1,99 €
Ein vom Leben verwöhntes junges Mädchen ist die junge, bezaubernd schöne Pia von Faber. Niemals hat jemand ihr einen Wunsch abgeschlagen, und war dieser noch so ausgefallen und kostspielig. So ist sie es gewohnt, dass stets alles nach ihren Vorstellungen läuft.
Doch eines Tages schlägt das Schicksal unerbittlich zu. Pias geliebter Vater liegt im Sterben. Aber bevor er seine Augen für immer schließt, ringt er Pia ein Versprechen ab, dessen Erfüllung dem Mädchen den Himmel des Glücks und gleichzeitig die Hölle der Verzweiflung beschert ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 143
Cover
Neben ihr ein fremder Mann
Vorschau
Impressum
Neben ihr ein fremder Mann
Eine junge Frau bezwingt ihr Schicksal
Albert von Faber liebt seine Tochter über alles, ist sie doch das Einzige, was ihm von seiner geliebten Frau, die nach nur wenigen Ehejahren starb, geblieben ist. Und so verwöhnt der Vater Pia nach Strich und Faden und räumt ihr alle Schwierigkeiten aus dem Wege.
Fröhlich lebt das Mädchen in den Tag hinein und lässt den lieben Herrgott einen guten Mann sein. Als Albert von Faber schwer erkrankt und seinen nahenden Tod spürt, hat er nur noch den einen Wunsch, seine Tochter gut versorgt zu wissen. Und so bittet er Norbert, den er zu seinem Nachfolger im Werk auserkoren hat und wie einen Sohn liebt, seine Tochter zu heiraten. Die beiden können sich zwar nicht ausstehen, erfüllen aber dennoch den letzten Willen des Sterbenden. Albert von Faber ahnt nicht, welch ein Leid er dadurch heraufbeschwört ...
Übermütig wie ein junges Fohlen, das endlich der Enge des Stalles entronnen war, hüpfte Pia von Faber die breite Treppe hinunter, die in die Halle führte. Dabei trällerte sie vergnügt vor sich hin, während ihre schwarzen Augen vor Freude blitzten.
Es war ein wundervoller Tag! Nach zwei Jahren Abwesenheit war Pia endlich wieder zu Hause. Auf ihrer Schulter saß Bianca, eine schneeweiße Angorakatze, die leise und missvergnügt fauchte, denn das Gehopse der jungen Herrin gefiel ihr gar nicht.
Pia beachtete das Fauchen nicht. Plötzlich blieb sie stehen. Ihr leises Lachen klang auf, dann schwang sie sich trotz des empörten Protestes der Katze auf das Treppengeländer, und, hui, ab ging die Fahrt nach unten.
Als kleines Mädchen hatte Pia nur selten die Treppe benutzt, und das Treppengeländer hatte ihr den Lift ersetzt. Schwungvoll war sie jedes Mal in der Halle auf ihren Füßen gelandet.
Nur ein einziges Mal hatte es einen unliebsamen Zwischenfall gegeben, der ihr eine gehörige Standpauke ihres Vaters eingebracht hatte. Dieser Zwischenfall war dann letztendlich auch der Anlass gewesen, dass der Vater sich von der Tante hatte dazu überreden lassen, Pia für ein paar Jahre in ein Internat zu geben.
Obwohl es für sie hart gewesen war, ihre geliebte Freiheit gegen die strenge Ordnung des Internates einzutauschen, war sie dankbar gewesen, dass der Plan der Tante, Herrin im Hause des Vaters zu werden, misslungen war.
Ihr kluger Papa hatte sehr bald eingesehen, dass er sich gewaltig ins eigene Fleisch geschnitten hätte, wenn er die Schwester seiner Frau heiratete. Er hatte es vorgezogen, der Schwägerin eine kleine Rente auszusetzen, und sie in einem vornehmen Damenstift untergebracht.
Pia war wohl doch aus der Übung gekommen, denn sie landete mit einem solchen Schwung in der Halle, dass sie Mühe hatte, ihr Gleichgewicht zu wahren.
Unsanft stieß sie mit einem Mann zusammen, der gerade in diesem Augenblick aus einer Tür nahe der Treppe trat.
»Hoppla«, hörte sie eine dunkle verwunderte Stimme sagen. Kräftige Hände griffen zu und gaben ihr Halt.
Einen Moment starrte das Mädchen benommen in das straffe braune Männergesicht, das ihr völlig unbekannt war.
»Pardon«, stieß sie erschrocken hervor und verwünschte in diesem Augenblick ihren Einfall, das Treppengeländer herunterzurutschen. Irgendwie schämte sie sich vor dem Mann, der sie spöttisch musterte.
Mit einem Ruck machte sie sich von dem Fremden frei und wich zurück. Ohne noch ein einziges Wort der Erklärung zu sagen, rief sie ihre Katze herbei, die bei dem Schwung von ihrer Schulter gesaust war und nun mit gesträubtem Fell auf der unteren Stufe der Treppe hockte.
»Nun komm schon, Bianca«, sagte Pia ungeduldig, als die Katze keine Anstalten machte, zu ihr zu kommen. »Nun spiele nicht gleich die beleidigte Leberwurst. Wir gehen in den Park, dort wirst du dich bestimmt großartig vergnügen.«
Bianca maunzte jedoch hochmütig und begann sich gelangweilt zu putzen.
Pia zuckte gelassen die Schultern.
»Wenn du nicht willst, dann lass es bleiben.« Sie wandte sich zum Gehen, ohne den Mann noch eines Blickes zu würdigen, der verdutzt hinter dem jungen Mädchen hersah.
Das war Pia von Fabers erste Begegnung mit Norbert Streitberg. Sie wusste selbst nicht, warum sie den Mann vom ersten Augenblick an innerlich ablehnte.
Waren es seine kühlen spöttischen Augen? Sein selbstsicheres Wesen, seine ganze beherrschte Art, die im krassen Gegensatz zu ihrem eigenen sprunghaften Wesen stand?
Sie wusste es nicht, hätte es auch später niemals zu sagen vermocht, als sie erkennen musste, dass ausgerechnet dieser Mann der engste Vertraute und Mitarbeiter ihres Vaters war, der einen Narren an diesem Streitberg gefressen haben musste.
Es ärgerte sie, dass er wie selbstverständlich an ihren Mahlzeiten teilnahm, als gehöre er zur Familie.
Ihr Papa behandelte ihn, als wäre er sein Sohn. Freilich hatte er sich immer so sehr einen Sohn gewünscht. Aber wenn er sich schon für einen würdigen Nachfolger interessierte, musste es dann ausgerechnet dieser arrogante Kerl sein?
Pia ließ es sich sehr deutlich anmerken, dass sie den Mann nicht mochte. Aber ihre kleinen Bosheiten und Ausfälle, mit denen sie den Mann zu reizen und aus seiner Reserve zu locken versuchte, wurden nur mit einem hochmütigen Hochziehen der dunklen Augenbrauen beantwortet.
Das brachte Pia zur Weißglut. Von dem Vater sinnlos verwöhnt, der ihr jeden Wunsch von den Augen ablas, gewohnt, von der Dienerschaft respektiert zu werden, die sich beeilte, ihre Befehle unverzüglich auszuführen, hatte sie sich zu einer kleinen selbstbewussten Despotin entwickelt, die es selbstverständlich fand, dass man jedem ihrer Winke gehorchte.
Und nun traf sie auf einen Menschen, der nicht gewillt war, sich ihr widerspruchslos zu fügen, der es wagte, ihr die kalte Schulter zu zeigen und ihr sehr deutlich immer wieder zu verstehen gab, dass er sie nicht für voll nahm.
♥♥♥
»Ich verstehe dich nicht, Papa«, sagte Pia eines Tages zu ihrem Vater. »Warum räumst du diesem unausstehlichen Menschen nur so viel Macht ein? Du behandelst ihn wie einen Sohn. Merkst du denn nicht, dass er deine Zuneigung ganz schamlos ausnutzt?« Sie hatte sich wieder einmal über diesen arroganten Menschen geärgert und wollte, dass ihr Vater ihn endlich entließ.
Dieser antwortete ihr mit einer ungewohnten Schärfe in der Stimme.
»Warum magst du Norbert nicht, mein Kind? Er ist ein durch und durch anständiger Mann, auf den man sich fest verlassen kann. Zudem ist er der einzige Sohn meines Jugendfreundes. Ich bin sehr froh, dass er bei mir ist. Er wird einmal mein Nachfolger werden, denn bei ihm weiß ich das Werk in den besten Händen. Auch deine Zukunft wird bei ihm gesichert sein.«
»Willst du damit sagen, dass er einmal der Chef unseres Werkes sein wird, Vater?«, fuhr das Mädchen wütend auf. »Das darfst du nicht tun. Du willst mich doch nicht etwa der Willkür dieses Mannes aussetzen?«
Der Vater lächelte gutmütig und fuhr dann mit einer zärtlichen Geste über das wirre silberblonde Haar seines Lieblings.
»Du bist ein unüberlegter Hitzkopf, Kind. Du besitzt noch zu wenig Menschenkenntnis, um den Wert dieses Mannes erkennen zu können. Niemals wird Norbert Streitberg seine Macht zu seinen Gunsten ausnutzen. Niemand wäre würdiger, einmal mein Nachfolger zu werden als er. Zudem ist er bereits seit einem Jahr mein Teilhaber. Sein ganzes Vermögen steckt in unserer Firma. Selbst wenn ich wollte, könnte ich ihn nicht entlassen. Unsere Firma ist auf seine Einlagen angewiesen.«
»Wir sind auf sein Geld angewiesen, Papa?«, fragte das Mädchen fassungslos.
Pia hatte keine Ahnung von geschäftlichen Dingen. Für sie war der Reichtum ihres Vaters eine Selbstverständlichkeit, und sie gab das Geld mit vollen Händen aus. Ihren Vater erschreckte ihre Verschwendungssucht mitunter regelrecht.
Oft kaufte Pia achtlos völlig unnütze Dinge, die sie dann verschenkte, weil sie sie doch nicht brauchte. Sie lebte in ihrer kindlichen Sorglosigkeit, ein reizendes, sinnlos verwöhntes Mädchen. Dem Vater fehlte der Mut, sie auf den Ernst des Lebens vorzubereiten und mit ihr über seine Sorgen zu sprechen, die ihn seit einiger Zeit immer mehr bedrückten.
Zum ersten Mal erkannte Pia nun, dass nicht alles so sorglos war, wie sie bisher angenommen hatte.
»Mach dir keine Sorgen, Papa«, sagte sie. »Ich werde einen reichen Mann heiraten, und dann kannst du Streitberg auszahlen. Ich mag es nicht, wenn er sich hier Rechte anmaßt, die ihm nicht zustehen.«
»Kind, Kind«, mahnte der Vater mit einem gütigen Lächeln. »Geld ist nicht alles. Zu einer Heirat gehört Liebe, sehr viel Liebe, wenn du einmal glücklich sein willst.«
Er umfasste ihre Schultern und schaute ihr ernst ins Gesicht.
»Du bist zu impulsiv, handelst oft unüberlegt, Kleines, und lässt dich zu sehr von deinen augenblicklichen Einfällen leiten. Ich fürchte, dein kleines dummes Herz wird dir einmal sehr viel Schmerzen bereiten. Du sollst einmal glücklich werden, Kleines, so glücklich, wie ich es mit deiner Mutter gewesen bin.« Die letzten Worte hatte er in einem versonnenen Ton gesprochen.
♥♥♥
Albert von Faber sah das Bild seiner zarten Frau vor Augen. Silberblondes Haar umrahmte ein fein geschnittenes Gesicht mit seelenvollen großen Augen, die voll Melancholie waren. Er hatte sie sehr geliebt, die zarte zerbrechliche Frau, die zu zart gewesen war, um zu leben.
Zwei Jahre eines besinnungslosen Glückes, das wie ein einziger Rausch gewesen war, war ihnen beschieden gewesen. Dann hatte sie die Augen für immer geschlossen und ihn allein mit seiner kleinen Tochter zurückgelassen.
Zuerst hatte er geglaubt, ihren Verlust nicht ertragen zu können. Das Leben war ihm sinnlos erschienen, und selbst seine Arbeit konnte ihm seinen Frieden nicht zurückgeben.
Albert von Faber hatte seine Arbeit und sein Kind vernachlässigt, das ihn doch so bitter nötig gebraucht hatte. Er hatte seine Ohren vor der flehenden Kinderstimme verschlossen, die nach ihm gerufen und nach der Mutter gejammert hatte.
Doch dann war der Augenblick gekommen, der ihm plötzlich klargemacht hatte, dass es noch etwas in seinem Leben gab, für das es sich zu leben lohnte.
Wie aus einem dumpfen Traum erwacht, hatte er die alte Kinderfrau angestarrt, die völlig aufgelöst plötzlich in seinem Zimmer gestanden hatte.
Seine kleine Tochter war schwer erkrankt, und der Zustand des Kindes war so ernst gewesen, dass der Arzt keine Hoffnung mehr machen konnte. In diesem Augenblick hatte Albert von Faber begriffen, dass er in seinem eigenen Leid sein Kind vernachlässigt und fast vergessen hatte.
Pia war das letzte Vermächtnis seiner geliebten Frau, und sie hatte das Kind so sehr geliebt. Welche Seligkeit hatte in ihren schönen Augen gelegen, wenn sie das Kind geherzt und zärtlich an sich gedrückt hatte.
Liebte sie es so sehr, dass sie es zu sich holen wollte, weil sie es nicht in einer herzlosen, kalten Welt zurücklassen wollte? In einer Welt, wo selbst der eigene Vater sein Kind vergessen hatte und in seinem eigenen Schmerz versank?
Und dann hatte Albert von Faber am Bett seiner kleinen Tochter gesessen, die kleinen fieberheißen Händchen in den seinen gehalten und immer wieder, bittend und beschwörend, Pias Namen gerufen.
In diesen schweren Stunden, wo er erkannt hatte, dass er im Begriff stand, das Letzte, was ihn noch an seine geliebte Frau band, nun auch noch zu verlieren, hatte der Mann sich geschworen, von nun an nur noch für sein Kind zu leben und alles zu tun, damit ein fröhlicher Mensch aus ihr wurde.
Gott hatte sein Flehen erhört. Die kleine Pia war gesund und zum Inhalt seines Lebens geworden.
Mit den Jahren hatte sich die Trauer um die geliebte Frau gelegt. Albert war noch ein vitaler junger Mann gewesen, und es hatte auch hin und wieder Frauen in seinem Leben gegeben. Aber nur einmal hatte eine Frau den Wunsch in ihm geweckt, seiner Einsamkeit ein Ende zu machen.
Birgit Gräfin von Bergfelden war eine elegante, reizvolle Frau, die es gewohnt war, in der Gesellschaft eine führende Rolle zu spielen. Albert war überzeugt davon gewesen, mit ihr glücklich zu werden.
Doch Pia hatte sich mit einer wilden Leidenschaft gegen diese Frau zur Wehr gesetzt, weil sie ihren Papa mit niemandem teilen wollte.
Schweren Herzens hatte Albert von Faber seinen Traum von einem neuen Glück aufgegeben und sich von der geliebten Frau getrennt.
Im Grunde konnte man Pia ihren Egoismus, den Vater nur für sich zu beanspruchen, nicht einmal vorwerfen. Albert von Faber selbst hatte sein einziges Kind in seiner blinden Liebe zu dem egoistischen Menschen erzogen, der sie heute war.
Das alles ging dem Mann durch den Kopf, während sein sinnender Blick an dem zarten Gesicht seiner Tochter hing.
Wie sehr sie der Mutter glich! Nur dass bei ihr alles kraftvoller, lebensbejahender war, als bei der überzarten Mutter, die wie ein empfindsames exotisches Pflänzchen gewesen war.
Pia hatte zwar die zarte Schönheit der Mutter geerbt, aber auch die kraftstrotzende Gesundheit des Vaters. Die pfirsichzarte Haut schimmerte wie rosig angehauchter Samt. Die vollen Lippen leuchteten in natürlicher Frische wie reife Granatäpfel. Die schwarzen Augen funkelten voller Lebensfreude.
Der biegsame junge Körper war sportgestählt. Pia von Faber hatte von frühester Jugend an Sport getrieben und gehörte auch heute noch einem bekannten Sportverein an, der sich schon so manchen Preis geholt hatte.
Stolz leuchtete in den ernsten Augen des Mannes auf. Er wusste, dass seine junge Tochter sehr schön und begehrt war.
Pia war nicht nur schön, sie galt auch als eines der reichsten Mädchen in der ganzen Umgebung, und das genügte, um Mitgiftjäger auf den Plan zu rufen. Sie scharten sich um das begehrenswerte Mädchen wie die Motten um das Licht, und seitdem Pia im heiratsfähigen Alter war, begann ein regelrechtes Wettrennen um ihre Gunst.
Noch lachte Pia darüber und nahm das Werben der jungen Männer nicht ernst. Aber allmählich begann sie den Kinderschuhen zu entwachsen.
Der Mann fuhr sich besinnend mit der Rechten über die Stirn und kehrte in die Gegenwart zurück.
♥♥♥
Albert von Faber stand auf, blieb einen Moment stehen und presste unwillkürlich die geballte Faust gegen die Brust, während sein Mund sich im Schmerz zusammenpresste. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, und sein sonst so frisches Gesicht wirkte auf einmal fahl und eingefallen. Entsetzt weiteten sich die dunklen Mädchenaugen.
»Papa!«, schrie Pia auf, und ihre Hände streckten sich ihm entgegen, als wollte sie die taumelnde Gestalt auffangen. Aber Faber lächelte schon wieder, wenn auch etwas verkrampft. Ein zitternder Atemzug hob seine Brust. Langsam kehrte die Farbe in seine Wangen zurück.
»Es ist schon vorbei, Kind, mache dir keine Gedanken. Das dumme Herz spielt mir manchmal einen Streich. Aber das hat nichts zu bedeuten.«
So leicht war Pia nicht zu beruhigen. Außer sich vor Angst und Sorge um den Vater beschwor sie ihn, einen Arzt aufzusuchen. Sie gab nicht eher nach, bis er ihr sein Wort gegeben hatte, noch am selben Tage einen Herzspezialisten aufzusuchen, und bestand darauf, ihn zu begleiten.
Norbert nickte, als Faber ihm erklärte, dass er mit seiner Tochter in die Stadt fahre.
»Sie fühlen sich doch nicht krank?«, fragte er besorgt.
Pia sah ihn verwundert an. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass diese so kühle, beherrschte Stimme so besorgt klingen konnte. Hatte dieser Mann doch so etwas wie Gefühle in der Brust? Sie hatte ihn bisher für einen Eiszapfen gehalten, dessen einziges Interesse nur dem Geschäft galt. Dass er sich aber Sorgen um den Vater zu machen schien, stimmte sie ihm gegenüber etwas freundlicher.
»Das soll der Arzt ja feststellen, Herr Streitberg«, sagte Pia nun nicht so abweisend wie sonst. « Ich finde, Vater sollte sich etwas mehr schonen. Schließlich ist er ja kein junger Mann mehr und hat sein ganzes Leben hart gearbeitet und nie an sich selbst gedacht. Meinen Sie nicht auch, Herr Streitberg?«
»Ja, Sie sollten eine Weile ausspannen, Chef«, wandte Norbert sich an Albert von Faber, der völlig von seiner Tochter überrumpelt worden war. Ihm wäre es nie in den Sinn gekommen, einmal Urlaub zu machen.
»Unsinn«, wehrte er barsch ab. »Ich denke gar nicht daran. Dass ich hin und wieder diese dummen Herzschmerzen habe, das bedeutet noch lange nicht, dass ich deshalb zum alten Eisen gehöre.«
»Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen, Chef«, warnte Norbert ihn, »und einmal richtig ausspannen. In diesem Punkt stimme ich voll und ganz mit Ihrer Tochter überein.«
»Danke«, stieß Pia bissig hervor. Es wurmte sie, dass Norbert Streitberg sich ausschließlich an den Vater wandte und sie wie Luft behandelte.
Warte nur, dir werde ich es schon zeigen. Ich werde dir beweisen, dass ich kein dummes Kind mehr bin, sondern eine Frau, der man Beachtung schenkt, dachte sie.
Er schien zu ahnen, was in ihr vor sich ging. Es war nicht schwer, in den bewegten Zügen zu lesen, und das Sprühen der schwarzen Augen sprach eine beredte Sprache.
Sekundenlang begegneten sich ihre Blicke, und die dunklen sprühenden Mädchenaugen und die spöttischen grauen Männeraugen schienen ineinander zu versinken.
Schließlich löste Norbert seinen Blick von Pia und wandte sich wieder dem Chef zu, der von dem kleinen Zwischenspiel nichts bemerkt hatte.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Chef. Sie wissen, Sie können sich voll und ganz auf mich verlassen. Denken Sie nur einmal an sich selbst.«
»Ich lasse den Wagen vorfahren, Papa. Oder fährst du in meinem Wagen mit?«, wollte sie wissen.
»Nein, mir ist es schon lieber, wenn Stefan uns fährt, Pia«, wehrte der Vater fast entsetzt ab. »Nichts gegen deine Fahrkunst. Du magst eine gute Fahrerin sein, aber für meinen Geschmack fährst du zu schnell.«
»Warum hast du dir dann einen so schnellen Wagen zugelegt, wenn du ihn doch niemals ausfährst, Papa?«