Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 604 - Regina Rauenstein - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 604 E-Book

Regina Rauenstein

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Beschreibung

Corinna Nordbach durchlebt eine schwere Kindheit. Sie wird von ihren Mitschülern verspottet, gequält und geschlagen, weil sie eine dunklere Hautfarbe hat. Besonders ein Erlebnis brennt sich unauslöschlich in ihre Seele: Einmal stellt der junge Norbert Graf von Tellmann sich schützend vor sie, als die anderen sie verprügeln wollen, und beschimpft sie gleichzeitig mit vor Hohn triefender Stimme als "schwarze Hexe".
Die Jahre vergehen. Corinna reift zu einem bildschönen Mädchen heran und erlernt den Beruf der Krankenschwester. Eines Tages wird Norbert von Tellmann, der nach einem schweren Autounfall erblindet ist, ins Krankenhaus eingeliefert, und die Pflege des Grafen obliegt ausgerechnet Schwester Corinna, der "schwarzen Hexe" ...


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Inhalt

Cover

Auch dein Stern leuchtet

Vorschau

Impressum

Auch dein Stern leuchtet

Erfolgsroman um das Opfer einer liebenden Frau

Corinna Nordbach durchlebt eine schwere Kindheit. Sie wird von ihren Mitschülern verspottet, gequält und geschlagen, weil sie eine dunklere Hautfarbe hat. Besonders ein Erlebnis brennt sich unauslöschlich in ihre Seele: Einmal stellt der junge Norbert Graf von Tellmann sich schützend vor sie, als die anderen sie verprügeln wollen, und beschimpft sie kurz darauf mit vor Hohn triefender Stimme als »schwarze Hexe«.

Die Jahre vergehen. Corinna reift zu einem bildschönen Mädchen heran und erlernt den Beruf der Krankenschwester. Eines Tages wird Norbert von Tellmann, der nach einem schweren Autounfall erblindet ist, ins Krankenhaus eingeliefert, und die Pflege des Grafen obliegt ausgerechnet Schwester Corinna, der »schwarzen Hexe« ...

Die Luft war kalt und klar, und ein eisiger Wind fuhr durch die Bäume.

Die schmale Mädchengestalt, die wie gehetzt durch die sturmbewegte Nacht eilte, warf ab und zu einen furchtsamen Blick zurück.

Mutter, Mutter, das war das Einzige, was sie denken konnte.

Im Geiste sah sie die Mutter vor sich liegen auf dem Boden, sich vor Schmerzen krümmend. Sie sah sich selbst neben der Mutter knien, verzweifelt bemüht, sie aufzuheben. Sie hörte das entsetzliche Stöhnen, das immer lauter wurde und in ihren Ohren gellte, und hörte sich selbst aufschreien vor hilfloser Not und Verzweiflung.

Sie lebten ganz allein in dem Haus am Hang, sie und ihre Mutter. Vor acht Wochen hatte man den Vater weggeholt, und niemand wusste, wohin man ihn gebracht hatte. Es waren Männer in fremder Uniform gewesen. Die Mutter hatte gesagt, sie wären jetzt die Herren im Lande.

Endlich tauchte das Dorf auf. Spärlicher Lichtschimmer brach aus einigen Fenstern.

Einen Moment blieb das Mädchen stehen und rang keuchend nach Luft. Der Schweiß rann ihr über das Gesicht.

Plötzlich zuckte Marianne zusammen, ihre Augen weiteten sich entsetzt, und sie starrte auf die Gestalt, die wie aus dem Boden gewachsen vor ihr aufragte.

Leise schrie sie auf und wich ängstlich bis zu einem der Bäume zurück, die hinter ihr standen, und lehnte sich erschöpft dagegen.

Ein greller Lichtkegel zuckte auf, und sofort erlosch das Licht wieder. Eine kräftige Hand ergriff ihren Arm und zog sie von dem Baum weg.

Marianne starrte in ein dunkles Gesicht, das völlig mit der Nacht verschmolz. Nur das helle Blitzen der weißen Zähne und das Weiße in seinen Augen waren zu sehen.

»Was du machen um diese Zeit? Du wissen, dass es ist verboten, zu verlassen um diese Zeit sein Haus«, sagte er in strengem Ton.

»Einen Doktor, bitte! Meine Mutter ist verunglückt, sie braucht Hilfe, bitte«, stieß sie schluchzend hervor.

»Kommen Sie.« Der fremde Mann zog sie mit sich.

Willenlos folgte Marianne ihm. Seine Stimme übte eine beruhigende Wirkung auf sie aus, und sie verspürte keine Angst mehr. Hoffentlich war er bereit, ihr zu helfen!

Ein lang gestrecktes Gebäude tauchte vor ihnen auf. Lautes Gelächter klang heraus, das Marianne einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Nun konnte sie das Gesicht des Mannes neben sich deutlicher erkennen. Das Licht, das aus dem Fenster fiel, erhellte seine Züge.

Sie sah ein markantes männliches Gesicht mit vollen Lippen, wie man sie meist bei den Schwarzen fand. Seine Haut war nicht schwarz, sondern von einem tiefen Braun.

Er ließ sie jetzt los und öffnete die Tür. Ein paar Soldaten kamen ihnen entgegen, blieben beim Anblick des blondhaarigen Mädchens stehen und starrten sie an.

Ihr Begleiter sagte ein paar Worte in scharfem Ton, die Marianne nicht verstand. Aber sofort wichen die Soldaten zur Seite und machten ihnen Platz.

Zur Linken stieß der Mann eine weitere Tür auf und gab dem Mädchen ein Zeichen einzutreten.

Zögernd folgte Marianne dem stummen Befehl und sah mit großen Augen auf den blondhaarigen Mann, der hinter einem wuchtigen Schreibtisch saß und nun verwundert aufsah.

Ihr Begleiter trat neben sie und sprach kurz mit dem anderen Mann.

»Was sein geschehen? Warum du Hilfe suchen für Mutter?«, fragte der Schwarze sie dann in gebrochenem Deutsch.

Er schien der Einzige zu sein, der etwas Deutsch verstand und es auch leidlich sprach.

Marianne schaute auf den Offizier hinter dem Schreibtisch.

»Meine Mutter ist verunglückt. Sie hat sich schwer verbrüht, als der Wasserkessel umkippte. Ich kann ihr nicht helfen, ich bin ganz allein. Im Dorf gibt es keinen Arzt, der nächste ist unten in der Stadt. Bitte, Sie müssen ihr helfen!«

Leise begann Marianne zu weinen. Sie war Ende ihrer Kräfte. Plötzlich drehte sich alles vor ihren Augen, und ein tiefer Abgrund tat sich vor ihr auf.

Ehe sie zu Boden sank, fingen sie zwei starke Arme auf. Als ein scharfes, brennendes Getränk durch ihre Kehle rann, begann sie krampfhaft zu schlucken und zu husten. Weit öffnete sie die Augen und sah in das dunkle Gesicht über sich.

»Du machen dumme Geschichten«, sagte seine dunkle Stimme gutmütig, und in seinen Augen lag Mitleid.

Er ließ sie sofort los, als er sah, dass das Mädchen wieder fest auf ihren Füßen stand.

»Komm, wir fahren zu Mutter«, sagte er dann.

Marianne sah ihn dankbar an, nickte dem Offizier kurz zu und folgte dem Schwarzen hinaus.

Wenige Minuten später saß Marianne neben zwei Männern in einem großen Wagen, der in schneller Fahrt aus dem Dorf fuhr.

Sie fanden die Mutter bewusstlos. Mit einem Blick verständigten sich die beiden Männer. Die Verletzte musste sofort in ein Krankenhaus geschafft werden.

»Wir bringen Mutter weg. Sie muss in ein Krankenhaus«, erklärte ihr Begleiter ihr.

Einer der Männer ging hinaus und kam Augenblicke später mit einer Trage zurück, die er auseinanderklappte. Behutsam legten sie die bewusstlose Frau darauf.

Marianne hatte rasch ein paar Sachen für die Mutter zusammengepackt und folgte den Männern nun.

Dann fuhren sie mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Stadt. Jede Minute wurde für Marianne zur Ewigkeit. Endlich hatte sie das Krankenhaus erreicht.

Die Verletzte wurde sofort dem leitenden Arzt übergeben, und die weiße breite Flügeltür schloss sich hinter der Trage, auf der die Mutter lag.

Reglos und zusammengesunken saß Marianne auf der Bank und wartete. Sie fühlte sich furchtbar einsam.

Es verging eine endlos lange Zeit, bis der Arzt im weißen Kittel mit ernster Miene vor ihr stand.

»Was ist mit meiner Mutter?«, fragte Marianne mit bebender Stimme.

»Wir haben alles getan, was wir im Augenblick tun konnten«, erklärte der Arzt. »Die Verbrennungen sind sehr schwer, und es grenzt fast an ein Wunder, dass sie noch lebt. Hoffen wir, dass sie es schafft. In den nächsten Tagen wird es sich entscheiden.«

Marianne senkte den blonden Kopf auf die Brust. Tränen rannen ihr über die Wangen. Da legte sich behutsam eine Hand auf ihre Schulter.

»Du kommen, wir bringen dich heim«, sagte eine dunkle Stimme.

Mit schweren Schritten folgte sie den beiden Männern hinaus. Während der eine sich hinter das Steuer zwängte, reichte der andere, den sie zuerst um Hilfe angefleht hatte, ihr seine Hand, als sie einstieg.

Der warme Druck seiner kräftigen Finger hatte etwas Tröstendes, und Marianne fühlte sich plötzlich nicht mehr gar so allein.

In der nächsten Zeit begegnete Marianne Nordbach dem Mann häufiger. Er fragte sie immer, wie es ihrer Mutter gehe, und er freute sich, als er hörte, dass Frau Nordbach sich wider Erwarten auf dem Wege der Besserung befand.

Eines Tages stand er mit einem Paket vor Marianne. Er war sichtlich verlegen, was bei dem sonst so ruhigen, starken Mann, der wie ein Riese wirkte, seltsam anmutete.

Ein Gefühl der Zuneigung erwachte in dem jungen Mädchen.

»Das ist für kranke Mutter, damit sie ganz schnell wieder gesund wird«, sagte er mit rauer Stimme und reichte ihr das Paket. Er wartete keinen Dank ab, sondern wandte sich hastig um und ging mit raschen Schritten davon.

Marianne schaute ihm nach, und je weiter er sich entfernte, umso verlassener fühlte sie sich.

Von diesem Tage an tauchte John oft auf dem Weg auf, der zu ihrem Haus führte. Kam sie heraus, grüßte er höflich und wartete, bis sie ihn ansprach.

In den graugrünen Mädchenaugen zuckte Freude auf, wenn sie ihn sah und er die Hand, die sie ihm reichte, mit warmem Druck umfasst hielt.

Marianne verstand sich selbst nicht mehr. Ihr ganzes Denken und Trachten drehte sich nur noch um den fremden Mann, der so stolz und sicher neben ihr schritt und doch keinen einzigen Augenblick die unüberwindliche Mauer niederzureißen versuchte, die sie beide trennte.

Als es zur Gewissheit wurde, dass die Mutter genesen würde, flog Marianne ihm in stürmischer Freude um den Hals.

»Kleine Marianne«, flüsterte er, und eine Welt voller Sehnsucht lag in seiner samtweichen Stimme. »Kleine geliebte Marianne.«

Wie ein heißer Funke sprangen die Worte in ihr Herz, und der Wunsch, er möge sie einmal küssen, erfüllte sie. Was kümmerte es sie, dass John aus einem fremden Erdteil kam? Er war ein guter Mensch.

Sie standen sich gegenüber und sahen sich mit brennenden Blicken an, bis der Mann sich schließlich besann und davoneilte.

»Bleib!«, flüsterte sie erstickt.

Nachdem Mariannes Mutter aus dem Krankenhaus entlassen worden war, musste sie noch eine ganze Weile das Bett hüten.

John besuchte sie und schenkte ihr neben ein paar guten Sachen auch einen Blumenstrauß, den Mutter Nordbach mit ihren mager gewordenen Händen umfasste.

Dankbar schaute sie ihn an.

»Sie tun so viel für mich getan, Herr Spencer. Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen danken soll«, sagte sie bewegt.

Der Mann wehrte ruhig ab, und seine schwarzen Augen sahen sie warm an.

»Nicht danken, ich sehr glücklich, dass Sie werden wieder gesund und Marianne nicht mehr ist so einsam.«

»Sie sind sehr gütig, Herr Spencer«, gab sie leise zurück. Sie vertraute dem Mann, obwohl er doch ein Schwarzer war.

♥♥♥

Viele Monate waren seitdem ins Land gegangen. Winter und Sommer lösten einander ab. Die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, begannen zu vernarben. Die Zeit verrann, und über alles senkte sich der Schleier des Vergessens.

Frau Nordbach lebte mit ihrer Tochter still und zurückgezogen. Sie hatte sich nie mehr so richtig von ihrer Verletzung erholt und war kränklich geblieben.

Vater Nordbach hatte eines Tages wieder vor der Tür gestanden. Er war noch stiller und wortkarger geworden und tat sehr selten den Mund auf.

Und dann kam der Tag, an dem Marianne sich eines Nachts heimlich aus dem Hause schlich. In einem Brief bat sie die Eltern um Verzeihung. Sie könne nicht bleiben, da sie ein Kind erwartete, John Spencers Kind, der unterdessen in die Heimat zurückbeordert worden war.

Wütend zerknüllte der Bauer den Brief. Dann verließ er wortlos das Haus und kam erst Stunden später zurück.

Diese Schande traf ihn bis ins Mark. Seine Marianne, die er über alles liebte, trug das Kind eines Fremden unter dem Herzen, und dann auch noch eines Schwarzen!

Stundenlang lief der vom Schicksal geschlagene Mann durch den Wald und schrie seine Not hinaus. Als er nach Stunden heimkam, wirkte er um Jahre gealtert.

Seine Tochter existierte nicht mehr für ihn!

♥♥♥

Seitdem waren drei Jahre vergangen. Frau Nordbach litt unsagbar darunter, ihr einziges Kind verloren zu haben. Sie verfiel immer mehr, und der Arzt machte kein Hehl daraus, dass er nicht mehr viel Hoffnung hatte.

»Ja, wenn sie selbst den Willen dazu hätte, Bauer«, sagte er zu dem verschlossenen Mann, »aber sie will ja nicht mehr.« Dem Doktor war es nicht verborgen geblieben, dass die Frau an ihrer Sehnsucht nach der Tochter innerlich zerbrach.

»Sie sollten versuchen, Ihre Tochter zu finden und heimzuholen. Es ist das Einzige, was wir noch tun können.«

Der Mann gab darauf keine Antwort. Wortlos verließ er das Haus und kam erst nach Stunden zurück.

Es war ein schwerer Kampf, den er mit sich ausfocht. Er liebte seine Frau, und der Gedanke, sie zu verlieren, löste einen unbeschreiblichen Schmerz in ihm aus. Der Arzt hatte recht. Ihr fehlte der Lebenswille.

Am späten Abend betrat er das Zimmer seiner Frau.

»Was weißt du von ihr?«, fragte er.

In ihren Augen zuckte eine leise Hoffnung auf, doch noch zögerte sie.

Hatte er erfahren, dass Marianne ihr ein paarmal geschrieben hatte? War er jetzt gekommen, um ihr Vorwürfe zu machen und auch noch die letzte Verbindung zwischen ihnen zu zerreißen?

Mühsam richtete sie sich auf.

»Nichts«, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Sie war wild entschlossen, sich dieses kleine Glück nicht nehmen zu lassen.

Ihr Mann ahnte, was sie bewegte, und ein bitteres Lächeln kräuselte seinen Mund.

»Ich mache dir keine Vorwürfe, Frau«, sagte er müde und fuhr sich über die brennenden Augen. »Glaubst du wirklich, ich habe es nicht gewusst all die Zeit?«

»Du hast es gewusst und nichts dagegen gesagt?«, fragte sie ungläubig.

»Nein, ich habe nichts dagegen gesagt«, wiederholte er heiser. »Sie ist ja auch meine Tochter. Unser einziges Kind.«

Erlösende Tränen schüttelten die Frau. Sie faltete in dankbarem Gebet die Hände.

»Dann hole sie heim, Mann, hole sie heim«, flehte sie herzzerreißend.

»Ja, ich werde sie heimholen. Hier gehört sie hin. Sie ist unser Kind, ganz gleich, was auch geschehen ist.«

»Und das Kind? Ihr Kind?«, fragte sie bebend.

»Das Kind?«, wiederholte er klanglos. »Es gehört zu ihr. Sie ist die Mutter, und das arme Würmchen kann nichts für die Sünden seiner Eltern.«

Er schwieg einen Moment, und nichts war zu hören als das leise, erschütternde Weinen der Frau.

»Was ist es, ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte er dann.

»Ein Mädchen. Schau hier.« Sie hatte mit bebenden Händen unter ihr Kopfkissen gegriffen und hielt ihm nun ein Bild entgegen.

Lange betrachtete er das Foto von dem zierlichen Kind, das mit graugrünen Augen zu ihm aufsah. Die Haut war sehr dunkel, das pechschwarze Haar sehr kraus, und es ringelte sich reizvoll um das dunkle Gesichtchen. Das kleine Mädchen lachte unbekümmert und drückte eine Puppe an sich.

Es war ein sehr hübsches Kind. Die dunkle Haut wirkte südländisch, und auf den ersten Blick würde wohl kaum jemand vermuten, dass er es hier mit einem Mischling zu tun hatte.

Je länger der Mann das Kind betrachtete, umso weicher wurde ihm ums Herz. Eine große Zärtlichkeit für seine Enkelin brach jäh in ihm auf.

»Es ist ein hübsches Kind, nicht wahr, Cornel?«, fragte seine Frau ihn. »Niemand wird die Wahrheit erfahren. Hier bei uns kann es unbeschwert aufwachsen, und Marianne braucht nicht mehr mühsam den Lebensunterhalt für sich und das Kind zu verdienen. Sie hat es sehr schwer gehabt in den letzten Jahren.«

Ihr bleiches Gesicht hatte sich gerötet, und aus ihren sonst so müden Augen brach ein Leuchten, wie der Mann es schon lange nicht mehr gesehen hatte.

♥♥♥

Marianne war heimgekehrt. Aus dem jungen Mädchen war eine ernste junge Frau geworden. Ihre Hände waren rau und verarbeitet, und ihr Mund schien das Lachen verlernt zu haben.

Dennoch war sie eine schöne Frau, die alle Blicke auf sich zog. Manch einer im Dorf hätte sie gern zu seiner Frau gemacht, wenn dieses dunkelhäutige Kind nicht gewesen wäre.

Bitter spürte Marianne, dass sie eine Ausgestoßene geworden war und wohl auch immer bleiben würde.

Nur ein kurzes seliges Glück war ihr mit John vergönnt gewesen, dann war er in die Heimat zurückgekehrt. Er ahnte nichts von dem Kind, dessen Vater er war. Für ihn war eine glückselige Welt zusammengebrochen, als er sie verlassen musste. Er wusste, dass er niemals mehr eine Frau so lieben würde wie die zarte blonde Marianne.

Er hatte versprochen zurückzukommen, doch Marianne hatte gewusst, dass sie ihn nie wiedersehen und es keine gemeinsame Zukunft für sie geben würde.

Vater Nordbach zeigte mit keiner Miene, ob er das Kind liebte oder es nur duldete, während die kleine Corinna von der Großmutter verhätschelt wurde. Solange die Kleine nicht ohne Aufsicht war und nur auf dem Hof lebte oder mit der Mutter aufs Feld hinausging, gab es keine Probleme.

Doch die kleine Corinna wuchs heran, und dann kam sie in das Alter, in dem sie zur Schule musste.

Mariannes Herz krampfte sich in dunkler Furcht zusammen, wenn sie nur daran dachte.

Der alte Lehrer, bei dem Marianne selbst in der Schule gewesen war, musterte das kleine schwarzhaarige Mädchen mit dem dunklen Teint mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen.

Heimlich fürchtete er, dass das Kind es nicht leicht haben würde zwischen den derben Bauernkindern, die gewiss alles tun würden, um den kleinen Fremdling die ganze Verachtung ihrer hochmütigen Art spüren zu lassen, die ihnen von ihren dickköpfigen Eltern eingetrichtert wurde.

Corinna aber freute sich sehr darauf, nun endlich mit anderen Kindern spielen zu dürfen.

Sie war sehr stolz auf ihr hübsches Schulkleid und den schönen Lederranzen, den der Großvater in der Stadt besorgt hatte.

Corinna war ein kluges Kind und begriff sehr schnell. Das Lernen machte ihr keine Schwierigkeiten, und sie war schon bald eine der Besten in ihrer Klasse.

Aber die kleine Corinna begriff auch sehr schnell, dass sie anders war als die anderen und dass man sie verspottete und verhöhnte, und das dunkelhäutige Kind litt furchtbar darunter.

Kinder konnten sehr grausam sein. Die Kinder des kleinen Bauerndorfes wurden von ihren Eltern aufgestachelt, die es nicht dulden wollten, dass ihre Söhne und Töchter in dieselbe Schule gingen wie Corinna.