Ron's Krimis Band 1 + 2 - Roman Schmidt - E-Book

Ron's Krimis Band 1 + 2 E-Book

Roman Schmidt

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Beschreibung

Überarbeitete Neuauflage von zwei Büchern mit Kriminalkurzgeschichten.

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Seitenzahl: 429

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Neuauflage von

„Ron`s Krimis Band 1 und 2“

sowie weitere Kurzgeschichten)

Kriminalgeschichten von Roman Schmidt

Erstauflage Ron`s Krimis Band 1 (2014)

Ron`s Krimis Band 2 (2014)

erschienen im Verlage B.o.D. Norderstedt daraus ausgewählte, überarbeitete Krimis

Die vorliegenden Geschichten sind völlig frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind keinesfalls gewollt oder beabsichtigt.

Sie wären rein zufällig.

Roman Schmidt MMXVI

Inhalt

Vorwort

Rache, was sonst?

Die Kammerjäger der Banken

Das Verbrechen

Der Haupttäter

Die Geduld ist zu Ende ...

Das Netz der Aranea

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Finale

Hinterlistiger Ehebrecher

Kapitel 1

Kapitel 2 (Sein dreister Überfall aus ihrer Sicht)

Kapitel 3 (Unruhe)

Kapitel 4 (Der Plan von Elke und Sabine)

Kapitel 5 (Wer andern eine Grube gräbt!)

Einmal noch? Einmal zuviel!

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Rettung durch die Dame

Das perfekte Verschwinden

Wie du mir, so ich dir!

Gerechtigkeit oder Selbstjustiz?

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Unverhoffte Amtshilfe

Glückliches Ende

Ein Störenfried muss weg!

Der Erbschleicher

Perfekte Problemlösung

Reingelegt!

Die betrogene Ehefrau

Was nicht sein darf, gibt`s nicht!

Kapitel 1

Kapitel 2 (Die Treibjagd ist eröffnet!)

Kapitel 3 (Der erste Tag)

Kapitel 4 (Unfreundlicher Besuch im Labor)

Kapitel 5 (Die Hütte amSee)

Kapitel 6 (Im Labor des Institutes)

Kapitel 7 (Der Gegenangriff)

Wenn Gefühle verrücktspielen. .

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Das Geständnis......(Eifersucht!)

Falsche Zeit, falscher Ort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Das Wespennest

Mord im Theater

Tödlicher Stromschlag

Kaltgestellt

Im Spital

Im Polizeirevier

Verhinderter Menschenraub

Gespenstischer Einbruch . . .

Am nächsten Tag . . .

Männer!

So nicht!

Vorwort

Gift (engl. Geschenk) war und ist, in kleiner Dosierung verabreicht, in den meisten Fällen ein Heilmittel! Wie wir wissen und wie es auch die deutsche Übersetzung sagt, können höhere Mengen gesundheitsschädigend, ja sogar tödlich sein. So ist es im Prinzip mit allem. Auch und gerade Alkohol ist wohl das bekannteste Genussmittel, das zu erheblichen Einschränkungen führen kann, wenn man damit zu unbedacht umgeht.

Heute haben Forensiker und Ärzte beste Möglichkeiten, einen unnatürlichen Tod und toxische Stoffe jeglicher Art im Organismus nachzuweisen, Voraussetzung dafür ist ein Anfangsverdacht. Sollten körperähnliche Stoffe zum Einsatz kommen, so müssen diese, für den auserwählten Körper verwendeten, erhöhten Werte, die mit Absicht zu einer toxischen Reaktion geführt hatte, schnell nachgewiesen werden.

Beispiel 1: Da ein Mensch, der an Diabetes mellitus, (Zuckerkrank), selbst nicht mehr genügend Insulin in der Bauchspeicheldrüse produzieren kann, muss dieses Medikament durch eine Injektion zugeführt werden.

Was passiert mit einem gesunden Menschen, der dieses Mittel (natürlich zuviel für seinen Organismus) gespritzt bekommt? Und kann man es später nachweisen? Beispiel 2: Hat ein Mensch zu hohen Blutdruck, so wird zwangsläufig ein Medikament gegen zu niedrigen Druck eine fatale Wirkung erzielen. Täter können sich also die, ihnen bekannten Gebrechen der Opfer zunutze machen. Im Nachhinein gibt es dann gerne folgende Kommentare: „Geraucht hat der sowieso zu viel! Das musste eines Tages kommen!“ „Der war schon immer seltsam und hat oft vom Sterben gesprochen!“ oder„Der war doch fast jeden Tag betrunken! Das konnte sein Herz nicht mehr lange mitmachen!“ „Der hat kaum was gegessen! Hatte nichts zuzusetzen.“ Oder andersherum: „Das viel zu hohe Gewicht hat ihm zu schaffen gemacht!“

Damit kann im Vorfeld einer Ermittlung ein falscher Eindruck erweckt werden, der allzu schnell auf einen „natürlichen“ Tod schließen lässt. Man muss genau alle Umstände berücksichtigen und dann unvoreingenommen die entsprechenden Schlüsse daraus ziehen. Ein Pathologe kann nur dann tätig werden, wenn man ihn um seine Hilfe bittet, wenn er bei den Ermittlungen hinzugezogen wird. Folgerichtig wird ein Verbrechen nie gesühnt werden, wenn man von Anfang an nicht ein solches in Betracht zieht. Der erste Eindruck, die Umstände des Todes sind von enormer Wichtigkeit.

Wenn man von einer Statistik hört, nach der die meisten Morde aufgeklärt werden, so meint man damit natürlich die Todesfälle, die vorher auch eindeutig als solche mit Fremdeinwirkung erkannt wurden – aber sind das auch tatsächlich wirklich alle verübten Morde?

Keine Dunkelziffer?

Ich bin skeptisch und man möge mir das verzeihen, aber meine Lebenserfahrung und einschlägige Erlebnisse haben ein anderes Bild in meinem Hirn abgespeichert. Möge auch weiterhin das schlechte Gewissen dazu führen, dass solche, nie gesuchten oder verdächtigten Personen nicht mehr zur Ruhe kommen und eine höhere Gewalt eine gewisse Gerechtigkeit in unser tägliches Leben bringen. In eine Welt, die immer mehr von Egoismus, Geldgier und Macht geprägt wird.

Roman Schmidt

Rache, was sonst?

„Sie haben wieder einmal ausgezeichnet gearbeitet! Respekt, Müller!“ So wurde in dem Großraumbüro zum wiederholten Male der hinterlistigste Streber vor allen Mitarbeitern vom Abteilungsleiter gelobt. Dass sich dieses Schlitzohr dabei immer wieder mit fremden Federn schmückte, wussten so einige seiner Kollegen. Davon wissen ist die eine Seite, etwas dagegen tun, die andere. Wie konnte er immer wieder an die erfolgreichen Ausarbeitungen von seinem Gegenüber gelangen? Bei jeder Pause, jedem Verlassen des Arbeitsplatzes setzte der misstrauisch gewordene Kollege eine Sperre in seinen Klapprechner. Ohne Passwort war eine Abfrage oder Einsicht in dieses Programm unmöglich! Oder etwa doch? Gab es eine Möglichkeit, dass man direkt vom Server die Eingaben und Ergebnisse aufrufen konnte, ohne dabei den fremden Arbeitsplatz zu nutzen? Olaf Richter war sprachlos. Seine genaue Ausarbeitung hatte dieser Müller soeben frech als seine eigene präsentiert. Es konnte nicht sein, dass er zufällig genau seine Wortwahl, seine Ergebnisse und nicht zuletzt seine Verbesserungen bis auf die Satzstellung erdacht hatte. Olaf war noch neu in dieser Abteilung und hatte mit dem anderen, hier angewandten Computerprogramm keinerlei Erfahrungen. Das war nun das dritte Mal, dass dieser Müller sich anderer Arbeiten bemächtigt hatte. Nun war es Olaf, den es getroffen hatte. In der gemeinsamen Mittagspause saßen sie in der Kantine der Produktionsfirma, als der höchste Chef an seinem Tisch vorbeikam und kurz bei Richter stehenblieb: „Sie waren doch seit Wochen mit dem Projekt beauftragt worden und bringen keine Ergebnisse? Müller hat das in zwei Tagen geschafft, strengen Sie sich ein wenig mehr an.“ Im Weitergehen ließ er beiläufig noch fallen: „Die Stelle meines Vertreters ist immer noch vakant. Müller ist mit seiner Arbeit bereits vor Ihnen auf der Zielgeraden angelangt.“ Hatte sich das aber schnell bis zum Direktor herumgesprochen! Olaf drehte sich um und sah direkt in das breit grinsende Gesicht seines „Kollegen“, der ihn listig ausgetrickst hatte. „Tja, Pech gehabt! Sie müssen besser arbeiten, das haben wir eben alle gehört!“ Olaf Richter stand auf, nahm sein Essen und ging damit in die hinterste Ecke. Er zitterte vor Wut, war aber auch schlau genug, das den anderen nicht offen zu zeigen. Ihm war der Appetit gründlich vergangen und so schlürfte er nur missmutig an seinem Lightgetränk. „Mach dir nichts draus, mich hat er auch schon übers Ohr gehauen“, meinte Andrea. Die nette Sachbearbeiterin, die im gleichen Büro ein paar Tische weiter am Fenster saß, hatte das Gespräch mitbekommen und versuchte ihn aufzuheitern. „Er ist das nicht wert!“ damit zeigte sie mit der Gabel auf seinen vollen Teller: „Iss etwas, der wird irgendwann mal an den Richtigen geraten und dann seinen verdienten Lohn erhalten!“ Olaf stocherte wahllos in seinem Essen: „Ich weiß es, du weißt es! Aber wie kommt der an die fast fertigen Manuskripte? Wie kommt der in deinen oder meinen Rechner?“ Andrea hörte nur mit einem Ohr halbherzig zu und hob ihre Schultern. Mit halbvollem Mund schaute sie ihn an, hörte auf zu kauen und flüsterte: „Vielleicht hat er einen Informanten der Zugang zum Hauptrechner hat. Die ganzen Daten werden doch jeden Abend gesichert. Das machen die seit einem halben Jahr. Da war nämlich das Programm abgestürzt und alle gespeicherten Daten waren weg. Das soll sich nicht wiederholen.“ Sie musste schmunzeln, als sie sah, dass er so interessiert dem Gespräch gefolgt war und ganz in Gedanken seinen Teller geleert hatte. Andrea stand auf und schaute zur Uhr: „Noch zehn Minuten, ich hol mir noch einen Kaffee im Becher. Willst du auch einen?“ Olaf schüttelte den Kopf und brachte sein Tablett mit dem benutzten Geschirr zur Seitenwand, wo es in einer Nische auf ein Laufband gestellt wurde. Die Unterhaltung mit der Arbeitskollegin beschäftigte ihn. Sie hatte Recht. Er musste dringend herausbekommen, wer Zugang zu den Programmen hatte, vielleicht gab es da einen Hinweis. Sein Chef ließ ihn nach der Pause zu sich kommen und gab ihm einen neuen Auftrag: „Letzte Chance, Richter! Ich gebe Ihnen zwei Wochen, dann will ich Ergebnisse sehen. Sollten Sie nicht weiterkommen, so sagen Sie früh genug Bescheid. Müller wird das dann für Sie erledigen! Fangen Sie an, Sie können gehen!“ damit nahm er einen Aktenordner und schlug ihn demonstrativ auf: „Ist noch etwas?“ Olaf fasste seinen ganzen Frust und seine Wut zusammen: „Werden die Daten täglich gesichert? Und wenn ja, wer hat Zugang dazu?“ Sein Chef klappte den Ordner wieder zu, lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und bekam gefährlich kleine Augen: „Neidisch, Richter? Jetzt wollen Sie dem armen Müller etwas unterstellen weil Sie zu unfähig sind und konstruieren sich da etwas Utopisches zusammen!“ Er beugte sich vor: „Ich habe das soeben nicht gehört: Arbeiten Sie und dann werden wir weitersehen!“ Olaf Richter war deprimiert. Wurde dieser Schleimi auch noch von seinem Chef gedeckt? Er ging ins Büro und erduldete das lächelnde Triumphieren seines Gegenübers. Um 16.05 h stand Müller auf, meldete den Rechner ab und legte seine Schreibsachen in die Schublade. Dabei sah er frech zu Olaf herüber: „Ich muss das gut sichern, sonst könnten Sie noch anfangen, meine Arbeiten zu kopieren.“ Mit einem unverschämten, siegessicheren Lachen ging er zur Stechuhr, drückte sich aus der Zeit und war bald im Aufzug verschwunden. „Ich werde ihm einen Denkzettel verpassen, den er nie wieder vergisst!“ murmelte Olaf leise vor sich hin. Er stand auf, meldete den Rechner ab und verließ das Büro. Den Ruf seiner Kollegin: „Sollen wir noch zusammen ein Bier trinken?“ ignorierte er und ging wortlos zum Lift. Drei Tage benötigte Richter, dann hatte er einen Plan, der den ungeliebten Kollegen für einige Zeit aus dem Verkehr ziehen würde. Als erstes gab er seine distanzierte Haltung gegenüber dem intriganten Müller auf und machte schon einmal eine lustige Bemerkung oder erzählte ihm den neusten Witz. „Nanu, Richter? Geben Sie schon auf? Ich dachte, dass Sie nachtragender wären aber gut, ich habe mich in Ihnen getäuscht.“ Dann kam er ein wenig näher und flüsterte ihm zu: „Sie sind kein Gegner für mich! Ich spiele in einer anderen Liga!“ Müller nickte und Olaf schaute ihm offen ins Gesicht: „Ich weiß, wir sitzen so nahe beieinander und müssen uns doch wegen solcher Lappalien nicht streiten!“ Er ging auf Müller zu und streckte dem völlig überraschten Mann lächelnd seine Rechte entgegen. Der stand auf und drückte seine Hand. Dann nickte er etwas verstört und setzte sich wieder an seine Arbeit. Von nun an gingen sie gemeinsam in die Pause und saßen nebeneinander beim Mittagessen. Eines Tages gab es eine Hühnersuppe und Müller bat seinen Nachbarn, ihm den Salzstreuer zu reichen. Darauf hatte Olaf lange gewartet. Er gab ihm ein Plastikdöschen und warnte ihn: „Vorsicht, es hat große Löcher, da kommt sehr viel auf einmal raus!“ Müller konnte über diese Warnung nur müde lächeln: „Ich mag es kräftig!“ damit schüttelte er mehrfach eine gehörige Portion in seinen Teller, rührte mit dem Löffel um und probierte: „Das ist aber harmloses Salz!“ er drehte die Dose um und las die Aufschrift halblaut vor: „Grobes Meersalz? Das ist sehr fad, genau wie Sie. Ich habe die Dose hier noch nie gesehen.“ Olaf nickte: „Ja das ist mein privates Salz. Ich vertrage das normale nicht.“ Müller streute erneut in seinen Teller und ließ ein verständiges: „Aha!“ verlauten, dann schmeckte er erneut und nickte: „So schmeckt die Suppe!“ Olaf nahm die Dose wieder an sich und verstaute sie in der Tasche. Nach dem Essen nahm er einen Kaffee mit ins Büro: „Aus Afrika!“ er hob den Becher und schaute den irritierten Müller an: „Wieso aus Afrika?“ Nun war Olaf am Zug, denn er genoss es, wenn er seine Gags anbringen konnte: „Steht doch auf dem Becher „Kaffee TOGO! Das ist ein afrikanischer Staat!“ Er ließ den kopfschüttelnden Kollegen stehen und startete seinen Rechner, der Rest des Tages verlief ohne Besonderheiten.

An folgenden Tag kam Müller nicht zur Arbeit. Das war ungewöhnlich, denn er war noch nie krank gewesen. Der Abteilungsleiter kam nach der Frühstückspause zu Richter: „Wo ist Müller?“ Olaf schaute ihn verwundert an: „Chef? Ich verstehe nicht?“ Der Vorgesetzte reagierte etwas unwirsch: „Wo ist er? Hat er was gesagt? Wollte er etwas erledigen? Sie sitzen doch so nah beieinander. Mein Gott Sie sind doch sonst nicht so begriffsstutzig! Er muss doch irgendeinem etwas gesagt haben! Im Personalbüro weiß man auch nichts!“ Er drehte sich wieder um und ging zur Tür, dabei murmelte er: „Hier kann doch nicht jeder machen was er will!“ Ein paar Mitarbeiter schauten erwartungsvoll herüber. Richter hob nur seine Schultern und zog seine Mundwinkel nach unten, dann stürzte er sich wieder auf seine Arbeit.

Kurz vor dem Mittagessen kam ihr Leiter noch einmal zur Tür: „Müller liegt in der Intensivstation, man weiß nicht ob er durchkommt!“ Er drehte er sich um und ging zum Fahrstuhl. Die erstaunten Arbeitskollegen schauten sich überrascht an und die Gerüchteküche brodelte: „Hatte der einen Unfall?“ „Führt der ein Doppelleben.“ Die Spekulationen bekamen ein Eigenleben, denn keiner wusste wirklich, was geschehen war. Wusste es wirklich keiner? Als sie in die Kantine gehen wollten, verwehrte ihnen die Polizei den Zutritt: „Wir ermitteln noch, Sie können hier heute nicht essen.“ Verwundert standen die Angestellten im Flur und berieten sich: „Sollen wir in der Pizzeria anrufen?“ Olaf schüttelte den Kopf: „Die Zeit ist zu knapp. Wir müssen in zwanzig Minuten zurück an die Arbeit.“

Da kam ihr Chef den Gang entlang und Olaf ging ihm entgegen: „Warum hat man uns nicht eher informiert?“ Der Vorgesetzte schien genervt: „Gehen Sie an Ihre Arbeit. Die Pause ist vorbei!“ Richter stellte sich in den Weg: „Chef? Wir haben noch eine Viertelstunde Pause!“ Nervös schaute er in die wartende Runde: „Dann, ...dann essen Sie sich ein Brötchen, oder so. Wir öffnen den Imbiss-Automaten, Sie brauchen heute nichts zu zahlen!“ Olaf wollte wissen: „Chef, ist was passiert?“ Der Leiter gab nun eine Erklärung ab: „Müller wird operiert! Er hatte einen Magendurchbruch mit inneren Blutungen. Das Gesundheitsamt vermutet, es könnte mit dem gestrigen Essen zu tun haben.“ Dann ergänzte er: „Hatte von Ihnen jemand auch irgendwelche Beschwerden nach dem Mittagessen? Man glaubt, dass es die Hühnersuppe war. Vielleicht hatte er aber auch nur kleine, spitze Knochen verschluckt. Ich weiß es doch auch nicht!“ Die Angestellten gingen in ihre Büros und Olaf vollendete seine aufgetragene Arbeit. Müller konnte diesmal nicht schneller sein als er. Richter wurde endlich ausdrücklich von seinem Chef für die gelungene Arbeit gelobt und bekam den nächsten Auftrag. Dem Kollegen Müller musste man den durchlöcherten Magen entfernen. Er konnte nicht mehr arbeiten und wurde nach seinem Krankenhausaufenthalt entlassen. Er bezieht noch Krankengeld, wird aber ein Pflegefall bleiben. Durch dieses „Unglück“ wurde Olaf zum Stellvertreter ernannt. Am Abend saß er in seinem Wohnzimmer bei einem Glas Rotwein und sinnierte über seine Tat: „Vielleicht habe ich die Wirkung der gemahlenen Glassplittern, die ich unter das Meersalz gemischt hatte, doch falsch eingeschätzt.“ Dann nippte er an seinem Glas und prostet sich zu: „Egal, so oder so! Er hatte diese Abreibung verdient!“ Seitdem Müller nicht mehr bei ihnen arbeitete, hatte sich das kollegiale Miteinander erheblich verbessert. Am Abend war er gerade in der Wohnung, als seine Verabredung unten klingelte. Er betätigte die Gegensprechanlage der Haustür: „Ja bitte?“ Eine freundliche, weibliche Stimme fragte: „Bist du fertig?“ Olaf antwortete: „Fertig, Andrea. Ich komm runter!“ Unten empfing ihn die nette Kollegin mit den Worten: „Hast du mittlerweile herausgefunden, woher Müller deine Arbeitsdaten hatte?“ Verwundert schaute Olaf seine kleine Freundin an: „Wie kommst du jetzt darauf? Gerade habe ich auch darüber nachgedacht! Nein, weiß ich nicht! Das interessiert mich auch nicht mehr.“ Die Kollegin schmiegte sich an ihn: „Mich aber! Und ich hab es auch herausgefunden!“ Richter blieb stehen und schaute ihr ins Gesicht: „Hab ich dich unterschätzt?“ Sie lächelte keck: „Ach iwo! Das kam ganz zufällig! Irene, von der Verwaltung, kennst du sie?“ Olaf verneinte: „Nie gehört, den Namen!“ Sie boxte ihm in die Seite: „Klar kennst du sie, du hast doch beim letzten Betriebsfest mit ihr getanzt. Die Hellblonde mit dem Minirock.“ „Ach die. Was, die arbeitet in der Verwaltung?“ „Richtig, sie archiviert die Daten von den täglichen Sicherungen . . . . . zu mehr ist die auch nicht fähig. Das hatte Müller schnell erkannt und sich an sie herangemacht. Ich war doch im Krankenhaus und sollte den Blumenstrauß von den Kollegen hinbringen, da hörte ich die Beiden im Zimmer tuscheln. „Verrat mich bloß nicht“, hat er gesagt. „Das wird dir sowieso niemand glauben!“ Richter stutzte: „Genau wie du vermutet hattest! Aber warum behandelt er sie jetzt so?“ „Na, sie wollte mit ihm zusammenkommen und hatte ihm deshalb gerne diese Gefälligkeit getan. Als er jedoch wider Erwarten keine schnelle Karriere dadurch machen konnte, wollte sie zumindest Geld von ihm haben. Für ihr Schweigen!“ Olaf grübelte und Andrea ergänzte: „Ich will nicht ungerecht sein, aber dass er sich mit dem Hähnchenknochen den Magen zerrissen hat, ist höhere Gerechtigkeit, meinst du nicht auch?“ Betroffen, aber erleichtert nickte Olaf: „Stimmt! Wenn man es von dieser Seite betrachtet, ...es war höhere Gewalt!“

Die Kammerjäger der Banken

Das Verbrechen

„Wie schaffen die das nur, immer wieder so schnell zu verschwinden?“ Das war für die ermittelnden Beamten des Betrugsdezernates, Kommissar Jörn Petersen und dessen Kollegin, Erika Fischer die große Frage, die im Raum stand. Wieder waren sie so schnell wie möglich bei der Überfallenen Bank gewesen und von den Tätern war wieder einmal weit und breit keine Spur. Vom Eingang des Anrufs bis zu ihrem Eintreffen waren gerade einmal zehn Minuten vergangen.

Unmöglich, dass der Überfall in den paar Minuten schon komplett hatte abgewickelt werden können. Die Angestellten standen immer noch unter Schock und konnten keine verwertbaren Angaben machen. Kunden hatten mehrfach versucht bei dem Geldinstitut anzurufen, bis endlich nach einer Stunde ein Mitarbeiter in der Lage gewesen war, das eingehende Gespräch anzunehmen. Bei dieser gewaltigen Zeitspanne mussten sie ansetzen. Wieso war die Zeit dazwischen kein Angestellter in der Lage gewesen, einen stillen Alarm abzusetzen oder auf Anrufe zu reagieren? Um Gewissheit darüber zu bekommen wollte diesmal Kommissar Petersen von den beteiligten Opfern eine genaue Untersuchung und darüber ein detailliertes, medizinisches Gutachten. Die Überfallenen und wohl auch bedrohten Kassierer wussten nicht einmal mehr, was in den letzten Minuten und Stunden passiert war. Bei allen Beteiligten bestand eine Erinnerungslücke. Man kannte das aus der Medizin bisher nur von schweren Unfällen oder Erlebnissen, bei denen das Gehirn zum Selbstschutz diese Vorgänge löscht, vorübergehend oder sogar ganz aus der Erinnerung streicht. Nach den Erkenntnissen jedoch, die man von den verübten Überfällen hatte, war nicht davon auszugehen, dass die Angestellten durch fürchterliche Erlebnisse einen solchen Schock bekommen haben könnten, und dann auch noch alle gleichzeitig. Nach mehreren Untersuchungen und einem ausführlichen Test kamen die Neurologen in der Universitätsklinik wie erwartet zu dem Ergebnis, dass bei allen Angestellten eine Amnesie vorlag. Wie eine solche Gedächtnislöschung ausgelöst worden war, das konnten sie nicht sagen. Als der dritte Überfall nach genau demselben Schema verlaufen war, nahmen die herbeigerufenen Beamten zuerst mehrere Luftproben an unterschiedlichen Stellen im Schalterraum. Außerdem wurden die Bekleidung und mehrere, freiwillige Blutproben der Betroffenen einer gründlichen, chemischen Analyse unterzogen. „Volltreffer! Sie hatten Recht!“ Der Mitarbeiter des Labors war am Telefon. „Es handelt sich um eine starke Droge, die wahrscheinlich mit einer Spritzpistole innerhalb der geschlossenen Räume während des Überfalls versprüht wurde, dadurch konnten die Betroffenen auch keinerlei Eindrücke wahrnehmen. Die Täter selbst müssen zwangsläufig dabei Atemmasken mit Sauerstoffflaschen getragen haben. Wie sind Sie bloß darauf gekommen?“ „Ziemlich einfach! Mehrere Angestellte und Kunden kamen nach den Überfällen ins Krankenhaus, da sie allesamt eine kurzzeitige Amnesie hatten. Bei fünf Patienten ist dieser Zustand irreparabel geblieben. Können Sie uns sagen, welche Droge dafür in Frage kommt?“ „Darüber haben wir hier im Labor auch schon gesprochen. Uns verwundert sehr, wie diese Substanzen in fremde Hände gelangen konnten. Solche Stoffe werden gezielt nur bei schweren Operationen in Verbindung mit betäubenden und schmerzhemmenden Mitteln eingesetzt um mit diesen Opiaten jegliche Erinnerung an die OP zu löschen. Aber diese wahnsinnige Idee, die Substanzen unbedacht und mengenmäßig völlig unkontrolliert mit Treibgas versetzt zu versprühen, das ist extrem skrupellos. Die Täter nehmen keinerlei Rücksicht auf Leben und Gesundheit der Opfer. Für uns ist diese Verabreichung eindeutig schwerste Körperverletzung, wenn nicht sogar vorsätzliche Tötungsabsicht! Seht ihr das anders?“ Die Beamten des Betrugsdezernates hatten alle das Gespräch mitgehört, denn ihr Kommissar hatte den Lautsprecher bei dem geführten Telefonat eingeschaltet, damit die Kollegen auch gleich dieselben Informationen erhielten. „Ihr habt uns sehr weitergeholfen. Wir sehen das genauso wie ihr. Wir müssen mit unseren Kollegen von der Mordkommission sprechen und um Amtshilfe ersuchen, vielen Dank!“ Dem Kollege aus dem Labor fiel noch ein weiteres, wichtiges Detail ein, deshalb ergänzte er noch schnell: „Übrigens, jeder Narkosearzt kennt die richtige Zusammensetzung. Da könnte man ansetzen. Irgendwo müssten doch große Mengen davon bestellt und geliefert worden sein.“ Es war alles gesagt und die Mitarbeiter waren froh, als ihr Chef das heutige Arbeitsende verkündete. Es war genau 22.o5h.

Am nächsten Morgen klingelte im Büro das Telefon. Ein Zeuge hatte am frühen Morgen vor dem letzten Überfall eine interessante Beobachtung gemacht. Wie sich bei der späteren Aussage des Rentners herausstellte, war ein geschlossener Lieferwagen auf den Parkplatz hinter der Bank gefahren. „Kammerjäger, Insektenstopp“ oder so ähnlich hatte nach seiner Aussage auf beiden Seiten des Kleintransporters mit großen Buchstaben als Reklame gestanden. Ihm war aufgefallen, dass keine Adresse oder Telefonnummer vermerkt war. Auch dass die Männer in ihren grauen Overalls und mit Atemmasken ausgestiegen und sofort in die rückwärtige Tür des Geschäftshauses gegangen waren, erschien ihm seltsam. Trotzdem maß er den Beobachtungen solange keine weitere Bedeutung zu, bis er von dem Überfall und den Vergiftungen der Angestellten im Fernsehen erfahren hatte. Daraufhin meldete er seine Beobachtungen sofort der Polizei. Das brachte natürlich die ermittelnden Beamten ein riesiges Stück weiter. Eine Fahndung nach dem dürftig beschriebenen Lieferwagen herauszugeben, schien noch verfrüht. Ohne KFZ-Zeichen waren die Angaben denn doch viel zu vage für eine zielgenaue Suche nach dem Fahrzeug. Aber nach dem Mittel, dass versprüht worden war, danach suchten sie nun mit Hochdruck. Alle Kliniken wurden angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Das Dezernat bekam die richterliche Erlaubnis, auf eine gründliche Inventur von Opiumalkaloid zu bestehen. Bei Ärzten, Krankenhäusern Apotheken und den produzierenden Konzernen wurden nach dem Verschwinden solcher Substanzen gesucht. Ohne Erfolg! Die groß angelegten Razzien, die dann folgten, hatten lediglich zur Folge, dass sich die ermittelnden Beamten von Seiten der Mediziner einer wahren Anzeigenflut gegenübersahen. Das Dezernat stand nun unter Druck. „Wo, zum Teufel bekommen die das Gift Zeug nur her?“ Die Anwärterin Erika Fischer schaute ihren Chef bei der gestellten Frage an. Es war der Schlüssel zur Lösung des Falls, soviel war ihnen klar. Nun hatten sie zur Verstärkung noch drei Kollegen dazubekommen: „Ich will Erfolge sehen!“ hatte ihr Chef gesagt und damit den Druck des Staatsanwaltes an sie weitergegeben. „Die Presse schreibt von Unfähigkeit der Polizei und zweifelt unsere Kompetenz an. Ich will dieses leidige Thema in einer Pressekonferenz entkräften. Sie haben genau noch 48 Stunden Zeit dazu. Wenn ich bis dahin keine Klärung des Falls auf meinem Schreibtisch habe, können sie wieder Streife laufen! Alle!“ Die Beamten schauten sich an. Diese erpresserischen Worte hatten sie schon zu oft von ihm gehört. Auch wenn ein Fall ungelöst zu den Akten gewandert war, zur Streife wurde bislang noch keiner von ihnen abgestellt. Trotzdem nickten sie und vertrösteten ihn: „Wir werden das schaffen, Chef! Das Medikament ist der Schlüssel!“ damit gab er sich zufrieden, ging zur Tür und drehte sich noch einmal um. Er hob den Zeigefinger und wiederholte: „48 Stunden!“ dann verließ er das Büro. Erika war die erste, die eine Frage formulierte: „Wenn man die Ampullen gestohlen hat und man sich deshalb schämt und Unruhe vermeiden will, was dann?“ Die Beamten verdrehten die Augen. Von einer Anwärterin wollten sie sich nicht belehren lassen: „Inventur! Wissen Sie was das heißt?“ Einer der neu zugeteilten Kommissare ging näher auf sie zu: „Der Staatsanwalt hat doch von euch alle Daten, Antworten, Schreiben und Telefonate bekommen und überprüfen lassen. Wie soll dabei eine so große Anzahl Narkotika übersehen werden? Das Zeug wird irgendwo illegal in einem geheimen Labor hergestellt, sage ich euch!“ Nun schaltete sich der leitende Kommissar ein: „Bitte, keine falsche und überhastete Überlegung. Sie dürfen die chemische Analyse nicht beiseitelassen. Unser Labor hat eindeutig festgestellt, dass es sich um ein Mittel handelt, dass bei schweren Operationen zum Einsatz kommt. Keine gepanschte Suppe, es ist ein bekanntes, eindeutig identifiziertes Medikament. Opiumalkaloid. Und jetzt an die Arbeit! Ich will Vorschläge haben.“ Er schaute auf sein Handgelenk: „Wir haben ab jetzt noch genau 47 Stunden und dreißig Minuten!“ Die Beamten gingen in ihre Büros. Sie waren in drei Teams eingeteilt worden und berieten sich nun, um der Sache auf den Grund zu gehen. Dieses verfluchte Mittel wird von Apotheken nur und ausschließlich an Krankenhäuser und Ärzte geliefert. Selbst mit einem ausgestellten Rezept wäre es unmöglich, als Patient dieses Präparat in Händen halten zu können, geschweige denn in solchen Mengen verwenden zu können. Es musste eine andere, einfachere Möglichkeit geben! Was könnte man grenzüberschreitend machen, um auch die Kollegen in den Nachbarländern darüber aufzuklären und um Amtshilfe zu bitten? Interpol einschalten? Als sie mit solchen Vorschlägen zum Amtsleiter gingen, um sich die entsprechende Erlaubnis und Freigabe zu holen, bekamen sie eine unverständliche Absage. Resignation stellte sich ein. Es war dem Fall, trotz der Verstärkung recht abträglich, denn die Beamten waren ratlos und setzten eher auf einen Zufallstreffer, als dass sie durch reine Ermittlungsarbeit zu einem Ergebnis kommen könnten. Das Gegenteil war jedoch der Fall! Schon am nächsten Tag wurden sie mit einem weiteren Überfall nach gleichem Muster konfrontiert. Auch diesmal gab es nur die schon bekannten Indizien. Keine einzige neue Erkenntnis konnten sie dem neuen Raub abgewinnen. Die Verzweiflung stieg und die gesetzte Frist verstrich. Die angesetzte Pressekonferenz fand unter den bohrenden, unangenehmen Fragen der Reporter im Rathaussaal statt. Die anwesenden Kommissare mussten eingestehen, dass sie mit ihren bisherigen Ermittlungen keinen einzigen Schritt weitegekommen waren. In den Zeitungen an darauffolgenden Tag wurde kein gutes Blatt an ihnen gelassen. Da die Überfälle in den darauf folgenden Wochen und sogar Monate aufgehört hatten, wurde die Akte unerledigt geschlossen. Man würde bei neuer Beweislage den Fall wieder aufrollen.

Der Haupttäter

Dr. Jörn Friederichs trat seinen jährlichen „Urlaub“ an. Ein immer gleicher Urlaub, der ihm schon voriges Jahr viel Anerkennung und Ruhm beschert hatte. Nun war er dafür sogar vor der hiesigen Ärztekammer für eine öffentliche Ehrung vorgeschlagen worden, denn er opferte seine Freizeit in der dritten Welt regelmäßig dafür, den ehrenamtlichen Kollegen als Narkosearzt für vier Wochen zur Verfügung zu stehen. Von den Regierungen der westlichen Welt wurden die nötigen Finanzierungen übernommen. Den Medizinern standen sämtliche Instrumente, Gerätschaften und klimatisierten Räumlichkeiten zur Verfügung. Sie konnten natürlich über die notwendigen Medikamente frei verfügen. So hatte Dr. Friedrichs hier in Afrika für seine anstehenden Operationen natürlich auch Narkotika in Verwendung gehabt, die ihm nach seiner getanen, aufopfernden Arbeit im unkontrollierten Reisegepäck zurück in Deutschland bei seiner dritten Arbeit als „Kammerjäger“ sehr viel Geld einbracht hatte. Die Suche der Kriminalpolizei nach genau diesem Medikament ließ ihn stutzig werden. Deshalb legten er und seine „Freunde“ eine Pause ein, bis sich die Lage wieder beruhigt hatte. Vielleicht würden sie ja eines Tages mit einem ähnlich wirkenden Mittel nach bekanntem Muster wieder weitermachen, mit den Banküberfällen. Jetzt stand erst einmal seine Ehrung im Terminkalender. Er hatte sich ein besonderes Ansehen durch seine Urlaube erarbeitet. Nun wurde er zum Stationsarzt befördert und arbeitet nur noch sporadisch im Ausland. Seine Gelder hat er unter anderem auch in teure Immobilien angelegt. Es geht ihm ausgesprochen gut. Nur wenn er in der Zeitung von den ungeklärten Banküberfällen liest, dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Die einzige Sorge, die ihn plagt ist, dass auch die anderen so geduldig sein mögen, wie er selbst. Nur die Unvorsichtigen werden gefasst, weil sie sich ihrer Sache zu sicher sind. Dr. Friedrichs hat noch lange Jahre als angesehener Schönheitschirurg im Ausland gelebt und nebenbei in den Slums des Landes die arme Bevölkerung kostenlos operiert, bis er sich mit dem Sumpffieber infiziert hatte. Er starb schließlich am Dengue-Fieber, ohne dass man von seinen Untaten je erfahren hätte. Ihm wurde ein großes Begräbnis zuteil. Sein gesamtes Vermögen ging an den Heimatstaat über, da auch nach seinem Ableben weder ein Testament noch ein eventueller Erbe ausfindig gemacht werden konnte.

Die Geduld ist zu Ende ...

Immer musste sie klein beigeben und zurückstecken. Ihr Freund hatte sich verändert und zeigte jetzt sein wahres Gesicht. Sie liebte ihn doch, aber was er mit ihr anstellte war bald nicht mehr zu ertragen. Ja selbst ihre besten Freundinnen wandten sich von ihr ab: „Du verhältst dich wie ein Schaf, dass auf seine Schlachtung wartet. Werde endlich wach! Der nutzt dich nur aus.“ Sie wollte solche Worte über ihren Geliebten nicht hören und ignorierte sie, obwohl sie in ihrem Innersten auch merkte, dass seine Aufmerksamkeit und Zuneigung ihr gegenüber schwer nachgelassen hatte. Vor fremden Leuten stellte er sie bloß und beleidigte sie, als wäre das sein neuster Sport: „Fett bist du geworden, mein Gott. Wie konnte ich nur auf so etwas reinfallen!“ Wenn sie dann zuhause in der gemeinsamen Wohnung waren und sie mit einem Weinkrampf im Bad verschwand, hatte er die schönsten Komplimente für sie parat. Er beteuerte immer wieder seine Zuneigung zu ihr und dass er sich ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen könnte. Ihr ging sein seltsames Verhalten sehr nahe: War er schizophren oder wollte er sich nur vor den anderen brüsten weil er Komplexe hatte? Sie hatte ihn tatsächlich einmal abgöttisch geliebt . . . . aber diese Liebe bröckelte. Bisher hatte sie nie die Kraft gefunden, ihm zu widerstehen. Sie wollte nicht mehr alleine leben aber mit der Zeit wurde sein Verhalten immer unerträglicher. Die Unzufriedenheit mit ihm und letztendlich mit ihrer Art, ihm immer wieder zu verzeihen, führte dann zu einem Kollaps. Sie brach eines Tages im Büro am Computer einfach zusammen. Sie konnte sich später an nichts mehr erinnern und wachte im Bett eines Krankenhauses auf. In ihrer linken Armbeuge war eine Kanüle mit Pflastern fixiert und ließ tröpfchenweise aus einer, am Metallgalgen angebrachten Flasche, die auf dem Kopf hängend angebracht war, eine durchsichtige Flüssigkeit in ihre Vene fließen. Sie versuchte sich vorsichtig ein wenig aufzusetzen: „Wo bin ich?“ flüsterte sie und zu ihrer Überraschung erhielt sie sogleich Antwort: „Beruhigen Sie sich. Sie hatten einen Zusammenbruch. Sie sind total erschöpft. Haben Sie viel Stress auf der Arbeit?“ Sie schaute die Frau an, die sich an der geleerten Flasche zu schaffen machte und gegen eine volle austauschte. „Ähh, nein gar nicht. Ich habe einen guten Job.“ Die junge Frau nickte: „Naja, wir werden das schon herausbekommen, woran es gelegen hat. Jetzt haben Sie erst einmal Ruhe. Schlafen Sie.“ Sie wollte etwas sagen, aber die aufkommende Müdigkeit schickte sie zurück ins Traumland. „Was war in der Flasche?“ lallte sie noch, dann war sie weg. Als sie wieder zu sich kam und in das freundliche Gesicht der bekannten Frau schaute, fragte sie nach ihrem Freund. „Sie dürfen noch niemanden empfangen und benötigen strikte Ruhe. Dieser Zusammenbruch kann auch durch ihre private Situation gekommen sein!“ Empört erwiderte sie:“ Unsinn, was reden Sie denn da? Ich bin glücklich mit Peter!“ Ihre verständnisvolle Gesprächspartnerin nickte: „Na klar. Das denken Sie. Ihre wilden Träume und ihr ängstliches Ablehnen spricht da aber eine andere Sprache.“ Verwundert sah sie auf: „Was? Ich rede doch nicht im Schlaf!“ Nun lachte ihre Betreuerin: „Und wie! Sie reden wie ein Wasserfall. Immer die gleichen oder ähnlichen Sprüche: -Nein, ich will das nicht, warum bist du so grob zu mir, ich hasse dich! –Wir vermuten, dass Sie misshandelt werden.“ Jetzt stieg Empörung in der jungen Frau auf: „Na hören Sie mal. Wie reden Sie eigentlich mit mir? Ich will sofort den behandelnden Arzt sprechen!“ Die junge Frau nickte: „Sie sprechen schon seitdem Sie hier auf der Station sind mit mir. Ich bin die Stationsärztin und ich rate Ihnen dringend: Trennen Sie sich von Ihrem Peter, bevor es zu spät ist. Schwanger sind Sie zum Glück nicht und Kinder haben Sie auch noch keine.“ „Woher wissen Sie das?“ „Kindchen, Sie sind wirklich sehr naiv für Ihr Alter. Sie werden nächste Woche entlassen, wenn Sie mir versprechen regelmäßig zur Therapie zu gehen.“ Olga wollte wieder in ihre Wohnung und bejahte schnell den gutgemeinten Vorschlag der Ärztin. Wenn sie erst einmal wieder zuhause war, so würde sich auch alles wieder von alleine einrenken. Am Freitagnachmittag der folgenden Woche war es dann soweit. Sie stand im Foyer und wartete auf das Taxi. Wo war ihr Freund? Insgeheim hatte sie damit gerechnet, dass er mit einem dicken Blumenstrauß hier herkommen und sie abholen würde. Das vom Krankenhaus bestellte Taxi kam und sie nannte ihre Adresse. In freudiger Erwartung kam sie nach zwanzig Minuten an und stieg die Treppe zum gemeinsamen Appartement hoch. Sie kramte den Schlüssel der Wohnungstür hervor als sie noch drei Treppen zu steigen hatte. Endlich war sie an der Tür. Sie stellte die Tasche mit ihren Sachen ab und schloss auf. Offensichtlich war Peter schon zuhause, denn seine Sachen lagen wüst verstreut im Flur. Das war nicht seine Gewohnheit. Sie bückte sich, um sie aufzuheben und hielt einen Büstenhalter in der Hand. Einen fremden Büstenhalter!! Sie verkniff sich ein: „Peter? Wo steckst du?“ denn das war unnötig. Sie schlich sich zum Schlafzimmer, denn da hatte sie leise Geräusche gehört. Es war für sie keine Überraschung, dass er die geöffnete Tür und ihr Rufen überhörte. Er lag in wilder Umarmung mit einer Blondine in ihren gemeinsamen Federn und die beiden vergnügten sich so wild, dass sie ungestört die Wohnung wieder verlassen konnte. Nicht jedoch ohne vorher aus der Handtasche dieser Schlampe, die im Wohnzimmer lag, den Ausweis mitgehen zu lassen. Beide hatten noch nicht einmal mitbekommen, dass sie Zeuge dieser Zweisamkeit geworden war. Sie musste an die Worte der Ärztin denken. „Wie blöd muss ich nur gewesen sein, dem Kerl so blind vertraut zu haben.“ Einfach aufgeben und damit aus seinem Leben verschwinden, das wollte sie nicht. Er sollte leiden! Sie hatte im Spital zufällig ein Gespräch zwischen der Ärztin und einem Pfleger mitbekommen: „Verwechseln Sie bloß die Spritzen nicht! Zimmer 12 bekommt Insulin, Einheit 10. Daneben, Zimmer 13 die Beruhigungsspritze. Insulin würde bei einem Menschen, der nicht an Diabetes leidet, ernste Folgen hinterlassen: Verwirrung, Kollaps, Koma und gegebenenfalls bei hoher Dosierung würde der Exitus eintreten.“ Olga grinste und hatte nur noch zwei Gedanken: Erstens, wie komme ich an Insulin? Und Zweitens: Wie kann ich den Stoff am einfachsten verabreichen?

Sie ging in ein Café und studierte den fremden Ausweis: Jasmin Neumann, Klostergasse 3. Sie erbat sich ein Telefonbuch und notierte ihre Telefonnummer. Dann rief sie eine Stunde nach diesem Vorfall zuhause an. Jetzt müssten die beiden ja wohl fertig sein. „Ja bitte?“ Peter meldete sich nie mit seinem Namen aber seine Stimme klang nun nicht mehr so vertraut für sie, da sie immer noch die eben gemachten Eindrücke vor Augen hatte. Sie bemühte sich, ruhig zu bleiben: „Hallo, ich bin es, Olga!“ Er zögerte einen Augenblick zu lange und stotterte dann in den Hörer: „Ah, Olga, wie geht es dir? Ich durfte dich nicht sehen. Darfst du jetzt Besuch empfangen?“ Sie musste über seine plumpe Art lächeln: „Ich bin eben entlassen worden und auf dem Weg nach Hause. Freust du dich?“ Das Telefon schwieg und erst nach einer ganzen Weile hörte sie ein: „Äh, ja na klar. Also wann bist du hier?“ Am liebsten hätte sie ihn gefragt, wie lange seine Begleitung denn noch brauchen würde, um die Wohnung zu verlassen. Aber das gehörte nicht zu ihrem Plan. „Ich wollte noch eine Tasse Kaffee trinken, danach komme ich. So gegen 18.00 h, wieso fragst du?“ Sie spürte seine Erleichterung und er log: „Ich will noch ein wenig aufräumen, weißt du.“ Sie wusste, was ihr Peter damit gemeint hatte. Also nutzte sie die Zeit und ging in eine Apotheke: „Bitte schön, wie kann ich Ihnen helfen?“ Ein ergrauter, kleiner Mann mit Nickelbrille und weißem Kittel sprach sie freundlich an. „Ich wollte mich beraten lassen“, sagte sie und fügte schnell hinzu: „für meine Omi, wissen Sie?“ Der Mann schaute abwartend über den Rand seiner Brille und sprach: „Ja? Worum geht es?“ Olga, die von dem Altersdiabetes ihrer Großmutter wusste, nahm dies als Vorwand. „Meine Omi benötigt drei Mal täglich eine Spritze mit Insulin, Diabetes Mellitus, wissen Sie? Also meine Frage ist, kann man Insulin in der Dosis auch anders verabreichen? Ihre Bauchdecke und die Oberschenkel sind stark verhärtet, jede Spritze verursacht ihr jetzt schon immer Schmerzen.“ Der Apotheker nickte verständnisvoll: „Wenn die Patientin Insulin benötigt, so gibt es leider keine andere Möglichkeit, tut mir leid.“ Olga wurde unsicher und meinte: „Omi weiß nichts davon, dass ich mich danach erkundige. Ich wollte mich nur schlau machen, aber Sie haben recht, ich werde mit dem Doktor sprechen.“ Sie nickte zum Abschied und ging eilig hinaus. Sie musste mit der Großmutter sprechen und sich informieren, wo sie die benötigte Menge her bekommen könnte. Sie ging um den Häuserblock und steuerte ihre Wohnung an. Schon von weitem sah sie Peter vor dem Haus nervös auf und ab gehen. Beim Näherkommen bemerkte sie, dass er an den Fingernägeln kaute. Eine Angewohnheit, die sie zuvor an ihm noch nie gesehen hatte. „Das ist sein schlechtes Gewissen!“ murmelte sie und heuchelte anschließend Frohsinn, ihn wieder in ihre Arme schließen zu können. Sie musste ihren Ekel überwinden, denn er roch immer noch nach dem fremden Parfüm dieser anderen Frau. Der Abend verlief unerwartet friedlich und er ließ sie auch sehr rücksichtsvoll früh zu Bett gehen. Ihre knappe Erklärung: „Ich bin noch nicht ganz fit!“ hatte er nickend zur Kenntnis genommen. Da er sehr vorsichtig und fürsorglich mit ihr umging, kamen ihr im Bett Zweifel. Hatte er sich geändert? War er dazu bereit, sie ab nun anders zu behandeln? Die wirren Gedanken zerplatzen wie eine Seifenblase, als sie wieder das wilde Wühlen zwischen Peter und dieser fremden Frau vor Augen hatte. Nein, sagte sie sich, das ist ein falscher Ansatz. Er weiß im Augenblick nicht, wie er seine heimliche Affäre vertuschen soll. Sie entwickelte ihre eigene Strategie: Großmutter besuchen, Arzt fragen und das Medikament für ihre Zwecke besorgen. Am nächsten Morgen fand Peter die Idee super, zu ihrer Omi zu fahren, denn er wusste, dass Olga mindestens einmal übernachten musste, um sie in Süddeutschland besuchen zu können. Sie fuhr, denn was er in den nächsten zwei Tagen anstellen würde war ihr natürlich bewusst und dank ihrer Pläne völlig egal. Ihre Großmutter war freudig überrascht und empfing die Enkelin mit warmer Herzlichkeit. Als sie im ehemaligen Elternhaus ihr Kinderzimmer betrat, wurde ihr doch widererwarten wehmütig ums Herz. Oma hatte das große Haus nie wieder neu vermieten können, als ihre Tochter, Marias Mutter, mit ihrem Mann vor fünf Jahren den tödlichen Unfall hatte. Maria war damals im Internat, wo sie auch Peter kennengelernt hatte. Sie dachte oft an die schöne Zeit zurück, als sie noch verliebt im Gras gelegen und sich ewige Treue geschworen hatten. Wie eine Seifenblase im Wind war dieser Traum zerplatzt, als sie ihren Peter mit dieser Blondine zusammen überrascht hatte. Ihr Vorteil war, dass er nicht das Geringste davon zu ahnen schien, denn er hatte sich in seiner Wesensart seit diesem denkwürdigen Tag nicht verändert. Oder doch? Zweifel kamen in der jungen Frau hoch, denn immer wenn er nun mit seinen Freunden eine „Sause“ um die Häuser machte, sah sie ihn mit dieser Schlampe in irgendwelchen Laken wühlen. Dem Treiben würde sie ein jähes Ende bescheren, auf ihre Weise! Die Verabreichung von Insulin als Spritze darf nicht an gesunden Menschen erfolgen, denn es wäre extrem gesundheitsgefährdend, bei höherer Dosis sogar tödlich. Das hatte sie jetzt mehrfach von verschiedensten Seiten her gehört und spornte sie an, sich einen „PEN“ zu besorgen. Eine Füllerähnliche Mehrfachspritze, mit der man die Dosierung individuell einstellen und schnell verabreichen konnte. Aus der vollen Ampullen-Dose ihrer Großmutter hatte sie eine dieser kleinen Gläschen mitgenommen. Wieder daheim wartete sie ab, bis ihr Peter wieder einmal von seiner nächtlichen Tour endlich nach Hause gefunden hatte. Er war leicht angetrunken und hatte einen fremden Parfümduft an sich, als Olga ihn dazu überredete, noch ein Glas Rotwein mit ihm zu trinken. Sie wusste aus Erfahrung, dass nach seinem üblichen Biergenuß eine halbe Flasche des vergorenen Rebensaftes zu seinem Tiefschlaf führen würde. Er benötigte keine Viertelstunde dafür, denn er schüttete den Wein wie Wasser herunter. Olga hielt sich zurück und so trank er die Flasche fast alleine aus. Er war danach nicht mehr fähig, sich auszuziehen. Olga spülte ihr Glas, zerbrach die Spitze der Insulin-Kanüle und zog die Flüssigkeit mit dem PEN auf. Die Einheit stellte sie auf Maximum. Dann legte sie seinen Bauch frei und drückte die winzige Nadel in sein Fleisch. Mit Druck wurde der Inhalt in seinen Körper geschossen. Dann nahm sie sein mobiles Telefon und suchte nach der gespeicherten Rufnummer. Treffer! „J“ . da war ihre Nummer: Jasmin. Sie wählte und wartete ab. „Ja, Schatz, ist sie wieder unterwegs?“ Olga sagte nichts. „Peter? Ist was?“ Mit verstellt, tiefer Stimme röchelte sie und legte auf. Hoffentlich würde sie reagieren und hierherkommen. Olga ließ ihn auf der Couch im Wohnzimmer liegen, kippte sein Glas um und ging. Mit dem Wagen fuhr sie in die Stadt und parkte das Auto in der Tiefgarage eines Kinos, um sich ein Alibi zu verschaffen. Die leere Ampulle warf sie in einen Papierkorb, den PEN versteckte sie im Kofferraum. (Man kann ja nie wissen!) An der Kinokasse verwickelte sie die Angestellte in ein Gespräch, damit sie in Erinnerung blieb. Dann machte sie einen banalen Aufstand, als sie sich in der oberen Etage eine Cola und Popcorn kaufte, bevor sie sich in dem Plüschsessel den Film reinzog. Am späten Abend war zu ihrer Überraschung weder die Polizei noch ein Krankenwagen vor ihrer Wohnung. Sie wollte gerade weiterfahren, als ein Nachbar sie erkannte: „Frau Müller, es ist etwas Schreckliches passiert.“ Ihr Plan schien doch aufgegangen zu sein, aber das ließ sie sich natürlich nicht anmerken: „Herr Meier? Was ist?“ Er wurde verlegen: „Die Polizei war mit einer Arbeitskollegin ihres Mannes hier. Danach kam der Krankenwagen und man hat ihn mitgenommen.“ „Danke! Vielen Dank! Ich werde zur Polizei fahren und mich erkundigen!“ Sie fuhr zur Dienststelle und bekam die traurige Nachricht, dass ihr Mann einen Kreislaufkollaps erlitten hatte und an seinem Erbrochenen erstickte, da er auf den Rücken gefallen war. Nähere Umstände würden bei einer Obduktion herauskommen. „Nein!“ rief sie. „Warum musste ich ausgerechnet heute ins Kino gehen?“ Olga war auf diesen Augenblick vorbereitet und schluchzte hemmungslos. Ein junger Beamter hatte Mitleid und versuchte, sie zu trösten, lud sie sogar später zum Abendessen ein. Das ist jetzt ein Jahr her. Dieser Polizist wohnt seitdem bei ihr und sie sind ein glückliches Paar geworden. Wenn ihre Gewissensbisse an ihr nagen, so hat ihr neuer Freund viel Verständnis dafür: „Du konntest nichts dafür! Grüble nicht so viel! Er war volltrunken zurückgekommen. Das konntest du nicht wissen. Ein Glück, dass er noch versucht hatte, seine Kollegin anzurufen.“ Sie schaute ihn an und verbarg ihr kleines Geheimnis: „Du hast so viel Verständnis für mich! Ich liebe dich!“

Das Netz der Aranea

Kapitel 1

Er verstand die Welt nicht mehr. Wieso machte er in letzter Zeit so viele Fehler? Sein Chef, der immer viel von ihm gehalten hatte, wurde langsam ungeduldig. „Wenn Sie Probleme haben, dann wenden Sie sich damit vertrauensvoll an mich. Sie waren doch sonst nicht so zerstreut, so unkonzentriert. Oder gehen Sie zu einem Arzt, nehmen Sie Urlaub. Entspannen Sie sich. Auf Dauer, und das müssen Sie selber einsehen, können wir nicht mehr einfach so darüber hinwegsehen.“ Er konnte die Sprüche nicht mehr hören, zumal er sich schon im Oktober, als ihn sein Vorgesetzter das erste Mal darauf aufmerksam machte, zusammengerissen hatte. Wieso passierten ihm immer wieder solche Fehler? Thilo Schneider, ledig, nicht unvermögend, lebte seit seiner Geburt immer noch im elterlichen Anwesen außerhalb von Hannover. Seine 40 Jahre konnte man dem durchtrainierten, sportlichen Mann bei weitem nicht ansehen. Er hatte, wie man so sagt, einen „Schlag“ bei den Frauen. Sein Charme ließ die Damenwelt schon dahinschmelzen, wenn er nur den Raum betrat. Als kaufmännischer Leiter in dem Konzern hatte er die Verantwortung über die Buchhaltung und genau da traten in letzter Zeit diese Unregelmäßigkeiten auf, obwohl er alle Unterlagen, wie zuvor auch, sorgfältig geprüft hatte. Er saß an seinem Schreibtisch, den Kopf als schwere Last in seinen beiden Händen ruhend, die Ellenbogen aufgestützt, als er ein zaghaftes Klopfen hörte. Er antwortete nicht. Seine Gedanken kreisten im Kopf und fanden keinen Ansatz, keine Lösung. Wieder klopfte es an der Glastür und er sah den milchig verschwommenen Umriss einer Frau. Auch sie musste ihn am Tisch gesehen haben. Dadurch war es ihm nun unmöglich, diese Person einfach zu ignorieren. „Herein“, kam es vorsichtig über seine Lippen, jedoch war die Aufforderung viel zu leise gekommen. Deshalb räusperte er sich, setzte sich schnell aufrecht und wiederholte lauter: „Ja, bitte?“ Er griff nach ein paar Unterlagen und seinem Füller und tat sehr geschäftig, als seine Sekretärin vorsichtig die Tür öffnete. „Ein Kaffee, Herr Schneider?“ Thilo war verwirrt. Sie kam doch nicht über den Gang zu ihm, um nach einem Kaffee zu fragen. „Frau Kramer, wie lange kennen wir uns jetzt?“ Doris schien eine solche Gegenfrage erwartet zu haben. Sie schloss die Tür und setzte sich unaufgefordert in den Sessel, der vor dem Schreibtisch stand. „Genau! Das ist es. Wir kennen uns schon zu lange. Deshalb können Sie mir auch nichts vormachen. Sie kamen eben aus dem Zimmer des Direktors und ich habe Ihnen sofort angesehen, dass etwas nicht stimmen konnte. Hat er wieder einmal getobt?“ Jetzt hob Thilo den Kopf und schaute ihr tief in die Augen: „Wieso wieder?“ Die junge Frau errötete und druckste herum. Thilo wiederholte die beiden Worte und ergänzte: „Hat er mit Ihnen in der letzten Zeit auch schon einmal über mich gesprochen?“ An Stelle einer Antwort nickte sie heftig, sagte aber nichts. „Sie haben Recht! Machen Sie uns zwei starke Kaffee und dann müssen wir reden, denn ich weiß nicht mehr weiter. Wir sind doch Kollegen, die gemeinsam im gleichen Boot sitzen?“ Doris sah in offen an und strahlte: „Ja. So ist das richtig, ich hol uns eben den Kaffee. Bin gleich wieder da!“ Sie stand auf und ging lächelnd aus dem Büro: „So gefallen Sie mir schon viel besser!“ Thilo musste sich mit einem verbünden. Was lag da näher, als mit seiner vertrauten Sekretärin zu sprechen, denn die machte seine ganze Korrespondenz. Bis Doris zurück war, ging er die Arbeitsabläufe zum x-ten Mal durch. Er bekam seine Daten über das interne Informationsnetz auf seinen Rechner. Hier stellte er die Tabellen zusammen, errechnete die Ein,- und Ausgaben und schickte die fertige Datei zurück an die Buchhaltung. Was war daran falsch? Der Schatten von Doris kam wieder den Gang entlang und blieb vor seiner milchigen Glastür stehen. Vorsichtig kam sie wieder herein und stellte das Tablett mit zwei vollen Tassen auf den Tisch. „Milch und Zucker ist schon drin, wie immer.“ Thilo rührte mit dem kleinen Löffel gedankenversunken in der dunkelbraunen Flüssigkeit, die sofort eine beige Färbung annahm. Doris, die soeben einen kräftigen Schluck genommen hatte, brachte es auf den Punkt. Sie schien seine Gedanken lesen zu können: „Haben Sie Ihre Tabellen noch im Rechner?“ Schneider schaute sie an: „Wie? Was?“ Doris fragte noch einmal: „Es könnte doch sein, dass . . .“ sie stand auf und verschloss die Tür, die nur angelehnt war. Leise sprach sie weiter: „Ich meine, wenn nun einer in der Buchhaltung Ihre Tabelle verändert weitergibt, was dann?“ Thilo hatte auch schon daran gedacht, wusste aber nicht, wie man das beweisen könnte. Er deutete mit der Hand auf seinen Rechner und schaute sie auffordernd an. Sie hatte eine Idee und kam um den Schreibtisch herum, drückte Thilo etwas zur Seite und tippte auf der Tastatur. Sie suchte die letzte, angeblich mit Fehlern behaftete Monatsdatei und druckte sie aus. „Augenblick!“ sagte sie und verließ das Zimmer, während der Drucker am Fenster die Blätter beschrieb. Fast zeitgleich mit den vorliegenden Papieren kam Doris freudestrahlend ins Büro zurück. Auch sie hatte nun Akten in der Hand und legte sie auf die Schreibunterlage. Dann ging sie zum Fenster und nahm die soeben gedruckten Seiten aus dem unteren Fach. „Gehen wir sie durch!“ sagte sie und verglich die beiden Dateien. „Was wird das?“ fragte Thilo, der noch immer nicht ganz den Sinn dieser Aktion verstanden hatte. „Das ist doch ganz einfach, Herr Schneider! Hier...“ sie zeigte auf die Akten, die sie geholt hatte: „Das sind die Sachen, die angeblich falsch waren und vernichtet werden sollten. Und hier, “ sie zeigte auf seine Dateien: „das sind die Originale, die Sie wirklich gesendet hatten!“ Sie beugte sich wieder über den Schreibtisch und verglich nun Zeile für Zeile. Thilo musste bewundernd anerkennen, dass dieser Weg nicht schlecht war. „Woher haben Sie die falschen Daten? Von mir doch nicht?“ Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihr hübsches Gesicht. „Von Bert! Er musste doch die Dateien neu verfassen und hatte Ihre Daten von der Buchhaltung zurückbekommen, weil man Ihnen eine Verbesserung nicht zugetraut hatte.“ Thilo zog die Augenbrauen hoch und schaute sie an. Daraufhin ergänzte sie: „Na ja. Ich nahm sie aus seinem Papierkorb, bevor die Putzfrau gekommen war.“ Dann stemmte sie ihre Hände in die Hüften: „Sie sehen, auch ich mach mir so meine eigenen Gedanken, denn ich kann mir nicht vorstehen...“ sie zuckte zurück: „was ist? Hab ich das nicht richtig gemacht?“ Thilo hatte soeben einen Blick auf die Dateien geworfen und sofort gravierende Unterschiede gesehen. Er schaute Doris an und nahm ihren Kopf in beide Hände. Dann drückte er ihr zwei brüderliche Küsse auf beide Wangen. „Entschuldigen Sie, aber das musste jetzt sein! Sie haben mich gerettet!“ Er nahm die Papiere und wollte um den Schreibtisch gehen. „Herr Schneider? Was wollen Sie damit machen?“ Thilo blieb stehen und schaute sie an. „Die ganze Sache, dieses dumme Missverständnis aufklären, was sonst?“ Er war kurz vor der Glastür, als Doris ihn eingeholt hatte: „Mit Verlaub, sind Sie wahnsinnig? Erstens dürften Sie gar nicht im Besitz dieser Unterlagen sein, die ich aus einem fremden Papierkorb genommen habe und zweitens, was hilft uns das weiter? Wir wollen doch wissen, wer hier ein falsches Spiel mit Ihnen spielt, oder nicht?“ Thilo ließ die Türklinke los und kam zum Schreibtisch zurück. „Sie sind zu gutgläubig“, sagte sie: „Sie haben Feinde, kapieren Sie das jetzt?“ Schneider ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen: „Jetzt brauch ich einen Cognac!“ Doris nickte: „So ist recht. Wir haben seit zehn Minuten Feierabend. Ich hol den Französischen, der brennt nicht so auf der Zunge!“ Überrascht