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Als Sabrina siebzehn wurde - Ein junges Mädchen im Zauber der ersten Liebe
Von Regina Rauenstein
Die siebzehnjährige Sabrina ist der Liebling aller Angestellten auf Schloss Hainau. Als Tochter des Chauffeurs ist sie hier aufgewachsen und hat in der Kindheit mit den beiden Grafensöhnen durch die langen Gänge des Schlosses getobt. Besonders mit Patrick spielte die kleine Sabrina gerne. Doch Graf Patrick hat seine kleine Freundin längst vergessen. Er ist ein Draufgänger und Lebemann, treibt sich in der Welt herum und hat ständig neue Gespielinnen. Und Sabrina vergießt Träne um Träne, denn sie liebt Patrick mit der verhaltenen Glut ihres jungen Herzens.
Sabrinas Vater weiß von ihrem schrecklichen Kummer, er will sie fortschicken, weit fort - fort aus der Nähe des Grafen. Vielleicht wird sie dann über die erste Enttäuschung ihres jungen Herzens hinwegkommen, von einer törichten, unerfüllten Liebe, die wie Gift in ihr frisst und ihr allen Frohsinn nimmt ...
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Seitenzahl: 144
Cover
Impressum
Als Sabrina siebzehn wurde
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Boiko Olha / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-8033-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Als Sabrina siebzehn wurde
Ein junges Mädchen im Zauber der ersten Liebe
Von Regina Rauenstein
Die siebzehnjährige Sabrina ist der Liebling aller Angestellten auf Schloss Hainau. Als Tochter des Chauffeurs ist sie hier aufgewachsen und hat in der Kindheit mit den beiden Grafensöhnen durch die langen Gänge des Schlosses getobt. Besonders mit Patrick spielte die kleine Sabrina gerne. Doch Graf Patrick hat seine kleine Freundin längst vergessen. Er ist ein Draufgänger und Lebemann, treibt sich in der Welt herum und hat ständig neue Gespielinnen. Und Sabrina vergießt Träne um Träne, denn sie liebt Patrick mit der verhaltenen Glut ihres jungen Herzens.
Sabrinas Vater weiß von ihrem schrecklichen Kummer, er will sie fortschicken, weit fort – fort aus der Nähe des Grafen. Vielleicht wird sie dann über die erste Enttäuschung ihres jungen Herzens hinwegkommen, von einer törichten, unerfüllten Liebe, die wie Gift in ihr frisst und ihr allen Frohsinn nimmt …
Sabrina war der Liebling aller Angestellten auf Schloss Hainau. Seitdem die Mutter vor einem halben Jahr gestorben war, wurde das Kind von allen verwöhnt. Es war meist in der Schlossküche, bei der alten Köchin Anna.
Sabrinas Vater war der Chauffeur der gräflichen Herrschaften und hatte alle Hände voll mit den fünf Wagen zu tun, die seiner Obhut anvertraut waren.
Oft kroch Sabrina bei dem Vater in der Garage herum, interessierte sich sehr für das Innere eines Wagens, und der Vater musste auf der Hut vor seiner kleinen naseweisen Tochter sein, die überall mithelfen wollte.
Selbst der Graf und die Gräfin sahen die Kleine gerne, und hin und wieder strich die vornehme Gräfin über das lange, seidige Haar des Kindes. Es war eine fast zärtliche Geste, in der so etwas wie verhaltene Wehmut lag. Nur wenige wussten, wie sehr die Gräfin sich eine Tochter gewünscht hatte. Aber sie hatte nur zwei Söhne und würde keine Kinder mehr bekommen können.
Wenn die beiden Grafensöhne in den Ferien nach Hause kamen, dann tobte die kleine Sabrina mit ihnen durch die breiten langen Gänge des Schlosses. Besonders mit Patrick spielte das kleine Mädchen gerne, während sie dem älteren Alexander mit scheuer Zurückhaltung gegenübertrat.
Am liebsten ergründeten die Kinder das große Schloss mit seinen unzähligen Zimmern, seinen Erkern, breiten Gängen und geheimnisvollen Hintertreppen, die zum Hof und zum Park hinausführten, aber schon seit Jahren nicht mehr benutzt wurden.
Eines Tages entdeckte Patrick einen Geheimgang, der sich tief unter das Schloss hinzog, von dem selbst der Vater nichts zu wissen schien. Und die Kinder verschwiegen den Geheimgang und schworen sich, niemals zu einem anderen darüber zu sprechen.
Da der Gang halbwegs verschüttet war, machten die Kinder sich eifrig daran, den Weg wieder freizulegen. Es war ein hartes Stück Arbeit, und es verging eine lange Zeit darüber, denn Patrick kam nur in den Ferien nach Hause. Und wenn er nicht dabei war, durfte Sabrina den Gang nicht betreten, sie hatte es ihm fest versprochen. So vergingen die Jahre. Sabrina war inzwischen zu einem sehr hübschen Mädchen herangewachsen. Der Vater hatte sie eine gute Schule besuchen lassen, und sie lernte leicht und schnell und brachte die besten Zeugnisse nach Hause.
Aber auch die beiden Grafensöhne waren erwachsen geworden.
Patrick, der kein sesshaftes Blut hatte, trieb sich meist irgendwo in der Welt herum. Er hatte seine kleine Freundin längst vergessen, und wenn sie sich zufällig einmal trafen, dann hob er leicht grüßend die Hand und ging schnell vorbei.
Und das Mädchen senkte den dunklen Kopf mit dem lustigen Pferdeschwanz, den sie noch immer trug. Sie hätte dann weinen mögen, denn sie liebte Patrick mit der verhaltenen Glut ihres jungen Herzens.
Aber für Patrick war Sabrina noch immer das kleine Mädchen, mit dem er einmal gespielt hatte. Dass sie zu einem liebreizenden jungen Mädchen herangewachsen war, das war ihm völlig entgangen.
***
Am Tag, als Patrick sich mit der Baroness Streitberg verlobte, verkroch sich die junge Sabrina wie ein weidwundes Tier in der kleinen Höhle im Park, in der sie früher immer mit Patrick gespielt hatte. Hier weinte sie, als wollte ihr das junge Herz vor namenlosem Weh brechen.
Ihre Hand tastete nach dem kleinen Anhänger, den sie an einer Kette um den Hals trug. Sie hatte ihn einmal von Patrick bekommen, als sie ihn unter Einsatz ihres eigenen Lebens aus dem Wasser holte, wo er fast ertrunken wäre.
Patrick schwor in diesem Augenblick seiner kleinen Freundin ewige Treue. Er nahm die Kette mit dem Anhänger ab und legte sie Sabrina um den Hals.
„Nun bist du meine Braut, es ist noch unser Geheimnis, Sabrina. Aber eines Tages, wenn ich erst erwachsen bin, dann werden es alle erfahren. Du darfst es nie vergessen und wirst die Kette immer tragen, nicht wahr?“
Ja, sie hatte es nicht vergessen und hatte auch die Kette niemals abgelegt. Aber Patrick hatte sein Wort gebrochen, er hatte längst vergessen, dass Sabrina ihm einmal das Leben rettete. Für ihn war es nur ein leichtfertiges Spiel, was ihr so bitter ernst gewesen war.
Es war eine schmerzliche Bilanz, die das junge Mädchen in der kleinen Höhle zog, und als sie nach einer Weile aufstand, da wusste sie, dass es keinen Sinn hatte, dem Verlorenen nachzutrauern.
Aber der Gedanke daran tat weh. Würde es ihr gelingen, die Liebe zu Patrick aus ihrem Herzen zu reißen?
***
Das Fest war in vollem Gange. Patrick von Hainau lachte und flirtete mit einer blonden Dame, die sehr elegant und auffallend gekleidet war. Ihr tiefes Dekolleté hatte gerade die Grenze des Erlaubten erreicht.
Komtess Anne war für ihre Extravaganz bekannt. Sie war schön, das wusste sie. Sie besaß all die Reize, die einem Mann den Kopf verdrehen konnten, und sie nützte sie auch weidlich aus.
Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, Graf Patrick dazu zu bringen, dass er sich ihr erklärte, und um dieses Ziel zu erreichen, war ihr jedes Mittel recht. Was kümmerte es sie, dass der junge Graf mit der Baroness von Streitberg verlobt war. Dieses fade, temperamentlose Mädchen würde niemals einer Anne Komtess von Wehlau den Rang ablaufen können.
Komtess Anne, die genau wusste, dass ihr nicht viel Zeit blieb, um ihr Ziel zu erreichen, war eilig von ihrer Reise zurückgekommen, als sie von ihrer Mutter um die Heiratspläne des Grafen erfuhr. Es gab eine Zeit, da war Graf Patrick ihren Reizen schon einmal erlegen, und ein einziger Fingerzeig hätte genügt, um ihn an sich zu binden.
Aber damals hatte Komtess Anne noch andere Pläne, die sich leider in Luft aufgelöst hatten. Der Prinz, nach dem sie ihre Netze ausgeworfen hatte, er hatte sich dem Befehl seines Vaters gebeugt und eine Prinzessin geheiratet.
Nun aber war Komtess Anne gewillt, sich den jungen Grafen einzufangen, und Patrick war nur allzu gern bereit dazu. Er hatte seine Verlobte vergessen, er sah nur die pechschwarzen glühenden Augen, die an feurige Kohlen erinnerten, er spürte den zärtlichen Druck des weichen biegsamen Körpers, der sich beim Tanz fast unschicklich an ihn presste, und sein aufschäumendes wildes Blut sang eine aufpeitschende Melodie.
„Wollen wir uns wieder zurückziehen?“, murmelte er drängend.
Er spielte damit auf die Zeit an, wo sie sich jedes Mal heimlich von der Gesellschaft weggeschlichen hatten, um sich in der großen Tennishalle zu treffen, die im Park lag.
Es war einer von Patricks beliebtesten Orten, wo er sich ungestört mit seiner jeweiligen Auserwählten zu treffen pflegte. Aber er wusste nicht, dass es für zwei Menschen gar kein Geheimnis war: für seinen älteren Bruder Alexander, der großzügig darüber hinwegsah, und für seine Jugendgespielin Sabrina, die ihn häufig zu ihrer eigenen Qual dort beobachtet hatte.
Komtess Anne war eisern entschlossen, der Baroness den zukünftigen Mann auszuspannen und sich selbst dafür ins gemachte Nest zu setzen.
So nickte sie auch jetzt mit glitzernden Augen, löste sich von dem Mann und raunte ihm leise zu: „Ich warte auf dich. Bringe etwas zu trinken mit, wir beide feiern dann unser Fest für uns ganz allein.“
„Du bist wundervoll, Anne“, schwor Patrick hingerissen und führte ihre Hand an seine Lippen.
Hastig zog sie ihre Hand zurück und lachte auf.
„Man wird auf uns aufmerksam, Patrick. Willst du mich ins Gerede bringen?“
Er trat schnell zurück, sah sie abbittend an und legte die Rechte auf die Brust und versicherte leidenschaftlich: „Niemand soll es wagen, auch nur ein einziges abfälliges Wort über dich zu sagen, ich würde jeden fordern.“
Spöttisch verzog sich der volle sinnliche Mund, die dunklen Augen funkelten aufreizend.
„Ein Ritter ohne Furcht und Tadel, mein Lieber. Aber du vergisst, dass man heute keine Duelle mehr führt und die Ehre der geliebten Frau mit Blut rächt. Heute genügt ein Ring und ein Eheversprechen, um die Schande wiedergutzumachen. Bist du dir darüber im Klaren?“
Wäre Graf Patrick nicht blind vor Leidenschaft gewesen, so wäre er jetzt bestimmt etwas vorsichtiger geworden. Aber er dachte nicht mehr an das Mädchen, mit dem er verlobt war, und noch viel weniger dachte er in diesem Augenblick an Sabrina, die auf einem Ast der alten Eiche saß, die genau an der Tanzfläche stand, und von wo aus sie alles sehr genau beobachten konnte.
Früher hatte sie hier manchen Abend mit Patrick gehockt und den Gästen zugeschaut. Und dann hatten beide sich ausgemalt, wie es erst einmal sein würde, wenn sie beide erwachsen waren und selbst im Festsaal tanzen würden.
Sie waren erwachsen geworden, aber nur Patrick weilte jetzt zwischen den Gästen, sie selbst hatte noch immer ihren versteckten Lauscherposten hier oben auf dem Ast. Und niemand kam, um sie, die junge, sehnsüchtige Sabrina, aus ihrer Verbannung zu befreien, um sie teilnehmen zu lassen an all dem Schönen.
Komtess Anne wandte sich mit einem vielsagenden Blick ab, eilte leichtfüßig die wenigen Stufen herunter, die in den Park führten, und verschwand zwischen den Bäumen.
Sabrina presste die Lippen zu einem Strich aufeinander. Hass und Verzweiflung tobten in ihr, als sie mit einem dunklen Blick hinter der leichtbekleideten Frau hersah.
In diesem Augenblick kam Patrick die Treppe hinunter. In seiner Rechten hielt er eine Flasche Sekt.
Sabrina sprang vom Baum herunter, stand klein und zierlich vor Patrick, die großen grünen Augen voll zu ihm aufgeschlagen.
Er fuhr erschrocken zusammen, lachte dann aber auf, als er sie erkannte, und hob grüßend die Hand.
„Hallo, Sabrina“, sagte er lässig und ging weiter. Seine Bewegungen waren ungeduldig, als habe er es sehr eilig. „Was machst du denn noch hier draußen um diese Zeit? Kleine Mädchen müssen doch längst im Bett liegen.“
„Ich habe dort oben gesessen, Patrick, wie wir es früher immer getan haben. Erinnerst du dich noch?“ Sie sagte es mit bebender Stimme, und in ihrem Herzen war nur ein einziges brennendes Bitten, dass er sich ihrer jetzt wieder erinnerte.
Aber Patrick war mit seinen Gedanken weit weg, sein Blut kochte, und sein Herz hämmerte in ungestümer Erwartung. Abwesend glitt sein Blick über das zierliche Mädchen hinweg.
„Soso – na, dann viel Vergnügen, Sabrina.“ Er trat an ihr vorbei, ohne sie überhaupt anzusehen.
„Patrick!“ Es klang wie ein leiser wunder Aufschrei.
Ungeduldig wandte er sich ihr zu.
„Ja, ist etwas, Sabrina?“, fragte er nervös.
Sie hatte sich schon wieder gefasst. Müde wehrte sie ab, ihr braunes schmales Gesicht schimmerte fast gelblich im flackernden Licht der Lampen.
„Nein – nein …“
Hastig, wie auf der Flucht, wandte sie sich ab und lief eilig davon.
Verwundert sah er hinter ihr her, dann schüttelte er den Kopf. All seine Aufmerksamkeit wandte sich wieder den kommenden Stunden entgegen, wo er in den Armen einer schönen, leidenschaftlichen Frau ein berauschendes Glück finden würde.
Vergessen war Sabrina, ausgelöscht die ferne Erinnerung, die ihm bei dem Anblick des dunklen gesenkten Kopfes mit dem wehenden Pferdeschwanz überkommen hatte.
Und während er eilig der Tennishalle zustrebte, lag oben in ihrem kleinen Mädchenzimmer ein junges Menschenkind, bitterlich weinend über das Bett geworfen, und hatte nur den einen Wunsch, sterben zu können.
Sie malte sich aus, wie Patrick schmerzlich gebeugt hinter ihrem Sarg hergehen würde, wie er plötzlich erkannte, was sie ihm bedeutete. Aber nun war es zu spät, nun konnte er niemals mehr an ihr gutmachen, was er ihr angetan hatte. All seine Tränen würden sie nicht mehr ins Leben zurückrufen, und das war gut so. Sollte er um sie leiden, so wie sie um ihn gelitten hatte, sollte er so viele Tränen um sie weinen, wie sie in den letzten Jahren um ihn geweint hatte.
Sabrina schrieb einen langen Abschiedsbrief, und die Tränen fielen auf das Papier und verwischten die Buchstaben. In diesem Augenblick verging sie fast vor Schmerz und Selbstmitleid.
Lieber Papi,
weine nicht um mich, glaube mir, es ist besser so. Er hat mir mein Herz gebrochen, und ich kann nie mehr in meinem Leben froh und glücklich sein. Aber ich will nicht, dass er an meinem Grab steht, er soll auch nicht hinter meinem Sarg gehen. Er hat unsere Liebe verraten, und ich verachte ihn bis zu meinem letzten Atemzug.
Das hatte sie noch als Nachsatz daruntergeschrieben, dann verschloss sie den Brief, stand langsam auf, griff nach ihrem Umhängetuch und legte es sich um die Schultern. Noch einmal warf sie einen Abschied nehmenden Blick um sich, huschte dann aus dem Zimmer und schloss die Tür leise zu, damit ihr Vater nicht aufwachte. Vor seiner Zimmertür blieb sie einen Moment stehen, dann schob sie den Brief entschlossen unter den Türspalt und eilte die Treppe hinunter.
Niemand sah die zarte Gestalt, die durch das Dunkel des Parks huschte. Kein einziger Blick traf mehr die große Tennishalle, obwohl sie genau wusste, dass Patrick noch mit der anderen darin war.
***
Alexander Graf von Hainau hatte nur wenig Ähnlichkeit mit seinem jüngeren Bruder. Er wirkte auf den ersten Blick viel älter und reifer, besaß ein stark ausgeprägtes männliches Gesicht, kühl blickende graue Augen und eine hochmütige Art.
Während Patrick nur wenig von regelmäßiger Arbeit hielt, konnte man sich Alexander einfach gar nicht vorstellen, dass er seine Tage in süßem Nichtstun vertat. Er leitete die große Weinkellerei des Schlossgutes, die Karpfen- und Schleienzucht, die es in diesem Jahr unter seiner Leitung zu einer Rekordeinnahme gebracht hatte.
Der alte Graf, der sehr spät geheiratet hatte, war Gott für diesen Sohn dankbar. Ihm hatte er einen ruhigen Lebensabend zu verdanken, ohne das Gefühl einer Schuld verspüren zu müssen, wie es jeden pflichtbewussten Menschen überfiel, wenn er glaubte, seine Pflicht versäumt zu haben.
Die Hitze im Saal war unerträglich geworden, so empfand es wenigstens Graf Alexander, der unbemerkt den Festsaal verlassen hatte, sich an den tanzenden Paaren vorbeidrückte und die Kühle und Stille des Parks dem lauten Treiben vorzog.
Es war eine wundervolle sternenklare Nacht. Wie weicher blauer Samt spannte sich der wolkenlose Nachthimmel über die Bäume. Voll, wie eine leuchtende Kugel, stand der Mond am Himmel und warf groteske Lichtreflexe auf den weichen Waldboden.
Helles übermütiges Lachen erklang von der großen Tennishalle her. Graf Alexander wandte den Kopf, seine Stirn zog sich in unmutige Falten, als er den Lichtschimmer erkannte, der durch die großen Scheiben nach draußen fiel.
Graf Alexander wusste sofort, dass es nur sein Bruder und wieder irgend so ein Mädchen aus der Gesellschaft sein konnte. Alexander liebte seinen jüngeren Bruder sehr, wenn er es auch nicht zeigen konnte. Aber immer wieder hatte er seine Hand schützend über ihn gehalten und ihn verteidigt. Aber damit war nicht gesagt, dass er mit dem Lebenswandel des Jüngeren einverstanden war. Im Gegenteil, ihn ärgerte es immer wieder, dass ein so junger, kraftvoller Mann seine Tage so sinnlos vertat.
Es waren schon schwere Gedanken, die den jungen Graf bewegten, als er vor der Gesellschaft floh und die Einsamkeit suchte. Vor ihm breitete sich der See aus. Er schimmerte wie flüssiges Silber, und die Wellen schlugen sanft murmelnd gegen die Böschung. Eine breite Brücke verband den Park mit dem dahinterliegenden Wald, in dem ein großes Wildgehege angelegt worden war.
Plötzlich blieb Graf Alexander mit einem Ruck stehen. Atemlos starrte er zu der schmalen Gestalt hinüber, die am Brückengeländer stand.
Fast wie eine Traumgestalt, die aus dem Nichts aufgetaucht war, mutete sie an, wie sie dastand, vom schimmernden Mondlicht umflossen. Sie stand leicht vorgeneigt, als ob ihr Blick etwas im Wasser suchen würde. Ganz deutlich hörte Graf Alexander ein heißes Aufschluchzen.
Und dann geschah etwas, was den Mann jäh aus seiner verwunderten Erstarrung in die Wirklichkeit zurückrief. Plötzlich schwang sich die leichte Gestalt auf das Geländer, und auf einmal wusste Alexander, was dieses zarte Geschöpf vorhatte.
Mit ein paar großen Sätzen stürmte er auf die Brücke und griff zu, gerade als sich das Mädchen ins Wasser fallen lassen wollte. Ein heller, spitzer Schrei klang auf, dann gab es ein kurzes erbittertes Ringen, und dann stand das Mädchen ungemein klein und kindhaft vor ihm und schluchzte leise in sich hinein.
Fassungslos weiteten sich seine Augen, als er plötzlich Sabrina erkannte. Alexander schüttelte benommen den Kopf, aber dann stieg ein jäher, ihm selbst unbegreiflicher Zorn in ihm hoch. Mit hartem Griff packte er sie bei den Schultern.
„Was soll das, Sabrina?“, herrschte er sie an.
Sie hatte den dunklen Kopf gesenkt. Wie ein dunkler Mantel hüllte ihr gelöstes Haar sie ein. Sie sah unbeschreiblich schön und betörend aus.