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Wenn Familien sich streiten, kann das schon mal böse enden. Wenn dämonische Familien im Zwist liegen, ist Mord und Totschlag vorprogrammiert. Melaney, die Erzdämonin der Wollust, muss abdanken und einen Nachfolger bestimmen. Ihr Favorit ist ausgerecht ihr jüngster Sohn Matt. Während der sich nicht einmal sicher ist, ob er dieses Erbe überhaupt annehmen will, setzen seine Brüder bereits alles daran, ihren Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Caspar vertraut dabei auf rohe Gewalt. Balthasar wendet perfidere Methoden an: Er schleicht sich in Grünthal ein. Im zweiten Band der zweiten Staffel dreht sich alles um den Machtkampf der Söhne der Wollust. Mit Chaosteufeln, Gorgonen und Windsbräuten sollen die Sechs in die Knie gezwungen werden. Aber nicht nur dämonische Familien können teuflisch sein. *** Enthält: 2x05 – Der Feind in meinem Haus Rachel ist einiges von ihrer Mutter gewohnt. Dass die sich aber ausgerechnet Balthasar als neuen Liebhaber ins Haus holt, stellt sie vor ganz neue Herausforderungen. Unterdessen kämpft Fabian mit ganz anderen Problemen. Seine Mutter erleidet einen Burnout und es ist an ihm, das große Sommerfest für das Hexenstübchen zu organisieren. Zu allem Überfluss haben sich dort Chaosteufel eingenistet. 2x06 – Besuch aus der Antike Matt staunt nicht schlecht, als eine echte Gorgone vor seiner Tür steht, um ihn zurück zu seiner Mutter in die Hölle zu bringen. Er denkt nicht einmal daran, mit ihr zu gehen. Für die Gorgone ist der Grund klar– Matts schwache menschliche Seite. Um seine dämonische Seite zu wecken, greift sie daher zu drastischen Maßnahmen: Ein Blutbad in der Jugendherberge. 2x07 – Stürmische Zeiten (Teil 1) Fürs Abibuch recherchieren die Sechs ihre Familiengeschichten und enthüllen dabei Dinge, die für einige vielleicht besser im Verborgenen geblieben wären. Doch dann beschwört eine Windsbraut einen Jahrhundersturm über der Stadt herauf. Während Matt und Fabian versuchen, die Windsbraut aufzuhalten, stößt Samantha in ihrer Familiengeschichte auf einen Hinweis: Ihr Großvater hat schon einmal eine Windsbraut besiegt und ist dabei gestorben. 2x08 – Stürmische Zeiten (Teil 2) Der einzige, der weiß, wie man eine Windsbraut besiegen kann, ist Samanthas Vater. Doch der weigert sich, ihnen zu helfen, damit die Vergangenheit sich nicht wiederholt. Als er Samantha auch noch jegliche Magie verbietet, bleibt ihr keine andere Wahl, als auf eigene Faust loszuziehen, bevor der Sturm die ganze Stadt zerstört.
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Inhaltsverzeichnis
Table of Contents
Der Feind in meinem Haus
Besuch aus der Antike
Stürmische Zeiten (Teil 1)
Stürmische Zeiten (Teil 2)
Vorschau
Nachwort
Inhalt
Band 2 - Stürmische Zeiten
Ashuan 2.2
Janna Ruth
© Dezember 2019 Janna Ruth
www.janna-ruth.com
Jana Mittelstädt
67 Montgomery Avenue
Karori, Wellington 6012
NZ - New Zealand
Lektorat: Sabrina Weisensee
Covergestaltung: Marie Graßhoff
Stürmische Zeiten
Lucille und Fabian sitzen beieinander und turteln leise miteinander, während Rachel liest, Samantha Lernkarten zusammenschreibt und Matt nervös auf seinem Stuhl herumwippt. Er sieht auf seine Uhr, als sich bereits Schritte nähern und Jan den Raum betritt.
Jan: Hallo.
Matt: Du bist zu spät.
Jan: Ich weiß. Einer der Drittklässler hat die Teezapfanlage im Flur umgeschmissen und ich durfte die Sauerei beseitigen.
Fabian: Ihr habt eine Teezapfanlage?
Jan: Der Hit für Groß und Klein. (Setzt sich und sieht Matt an.) Also los, spuck schon aus. Welche teuflischen Probleme hast du diesmal mitgebracht?
Matt: (Sieht sich wenig begeistert um.) Meine Mutter soll abdanken.
Fabian: Abdanken?
Matt: Als Erzdämon der Wollust. Der Rat unterstellt ihr Unfruchtbarkeit, weil sie seit neunzehn Jahren kein Kind mehr zur Welt gebracht hat. Als Erzdämon der Wollust ist sie damit untragbar. Melaney hat nun ein Jahr Zeit, einen Nachfolger zu bestimmen, sonst wird der Rat einen wählen.
Samantha: Kommt das nur mir so vor, oder ist das sexistisch? Würde man einen männlichen Erzdämonen auch so überprüfen?
Lucille: Genau. Was spielt es überhaupt für eine Rolle, ob sie Kinder kriegt oder nicht? Sie ist ja Erzdämon der Wollust und nicht der Fruchtbarkeit, oder?
Matt: Ich weiß doch auch nicht, was in den Köpfen des Siebener Rates vorgeht. Vielleicht wollen sie sie einfach nur loswerden.
Jan: Moment mal, Auszeit. Was ist das überhaupt für ein komischer Rat?
Matt: Die sieben mächtigsten Dämonen der Hölle. Sie verkörpern die Todsünden. Malcolm war einer davon.
Lucille: Aber Malcolm ist tot. (Etwas zweifelnd.) Oder?
Matt: O ja, das ist er. Gab einen ziemlichen Aufruhr in der Hölle. Die Gerüchte haben sich halb überschlagen. Aber seine Kräfte sind auf jemand anderen übergegangen.
Jan: (Runzelt die Stirn.) Heißt?
Matt: (Seufzt.) Dämonische Kräfte übertragen sich auf … nun, den Dämon, der den anderen besiegt. Hätte Rachel dämonisches Blut besessen, wären die Kräfte wohl auf sie übergegangen und Rachel wäre die neue Erzdämonin der Habgier geworden.
Rachel: Oh. Das heißt ja, dass es auch etwas Gutes hatte, dass du vorzeitig abgehauen bist.
Matt: (Verzieht das Gesicht.) Wahrscheinlich.
Samantha: Nur wahrscheinlich? Willst du etwa Erzdämon werden?
Matt: Nein! Auch wenn Caspar und Balthasar was anderes glauben.
Samantha: Du meinst, deine Brüder glauben, du würdest der Nachfolger eurer Mutter werden wollen?
Matt: (Fast verzweifelt.) Sie hat gesagt, sie würde sich für einen von uns dreien entscheiden.
Jan: (Etwas gedehnt.) Na ja, sieh's so. So hast du gleich einen Job nach dem Abi und ich kenne keinen, der sich besser darauf vorbereitet hätte. (Matt wirft ihm einen tödlichen Blick zu.) Das mit den Kindern kriegst du schon hin.
Samantha: (Murmelt.) Wenn nicht schon längst welche existieren.
Fabian: Matt will doch kein Erzdämon werden. Oder jetzt doch?
Matt: Darüber versuche ich, mir im Moment klarzuwerden.
Lucille: Du ziehst es ernsthaft in Erwägung, obwohl deine Brüder dich umbringen wollen?
Matt: In der Hinsicht lassen sie mir sowieso kaum eine Wahl. Mein Todesurteil haben sie ohnehin schon gefällt. (Zuckt mit den Schultern.) Deshalb denke ich eben, dass es nicht so viel schlimmer wäre, wenn ich es durchziehe. Falls ich überleben sollte.
Samantha: (Nachbohrend.) Aber?
Matt: (Seufzt schwer.) Es würde bedeuten, dass ich meine menschliche Seite aufgeben muss.
Wie zum Schutz verschränkt Samantha die Arme vor der Brust und sieht angespannt zur Seite.
Fabian: Musst du?
Matt: Scherzkeks. Schon mal von einem Erzhalbdämon gehört?
Fabian: Bis vor einem Jahr wusste ich noch nicht einmal, dass die Hölle wirklich existiert. Warum sollte es also keine Erzhalbdämonen geben?
Matt: Ihr versteht das nicht. Wenn ich Erzdämon der Wollust werde, muss ich Ashuan verlassen. Meinen Vater, euch, die Schule … Ich müsste alles aufgeben, was mein aktuelles Leben ausmacht. Ich weiß nicht, ob ich dafür bereit bin.
Samantha: (Versucht emotionslos zu bleiben.) Und dazu kommt, dass du deine Mutter töten müsstest.
Fabian: (Entsetzt.) Was? Das ist doch bescheuert. Sowas würde Matt nie tun.
Jan: Sicher?
Rachel: Er müsste es aber, wenn ihre Kräfte auf ihn übergehen sollen. Ist doch so, oder?
Matt sieht wahrlich elend aus.
Matt: Ja. Das ist das Schlimmste von allem.
Während die Sechs sich hinten treffen, räumt Karoline vorne um. An der Scheibe kleben Poster über ein Jubiläumsfest zum zwanzigjährigen Bestehen des Hexenstübchens. Wie es aussieht, soll das Hexenstübchen dafür ein winziges Café erhalten. In einer Ecke warten zusammengeklappte Tische und Stühle auf Platz. Karoline trägt nun eine Kiste mit handgefertigten Tassen und Untersetzern hinüber, als sich der Boden unter ihrem nächsten Schritt mit einem Mal in Gummi verwandelt. Die unerwartete Bodenbeschaffenheit lässt ihren Fuß wegknicken, so dass sie der Länge nach hinfällt. Das Geschirr in der Kiste zerbricht teilweise und verteilt sich über den Boden. Karoline sieht das Durcheinander hilflos an und mit einem Mal kommen ihr die Tränen.
Fabian: Was ist passiert?
Er hat die Tür aufgerissen und sieht sich suchend um. Dann entdeckt er seine Mutter und eilt erschrocken auf sie zu. Die anderen folgen nur wenig später. Samantha geht gleich los, Handfeger und Schippe zu holen.
Fabian: Mama, ist alles okay? Hast du dir was getan?
Tatsächlich hat Karoline sich geschnitten, aber es gelingt ihr nicht mal, den Kopf zu schütteln. Stattdessen weint sie nur immer heftiger. Irritiert und verstört weicht Fabian etwas zurück.
Lucille: Karoline, hast du dir wehgetan?
Sie nimmt Karolines Hände vorsichtig und zieht sie zum Sitzen hoch. Noch immer kann Fabians Mutter nicht aufhören zu weinen. Fabian zieht sich immer weiter zurück, während Samantha zu seinen Füßen in die Knie geht und die Scherben zusammenfegt.
Samantha: Es ist nicht so schlimm, Karo. Nur Geschirr. Das kann man ersetzen.
Lucille und Rachel helfen Karoline, sich hinzusetzen. Jan tritt hinzu, um sich ihre Wunde anzusehen. Er heilt behutsam den einen Schnitt. Als er auch die blauen Flecken heilen will, die der Sturz ihr eingebracht hat, wehrt sie ihn jedoch schluchzend ab. Lucille hockt sich zu ihr und legt den Arm um sie, während Jan zu Fabian geht.
Jan: (Flüstert ihm zu.) Ihr fehlt nichts. Nur ein paar blaue Flecken.
Es wirkt nicht so, als hätte Fabian ihn gehört. Der Anblick seiner weinenden Mutter scheint ihn vollkommen zu überfordern.
Samantha kocht, während Fabian nervös in der Küche herumtigert.
Fabian: Das macht sie sonst nie.
Samantha: (Ruhig.) Sie ist ein Mensch, Fabi.
Fabian: Ja, aber das ist doch nicht normal, dass sie wegen ein paar Tassen heult.
Samantha: Vielleicht steht sie unter Stress. Sie macht immer noch den Bürokram für die Werkstatt und das Hexenstübchen. Dazu die Geldsorgen. Meine Eltern streiten. Deine Mutter bricht in Tränen aus.
Fabian: Was soll ich denn jetzt tun? Ich kann schlecht die Schule schmeißen und im Laden aushelfen.
Samantha: Du könntest nachmittags aushelfen. (Schiebt den vorbereiteten Auflauf in den Ofen.) Im Haushalt helfen, Kleinigkeiten eben. (Hört die Tür.) Sie kommen.
Zusammen gehen sie Joachim und Karoline entgegen. Joachim nimmt ihr gerade die Tasche ab. Karoline lächelt schwach.
Karoline: Alles gut. Der Arzt sagt, es ist nichts gebrochen. Nur ein wenig gestaucht.
Samantha: Da bin ich froh. Ich lasse euch auch gleich alleine. (Fabian gibt einen wimmernden Laut von sich.) Im Ofen ist Kartoffelgratin.
Joachim: Du bist ein Engel, Sam. Gibst du deinen Eltern Bescheid? Ben hat sich schon Sorgen gemacht.
Samantha: Aber natürlich. Gute Nacht!
Sie nimmt ihren Rucksack und verlässt das Haus. Dann sind die Bendtfelds alleine. Sowohl Karoline als auch Fabian schweigen und so übernimmt Joachim die Initiative und treibt alle ins Wohnzimmer.
Joachim: (Als alle sitzen.) Der Arzt hat gesagt, dass deine Mutter sich etwas ausruhen und ein paar Tage Urlaub nehmen soll. Wir werden das Hexenstübchen solange schließen.
Fabian: Aber am Samstag ist doch das Fest. Das können wir jetzt nicht mehr absagen, oder?
Joachim: Wir werden es verschieben müssen.
Karoline: (Tonlos.) Es ist noch viel zu viel zu tun.
Joachim reibt ihr über den Rücken.
Fabian: Ich könnte es übernehmen.
Karoline: (Flehend.) Fabian.
Fabian: Ich meine es ernst. Der Laden kann von mir geschlossen bleiben, aber das Fest kann doch trotzdem stattfinden. Es freuen sich schon alle so drauf.
Karoline: Wer denn?
Fabian: Na, ich zum Beispiel. Zwanzig Jahre ist 'ne verdammt lange Zeit.
Joachim: Das ist wahr. (Zu Fabian.) Traust du dir das zu? Ich kann dir leider nicht helfen. Ich habe die Woche alle Hände voll mit der Werkstatt zu tun.
Fabian: Klar. Sam hilft mir und Samstag gehen wir dann alle zusammen zum Fest.
Joachim: (Zu Karoline.) Was meinst du?
Karoline: (Seufzend.) Von mir aus.
Joachim: Alles klar, damit bist du für die Feier verantwortlich, Fabian.
Fabian: (Voller Adrenalin.) Verlasst euch auf mich.
Rachel kommt nach Hause und schließt die Tür auf. Aus dem Wohnzimmer hört man leises Getuschel und hin und wieder ein Stöhnen von Annette. Rachel verzieht das Gesicht, lässt die Tür ins Schloss fallen und will nach oben verschwinden.
Annette: Rachel? Bist du das?
Rachel: (Atmet tief durch.) Wer sonst?
Annette: Warte mal!
Rachel hält auf halber Treppe inne und sieht etwas genervt nach unten, als ihre Mutter auftaucht. Sie strahlt Rachel regelrecht an, doch diese bemerkt nur das verrutschte Oberteil ihrer Mutter.
Annette: Ich möchte dir jemanden vorstellen.
Rachel: Nein, danke. Ich muss deine Liebhaber nicht kennen.
Annette: (Kichert.) Liebhaber. So ein altes Wort. Aber irgendwie passend. (Rachel will weiter hochgehen.) Das hier ist anders. Er wird hier einziehen.
Rachel: (Entgeistert.) Was?
Annette: (Lächelt kokett.) Ich weiß, es ist etwas überraschend, aber ich glaube, ich bin seit langem mal wieder so richtig verliebt.
Rachel: (Kommt die Treppen hinunter.) Mum, du kannst das nicht einfach so entscheiden. Es ist auch mein Haus und …
Annette: Rachel. Nun lern ihn doch erst mal kennen. Vielleicht magst du ihn ja sogar.
Rachel zweifelt offensichtlich daran, geht jedoch nach unten ins Wohnzimmer und bleibt wie angewurzelt stehen. Der Mann, der dort mit einem süffisanten Lächeln auf sie wartet, ist niemand anderes als Balthasar.
Balthasar: Hallo, Rachel.
Rachel hat sich mit ihrer Mutter in deren Schlafzimmer zurückgezogen und sieht Annette an, als wäre sie wahnsinnig.
Rachel: Auf gar keinen Fall. Nein. Du kennst ihn doch noch nicht einmal.
Annette: (Seufzend.) Balthasar und ich gehen schon seit ein paar Wochen miteinander aus. Ist es, weil er jünger ist als ich?
Rachel: Er ist was?
Sie schluckt die Berichtigung dieser Annahme herunter.
Annette: Irritiert es dich, dass ein jüngerer Mann auf deine alte Mutter steht?
Rachel: (Ergreift den Faden enthusiastisch.) Ja! Er sieht aus, als könnte er locker dein Sohn sein.
Annette: So alt bin ich nun auch wieder nicht. Er ist dreißig. (Schüttelt den Kopf.) Ich mag jüngere Männer, die machen mehr Spaß. Dein Vater war auch acht Jahre jünger als ich.
Rachel: Balthasar ist nicht mein Vater.
Annette: (Rollt die Augen.) Spielt das eine Rolle? Ich darf daten, weißt du.
Rachel: Natürlich darfst du daten. Das tust du doch schon, seit wir hier wohnen, aber das heißt nicht, dass er hier einziehen kann.
Annette: O Rachel, du bist doch nicht etwa eifersüchtig?
Rachel: Auf was sollte ich denn eifersüchtig sein?
Annette: Du hast Angst, dass er zwischen uns kommen könnte.
Rachel: Der Raum zwischen uns ist so groß, dass da auch eine Wagenladung Männer dazwischenkommen könnte und es mich nicht stören würde.
Annette: (Verschränkt die Arme.) Jetzt bist du gemein.
Rachel: Ich bin nicht gemein. Ich versuche nur, dich vor einem Fehler zu bewahren. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass er dir treu bleibt? Typen wie er, die sind morgen schon woanders.
Annette: Es reicht. Du hast deinen Teil gesagt und damit ist jetzt genug. Ich habe bei deinen Regeln mitgespielt, aber das Haus gehört immer noch mir und ich entscheide, wer hier einzieht. Wenn du ein Problem damit hast, dass ich glücklich bin, darfst du gerne ausziehen.
Wortlos dreht sich Rachel um und verlässt das Zimmer. Wütend geht sie in ihr Zimmer und erstarrt erneut. Balthasar steht neben ihrem Bett, den Traumfänger aus dem Alten Orenja zwischen seinen Händen.
Rachel: Das gehört mir.
Balthasar: Wirklich?
Man sieht ihr an, dass sie es ihm am liebsten aus den Händen reißen würde, sich aber nicht traut.
Rachel: Gib ihn wieder zurück.
Er wirft ihr den Traumfänger zu und sie fängt ihn ungelenk. Dann schlendert er auf eine Art und Weise auf sie zu, die Rachel schlucken lässt.
Rachel: Wa-Was willst du hier?
Er bleibt vor ihr stehen, viel zu nah, aber Rachel weigert sich nachzugeben.
Balthasar: Deiner Mutter etwas Spaß bereiten. (Mit dem Daumen streicht er ihr sanft übers Kinn.) Ich könnte auch dir Spaß bereiten.
Rachel: (Wird langsam rot.) Ganz sicher nicht.
Balthasar lacht und geht an ihr vorbei.
Balthasar: Sag Matt, dass er sich einen langweiligen Hofstaat ausgesucht hat.
Rachel: Wir sind nicht … Wir …
Sie quiekt erschrocken, als er ihr einmal an den Hintern packt, bevor er hinüber zum Nebenzimmer schlendert. Hastig schließt Rachel die Tür und lehnt sich dagegen. Nur kurze Zeit später sind im Zimmer ihrer Mutter wieder eindeutige Geräusche zu hören. Rachel sieht aus, als müsse sie sich gleich übergeben.
Samantha und Cian stehen bei ihrem Schließfach und küssen sich. Als Samantha aus dem Augenwinkel Rachel sieht, geht sie hastig zur Seite und räumt die Bücher in ihrem Schließfach von der einen zur anderen Seite. Cian schlendert lässig davon, als hätte er nie da gestanden. Rachel hakt sich bei Samantha ein und zieht sie wortlos mit sich mit. Samantha kann gerade noch die Tür ihres Schließfaches schließen und den Schlüssel abziehen.
Samantha: Was ist los?
Rachel: Balthasar ist bei mir zu Hause eingezogen.
Samantha: Sag das noch mal.
Rachel: Du hast mich verstanden. Er gibt sich als ihr Freund aus. Wenn du meine Mutter fragst, ist es die große Liebe.
Samantha: Jedes Wort, das du sagst, klingt absurder als das vorherige.
Rachel: Ich weiß!
Sie zieht Samantha in die Aula, wo sie an einem Tisch Lucille, Fabian und Matt ausmachen. Gemeinsam sitzen sie über den Plänen für das Fest im Hexenstübchen.
Matt: Kriegen wir denn das Café fertig bis dahin?
Fabian: Meine Mutter wollte es am Samstag eröffnen. Sie hat zwei Jahre an dem Konzept gearbeitet.
Lucille: Das kriegen wir schon hin. Notfalls nehme ich etwas Geld in die Hand.
Rachel: Matt!
Erschrocken sieht Matt hoch. Auch die anderen sehen verwirrt bei Rachels forschem Tonfall auf.
Fabian: (Leise.) Hast du mit Rachel geschlafen?
Matt: Was? Nein!
Rachel: (Baut sich vor Matt auf.) Sag deinem Bruder, dass er verschwinden soll.
Matt: Verschwinden? Welchen meinst du überhaupt?
Samantha: Balthasar ist Annettes neuer Freund und wohnt bei ihr.
Fabian: (Perplex.) Annette und Balthasar. Weiß sie …
Rachel: (Blafft.) Natürlich weiß sie das nicht. Sie hält sich für eine Cougar und ihn für ihren Toyboy.
Matt: Was ist ein Toyboy und …?
Lucille: Wenn eine ältere Frau mit einem deutlichen jüngeren Mann zusammen ist.
Matt: Aber Balthasar ist garantiert nicht jünger als deine Mutter.
Rachel: (Einzeln betont.) Sag ich doch.
Samantha: Nun beruhige dich doch erst mal. Hat er ihr was getan?
Sie und Rachel setzen sich.
Rachel: Noch nicht. Aber die beiden treiben es so wild, dass mir davon schlecht wird.
Matt: Vielleicht hat sie ihn beschworen?
Rachel: Meine Mutter macht zwar viel Scheiße, aber Dämonenbeschwörung war noch nicht dabei.
Samantha: Außerdem wäre das ein viel zu großer Zufall. Nein, Matt, wenn dann ist er wegen dir hier.
Rachel: Also geh zu ihm und sag ihm, dass er gefälligst die Finger von meiner Mutter lassen und verschwinden soll.
Matt: Ich glaube nicht, dass er auf mich hört.
Rachel: Dann sorg dafür, dass er auf dich hört. Wenn er unbedingt in deiner Nähe sein will, soll er doch bei dir einziehen.
Matt: (Völlig überfordert.) Okay. Reicht nach der Schule?
Rachel: (Deutlich ruhiger.) Ja, natürlich.
Fabian: Können wir Balthasar nicht auch bannen? Dann hätte Matt zumindest hier seine Ruhe. Und wir auch.
Rachel: O ja, wir gehören nämlich zu Matts Hofstaat.
Matt: Freunde sind ein ziemlich abstraktes Konzept in der Hölle.
Samantha: Man müsste Balthasar hineinlocken.
Matt: Er ist viel zu schlau für solche Tricks. Caspar in seiner Wut, ja, aber Balthasar? Niemals. Den erwischen wir nie.
Rachel: Nun, überleg dir was. Er kann dort nicht bleiben.
Matt: Ja doch.
Rachel: (Verstimmt dreht sie sich um.) Und was macht ihr da Schönes?
Lucille: Wir helfen Karoline, das Hexenfest fürs Hexenstübchen vorzubereiten.
Fabian: Und wir brauchen dringend eure Hilfe.
Samantha schneidet gerade frische Schnittblumen zu und arrangiert sie in ihren Eimern, während Fabian ihr hinterherläuft und wild gestikuliert.
Fabian: Ich dachte, das Fest ist so gut wie fertig und wir müssten nur etwas dekorieren, aber der Bratwurstmann hat angerufen und will wissen, wo seine Anzahlung bleibt, die Flyer sind weder gedruckt, noch verteilt und irgendwas ist noch mit den Genehmigungen von der Stadt. Ich verstehe ehrlich gesagt nur Bahnhof.
Samantha: Warum fragst du nicht deine Mutter?
Fabian: Weil ich gesagt habe, dass ich das alleine schaffe. Sie soll sich ja ausruhen und wenn ich sie etwas frage, macht sie es gleich selbst.
Samantha: Okay.
Fabian: Okay, du machst es oder okay …
Samantha: (Sieht erschrocken auf.) Ich?
Fabian: Ja, du kannst das. Mit offiziellen Leuten reden und so ein Zeug. Ich habe nur Ideen, aber du kannst sie verwirklichen.
Samantha: Fabian, ich habe keine Zeit.
Fabian: So lange dauert es doch gar nicht.
Samantha: Natürlich tut es das. Ich muss mich einarbeiten und dann rumtelefonieren und glaub nicht, dass es mit einem Telefonat getan ist. (Seufzt.) Es geht wirklich nicht, ich muss hier arbeiten, die Abikomitees organisieren, den neuen Schülerrat einweisen und irgendwann noch meine Hausaufgaben machen und fürs Abitur lernen. Ich wollte eigentlich noch hier und da etwas Freizeit haben.
Fabian: Es ist doch nur diese Woche. Die Abikomitees können auch noch warten. Da passiert eh nichts so bald und das Abitur bestehst du mit 1,0, ob du nun diese Woche schon mit dem Lernen anfängst oder nächste.
Samantha: Ich muss trotzdem noch bis sechs arbeiten und morgen und Freitag auch.
Fabian: Bleiben Mittwoch und Donnerstag.
Samantha: Das ist viel zu knapp. Warum ist überhaupt so vieles noch offen?
Fabian: Woher soll ich das wissen? Bitte, bitte, bitte.
Samantha: (Bedauernd.) Ich kann nicht.
Fabian: Es geht ums Hexenstübchen.
Samantha: (Seufzt schwer.) Fein. Ich mach's.
Überschwänglich umarmt Fabian sie.
Fabian: Du bist die Beste!
Die Türklingel verkündet, dass jemand den Laden betritt und Fabian lässt Samantha los. Es sind Alan, Cian, Anni und Shayna. Alan nickt Samantha nur kurz zu und verschwindet dann im hinteren Teil des Ladens, wo sich seine Mutter aufhält. Anni und Shayna tuscheln den Blicken nach zu urteilen über Samantha, während sie an der Tür warten.
Fabian: Lass dich nicht ärgern! Danke noch mal.
Er verlässt den Laden. Cian wählt eine Rose aus und bringt sie hinüber zu Samantha, die zum Tresen zurückgekehrt ist.
Samantha: Die kostet zwei Euro. Soll ich sie einpacken?
Cian: Wie du magst. (Legt einen Fünf-Euro-Schein hin.) Der Rest ist Trinkgeld.
Samantha: (Gluckst.) Es ist ein Blumenladen, kein Café. (Sie beginnt, die Rose in Packpapier einzuschlagen.) Aber apropos Café. Das Hexenstübchen eröffnet am Wochenende eines und feiert groß. Vielleicht willst du ja vorbeikommen.
Cian: (Lehnt sich auf die Theke.) Ist das ein Date?
Samantha: Eher eine ungelenke Marketingoffensive und ein Ausgleich dafür, dass ich für heute Abend absagen muss.
Cian: (Richtet sich stöhnend wieder auf.) Schon wieder Monster?
Samantha: Eher die Tatsache, dass ich mit der Feier zu viel zu tun habe.
Cian: Okay, wenn das die einzige Möglichkeit ist, dich zu sehen, komme ich. Und helfe dir in der Zwischenzeit mit deiner Marketingoffensive. (Nimmt die Rose und reicht sie ihr dann.) Die war eigentlich für heute Abend gedacht. Bis zum Wochenende hält sie sich nicht. Von daher …
Samantha: (Wird leicht rot.) Dankeschön.
Anni stößt Shayna mit dem Ellenbogen an.
Anni: Was läuft denn da?
Shayna: Hmm? Ach, das ist doch nicht mehr aktuell.
Anni: Weiß Cheryl davon?
Shayna: Die halbe Schule weiß, dass Cian Samantha den Hof macht. Woher soll ich wissen, ob Cheryl darunter ist?
Anni: Bitte? (Alan kommt wieder nach vorne.) Hey, Alan. Ist Cian etwa mit Samantha zusammen?
Alan: Nö, die vögeln nur. (Lauter.) Hey Cian, wir wollen los.
Shayna und Anni sehen neugierig zu Cian, der sich nun von Samantha verabschiedet und den Laden mit ihnen verlässt. Samantha bleibt mit einem Lächeln zurück.
Rachel hat Matt mit nach Hause gebracht. Balthasar sitzt im Wohnzimmer und blättert im Grünthaler Kurier.
Balthasar: (Mit einem Schmunzeln.) Wie berechenbar. Hallo, Melchior.
Matt: Matt. Wenn du schon Mensch spielst, dann benutz' auch meinen menschlichen Namen.
Balthasar: Ist das deine Rücktrittserklärung?
Rachel: (Matt zögert einen Moment.) Ist es nicht. Er wäre schön bescheuert, als Favorit das Handtuch zu werfen.
Matt: Rachel? Das ist nicht hilfreich.
Balthasar: Was lässt dich annehmen, dass Me…tt hier der Favorit ist?
Rachel: Ist das nicht vollkommen logisch? Du und Caspar habt ihm viele Jahre und Titel voraus. Es gibt nur einen Grund einen Grünschnabel wie ihn in Erwägung zu ziehen. Wenn er eigentlich ihr Favorit ist.
Matt: Du hast doch einen Knall.
Balthasar: (Mit einem gönnerhaften Lächeln.) Zu demselben Schluss bin ich auch gekommen.
Matt: Wenn ich ihr Favorit bin, warum dann ihr beide?
Balthasar: Meine Meinung? Weil sie sich noch nicht sicher ist, dass du den Anforderungen gewachsen bist. (Betrachtet ihn von oben bis unten.) Und ich werde ihr beweisen, dass du das definitiv nicht bist.
Matt: Indem du mit Rachels Mutter rummachst?
Balthasar: Wann hattest du das letzte Mal Sex?
Rachel: (Wenig beeindruckt.) Ist das so eine Art Schwanzvergleich?
Balthasar: Deine Antwort?
Matt: Ich wüsste nicht, was dich das angeht.
Balthasar: Das wird ihr nicht gefallen.
Rachel: (Verwirrt.) Wie lange ist es denn her?
Matt: (Irritiert.) Ist doch egal. Was willst du hier? Sex gibt es auch genügend in Hescaryn.
Balthasar: Wie ich dir bereits das letzte Mal sagte, möchte ich dich und die Leute, mit denen du dich umgibst, besser kennenlernen. Rachel hier ist äußerst interessant.
Rachel: Bin ich?
Balthasar: Aber natürlich. Du …
Die Tür wird aufgeschlossen und Annette kommt mit einer Einkaufstüte auf dem Arm herein. Verdutzt betrachtet sie die drei und seufzt dann.
Annette: Rachel versuchst du gerade, meinen Freund rauszuekeln?
Rachel: Würde mir im Traum nicht einfallen.
Balthasar: Ganz im Gegenteil. Es hat sich herausgestellt, dass Rachel hier mit meinem kleinen Bruder Matt befreundet ist.
Er legt einen Arm um Matt, der sich vollkommen versteift.
Matt: Halb.
Balthasar wuschelt ihm durch die Haare und genießt Matts entsetzte Flucht aus seiner Umarmung.
Annette: Ach, ihr beide seid Brüder? Das ist ja ein schöner Zufall. Ich war gerade einkaufen und wollte gleich kochen. (Rachel sieht sie völlig entgeistert an.) Bleibst du zum Essen, Matt?
Matt: Äh, nein. Ich … Mein Vater wartet auf mich.
Rachel: Matt!
Balthasar: Warum bestellst du ihm nicht schöne Grüße?
Annette: Wie schade, vielleicht ein anderes Mal dann.
Matt nickt ruckartig und verschwindet aus dem Haus. Rachel sieht hilflos auf die geschlossene Tür.
Lucille und Fabian gehen am Abend Arm in Arm zum Hexenstübchen.
Lucille: Ich habe einen Zauber gefunden, mit dem wir abends etwas Stimmung aufkommen lassen können.
Fabian: Ist er sicher?
Lucille: Ich rede von Feenlichtern. Eine Ansammlung kleiner Lichtzauber. Die Leute werden denken, dass es sich dabei um Lichterketten handelt, nur dass sie irgendwie schöner sind. Magisch.
Fabian: Solange wir dafür keine echten Feen fangen müssen, ist mir alles recht.
Lucille: Im Hexenstübchen brennt Licht.
Fabian: Was?
Tatsächlich flackert hinter den Scheiben ein Licht. Fabian drückt die Klinke runter, aber es ist abgeschlossen.
Fabian: Vielleicht haben wir gestern eines angelassen.
Er schließt auf und öffnet die Tür. Erstarrt bleiben er und Lucille im Eingang stehen. Eine helle Lichtkugel schwebt in der Mitte des Raumes und tropft auf den Boden. Dort, wo die Tropfen auftreffen, verschmort der Boden.