Die weiße Traumkatze Band 2 - Roman Schmidt - E-Book

Die weiße Traumkatze Band 2 E-Book

Roman Schmidt

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Beschreibung

Fortsetzung der Thriller-Reihe eines hellseherisch begabten Mannes, der seine Fähigkeiten der Bremer Kripo zur Verfügung stellt.

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Die vorliegenden Geschichten sind völlig frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind keinesfalls beabsichtigt. Sie wären rein zufällig.

Roman Schmidt MMXVI

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die weisse Traumkatze

Tödliche Neugier . . . .

In der Villa des Wissenschaftlers

Finale Erkenntnis

Die weisse Traumkatze

„Colonel“, der Mann im Hintergrund

Die weisse Traumkatze

Schatten der Vergangenheit . . . .

Die weisse Traumkatze

Steffenson wird herausgefordert

Vorwort

„Mi sie snil maly bialy kot!“

Ich habe geträumt von einer kleinen, weißen Katze!

Dieser Satz begleitet mich mein ganzes Leben. Er war von meiner Großmutter. Sie kam mit ihrer kleinen Tochter im ersten Weltkrieg von der polnischen Grenze ins Ruhrgebiet, um meinen Opa zu heiraten. Da ihre Mutter, also meine Ur-Oma, Polin war, sprach meine Oma damals kein Deutsch, konnte aber alles verstehen. Sie muss nach Angaben meiner Eltern oft mit mir gespielt haben, aber ich kann mich nur sehr schwach daran erinnern, denn ich war erst 5 Jahre, als sie starb.

Wenn sie uns besuchte, so hat sie mich als erstes aus dem Kinderbett geholt, auch wenn ich schlief.

(Was meiner Mutter schwer gegen den Strich ging!)

Auf ihrem Schoß hatte sie mir dann, obwohl ich nichts verstand, polnische Geschichten erzählt und Kinderlieder vorgesungen. Und immer wieder sprach sie diesen geheimnisumwitterten Satz von der weißen Katze. Nach vielen Jahren erklärte mir eine polnische Arbeitskollegin, worum es dabei, ihrer Meinung nach, handelte.

Der Traum von der kleinen, weißen Katze!

Es soll dabei um Vorahnungen gegangen sein.

Ich bin ein realistischer Mensch, aber ich kann bis heute nicht so ganz verstehen, wieso alle Ereignisse, die meine Großmutter in ihren Träumen gesehen hatte, Wirklichkeit wurden. Bekannte fürchteten sich vor ihren Gedanken, aber für sie war das normal. Ob ihre Familie diese unsäglichen, beiden Weltkriege überstehen würde? Sie wusste es vorher. Sie hat meinen Vater mehrfach vor drohenden Gefahren gewarnt, die ihm tatsächlich sonst widerfahren wären. Sie war einfach ein Phänomen. Das brachte mich auf die Idee, ihr mit diesen erfundenen Geschichten zu gedenken. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich damit ein Thema aufgreife, das von vielen Menschen belächelt wird. Ich habe jedoch auch durch vielfältige, eigene Erlebnisse den Eindruck gewonnen, dass unser Leben (durch wen auch immer,) ständig begleitet wird. Beispiele könnte ich genügend anbringen. Ich kann sie weder erklären, noch beweisen. Man muss sich auf solche Dinge einlassen oder sie schlicht ignorieren. Ich möchte dabei jedoch den Blick auf Naturvölker und Medizinmänner lenken, die mit „spirituellen“ Tänzen, wunderlich anmutendem Singsang und exotischen Pflanzen nachweislich erkrankten Mitmenschen helfen können. Die Aborigines Australiens, hätten beispielsweise ohne ihre „Geister“ im kargen Outback nie überleben können. Und wie war es möglich, dass sie sich ohne große Hilfsmittel über Entfernungen von mehreren Meilen ihre Erlebnisse übermitteln und vor Gefahren warnen können?

Während meines ersten Mallorca-Urlaubs machte ich die Bekanntschaft eines Vietnamesen, der nachmittags in die Klippen ging, sich dort hinsetzte und Minuten später in einen traumähnlichen Zustand versank. Ich erinnere mich sehr genau daran, weil ich ihn oft dorthin begleitete. Da er kurz darauf nicht mehr ansprechbar war, hielt ich es höchstens eine halbe Stunde aus und ging dann alleine zurück. Wenn er zum Abendessen erschien, erzählte er uns, dass er bei seiner Familie in Vietnam gewesen war, da er sich wegen des damaligen Krieges in seiner Heimat gesorgt hatte, meditierte er. (Es gab damals noch kein mobiles Telefon!!!) Er wurde für seine Äußerungen von der damaligen Urlaubsgruppe mitleidig als Spinner abgetan und belächelt. – Ich habe ihm geglaubt.

Natürlich fließen solche Lebenserfahrungen in meine Geschichten ein und ich hoffe, dass Sie ein wenig darüber nachdenken. Vielleicht haben auch Sie, oder Sie einen Schutzengel, der begleitend darauf achtet, dass größeres Unheil von uns allen ferngehalten wird.

Ich achte jedenfalls mehr auf mein Gefühl und die innere Stimme, als manch ein Mitmensch, der solche Erlebnisse als Hirngespinste abtut oder mich mitleidig belächelt.

Ich bin bis heute sehr gut damit gefahren.

Sind Sie schon einmal scheinbar ohne ersichtlichen Grund nachts aufgewacht und haben intensiv an eine bestimmte Situation gedacht? Oder an eine Person, die jetzt ihre Hilfe benötigt?

Haben Sie sich ohne nachzudenken angezogen und sind hingefahren?

Mir ist so etwas schon passiert! Und wenn sich dann dieser Mensch dafür bedankt und sprachlos nach einer Erklärung sucht, woher ich das wusste, dann muss ich gestehen . . . . . ich weiß es nicht! Es kommt einfach so und ist da, dieses übermächtige Gefühl!

Ich könnte mir auch vorstellen, dass viele Menschen manchmal ein „mulmiges“ Gefühl in der Magengegend verspüren, wenn es um wichtige Entscheidungen geht.

Solche oder ähnliche Warnungen des Unterbewusstseins, genau die meine ich. Man denkt manchmal: Ich ahne etwas! oder Das kommt mir aber merkwürdig vor.

Lassen Sie sich auf die Mystik meiner Romane ein. Und keine Sorge, denn diese Geschichten sind tatsächlich völlig frei erfunden . . . . . obwohl so manches Ereignis, wenn ich mich recht erinnere, gar nicht so abwegig ist.

Die weisse Traumkatze

Tödliche Neugier . . . .

„Andy, wir brauchen dich!“ Hauptkommissar Stehler war am Telefon und sprach mit seinem langjährigen Freund Andreas Steffenson, der wieder in seiner alten Villa in Dibbersen wohnte und in besonders heiklen Fällen gerne bei der Mordkommission aushalf. Seine hellseherischen Fähigkeiten wurden von den Beamten in letzter Zeit öfter in Anspruch genommen, denn die vergangenen Jahre hatten immer wieder gezeigt, dass der Gelegenheits-Schriftsteller dank seiner Träume eine ausgezeichnete Wahrnehmung hatte. Seit zwei Jahren war er jetzt mit seiner karibischen Freundin Maria verheiratet und da sie ihr erstes Kind erwartete, hatte sich ihre bisherige, sorglose Art gewaltig geändert. „Sei vorsichtig!“ rief sie ihm zu, als er in den zweisitzigen Mazda stieg und aus dem offenen Sportwagen zurückwinkte.

Sie hatte zwar immer noch großes Vertrauen zu ihm, doch als baldige Mutter machte sie sich verständlicherweise zunehmend Sorgen um sein Wohlergehen.

Eine halbe Stunde später saß Andreas im Büro des Kriminalbeamten, während im Besprechungszimmer nebenan immer noch eine Lagebesprechung mit den Kollegen der Mordkommission stattfand. Die Fenster waren dort abgedunkelt und während die Fotos des neusten Tatortes auf der Leinwand wechselten, erklärte der Chef, HK Stehler, worum es sich dabei handelte und welche ersten Erkenntnisse man gewonnen hatte. Als die Besprechung zu Ende war, kamen Stehler, Carlson, Kröger und Bülow herüber in das Büro des Einsatzleiters, wo Steffenson solange gewartet hatte. Er sollte bei dem erneuten Mordfall mit den Beamten in gewohnter Weise zusammenarbeiten.

Details von der Besprechung wollte er nie vorher hören, denn er war es gewohnt, sich unvoreingenommen und alleine einen eigenen Überblick zu verschaffen. Dazu benötigte er zur Bestätigung oder Ergänzung seiner Erkenntnisse die Fotos und Berichte der Ermittler erst zu einem späteren Zeitpunkt. Der Hauptkommissar brauchte ihn den anderen Mitarbeitern nicht mehr vorzustellen, denn er ging in der Polizeidienststelle ein und aus. Andreas Steffenson lebte von dem üppigen Erbe, das sein Onkel ihm hinterlassen hatte.

Von seinen Geschichten, die er mehreren Verlagen angeboten hatte, war bis jetzt noch kein einziges Exemplar gedruckt worden. Er hatte sich wohl in der letzten Zeit zu intensiv mit den Kriminalfällen befasst, denn mit seinen Träumen und Wahrnehmungen hatte er den Beamten immer gute Hinweise geben können. Seine Storys in der Schublade konnten warten. Er schaute den Amtsleiter lange an: „Ich kann dir aber diesmal nichts versprechen, denn ich habe schon lange nicht mehr von der weißen Katze geträumt!“ Für einen Außenstehenden wäre die Aussage eher verwirrend und unsinnig gewesen, aber Steffenson’s Ermittlungserfolge in der letzten Zeit hatten die erfahrenen Beamten, wie bereits erwähnt, eines Besseren belehrt. Sie wussten natürlich sofort, wovon er da sprach. Er beobachtete genau, was er am Tatort vorfand und versuchte, sich in den oder die Täter hinein zu versetzen. Dann verknüpfte er seine Wahrnehmungen und die Träume, die ihm (hoffentlich auch diesmal wieder) eine Richtung, einen Hinweis geben würden. „Willst du jetzt gleich fahren oder vorher noch ein paar Details wissen?“ Joachim schaute Steffenson an und der schüttelte den Kopf. „Jo, ich will vorher nichts von dem Fall wissen. Meine Traumkatze wird mir den Weg zeigen, sollte ich falschen Vorstellungen erliegen, so wäre das für alle fatal. Das verstehst du doch auch. Ich muss klar denken können und logische Fakten vor mir haben und die müssen von alleine kommen, mit Hilfe meiner Träume“. „Wir verstehen dich vollkommen. In den vergangenen Tagen haben wir ein paar Anhaltspunkte gesammelt, aber die wollen einfach nicht so recht zusammenpassen, deshalb brauchen wir deine Meinung, deinen Rat. Wir stehen wieder mal unter Zeitdruck, das kennst du ja mittlerweile schon. Trotzdem habe ich Verständnis dafür, dass du die Sache so angehst, wie du es für richtig hältst.“ Steffenson stand auf: „Macht mir bitte Abzüge von den Fotos und legt eine Kopie des Berichtes dazu, dann sehen wir weiter. Ist der Tatort noch gesichert?“ Während Stehler einem Beamten die geforderten Unterlagen zum Kopieren gab, schaute er fragend den Kollegen Carlson an, der diesmal für den Fall zuständig war. Als dieser bestätigend nickte, fuhr Andreas fort. „Gut, wer kommt mit?“ Stehler stand sofort auf und begleitete seinen hellseherischen Berater, der sich den Tatort gründlich anschauen wollte. Der Kollege kam zurück und gab dem Leiter die Originale und die Kopien. „Hier, deine Mappe, alles schon vorbereitet!“ Andreas nahm die Unterlagen zu dem aktuellen Fall und legte sie ungesehen in seinen Aktenkoffer. „Ich werde mich erst damit beschäftigen, nachdem meine Traumkatze im Schlaf bei mir war, wenn sie überhaupt noch einmal auftaucht! Danach vergleiche ich, ob es mit den bisherigen Erkenntnissen übereinstimmt.“ Die Beiden gingen die zwei Treppen hinunter in die Tiefgarage, wo Joachims Dienstwagen stand. Der Beamte sagte nichts, denn er bemerkte sofort, dass sich Andreas konzentrierte und hoffte natürlich, dass sich sein Freund ein ähnliches Bild von der Tat machen würde, wie sie seine Abteilung bisher erarbeitet hatte. Es war von Vorteil, dass sie sich mittlerweile so gut kannten, dass sie nicht mehr viel erklären mussten. Sie verstanden sich, wie man zu sagen pflegt, blind. Sie fuhren in den Bürgerpark an der Parkallee, ein nobles Stadtviertel, wo man ein solch scheußliches Verbrechen nicht vermutet hätte. Joachim dachte an die Bewohner, die schon ganz unruhig und ängstlich geworden waren, denn hier schienen schon der Postbote und der Zeitungsmann negativ aufzufallen. Der Mord hatte den Leuten trotz aller vorgespielten Sicherheit deutlich gezeigt, dass eine große Villa und viel Geld nichts nutzen, wenn es trotz Wachdienst möglich war, hier unter ihnen von allen unbemerkt ein junges Leben am hellen Tag auszulöschen. Andreas hatte seine Augen geschlossen und bemühte sich, einen geistigen Kontakt herzustellen, zu wem auch immer. Es tat sich nichts! Joachim konnte seine Neugier kaum zügeln: „Nun, zeigt dir deine Katze was?“ Andreas schüttelte den Kopf. „Joachim, wie lange kennen wir uns jetzt? So geht das nicht! Ich habe einfach so und auf mein Verlangen bisher noch nie eine Verbindung zu ihr gehabt. Entweder mein vierbeiniger Freund kommt zu mir und macht mich auf irgendetwas aufmerksam, oder. . “ Joachim lächelte: „Wird schon, wird schon! Schau dir zuerst die Wohnung an!“ Andreas schloss die Augen. Die Beamten vor Ort waren abgezogen worden, um nicht noch mehr Unsicherheit unter den Nachbarn zu schüren. Alle Zeugenbefragungen waren im Sande verlaufen. . . Spuren gaben es genügend und alle deuteten darauf hin, dass die ermordete, junge Frau hier eingebrochen war. Andreas, der schon vorher zwei Mordfälle mit den Kollegen der Mordkommission mit Erfolg hatte lösen können, sollte lediglich die Bestätigung bringen, um den Fall abschließen zu können. Könnte Steffenson überhaupt hier helfen? Bei den beiden vorherigen Fällen war es um ihn und seine eigene Sicherheit gegangen. Diesmal würde sich nun beweisen müssen, ob er auch von der weißen Katze träumen würde, wenn es um eine fremde Person ging. Joachim parkte den Wagen und während sie auf die Bungalows in dem eingezäunten Park zugingen, drückte er den gummierten Knopf seines Zündschlüssels. Mit dreifachem Blinken war der Wagen verschlossen. Andreas blieb stehen. Er hatte den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen, nachdem ein kleiner, heller Schatten direkt vor ihm über die Straße gehuscht war. Joachim stand mit dem Schlüssel vor der Haustür und wollte gerade das verklebte, polizeiliche Papiersiegel entfernen. Er drehte sich noch einmal zu seinem Freund um und bemerkte erst jetzt, dass sein Partner ein paar Meter entfernt unter einem Baum stand und sich den Kopf hielt. Er ging zurück und berührte Andys Arm. „Kommst du?“ doch sein Partner reagierte nicht. Andreas konzentrierte sich, denn er hatte in einem flüchtigen Tagtraum seine weiße Katze gesehen, die ihm hier wichtige Hinweise geben wollte.

Er hatte immer noch seine Augen geschlossen und murmelt kaum verständlich: „Da stimmt etwas nicht!“ Dann öffnete er die Augen und schaute Joachim erstaunt an: „Was ist?“

Der Kommissar zeigte hinter sich: „Wir sind da, kommst du?“ Andy straffte seinen Körper: „Ich weiß, Joachim, ich weiß.“ Er war von seinen Einrücken gefangen und schüttelte ungläubig den Kopf: „Faszinierend! Sie war da, eben. Ich hätte nicht geglaubt, dass sie mich jetzt schon bei Tage besucht! Sie wird wiederkommen, ich spüre das!“

Joachim schwieg, denn er merkte, dass etwas in seinem Freund vorging. Andy rieb Zeigefinger und Daumen beider Hände so aneinander, als würde er Münzen zählen. „Es kribbelt!“ sagte er nur und ergänzte, als er dem Beamten folgte: „Sag jetzt nichts mehr, bitte!“ Joachim durchtrennte die beiden Siegel, die im Rahmen klebten und schloss die Tür auf. Dann trat er zurück und ließ Andreas in den Flur gehen. Die Jalousien waren heruntergelassen und tauchten den unteren Wohnbereich in ein schummriges Halbdunkel. Andreas hob mit geschlossenen Augen den Kopf. Er schien zu ahnen, was der Beamte vorhatte: „Kein Licht, lass mich jetzt alleine!“ Joachims Hand zuckte vom Schalter zurück. Er drehte sich um, denn er wollte Andys Konzentration nicht stören. Langsam ging er auf der Straße hin und her. Seltsam war dieser Fall schon, denn die junge Frau, die man hier tot in der Wohnung gefunden hatte, wohnte ein paar Häuser entfernt. Es handelte sich um die Tochter eines Anwalts, dem die Angelegenheit mehr als peinlich war, als man ihn von dem tragischen Tod seines Kindes in der Wohnung seines Klienten informiert hatte. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was seine Tochter dorthin getrieben hatte. Der Hausbesitzer war zurzeit auf einem Kongress in London und hatte angeblich nicht die geringste Ahnung, was das Mädchen in seinem Haus gewollt hatte.

Alles schien darauf hinzudeuten, dass sich die Tote tatsächlich mit Gewalt Zutritt verschafft hatte. Offenbar war sie, oder ihr Mörder gewaltsam hier eingebrochen, denn die hintere Balkontür war aufgehebelt. Oberflächlich betrachtet fehlte in den Räumen nichts! Die Hausangestellte hatte vor zwei Tagen ihren wöchentlichen Reinigungstag gehabt und war völlig überfordert, als sie die Tote hier vorfand. Andreas hatte weder den Namen noch die Adresse der Ermordeten, denn bei der kurzen Einweisung im Revier war es nur um die Auswertung der Fotos und die damit verbundene Arbeitseinteilung der ermittelnden Beamten gegangen.

Sicher hatten sie schon einen ersten Überblick, der schlüssig erschien. Nur Andreas hatte berechtigte Zweifel, dass die Sachlage so eindeutig sein sollte. Während der Beamte draußen vor dem Haus wartete, stieg er im Dunklen die Treppe herauf und ging zielstrebig ins Schlafzimmer in der oberen Etage.

In der Ecke, direkt hinter der Tür stand ein dunkelbrauner, lederner Ohrensessel. Dort setzte er sich hin, die Augen immer noch geschlossen und stützte den Kopf in beide Hände.

Eine ganze Zeit lang meditierte er so und ließ den Geruch und die düstere Atmosphäre auf sich wirken. Dann hob er den Kopf und blinzelte in den Raum. Durch die nicht ganz geschlossenen Rollos drangen helle Streifen des Dämmerlichtes und ließen kleinste, flimmernde Staubpartikel erkennen, die durch das Zimmer tanzten. Sie verklumpten zu einem Nebel und ließen plötzlich eine kleine Gestalt erkennen, die neben dem Bett kniend in der entgegengesetzten Ecke werkelte. Jetzt tauchten zwei weitere Schatten auf, die in den Raum sprangen und die zierliche Gestalt mit Wucht auf das Bett warfen. Andy konnte in seinem Tagtraum nichts hören aber es schien, als würden sie eindringlich auf sie einzureden, bis alle innehielten und sich zur Tür wandten. Andreas sah die Gestalten deutlich vor sich. Zwei kräftige Männer mittleren Alters, von denen einer der jungen Frau den Mund zuhielten.

Man schien sich angeregt zu unterhalten, bis einer die Geduld verlor und mit seiner Faust brutal in das Gesicht des liegenden Mädchens schlug. Beide nahmen danach die bewusstlose Frau und trugen sie nach unten. Andreas spürte, wie die weiße Katze um seine Beine schlich, als ein erstickter Schrei aus dem Untergeschoß zu hören war. Erschrocken sprang sein vierbeiniger Freund auf die Fensterbank und verschwand. Der Spuk war vorbei und alles war wieder so dunkel, wie vorher. Dann hörte er eine Stimme, die seinen Namen rief. Erst ganz dumpf, dann immer heller, bis er mit stechenden Kopfschmerzen aufwachte.

Die grelle Deckenbeleuchtung war eingeschaltet und Joachim stand vor ihm. „Du hast mir Angst gemacht! Zwei Stunden hab ich draußen auf dich gewartet und jetzt regnet es. Wieso bist du hier oben?“ Andy musste seine Gedanken ordnen, denn er stand immer noch unter dem Eindruck seines Traums.

Er wollte und konnte darauf nicht antworteten. Leise flüsterte er nur: „Weil genau hier, in diesem Zimmer alles angefangen hat!“ Er stand auf und Joachim folgte ihm verwirrt. „Was? Was hat hier angefangen? Sie wurde im Wohnzimmer umgebracht. Das steht einwandfrei fest!“ Andy drehte sich zu ihm um: „Joachim! Warum war sie vorher hier im Schlafzimmer? Und wer waren die beiden Männer, die sie misshandelten, bevor sie das Mädchen töteten?“

Der Beamte war sprachlos. Andreas hatte den Bericht noch nicht einmal gelesen, kein einziges Bild gesehen und wusste Details, die die Spurensicherung erst in mühsamer Kleinarbeit herausgefunden hatte.

„Was ist denn da in der Ecke?“ fragte er und ging um das Bett herum. Dann bückte er sich und starrte auf die Tapete. „Hallo? Andy? Suchst du was?“ Steffenson stand auf. „Deine Kollegen sollen sich die Ecke hier genauer ansehen. Ich kann da nichts entdecken, aber die Frau schien genau an der Stelle etwas Interessantes gefunden zu haben!“ Jetzt kam auch Joachim hierher, wischte mit dem Handrücken über die Wand und schaute ihn verständnislos an. „Hier?“ wiederholte er so, als hätte er seine Worte nicht richtig verstanden. „Warum hier?“ Andreas stand auf und drehte sich noch einmal zu ihm um. „Weil sie wahrscheinlich dort etwas gefunden hatte und deshalb ermordet wurde!“ Dann stieg er die Treppe wieder herunter und ließ seinen staunenden Freund zurück, der immer wieder ergebnislos mit beiden Händen die Wand abtastete.

Als Stehler endlich auch heruntergekommen war und neue Papiersiegel auf den äußeren Rahmen der Haustür geklebt hatte, stand Andy auf der anderen Straßenseite wartend am Auto. „Drückst du schon mal die Türen auf, ich friere!“ Joachim beeilte sich und hob den Autoschlüssel. Die Blinklichter zeigten, dass die Verriegelung jetzt offen war. Andy saß schon auf dem Beifahrersitz, als Joachim einstieg. Der Kriminalbeamte schaute seinen Freund lange von der Seite an, doch der schien seinen Blick überhaupt nicht wahrzunehmen. Andreas hatte wieder beide Augen geschlossen und nickte diesmal leise flüsternd so, als würde er sich tatsächlich mit irgendjemandem unterhalten. Dann schaute er den Kommissar plötzlich mit großen Augen an: „Warum fährst du nicht?“ Der Beamte sagte nichts, startete und fuhr zügig nach Dibbersen. Auf dem ganzen Weg war Andreas in seine Akten vertieft. Beide sprachen kein Wort. Erst als der Wagen vor der Villa stoppte, hob Andy den Kopf, schaute sich um und öffnete sofort die Autotür. „Denk an die Spurensicherung! Die hintere Ecke im Schlafzimmer ist sehr wichtig! Ich melde mich morgen und vielen Dank fürs Bringen!“

Bevor er die Wagentür zuschlug, rief ihm Joachim noch zu: „Vielen Dank zunächst! Du hast mich wieder mal zum Grübeln gebracht! Grüß Maria!“ Dann ließ er den Wagen wieder zurück auf die Straße rollen. Während der Beamte noch einmal zur Villa hochschaute, war Andy schon im Haus verschwunden.

„Da haben wir womöglich zu früh die falschen Schlüsse gezogen!“ murmelte er und gab Gas. Andreas ging in die Küche und nahm Maria in die Arme. „Na, Schatz? Geht’s euch gut?“ Sie nickte, tätschelte ihren Bauch und forderte ihn auf, Teller aus dem Schrank zu holen. Er folgte der Aufforderung, stellte das Geschirr ab und machte sich einen Cappuccino, seiner Frau einen Kakao. Zuerst wollte er sich stärken und nach dem Essen mit den Fotos, Berichten und Akten ins Arbeitszimmer zurückziehen. Als erstes galt es herausfinden, was die junge Frau in der fremden Wohnung gewollt hatte. Es war ein anstrengender Tag und er hatte die letzten Stunden nichts mehr gegessen. Von entspannen war jetzt keine Rede mehr, denn sein Jagdtrieb war geweckt. Zu deutlich waren die Hinweise, die er gewonnen hatte.

Er saß mit Maria am Küchentisch, trank seinen Cappuccino und genoss sein Lieblingsessen, Bratkartoffel mit Rührei. Sie schaute ihn dabei verträumt an, denn sie hatte vorher schon alleine gegessen. Sie wusste, dass sie nichts fragen sollte, denn er würde von alleine anfangen zu reden, wenn ihm danach war.

Er schob den letzten Bissen in den Mund und spülte mit einem letzten Schluck das Essen herunter. „Lecker, wie immer mein Schatz. Ich muss arbeiten.“ Sie nickte und räumte das benutzte Geschirr in die Spülmaschine. Andreas lief mit den Unterlagen die Stufen hinauf ins Arbeitszimmer und schloss die Tür. Normalerweise aßen sie um 18.ooh zu Abend. Maria hatte alles vorbereitet und schaute auf die Küchenuhr, die über dem Tisch an der Wand hing. Es war schon 19.3oh als sie endlich oben die Tür des Arbeitszimmers hörte. Kurze Zeit später kam Andreas zu ihr: „Entschuldigung, aber ich musste mich in den neuen Fall erst reinlesen. Der Bericht von den Kollegen und meine Erkenntnisse klaffen weit auseinander.“ Er nahm sie in den Arm und legte seine flache Hand auf ihren Bauch. „Sie wird es nicht einfach haben, mit so einem Papa!“ Maria schaute ihn lächelnd an: „Er, Andy! Er! Es ist ein Junge!“ Andreas ging zum Schrank und öffnete eine Flasche Rotwein. „Es macht dir wirklich nichts aus, wenn ich alleine trinke?“ Sie schüttelte den Kopf: „In ein paar Monaten werde ich das nachholen, glaub mir! Me crea!“ Sie setzten sich und er nahm einen Schluck des vergorenen Rebensaftes, der sich angenehm in seinem Innersten ausbreitete. Maria hatte sich ein Glas Wasser genommen. Danach nahmen sie schweigend das Abendessen ein, bevor Andreas schon ins Wohnzimmer ging. Sie folgte ihm etwas später, nachdem sie das Geschirr in den Automaten gestellt hatte und setzte sich ans linke Ende des Sofas. Andy stellte die Flasche Rotwein samt Glas auf den Tisch und schaltete mit der Fernbedienung die Flimmerkiste ein, um die Abendnachrichten zu sehen. Maria kam mit einem Glas heißer Milch und legte, wie fast jeden Abend, ihre Beine auf seinen Schoß. Er massierte dann ihre Füße, wie er das oft zu tun pflegte. Sie konnte sich so am besten entspannen, schloss dankbar die Augen und rutschte in eine liegende Position.

Die Nachrichten wurden gerade von der Wettervorhersage abgelöst und der Spielfilm begann, als ihn seine Gedanken wieder eingefangen hatten. „Wieso musste sie sterben?“ murmelte er geistesabwesend. Sie öffnete mühsam ein Auge: „Andreas Steffenson!“ sagte sie bestimmt: „Feierabend! Morgen ist auch noch ein Tag!“ Er massierte kräftig ihre Fußsohle: „Hast ja Recht, Maria!“ murmelte er und beugte sich vor, damit er mit der rechten Hand den Tisch erreichte. Nun nahm er sein Glas, prostete ihr zu und trank es aus. Maria bekam davon nichts mehr mit, denn sie war eingeschlafen. Nur ab und zu, wenn er versuchen wollte, mit dem Massieren ihrer Füße aufzuhören, murrte sie im Schlaf, bis er wieder einen Fuß nahm und weitermachte. Damit hatte er etwas angefangen, das er nicht mehr so schnell loswerden würde. Es war für seine Frau tiefste Geborgenheit, wenn sie sich so entspannt und glücklich in ihre Decke einrollte. Erst als der Film vorbei war und der Abspann lief, musste er sie wecken, um an die Fernbedienung zu kommen. Sie blinzelte ihn an, stand auf und schaukelte zur Treppe: „Schaust du noch?“ Andreas schüttelte den Kopf, schaltete den Fernseher aus und nahm einen Zettel aus der Schublade. „Ein paar Notizen noch, dann komm ich auch! War ein anstrengender Tag.“ Maria nickte, immer noch im Halbschlaf und ging langsam die Treppe hoch.

Er hatte wundervoll geschlafen und sich entspannt. Als er auf die Uhr schaute, musste er erstaunt feststellen, dass es kurz vor Mittag war. Maria hatte ihn schlafen lassen und alleine gefrühstückt. Sie war froh, dass er in der letzten Nacht keine wilden Träume gehabt hatte. Sie hätte es bemerkt, denn dann redete er im Schlaf wie ein Wasserfall und wachte meist danach schweißgebadet auf. Diesmal schien die weiße Katze aber Mitleid mit ihm gehabt zu haben. Maria hörte, wie oben der Wasserhahn abgedreht wurde und schüttete Kaffee in seine Tasse. Kurz darauf stand er in der Küche hinter ihr. „Morgen“, flüsterte er und umschlang ihren füllig gewordenen Bauch liebevoll. „Stell dir vor, ich habe . . .“ weiter kam er nicht, denn sie ergänzte sofort den angefangenen Satz: „ diesmal nicht von der weißen Katze geträumt! Ja, weiß ich!“

Er ließ sie los und drehte sie sanft zu sich um: „Maria! Träumst du auch von ihr?“ Sie verdrehte die Augen: „Andy, Andy! Du solltest einmal sehen, wie intensiv du