich zuhause bin, auch gleich für sie arbeiten könnte. (Äfft ihre Mutter nach.) Wozu habe ich denn mein Mädchen daheim, wenn ich ihr keine schönen Sachen schneidern kann? (Seufzend.) Tja, und meinen Vater sehe ich allemal zum Essen. (Schüttelt den Kopf.) Aber darüber wollte ich eigentlich gar nicht reden. Irgendetwas bedrückt dich doch, oder?
Fabian: Nein. (Das Glas füllt sich wieder mit Wasser und er seufzt.) Fein. Ich mache mir um Samantha Sorgen. Sie hat immer noch an der Sache mit Rudy zu knabbern, aber sie lässt mich nicht helfen. Sonst kommt sie immer mit ihren Sorgen zu mir, diesmal bin ich total abgeschrieben.
Lucille: Ach, sag das nicht! Leute reagieren nicht immer vernünftig, besonders nicht in einer solchen Situation. Wahrscheinlich denkt sie, dass sie in deiner Nähe komplett zusammenbrechen würde und baut sich so eine kleine Schutzmauer.
Fabian: (Verzieht das Gesicht.) Bist du jetzt unter die Küchenpsychologen gegangen?
Lucille: (Beleidigt.) Ich versuche nur, dir zu helfen.
Fabian: Ich erinnere mich nicht, darum gebeten zu haben. (Er lächelt entschuldigend.) Sorry. Es ist … (Er sieht sich etwas unwohl um.) Wir sind vielleicht nicht länger zusammen, aber Sam ist immer noch meine beste Freundin. Jetzt habe ich das Gefühl, das wird auch immer weniger.
Lucille: (Mitleidig.) Ich bin mir sicher, dass sie zu dir kommen wird. Gib ihr einfach etwas Zeit.
Fabian: (Missmutig.) Bestimmt hast du Recht.
Es klingelt zur Pause.
Lucille: Natürlich habe ich das. (Sie schiebt ihre Aufgaben zur Seite.) Und wenn es dir hilft, kann ich einmal nachhaken und sie sanft in deine Richtung schubsen.
Fabian: Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.
Lucille: Sie ist auch meine Freundin, Fabian. Wenn ich helfen kann, tue ich das gerne.
Fabian: Okay. (Sein Blick wandert hinüber zum Eingang.) Oh, verdammt.
Samantha wurde von Cheryl und Anni abgefangen, die ihr eine Zeitung unter die Nase halten. Auf dem Titelblatt steht: »Mysteriöse Geistererscheinungen am Flussufer«. Darunter sieht man Bilder von grünen Irrlichtern entlang der Reese.
Cheryl: Nette Fotomontage. Hast du wieder mit Photoshop gespielt und deine Hirngespinste an die Zeitung gesandt?
Samantha: Fotomontage?
Cheryl: Gib doch zu, dass du dem Kurier immer mal wieder Hexengeschichten zukommen lässt.
Samantha: (Will sich vorbeischieben.) Das machen die ganz von alleine. Erhöht wohl den Absatz in Grünthal.
Cheryl: (Tritt in den Weg.) Macht es dich denn gar nicht neugierig? Ich dachte, du könntest uns erklären, was für ein magisches Phänomen wir hier sehen.
Anni: (Lauter.) Alle mal herhören! Samantha verrät uns ein paar Hexengeheimnisse.
Eine kleine Menge hat sich bereits um sie herum gesammelt. Fabian versucht, sich zu ihnen durchzudrängen.
Samantha: Es sind Irrlichter oder von mir aus Faulgase, die sich spontan entzündet haben.
Cheryl: Spontan? Oder durch einen kleinen Zauber?
Fabian hat es in die vorderste Reihe geschafft.
Samantha: Es gibt keine Magie. Das weißt du so gut wie ich. Soll ich dir jetzt den chemischen Hintergrund dazu erklären oder kann ich Mittag essen gehen?
Etwas überrascht lässt Cheryl sie einfach gewähren. Fabian packt Samantha am Arm und führt sie zurück zum Tisch.
Fabian: Der hast du's gegeben. Richtig gut.
Samantha: Ich meine es ernst.
Sie setzen sich zu Lucille, die gerade völlig fasziniert auf ihre Mathehausaufgaben schaut, welche sich von alleine lösen.
Fabian: Dass es keine Magie gibt? Dafür haben wir, glaube ich, genügend Gegenbeweise. (Sieht skeptisch auf Lucilles Aufgaben.) Zum Beispiel genau hier.
Samantha: (Sieht nur flüchtig hin.) Es gibt sie, ja. Aber ich bin fertig damit.
Lucille: Was meinst du mit fertig?
Fabian macht sich daran, die Aufgaben abzuschreiben.
Samantha: Ich will mit Magie nichts mehr zu tun haben.
Fabian und Lucille sehen sich besorgt an.
Lucille und Samantha betreten Lucilles Zimmer und machen es sich auf der Sitzecke beim Fenster bequem. Samantha fängt an, ihren Rucksack auszupacken, und überreicht Lucille einen kleinen Stapel Bücher über Hexerei.
Samantha: Die meisten Bücher gehören meiner Oma, aber diese hier hatte ich mir mal selbst zugelegt. Die kannst du also haben. Da ist zum Beispiel ein Zauberbuch aus Osteuropa dabei.
Lucille: (Etwas überfordert.) Du meinst das doch nicht wirklich ernst mit der Magie, oder?
Samantha: Doch. Natürlich tue ich das. Ich brauche keine Magie in meinem Leben. Das hat mir immer nur Probleme gemacht.
Lucille: Du meinst wegen Cheryl und ihren Eliteidioten?
Samantha: Zum Beispiel. Sie fanden es immer furchtbar kindisch, dass ich so fest an Magie geglaubt habe.
Lucille: Aber Magie ist real und das weißt du auch.
Samantha: Das stelle ich auch gar nicht in Frage. Aber ich muss es nicht herausposaunen und ich muss mich nicht damit befassen. Ist ja nicht so, dass ich irgendetwas kann, außer mit Zeug herumzupanschen, das ich nicht verstehe, und dabei Menschen umzubringen.
Sie dreht hastig den Kopf zur Decke, blinzelt und atmet tief ein. Lucille breitet mitleidig die Arme aus und drückt sie.
Lucille: Mensch, Sam. Das konnte doch keiner von uns wissen und du hast Rudy geheilt. Das ist kein Rumpanschen.
Samantha: Er ist aber trotzdem tot und wahrscheinlich, weil ich ihn geheilt habe. Also nimm die Bücher und …
Sie seufzt schwer und streicht sich nun doch Tränen aus den Augen.
Lucille: (Legt die Bücher von ihrem Schoß auf den kleinen Tisch vor ihnen.) Natürlich. Vielen Dank dafür. (Zögerlich.) Wie wäre es mit einem Themenwechsel?
Samantha: (Atmet tief ein.) Sehr gerne.
Lucille: Ich würde gerne mit dir über Fabian reden.
Samantha: Was ist mit ihm? Hat er irgendetwas angestellt?
Lucille: Sam, er leidet entsetzlich, weil du dich so vor ihm verschließt. Dir geht es schlecht und anstatt dich bei deinem besten Freund auszuweinen, schlägst du ihm die Tür vor der Nase zu.
Samantha: (Seufzt.) Das mit Fabian ist kompliziert.
Lucille: Ich weiß. Ihr wart einmal ein Paar und Fabian hat offensichtlich noch Gefühle für dich, während du mit der Sache abgeschlossen hast. (Samantha sieht sie wehleidig an.) Das ist sicher nicht leicht für ihn, aber er hält so viel von dir und eurer Freundschaft.
Samantha: Fabian ist wie ein Bruder für mich. Unsere Freundschaft ist mir genauso wichtig.
Lucille: Aber?
Samantha: (Verzweifelt.) Ich kann einfach nicht. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, habe ich das Gefühl, sofort in Tränen ausbrechen zu müssen. Er soll sich lieber um Rachel kümmern. Ich habe das doch gar nicht verdient.
Lucille: Also, das ist doch Unfug. Er ist (Betont.) dein bester Freund. Ich würde dafür töten, um jemanden so wichtig zu sein. (Bei der Wortwahl muss Samantha schlucken) Entschuldige, ich meinte natürlich nicht wirklich, jemanden töten. (Seufzt.) Es tut mir leid.
Samantha muss sich sammeln und sieht in eine andere Ecke des Zimmers, während Lucille überlegt, wie sie ihre Worte abschwächen kann. Dabei fällt Samantha ein dünner grüner Strom Magie auf, der unter dem Fenster durchquillt.
Lucille: (Atmet tief ein.) Du solltest wenigstens mit ihm reden.
Ihre resoluten Worte rufen eine Reaktion des magischen Flusses hinter Samanthas Rücken hervor. Ohne, dass sie es merkt, schwirrt die Magie über ihrer Stirn und legt sich wie ein Schleier auf ihre Haare. Lucille bekommt davon gar nichts mit. Samantha wendet sich abrupt von der Magie am Fenster ab.
Samantha: Du hast Recht. Ich werde gleich zu ihm gehen.
Lucille: (Überrascht.) Tatsächlich? Jetzt auf der Stelle?
Samantha: (Sieht noch einmal zu der Magie am Fenster und erhebt sich.) Ja, jetzt gleich. (Sie nimmt ihren Rucksack.) Wir sehen uns morgen in der Schule.
Lucille: (Noch immer überfordert.) Ich dachte, wir könnten uns die Bücher wenigstens zusammen anschauen.
Samantha: (Zieht eine Grimasse.) Keine Magie. Schon vergessen?
Lucille: (Seufzt.) In Ordnung. Komm gut nach Hause … (Zögerlich.) beziehungsweise zu Fabian.
Samantha: (Lächelt.) Danke für den Schubs. Den habe ich benötigt.
Lucille bringt sie noch bis zur Zimmertür. Sie winkt Samantha, die den Flur nahezu fluchtartig hinuntergeht. Schon bald nähert sich das Geräusch von Highheels und Lucille schließt hastig ihre Tür.
Linda: (Off.) Lucille?
Lucille: (Wispernd.)Ich bin unsichtbar. Ich bin unsichtbar.
Ein Schleier grüner Magie legt sich über Lucille, ohne, dass sie es merkt. Sie schließt die Augen, atmet tief ein und tritt von der Tür weg. Als Linda hineinkommt, sieht sie geradewegs durch Lucille hindurch. Lucille runzelt verwundert die Stirn, als Linda die Tür daraufhin wieder schließt und sich das Geräusch entfernt. Der grünen Magie, die sie umfließt, völlig unbewusst schaut sie in den Spiegel, der nur ihr leeres Zimmer zeigt.
Lucille: Ich bin sichtbar.
Sie erscheint wieder im Spiegel. Langsam beginnt Lucille zu grinsen.
Lucille: Ich bin unsichtbar. Ich bin sichtbar. Unsichtbar. Sichtbar.
Je nach Satz erscheint und verblasst Lucilles Spiegelbild, während das Grinsen auf ihrem Gesicht immer breiter wird. Schließlich schlägt sie ihre linke Hand vor den Mund und muss vor Begeisterung glucksen.
Samantha geht langsam die Treppen hinauf zu Fabians Zimmer. Man sieht ihr deutlich die Aufregung an, als sie an der Tür anklopft.
Fabian: (Off.) Was denn?
Einmal tief durchgeatmet, öffnet Samantha die Tür und erstarrt förmlich. Fabian sitzt mit Rachel vor dem Bett und schaut einen Film. Sein zuerst fragender Gesichtsausdruck wandelt sich zu Freude und er springt förmlich auf.
Fabian: Samantha!
Samantha: (Steht wie festgefroren in der Tür.) Hi. (Schluckt.) Ich wollte nicht stören.
Fabian: (Verwirrt.) Du störst doch nicht. So ein Quatsch. Rachel und ich schauen nur einen Film. (Er klopft auf sein Bett.) Komm, setz dich!
Sehr zögerlich geht Samantha zum Bett hinüber und setzt sich auf die Kante. Fabian lässt sich neben ihr auf das Bett fallen und strahlt sie regelrecht an. Rachel tut so, als würde es ihr nichts ausmachen, dass sie nun alleine auf dem Boden sitzt und schaut auf den Fernseher. Fabians Katze macht es sich auf Samanthas Schoß bequem. Eine halbe Minute sitzen sie so da, als Samantha wieder aufspringt.
Samantha: Ich kann das nicht.
Die Katze faucht beleidigt, als sie auf den Boden springt. Samantha eilt zur Tür und die Treppe hinunter. Im Nu ist Fabian ihr auf den Fersen, während Rachel ihr nur traurig nachsieht und inzwischen die Katze auf ihren Schoß zieht. Unten an der Tür holt Fabian Samantha ein.
Fabian: Sam, warte!
Samantha: (Ihr stehen die Tränen in den Augen.) Ich kann das einfach nicht. Noch nicht.
Fabian: (Verzweifelt.) Was denn?
Seine Verzweiflung lässt prompt die Sprinkleranlage vor dem Haus anspringen. Samanthas Augen weiten sich, als sie die hauchdünnen blauen Fäden an Magie sieht, die Fabian mit jedem einzelnen Wassertropfen verbindet. Keuchend wendet sie sich ab und hält sich die Hände vor die Augen, den Tränen nahe.
Fabian: Sam, was ist denn?
Samantha: (Schluchzt einmal und fasst sich dann.) Rachel. Ich kann ihr nicht unter die Augen treten, so tun, als wäre alles in Ordnung.
Fabian: Rachel ist dir doch gar nicht böse. Sie ist traurig wegen Rudy, ja, aber das hat nichts mit dir zu tun.
Samantha: Natürlich hat es mit mir zu tun. Ich habe ihn umgebracht!
Fabian: (Aufgebracht.) Das stimmt doch gar nicht!
Einer der Sprinkler wird durch den plötzlich ansteigenden Wasserdruck vom Schlauch geschleudert und kracht auf den Gehweg, so dass Fabian und Samantha zusammenzucken. Das Wasser aus dem Schlauch setzt den halben Garten unter Wasser.
Samantha: Ich muss gehen.
Bevor Fabian sie aufhalten kann, hastet sie schnellen Schrittes davon. Fabian stampft frustriert mit dem Fuß auf und widmet sich dann der durchgedrehten Sprinkleranlage. Erstaunlicherweise bekommt er das Wasser schnell unter Kontrolle. Der Blick auf die überschwemmten Beete steigert jedoch nur seine Frustration und er geht wieder nach drinnen. Auf der Treppe kommt ihm Rachel mit ihrem Smartphone in der Hand entgegen.
Rachel: Alles in Ordnung?
Fabian: Nein, überhaupt nicht.
Rachel: Das tut mir leid.
Fabian: (Betrübt.) Ich wünschte, ich könnte etwas für sie tun. (Bemerkt ihr Handy.) Gibt's was?
Rachel: Jan hat irgendwelche Monster an den Anlegestellen gesichtet.
Fabian: Natürlich. Monster haben uns gerade noch gefehlt. (Greift nach seiner Jacken.) Wollen wir?
Rachel nickt niedergeschlagen.
Jan, Matt, Rachel, Lucille und Fabian stehen hinter einem geschlossenen Kiosk. Matt und Lucille beobachten die grünen Gaswolken, die über das Wasser wandeln. Dann dreht sich Lucille zu Fabian um.
Lucille: Ruf sie nochmal an!
Fabian: Sie kommt nicht, Lucille. Ihre Nachricht war unmissverständlich. Sie kann keine Magie mehr ertragen.
Matt: Soll ich mal mit ihr reden?
Lucille: (Nach einer Weile.) Nein, wenn sie nicht möchte, sollten wir sie nicht zwingen. Also, was wissen wir?
Jan: Dass das ziemlich heiße Bälle sind, die irgendwie die Reese runtergetrieben sind und Fische verbrennen.
Rachel: Könnte man sie mit dem Wasser nicht löschen?
Jan: Na, bisher schweben sie ja drüber.
Alle sehen Fabian an.
Fabian: Ihr meint, ich … okay, fein. Ich kann es ja mal probieren.
Matt klopft ihm auf die Schulter und geht aus dem Weg. Fabian positioniert sich, atmet tief ein und formt die Finger zu einem Delta. Kaum berühren sich seine Fingerspitzen, türmt sich eine riesige Welle auf der Reese auf und bricht über den Gaswolken zusammen. Das Wasser spritzt bis über den Kiosk hinaus.
Fabian: Scheiße!
Jan: Wow. Der war nicht schlecht.
Matt: (Schaut um die Ecke.) Schlecht nicht, aber unsere gasförmigen Freunde mochten es gar nicht.
Tatsächlich sind die Gaswolken nicht erloschen, sondern lodern nun heiß auf und drehen sich wahnsinnig schnell um sich selbst. Das Wasser der Reese unter ihnen beginnt zu kochen. Nach einem kurzen Moment schießen sie auf den Kiosk zu. Schreiend springen die Fünf dahinter weg, als auch schon die erste Gaswolke im Kiosk einschlägt und die Bretter zerbersten lässt. Fabian wirft sich dabei über Rachel. Jan schnappt sich ein Stück Wellblech und hält es zum Schutz vor einen der Angreifer. Schnell muss er das sich erhitzende Blech jedoch loslassen und wedelt hastig mit den Händen. Matt schießt auf eine der Gaswolken mit schwarzer Magie, doch die Energie geht geradewegs durch das Wesen hindurch. Alle Wolken nehmen nun Kurs auf die Fünf.
Lucille: (Ruft panisch.) Scutum protecto!
Statt eines einzelnen kaum sichtbaren Schildes, baut sich um die Fünf eine solide Kuppel auf, in die keine Sekunde später die Gaswolken einschlagen. Alle fünf halten den Atem an, doch der Schutzzauber hält stand und nach einer Weile verlieren ihre Angreifer das Interesse und schweben zur Reese zurück. Erleichtert atmet Lucille aus. Mit hochroten Wangen lässt sich Rachel von Fabian aufhelfen.
Fabian: Das war knapp.
Rachel: Danke.
Matt: Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.
Lucille: Was meinst du?
Matt: Fabians Wassermagie und jetzt Lucilles Schutzzauber, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.
Jan: Beschwerst du dich jetzt ernsthaft darüber, dass wir noch am Leben sind?
Matt: Ihr findet das normal?
Lucille: Ich finde, dass wir uns erstmal um diese Leuchtfeuer da kümmern sollten, bevor wir anzweifeln, ob wir noch am Leben sind.
Matt: Und was schlägst du vor?
Lucille: (Fixiert eine der Gaswolken.) Lach mich jetzt nicht aus! Globus Igneus. (Der Feuerball erscheint in ihrer Hand. Lucille holt aus und ruft.) Vernichte die Gaswolken!
Jan: Redest du jetzt mit deiner Mag…?
Der Feuerball jagt auf die Gaswolken zu und wird dabei immer größer und größer. Als er inmitten der Wolken einschlägt, folgt eine heftige Detonation, die die Fünf zu Boden wirft und Bäume und Häuser entlang der Reese erbeben lässt. Ruß färbt die Gesichter der Fünf und die Mauern der Anlegestelle schwarz. Von den Gaswolken ist nichts mehr zu sehen.
Fabian: Was zur Hölle war das?
Lucille erhebt sich als erste und bricht in Gekicher aus. Die anderen sehen sich besorgt an und kommen ebenfalls auf die Füße.
Matt: Lucille?
Lucille: (Grinst ihn an.) Problem gelöst, würde ich sagen.
Jan: Das war dein Zauber? (Pfeift durch seine Zähne.) Nicht schlecht, Fräulein de Cerque, nicht schlecht.
Lucille strahlt alle an, bis sie den Ruß auf ihren Designersachen und um sich herum bemerkt.
Lucille: (Streckt ihre Hand aus.) Der Ruß soll verschwinden.
Ein magischer Wind kommt auf und wischt den Ruß aus ihren Gesichtern und von der Umgebung. Fabian sieht aus, als hätte er einen Geist gesehen, applaudiert jedoch. Jan reibt sich erstaunt über das Gesicht und Rachel inspiziert ihre saubere Kleidung. Nur Matt runzelt wenig begeistert die Stirn.
Lucille: (Begeistert.) Ist Magie nicht etwas Wunderbares?
Samantha steht am Fenster und sieht auf die Stadt hinaus. Die Reese selbst kann man nicht sehen, wohl aber die Lücke in den Häusern nördlich und südlich des Ufers. Von ihrem Fenster aus verfolgt Samantha, wie Wolken aus Magie den Fluss hinuntertreiben, bis sie plötzlich von einem Schwall roter Magie getroffen werden. Die rote Magie zerfasert die Wolken und zerstreut sie in alle Himmelsrichtungen. Die Detonation erwischt Samantha dennoch unvorbereitet und reißt sie fast von den Füßen. Zittrig hält sie sich an ihrem Fensterrahmen fest und sucht fieberhaft nach der Magie. Ein zweites Mal erhebt sich rote Magie, wirbelt herum und legt sich wieder. Die Hand vor den Mund geschlagen, rutscht Samantha zu Boden und atmet keuchend ein.
Samantha: (Wispernd.) Was ist nur los mit mir? (Zunehmend verzweifelt.) Warum ausgerechnet jetzt?
Sie zieht die Knie vor die Brust, legt ihre Arme auf und beginnt, zu schluchzen.
Fabian ist gerade dabei, Rachel nach Hause zu bringen.
Fabian: Das war ziemlich beeindruckend oder?
Rachel: O ja. Du und Lucille, ihr beide.
Fabian: (Schnaubt.) Ich habe uns beinahe alle umgebracht.
Rachel: Genau wie Lucille.
Fabian: Ich frage mich, warum unsere Kräfte plötzlich so viel stärker geworden sind. Ich meine, Lucilles sind ja super, aber meine machen nur Probleme.
Rachel: Sag das nicht!
Fabian: Ich musste vorher schon aufpassen, dass ich nicht aus Versehen Wasserrohre zum Platzen bringe. Jetzt muss ich Angst haben, die halbe Stadt zu überschwemmen, wenn ich mal wütend werde.
Rachel: (Berührt vorsichtig seine Hand.) Du wirst lernen, es zu kontrollieren.
Fabian: Woher willst du das wissen?
Rachel: (Wird rot und zieht hastig ihre Hand weg.) Ich habe gestern Nacht davon geträumt. (Murmelt.) Du kamst daher wie ein Wassergott.
Fabian: (Schnaubt.) Ein Wassergott? Rachel, du träumst vielleicht komisches Zeug.
Eingeschüchtert schweigt Rachel und es dauert einen Moment, bis Fabian den Faden wieder aufnimmt.
Fabian: Wir müssen uns irgendetwas wegen Samantha einfallen lassen. Dass sie die Magie ablehnt und sogar nicht mal mitkommt, wenn wir Monster bekämpfen, macht mir Sorgen.
Rachel: Müsste dich das nicht eigentlich freuen? Also, dass sie Magie genauso verabscheut wie du?
Fabian: Es ist einfach falsch. Sam ist doch … meine kleine Hexe. (Rachel seufzt.) Egal, ob sie Magie beherrscht oder nicht. Jahrelang haben Cheryl und Anni sie deswegen aufgezogen und sie hat sich nicht kleinkriegen lassen. Und jetzt? Wir müssen etwas tun.
Sie erreichen Rachels Haus.
Rachel: Vielleicht braucht sie einfach etwas Zeit.
Fabian: Ja, vielleicht. (Er seufzt.) Geht's heute?
Rachel: (Lächelt.) Ja. Es wird schon.
Fabian: Ruf mich an, wenn du was brauchst, ja?
Rachel: (Wird wieder rot.) Okay.
Fabian: Na dann. Gute Nacht, Rachel.
Er wendet sich ab und geht langsam davon. Rachel sieht ihm sehnsüchtig nach.
Samantha hat sich mittlerweile wieder gefangen und erledigt Hausaufgaben an ihrem Schreibtisch, als kleine Steinchen an ihr Fenster geworfen werden. Stirnrunzelnd öffnet sie das Fenster. Fabian steht da und grinst ein wenig dämlich.
Samantha: (Belustigt.) Warum kommst du nicht rauf?
Fabian: Weil deine Mutter es nicht mag, wenn ich so spät zu dir komme. Ich meine, was könnte ich da wohl wollen?
Samantha: (Verlegen.) Ich komme, den Müll rausbringen.
Sie schnappt sich den nahezu leeren Mülleimer unter dem Tisch und ihre Jacke und geht dann vor die Tür. Bei den Mülltonnen wartet Fabian auf sie.
Fabian: Wir haben dich heute vermisst.
Samantha: Ach ja? Wo ich doch immer so hilfreich bin?
Fabian: Du hast gefehlt und wirklich etwas verpasst. Ich habe einen Reesetsunami losgelassen.
Samantha: (Amüsiert.) Du hast was?
Fabian: (Lacht.) Meine Wasserkräfte haben sich irgendwie vervielfacht.
Samantha: (Sieht in seinen Haaren noch Reste der Wassermagie glitzern und wendet hastig den Blick ab.) Wie schön für dich.
Fabian: (Ernst.) Ich weiß, nicht gerade dein Lieblingsthema zurzeit. (Samantha zuckt mit den Schultern.) Eigentlich wollte ich ja warten, bis du soweit bist und zu mir kommst, aber ich ertrag das nicht mehr. Sag mir, was ich tun kann, um dir zu helfen.
Samantha: Ach, Fabian.
Sie legt die Arme um seinen Oberkörper und schmiegt sich an seine Brust. Fabian drückt sie fest an sich und lässt sein Kinn auf ihrem Kopf ruhen. Ein kleines Rinnsal fließt den Gartenweg neben ihnen hinunter.
Fabian: Du weißt doch, dass ich immer für dich da bin.
Samantha: (Sieht zu ihm auf.) Ich weiß. Aber ich kann nicht.
Fabian: Was kannst du nicht?
Samantha: Rachel …
Fabian: Rachel ist dir nicht böse. Sie ist höchstens verletzt, weil ihr das nicht zusammen durchsteht.
Samantha: Es ist ja nicht nur das. (Fabian sieht verwirrt aus.) Du kümmerst dich gerade so rührend um sie und ich will ihr das nicht wegnehmen. Sie ist schon so lange in dich verliebt.
Fabian: Nur, weil ich ihr jetzt beistehe, heißt das nicht … Sam, machst du das jetzt wirklich mit dir selbst aus, nur damit Rachel eine Chance bei mir hat?
Samantha: Ich habe ihr schon Rudy weggenommen. Ich kann ihr jetzt nicht auch noch dich wegnehmen. Gerade, wo sie deine Aufmerksamkeit hat.
Fabian: Doch nicht auf diese Art. Du weißt, dass ich dich …
Samantha legt ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen und Fabian verstummt augenblicklich.
Samantha: Sag es nicht.
Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt ihm einen Kuss auf die Wange.
Samantha: Danke, dass du vorbeigekommen bist.
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Texte © Copyright by Jana Mittelstaedt 67 Montgomery Avenue 6012 Wellington NZ - Neuseeland [email protected]
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ISBN: 978-3-7394-3846-7