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Schon als Kinder sind Erich von Deggendorf und Harry von Niendorf beste Freunde, und das ändert sich auch nicht, als sie erwachsen sind. Ihre Freundschaft ist geprägt von Offenheit und Vertrauen. Dann jedoch verliebt sich Erich unsterblich in Komtess Vera, und natürlich stellt er dem Freund seine Braut vor. Harry ist fasziniert von dieser lichtvollen Erscheinung, und Komtess Vera ergeht es ebenso. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden werden ein Paar.
Von diesem Moment an verwandelt sich die Freundschaft der beiden Männer in glühenden Hass, und Erich von Deggendorf sinnt auf Rache. Viele Jahre vergehen, bis sich ihm endlich eine Gelegenheit dazu bietet. Doch dafür wird sein Triumph umso größer sein, denn für die Schmach, die Harry ihm einst antat, soll nun dessen bildhübsche junge Tochter büßen ...
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Seitenzahl: 138
Cover
An deine Liebe glaub' ich nicht
Vorschau
Impressum
An deine Liebe glaub' ich nicht
Ein Schicksalsroman um die bitteren Tränen einer Frau
Schon als Kinder sind Erich von Deggendorf und Harry von Niendorf beste Freunde, und das ändert sich auch nicht, als sie erwachsen sind. Ihre Freundschaft ist geprägt von Offenheit und Vertrauen. Dann jedoch verliebt sich Erich unsterblich in Komtess Vera, und natürlich stellt er dem Freund seine Braut vor. Harry ist fasziniert von dieser lichtvollen Erscheinung, und Komtess Vera ergeht es ebenso. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden werden ein Paar.
Von diesem Moment an verwandelt sich die Freundschaft der beiden Männer in glühenden Hass, und Erich von Deggendorf sinnt auf Rache. Viele Jahre vergehen, bis sich ihm endlich eine Gelegenheit dazu bietet. Doch dafür wird sein Triumph umso größer sein, denn für die Schmach, die Harry ihm einst antat, soll nun dessen bildhübsche junge Tochter büßen ...
Graf Niendorf wandte sich schwerfällig um, als sein Diener nach leisem Anklopfen das Zimmer betrat und den Besucher meldete.
»Baron von Deggendorf, Herr Graf.«
Tiefes Erschrecken spiegelte sich auf dem Antlitz des Grafen. Doch sofort hatte er sich wieder gefasst.
»Lassen Sie den Baron eintreten, Franz«, kam es müde zurück.
Dann standen sich die beiden Männer eine Weile stumm gegenüber.
»So also sehen wir uns wieder – Harry Niendorf«, brach der Baron als Erster das Schweigen. In seiner Stimme lag Triumph.
Der Graf musterte den anderen kühl, dann machte er eine einladende Handbewegung:
»Bitte, nimm Platz, Erich.«
»Danke«, wehrte er fast unhöflich ab. »Was ich dir zu sagen habe, erledigen wir besser stehend.«
»Wie du willst, Erich, aber darf ich dich bitten, gleich zur Sache zu kommen?«
»Nur nicht so stürmisch, mein Lieber. Du erfährst es noch früh genug.« Es klang unsagbar höhnisch und traf den stolzen Mann wie ein Schlag ins Gesicht. Umständlich öffnete der Baron seine Aktentasche. Betont langsam holte er Blatt um Blatt hervor und legte sie auf den Schreibtisch.
»Du weißt, was diese Papiere bedeuten, Harry?«, fragte er leise, und es lag eine unverkennbare Drohung in seiner Stimme.
Ja, der Graf wusste, was es mit diesen Papieren auf sich hatte. Es waren die Schuldscheine von Niendorf, und in diesen Händen bedeuteten sie den sicheren Untergang.
»Warum hast du sie aufgekauft?«, würgte er heiser hervor.
Der Baron warf ihm einen hasserfüllten Blick zu.
»Einmal hast du mir alles genommen, was mir mein Leben bedeutete. Du kennst das Sprichwort: ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹. Nun bin ich am Zug, Harry. Ich werde dich mit Schimpf und Schande von deiner Scholle jagen. Alle sollen wissen, dass der geachtete Graf Niendorf nichts weiter ist als ein Glücksritter, der durch gewagte Spekulationen seinen ganzen Besitz an den Bettelstab gebracht hat. Das ist meine Rache.«
Der Graf war auf einen Stuhl gesunken und hielt den Kopf in die Hände vergraben. Er wusste, von diesem Mann hatte er keine Gnade zu erwarten.
Als Knaben waren sie unzertrennliche Freunde gewesen. Als sie erwachsen waren, wurde plötzlich alles anders. Graf Niendorf war erkrankt und musste für längere Zeit im Krankenhaus liegen.
Als er zurückgekommen war, hatte ihm der Freund gestanden, dass er sich mit einer Komtess Vera von Haller heimlich verlobt habe und die öffentliche Verlobung in ein paar Wochen erfolgen solle. Strahlend hatte er den Freund und seine Braut miteinander bekannt gemacht.
Niendorf war vom ersten Augenblick an von der schönen Komtess fasziniert gewesen. Hals über Kopf hatte er sich in sie verliebt, aber gegen dieses Gefühl angekämpft. Komtess Vera war die Braut seines Freundes und somit für ihn tabu.
Aber dem Mädchen war es nicht anders ergangen. Neben dem stattlichen, gut aussehenden Grafen, der alle Augen auf sich zog, hatte der Verlobte klein und gedrungen gewirkt. Hinzu kam, dass Graf Niendorf reicher gewesen war und wohl in der Lage, ihr ein besseres Leben zu bieten als der Baron, der von den spärlichen Einnahmen seines Gutes leben musste.
Komtess Vera hatte dem jungen Grafen sehr offen ihre Zuneigung gezeigt und nichts unversucht gelassen, um ihm den Kopf zu verdrehen.
Und eines Tages hatte Harry das Mädchen, von seiner leidenschaftlichen Liebe getrieben, in die Arme geschlossen und geküsst. Von diesem Zeitpunkt an waren sie nicht mehr voneinander losgekommen.
Graf Niendorf hatte sich vor seinem Freund geschämt und sich immer wieder geschworen, endgültig Schluss zu machen mit dieser unseligen Leidenschaft. Er wollte dem Freund nicht wehtun, denn er hatte gewusst, wie sehr dieser an seiner Braut gehangen hatte. So hatte er schließlich um seine Versetzung gebeten.
Doch Komtess Vera hatte von seiner Absicht erfahren und ihn, bebend vor Erregung, in seiner Wohnung aufgesucht.
Begütigend hatte der Graf ihr erklärt, dass er es nicht fertigbringen würde, dem Freund die geliebte Frau zu nehmen. Da hatte sie ihm entgegengeschrien, dass sie ein Kind von ihm erwarte und niemals den Baron heiraten werde.
In der Aufregung hatten sie nicht bemerkt, dass der Baron leise eingetreten und Zeuge der Unterhaltung geworden war.
In diesem Augenblick der bitteren Erkenntnis war für den Mann eine Welt zusammengebrochen. Aus dem gutmütigen Menschen wurde ein hasserfüllter Mann, der nur noch das Ziel gekannt hatte, sich für die ihm angetane Schmach zu rächen.
Viele Jahre waren vergangen. Baron von Deggendorf hatte die Heimat verlassen, Harrys Ehe mit Vera war nicht so glücklich geworden, wie er erhofft hatte. Ihre unstillbare Lust nach Geselligkeit und Luxus hatte ihm immer große Sorgen bereitet.
Aber immer noch war er der verliebte Tor gewesen, der alles getan hatte, um die Frau glücklich zu machen. Als sein Vermögen immer mehr zusammengeschmolzen war, hatte er angefangen zu spekulieren. Am Anfang hatte er Glück gehabt und konnte sein Vermögen wieder vermehren.
Dann aber hatte er ein paar Fehlschläge erlitten und immer wieder neue Einsätze riskiert. Und eines Tages hatte er mit einem einzigen Schlag über Nacht fast sein ganzes Vermögen verloren, und nun war es immer mehr bergab mit Niendorf gegangen.
Er hatte Ländereien verkauft, sein berühmtes Gestüt aufgegeben und musste doch immer wieder neue Gelder aufnehmen.
Als Vera vor vier Jahren die Augen für immer geschlossen hatte, hatte sie nicht geahnt, wie schlecht es um Niendorf stand und wie viele Opfer der Gatte ihr gebracht hatte in seiner unendlichen Liebe.
Graf Niendorf wusste, dass dies jetzt das Ende war. Nie würde er es verwinden, die Heimat verlassen zu müssen. Dann wollte er lieber mit allem Schluss machen.
In diesem Augenblick dachte er nicht an seine beiden Kinder, obwohl er ihnen sonst immer ein zärtlicher, liebevoller Vater war.
Langsam ließ er die Hände sinken. Als er sich dann aufrichtete, lag auf seinem aschfahlen Gesicht wieder etwas von jenem Stolz, der die Niendorfs immer ausgezeichnet hatte.
»Ich bin in deiner Hand, Erich, und ich kann dich nicht aufhalten, das zu tun, was du für richtig hältst. Aber ich bitte dich, mach es kurz«, sagte der Graf kühl.
Baron von Deggendorf wurde blitzartig klar, dass er diesen Mann um alles bringen konnte, um Besitz und gesellschaftlichen Rang, aber eines würde er ihm nie nehmen können: seinen unbeugsamen Stolz und das Wissen um das Glück, das er an der Seite der Frau erleben durfte, die er einst geliebt hatte.
»Ich lasse dir eine Woche Zeit, Harry«, erwiderte der Baron. »Ist es dir bis dahin nicht möglich, diese Schuldbriefe einzulösen, dann wird Niendorf unter den Hammer kommen und in meinen Besitz übergehen.«
»Du weißt, dass es mir unmöglich ist, diesen Betrag einzulösen. Warum machst du nicht sofort Schluss?«
»Man soll jedem Menschen eine Chance geben. Auch ein Ertrinkender findet noch manchmal einen Strohhalm, an den er sich klammern kann«, gab er höhnisch zurück.
Der Graf wandte sich ab und trat ans Fenster. Mit starren Blicken sah er hinaus und wandte sich auch nicht um, als er hinter sich das Rascheln von Papieren hörte.
Hart schlug die Tür ins Schloss, und Graf Niendorf war allein.
♥♥♥
Komtess Elke von Niendorf saß auf einem Baumstumpf und malte mit den Zehenspitzen kleine Kreise in den Sand.
Neben ihr lag ein Schäferhund, der seinen mächtigen Kopf auf die Vorderpfoten gelegt hatte.
Die Komtess war eine faszinierende Erscheinung und glich ihrer verstorbenen Mutter, der schönen Gräfin, auffallend.
Ihr ährenblondes Haar war gefällig zurückgekämmt und gab das zarte Oval ihres Gesichtes frei. Große, leuchtende Augen von seltsamer Schwärze, ein Erbe des Vaters, strahlten wie Sterne, die langen dunklen Wimpern verdeckten den Blick und lagen wie Schatten auf den zarten Wangen. Ihre Gestalt war mittelgroß, ebenmäßig gewachsen und biegsam wie eine Gerte.
Nun hob Bianca den Kopf und spitzte die Ohren. Dann vernahm auch das Mädchen die eilig näher kommenden Schritte. Aufmerksam wandte es den Kopf zur Seite. Die schwarzen Augen leuchteten beseligt auf, als sie die kräftige Männergestalt gewahrte.
Der Mann kam schnell näher und blieb dicht vor dem Mädchen stehen.
»Ich habe es gefühlt, Elke, dass du auf mich warten würdest.« Er zog das Mädchen hoch und presste es ungestüm an sich.
Elke schmiegte sich willig in seine Arme, während ihr Herz stürmisch klopfte.
»Ich musste einfach kommen, Gerd, obwohl ich mir geschworen hatte, dass es nun endgültig aus und vorbei sein musste.«
»Warum muss es vorbei sein, Elke, warum?«, fragte er ungestüm und bedeckte ihr zartes Gesicht mit glühenden Küssen.
Sie stöhnte leise unter seiner leidenschaftlichen Zärtlichkeit.
»Du weißt es doch, Gerd, ich kann niemals deine Frau werden. Zu tief ist die Kluft, die zwischen uns liegt.«
Er gab sie schroff frei. Stolz und Trotz zeigten sich auf seinem jungen Gesicht.
»Ich weiß, ich bin nur der arme Müllergesell, und du bist die hochgeborene Komtess Niendorf. Aber du gehörst mir, Elke, mir! Ich werde dich niemals mehr freigeben. Ich werde in den nächsten Tagen zu deinem Vater gehen. Er muss uns die Erlaubnis geben, dass wir heiraten können.«
Sie drängte sich zitternd an ihn. Furcht lag in ihren dunklen Augen.
»Niemals wird Vater seine Erlaubnis geben, Gerd, nie.«
»Und du, Elke, willst auch du nicht meine Frau werden?«
Sie lehnte ihren Kopf an seine breite Schulter.
»Ich weiß nicht, wer du bist, Gerd, und woher du kommst. Als du mir das erste Mal gegenüberstandest und mich so vergnügt anlachtest, da erregte dein Lachen eine große Unruhe in meinem Herzen. Du, der kräftige Müllerbursche, hattest keine Scheu davor, dass ich eine Komtess war, sondern sprachst mich wie selbstverständlich an. Und ich gab dir Antwort, obwohl eine innere Stimme mir zuraunte, dass es sich für eine Komtess Niendorf nicht schickte.«
Er beugte sich zu ihr hinunter und sah ihr prüfend ins Gesicht.
»Tut es dir heute leid, Elke?«
Leidenschaftlich schlang sie die Arme um seinen Hals.
»Nein, ich liebe dich, Gerd!«
Jauchzend hob er sie auf seine kräftigen Arme und trug sie tiefer in den schützenden Wald hinein.
Es dunkelte schon, als das Paar den Weg zum Schloss einschlug.
»Schwöre mir, dass du auf mich warten willst, Elke«, verlangte er leidenschaftlich. »Ich komme wieder, Elke! Ich schwöre es bei unserer Liebe: Ich komme zurück!«
Ungestüm klammerte sie sich an ihn.
»Geh nicht fort, Gerd. Bleibe bei mir, ich flehe dich an. Ich fürchte mich ohne dich.«
»Warum fürchtest du dich, Elke?«, fragte er ernst. »Bist du nicht meiner Liebe gewiss, fühlst du nicht, dass ich ohne dich nicht sein kann, dass alles mich zurücktreiben wird zu dir, ganz gleich, wo ich auch bin?«
Die Komtess wusste selbst nicht, woher auf einmal diese brennende Gewissheit kam, dass alles zu Ende sein würde, wenn er erst einmal von ihr gegangen war.
»Elke, liebst du mich so bedingungslos, wie ich dich liebe? Würdest du bereit sein, Freud und Leid mit mir zu teilen, Armut und Sorge, wenn du nur bei mir sein könntest?«
Sie zuckte leicht zusammen. Entsetzen stand in ihren schönen Augen.
»Ich liebe dich, Gerd, aber ich fürchte mich vor einem Leben in Armut«, flüsterte sie angsterfüllt.
»Auch wenn ich bei dir bin, wenn du meine kleine Frau bist?«, flüsterte er und drückte sie fest an sich.
Wie immer übte seine werbende Stimme einen ungeheuren Reiz auf das Mädchen aus.
»Nein, ich habe keine Furcht, wenn du bei mir bist.«
»Wirst du auf mich warten, Elke? Schwöre es mir!«
»Ja, ich werde auf dich warten.« Bezwungen von der ungeheuren Macht seiner Stimme sprach sie seine Worte nach, obwohl ein unerklärliches Gefühl in ihrem Herzen sich gegen diesen Schwur sträubte.
Nach einer letzten Umarmung wandte sich Elke fluchtartig ab und eilte auf das Schloss zu, in dem schon die ersten Lichter aufflammten.
♥♥♥
Baron von Deggendorf durchschritt mit finsterem Gesicht die große Flucht seiner Zimmer. Unmut lag um seinen straffen Mund, als er nach kurzem Anklopfen das Gemach seiner Schwester betrat, die bei seinem Eintritt den Kopf von ihrer Stickerei hob und ihn fragend ansah.
»Allein?«, fragte er kurz, während er sich suchend umsah. »Wo ist Michael?«
Baroness Cläre von Deggendorf war eine Frau in den besten Jahren. Aus ihren weichen Zügen strahlten Güte und Verstehen.
Michael war ihr Sohn, aber ihr Bruder hatte ihn an Kindes statt angenommen, nachdem Michaels Vater, Cläres Verlobter, bei einem Unfall ums Leben gekommen war.
Keiner ahnte, dass Baron Michael von Deggendorf in Wirklichkeit ein uneheliches Kind war und nur der angenommene Sohn des Barons.
Michael selbst wusste es. Seine Mutter hatte ihm die volle Wahrheit gesagt. Es hatte seiner zärtlichen Liebe zu der Frau, die seine Kindheit behütet und bewacht hatte, keinen Abbruch getan.
Sie war dem Bruder von ganzem Herzen dankbar, dass er sich schützend vor sie gestellt hatte und ihrem Sohn ein liebender Vater geworden war.
Erich von Deggendorf hatte sich nicht entschließen können, nach seiner großen Enttäuschung eine Ehe einzugehen, obwohl er der letzte Namensträger war.
Baroness Cläre hatte auf den ersten Blick erkannt, dass ihr Bruder sehr erregt war.
Sie ließ ihre Arbeit sinken, stand langsam auf und trat auf den Teetisch zu.
»Willst du dich nicht setzen, Erich? Du siehst so abgespannt aus«, sagte sie freundlich. »Der Tee ist frisch aufgegossen und schmeckt vorzüglich.«
Unmutig wehrte der Mann ab.
»Ich habe jetzt keine Zeit, Cläre. Ich muss Michael dringend sprechen. Wo der Bub nur wieder steckt?«
Die Frau lächelte leise in sich hinein. Es reizte sie immer wieder zum Lachen, wenn ihr Bruder ihren Jungen noch als Buben bezeichnete.
Dabei war Michael fast eins achtzig groß und überragte den Vater beträchtlich.
»Er hat sich mit seinen Klubfreunden verabredet. Sie tragen ein Rennen mit ihren Wagen aus.«
»Ich habe es ihm doch verboten«, ereiferte der Baron sich. »Will der Junge denn unbedingt seine Knochen demolieren? So ein verfluchter Leichtsinn. Und du duldest es?«
»Du bist viel zu ängstlich, Erich«, beschwichtigte Cläre ihn. »Sie sind jung und lieben die Gefahr. Erinnere dich nur daran, war für ein verwegener Reiter du in deiner Jugend warst. Vergiss nicht, dass Michael ein Deggendorf ist, Erich, und die Männer unseres Geschlechtes haben sich immer durch besonderen Mut und Tapferkeit hervorgetan. Willst du, dass dein Sohn anders handelt, sich einen Feigling schimpfen lässt, nur weil er dir gehorsam sein will?«
Wieder einmal hatte die Frau die richtigen Worte gefunden, um den Zorn des Bruders zu besänftigen.
»Du hast ja recht, Cläre. Ich habe immer Angst, dem Jungen könnte eines Tages etwas zustoßen. Ich könnte es nicht ertragen«, gab er schon wieder ruhiger zurück.
Er strich der Schwester wortlos über den Arm und ging dann hinaus.
In seinem Zimmer angekommen, lief er rastlos auf und ab. Er dachte an das Gespräch mit dem einstigen Freund, und wie ein giftiger Stachel fraß sich die Erkenntnis in ihn, dass er den Stolz des Grafen nicht hatte brechen können. Vielleicht wäre er sogar zu einem Entgegenkommen bereit gewesen, wenn Harry nur ein einziges bittendes Wort ausgesprochen hätte.
»Ich werde dich vernichten, Graf Niendorf, so vernichten, dass man deinen Namen nur noch mit Verachtung aussprechen wird«, flüsterte er hasserfüllt.
Plötzlich glaubte er eine zarte, lichtumflutete Mädchengestalt vor sich zu sehen. Sie hatte wundervoll schimmerndes Blondhaar, große schwarze Augen, einen roten leuchtenden Mund und zwei entzückende Grübchen in den Wangen.
Komtess Elke von Niendorf. Zweimal war er dem bildhübschen Mädchen schon begegnet, und es hatte ihm jedes Mal einen stechenden Schmerz versetzt, als er die starke Ähnlichkeit mit der Frau erkannt hatte, die ihn so schmählich betrogen hatte.
Ein grausames Lächeln verzog seinen Mund.
Ja, nun wusste er den Weg, den er einschlagen musste, um den Stolz dieser Sippe empfindlich zu treffen.
Er würde Komtess Elke zwingen, seine Frau zu werden. War es nicht ein gerechter Ausgleich für den an ihm begangenen Betrug? War diese junge Komtess nicht der lebende Beweis für den gemeinen Freundesverrat?
Was lag nun näher, als dass sie mit ihrem eigenen Glück büßte, was man ihm angetan hatte, dass sie ihm nun die Kinder schenkte, um die ihre Mutter ihn betrogen hatte?